BT-Drucksache 15/4707

Äußerungen des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Tittin, über das Erkundungsbergwerk Gorleben als "Schwarzbau" vor dem Hintergrund der vorliegenden bergechtlichen Genehmigung

Vom 18. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4707
15. Wahlperiode 18. 01. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Rolf Bietmann, Dr. Peter Paziorek,
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Cajus Julius Caesar, Marie-Luise Dött,
Albrecht Feibel, Dr. Maria Flachsbarth, Jochen-Konrad Fromme, Georg Girisch,
Josef Göppel, Holger Haibach, Volker Kauder, Helmut Lamp, Doris Meyer
(Tapfheim), Franz Obermeier, Ulrich Petzold, Werner Wittlich und
der Fraktion der CDU/CSU

Äußerungen des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
Jürgen Trittin, über das Erkundungsbergwerk Gorleben als „Schwarzbau“ vor dem
Hintergrund der vorliegenden bergrechtlichen Genehmigung

Für die Endlagerung nuklearer Abfälle in Deutschland ist nach dem Atomgesetz
der Bund zuständig und verantwortlich. Hierfür liegt die Ressortzuständigkeit
beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU), dem das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als obere Bundesbehörde
nachgeordnet ist. Mittels eines technischen Erfüllungsgehilfen (Dritter), der
Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoff
mbH (DBE), errichtet und betreibt das BfS u. a. die beiden Standorte Schacht
Konrad, als genehmigtes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle
und das Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben. Mit dem Erkundungs-
bergwerk wird die Eignung des Salzstockes Gorleben als Endlager insbesondere
für hochradioaktive Abfälle untersucht.
In der ersten Lesung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU „Keine weitere
Verzögerung in der Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle“ (Bundestagsdruck-
sache 15/3492) im Deutschen Bundestag am 24. September 2004 hat der Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, die
Behauptung aufgestellt, beim Erkundungsbergwerk im Salzstock Gorleben han-
dele es sich um den „Schwarzbau“ eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle.
Wörtlich hat der Bundesumweltminister in der Debatte gesagt: „In Gorleben ist
ein Endlager gebaut worden, und zwar (…) ohne eine Plangenehmigung und
einen Planfeststellungsbeschluss. Es gibt kein atomrechtliches Genehmigungs-
verfahren für den Bau eines atomaren Endlagers in Gorleben. Diesen Schwarz-
bau haben wir in der Tat gestoppt.“ (Plenarprotokoll 15/127, S. 11603 B).
In einem Brief vom 26. Oktober 2004 schreibt der Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, zum Erkundungsbergwerk
Gorleben zudem: „Es ist (…) ein Endlager ausgebaut worden, obwohl in allen
Formulierungen, insbesondere in die Öffentlichkeit hinein, immer wieder betont
wurde, es handele sich um eine schlichte Erkundung.“ Beim Landesparteitag
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wiederholte der Bundesminister diese Be-
hauptung ein drittesMal, mit denWorten „Was da gemacht worden ist, ging über
Erkundung hinaus. Unter dem Aspekt des Atomrechtes ist Gorleben ein
Schwarzbau und nichts anderes.“ (dpa-Meldung vom 14. November 2004).

Drucksache 15/4707 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Vor dem Hintergrund der Behauptung des Bundesministers hat die Bürger-
initiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e. V. (BI) Strafanzeige gegen
„Verantwortliche des Bundesamtes für Strahlenschutz“ gestellt, um „staats-
anwaltschaftliche Ermittlungen“ anzuschieben (Pressemitteilung der BI vom
20. November 2004).
Es handelt sich am Standort Gorleben jedoch um ein Erkundungsbergwerk, für
das eine bergrechtliche Genehmigung, die die richtige Legitimation darstellt,
vorliegt. Eine atomrechtliche Genehmigung stellt für das Erkundungsbergwerk
am Standort Gorleben keine geeignete Legitimation dar und ist somit nicht er-
forderlich. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit seinem Urteil vom
9. März 1990 (AZ 7 C 23/89) festgestellt: „Die untertägige Erkundung eines
Standortes (hier: Salzstock Gorleben) auf seine Eignung für die Sicherstellung
und Endlagerung radioaktiver Abfälle (§ 9a III AtomG) ist noch nicht der Be-
ginn der Errichtung einer entsprechenden Anlage und bedarf deshalb nicht der
Planfeststellung nach § 9b AtomG, dies auch dann nicht, wenn Teile des Erkun-
dungsbergwerkes, wie z. B. Schächte, nach Dimensionierung und Bauausfüh-
rung im Fall positiver Standortentscheidung im dann aufgrund einer Planfest-
stellung zu errichtenden Endlager Verwendung finden sollen.“
Entgegen der Behauptung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, hat die Bundesregierung in ihrer Vereinbarung
mit den Energieversorgungsunternehmen (EVU) vom 14. Juni 2000 den Stand-
ort Gorleben als ein Erkundungsbergwerk bezeichnet. Wörtlich heißt es: „1979
wurde entschieden, für eine mögliche Endlagerung den Salzstock Gorleben zu
erkunden. (…) Somit stehen die bisher gewonnen geologischen Befunde einer
Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben (…) nicht entgegen.“
Entsprechend spricht auch das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen (BMVBW) in seiner Stellungnahme zum Regionalen Raumord-
nungsprogramm für den Landkreis Lüchow-Dannenberg am 12. Februar 2002
von einem Erkundungsbergwerk und nicht von einem Endlager in Gorleben:
„Die Entscheidung im Abschnitt 3.8 (Erholung, Freizeit, Sport) ein Vorrangge-
biet für ruhige Erholung in Natur und Landschaft auch im Bereich des Erkun-
dungsbergwerks Gorleben auszuweisen, ist fehlerhaft zustande gekommen und
verstößt gegen die Grundsätze der Raumordnung. (…) Ergänzend wird auch auf
die beigefügte Stellungnahme des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom
15. Januar 2002 verwiesen (Anlage 1). (…) Die Notwendigkeit der Standort-
sicherung hat die Bundesregierung u. a. in der Vereinbarung mit den Energie-
versorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000, (…) deutlich gemacht. Die
Bundesregierung hat sich verpflichtet, alle notwendigen rechtlichen Schritte zu
ergreifen, um die Position des Bundes als Antragsteller zu sichern und das Vor-
haben gegen Eingriffe Dritter zu schützen. (…) Insofern weise ich darauf hin,
dass die Voraussetzungen für einenWiderspruch des Bundes nach § 5 ROG vor-
liegen. Ich bitte Sie daher, den vorgelegten Entwurf dahin gehend abzuändern,
dass der Bereich des Erkundungsbergwerks nicht mit konfligierenden Ziel-
festlegungen überplant und der bisherige Vorrangstandort für die Endlagerung
radioaktiver Abfälle erneut im Planwerk aufgenommen wird.“
Darüber hinaus bezeichnet die Bundesregierung in der kürzlich novellierten
Endlagervorausleistungsverordnung (Bundesratsdrucksache 279/04) den Stand-
ort Gorleben als Erkundungsbergwerk. Die Endlagervorausleistungsverordnung
geht weiterhin von zwei Standorten aus. Dies steht im Widerspruch zum „Ein-
Endlager-Ansatz“ des BMU, der auch vom Bundesrechnungshof (BRH) kriti-
siert wird. Schließlich ist im Entwurf der Bundesregierung der Verordnung einer
Veränderungssperre für den Standort Gorleben von einer Erkundung und nicht
von dem Bau eines Endlagers am Standort Gorleben die Rede.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4707

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Vorwurfs des Bundesmi-

nisters für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, eines
„Schwarzbaus“ hinsichtlich des Erkundungsbergwerks Gorleben rechtliche
Schritte gegen die bis 1998 bzw. die nach 1998 zuständigen Mitarbeiter des
BMU bzw. des BfS und speziell gegen damalige sowie den gegenwärtigen
Präsidenten des BfS eingeleitet?
Wenn ja, warum und mit welchem Ziel?
Wenn nein, warum nicht?

2. Wenn nein, welchen rechtlichen Beistand lässt die Bundesregierung den Mit-
arbeitern des BMU bzw. des BfS angesichts der auf die Behauptung des Bun-
desministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin,
zurückgehende Strafanzeige der BI zukommen, und welchen Standpunkt ver-
tritt die Bundesregierung entsprechend gegen die Strafanzeige der BI?

3. Welche Kosten werden infolge der auf die Behauptung des Bundesministers
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, zurückgehen-
den Strafanzeige der BI der öffentlichen Hand entstehen, und wie bewertet
die Bundesregierung diese Kosten für die öffentliche Hand vor dem Hinter-
grund der faktischen und rechtlichen Begründetheit der Behauptung?

4. Wie vertragen sich die in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Aus-
sagen des BMU mit dem ebenfalls zitierten Urteil des BVerwG bzw. mit den
zitierten Feststellungen der Bundesregierung (unterschieden nach BVerwG
und Bundesregierung)?

5. Wie vertragen sich die in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Aus-
sagen des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
Jürgen Trittin, mit den ebenfalls zitierten Feststellungen der Bundesregie-
rung?

6. Sieht die Bundesregierung durch die Aussagen des Bundesministers für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, eine Beschädigung
des BVerwG?
Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
Wenn nein, warum nicht?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, dass es sich bei dem
Erkundungsbergwerk Gorleben um einen „Schwarzbau“ handelt?
Wenn ja, welche Konsequenzen folgen daraus?
Wenn nein, was unternimmt die Bundesregierung?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, im Schreiben
vom 26. Oktober 2004 „Zwar können nach einem Bericht der OECD/NEA
die Kosten einer untertägigen Erkundung leicht in der Größenordnung von
100 Mio. Euro liegen und die jährlichen Kosten für Forschung und Entwick-
lung 5 bis 11 Mio. Euro betragen. Für Gorleben ist danach aber etwa das
Zehnfache ausgegeben worden, was die OECD/NEA für die Erkundung eines
Standortes veranschlagt.“ angesichts der Tatsache, dass sich die angegebenen
Kosten in dem offensichtlich zugrunde liegenden OECD-Bericht „The Role
of Underground Laboratories in Nuclear Waste Disposal Programmes“ aus
dem Jahr 2001 lediglich auf die Errichtung eines Untertagelabors und nicht
auf die Errichtung eines Erkundungsbergwerkes für hochradioaktive Abfälle
beziehen?

Drucksache 15/4707 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

9. Bezieht sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Bundesminister für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, auf eine andere
OECD-Studie?
Wenn ja, auf welche?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass eine OECD-Studie
aus dem Jahr 1993 die Kosten für ein Erkundungsbergwerk für hochradio-
aktive Abfälle in Frankreich auf 3 Mrd. Französische Francs und für die
USA auf 6,7 Mrd. US-Dollar beziffert, und von welchen Kosten für ein Er-
kundungsbergwerk für hochradioaktive Abfälle geht die Bundesregierung,
unter Einbeziehung welcher vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Arbeit (BMWA) zugrunde gelegten Studien, aus?

11. Welche konkreten aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse, Maßstäbe
oder Sicherheitskriterien widersprechen nach Auffassung der Bundesregie-
rung der Entscheidung für Salz alsWirtsgestein für ein Endlager in Deutsch-
land aus dem Jahr 1963, die mit dem gemeinsamen Entsorgungskonzept von
Bund und Ländern aus den Jahren 1979 und 1990 bestätigt wurde?

12. Welchen konkreten aktuellen Maßstäben und Sicherheitskriterien für ein
Standortauswahlverfahren wurde nach Auffassung der Bundesregierung
„Phase 1“ des Auswahlverfahrens zu Gorleben nicht gerecht, nämlich
die Überprüfung von 140 Salzstöcken hinsichtlich einer ausreichenden
Größe (vgl. Thomauske, Bruno:Wege zur Endlagerung radioaktiver Abfälle
in der Bundesrepublik Deutschland. Wird die Verantwortung auf zukünftige
Generationen verschoben?, In: Atw, 49. Jg. (2004), Heft 4, April 2004,
S. 235 bis 247), angesichts der Kritik des Bundesministers für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, in seinem Schreiben vom
26. Oktober 2004 „Für das Projekt Gorleben sind bereits etwa 1 400 Mio.
Euro ausgegeben worden, ohne dass ein Standortauswahlverfahren nach
den derzeitigenMaßstäben durchgeführt oder Sicherheitskriterien nach dem
aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik angewendet wurden.“
(jeweils einzeln aufgelistet)?

13. Welchen konkreten aktuellen Maßstäben und Sicherheitskriterien für ein
Standortauswahlverfahren wurde nach Auffassung der Bundesregierung
„Phase 2“ des Auswahlverfahrens zu Gorleben nicht gerecht – nämlich
die Untersuchung der verbleibenden 23 Standorte auf Größe, Tiefenlage,
Lage, Besiedlungsdichte und konkurrierende Nutzungsansprüche (vgl.
Thomauske, Bruno: Wege zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bun-
desrepublik Deutschland. Wird die Verantwortung auf zukünftige Generatio-
nen verschoben?, In: Atw, 49. Jg. (2004), Heft 4, April 2004, S. 235 bis 247),
angesichts der Kritik des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, in seinem Schreiben vom 26. Oktober
2004 „Für das Projekt Gorleben sind bereits etwa 1 400 Mio. Euro aus-
gegeben worden, ohne dass ein Standortauswahlverfahren nach den derzei-
tigen Maßstäben durchgeführt oder Sicherheitskriterien nach dem aktuellen
Stand vonWissenschaft und Technik angewendet wurden.“ (jeweils einzeln
aufgelistet)?

14. Welchen konkreten aktuellen Maßstäben und Sicherheitskriterien für ein
Standortauswahlverfahren wurde nach Auffassung der Bundesregierung
„Phase 3“ des Auswahlverfahrens zu Gorleben nicht gerecht – nämlich die
Untersuchung der verbleibenden 13 Standorte anhand der Bewertungsricht-
linie des Bundesministeriums des Innern (BMI) sowie der Berücksichtigung
von Grundwasservorranggebieten, Landschaftsschutz- oder Naturschutz-
gebieten (vgl. Thomauske, Bruno: Wege zu Endlagerung radioaktiver
Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Wird die Verantwortung auf
zukünftige Generationen verschoben?, In: Atw, 49. Jg. (2004), Heft 4,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4707

April 2004, S. 235 bis 247), angesichts der Kritik des Bundesministers für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, in seinem
Schreiben vom 26. Oktober 2004 „Für das Projekt Gorleben sind bereits
etwa 1 400 Mio. Euro ausgegeben worden, ohne dass ein Standortauswahl-
verfahren nach den derzeitigen Maßstäben durchgeführt oder Sicherheits-
kriterien nach dem aktuellen Stand vonWissenschaft und Technik angewen-
det wurden.“ (jeweils einzeln aufgelistet)?

15. Welchen konkreten aktuellen Maßstäben und Sicherheitskriterien für ein
Standortauswahlverfahren wurde nach Auffassung der Bundesregierung
„Phase 4“ des Auswahlverfahrens zu Gorleben nicht gerecht – nämlich die
Entscheidung für Gorleben aus den verbleibenden vier Standorten infolge
Größe, Tiefenlage und Unverritzheit (vgl. Thomauske, Bruno: Wege zur
Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Wird
die Verantwortung auf zukünftige Generationen verschoben?, In: Atw,
49. Jg. (2004), Heft 4, April 2004, S. 235 bis 247), angesichts der Kritik des
Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen
Trittin, in seinem Schreiben vom 26. Oktober 2004 „Für das Projekt Gor-
leben sind bereits etwa 1 400 Mio. Euro ausgegeben worden, ohne dass ein
Standortauswahlverfahren nach den derzeitigen Maßstäben durchgeführt
oder Sicherheitskriterien nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und
Technik angewendet wurden.“ (jeweils einzeln aufgelistet)?

16. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Phasen des Aus-
wahlverfahrens zum Standort Gorleben durch ein von SPD, CDU/CSU
und FDP getragenes gemeinsames Bund/Länder-Entsorgungskonzept aus
dem Jahr 1979 bestätigt wurde und welchen konkreten „neuen“ wissen-
schaftlichen Erkenntnissen, Maßstäben und Sicherheitskriterien wurde die-
ses Bund/Länder-Entsorgungskonzept nicht gerecht (jeweils einzeln aufge-
listet)?

17. Wie verträgt sich die Aussage der Bundesregierung in ihrer Vereinbarung
mit den EVU, wonach die Eignungshöffigkeit des Standortes Gorleben
nach den gegenwärtigen geologischen Befunden gegeben ist, mit der
Aussage des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit, Jürgen Trittin, vom 26. Oktober 2004 „Für das Projekt Gorleben sind
bereits etwa 1 400 Mio. Euro ausgegeben worden, ohne dass ein Standort-
auswahlverfahren nach den derzeitigen Maßstäben durchgeführt oder
Sicherheitskriterien nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Tech-
nik angewendet wurden.“?

18. Welchen Maßstäben, die nach internationalem Regelwerk Stand von Wis-
senschaft und Technik sind, genügt das Standortauswahlverfahren Gorle-
ben nicht (Maßstäbe und Institutionen konkretisieren)?

19. Welchen konkreten aktuellen Maßstäben der Öffentlichkeitsbeteiligung
wurde nach Auffassung der Bundesregierung das „Gorleben-Hearing“
nicht gerecht?

20. Welche konkreten ressortabgestimmten Maßstäbe und Sicherheitskriterien
für ein Standortauswahlverfahren nach heutigem Stand von Wissenschaft
und Technik hat sich die Bundesregierung seit 1998 zu Eigen gemacht und
rechtlich verbindlich implementiert (jeweils einzeln aufgelistet)?

21. Wenn die Bundesregierung solche konkreten „neuen“ Maßstäbe und
Sicherheitskriterien bis dato nicht vorgelegt und rechtlich verbindlich fest-
geschrieben hat, wann wird sie dieses ressortabgestimmt tun?

22. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass in Gorleben für die Eig-
nungsfeststellung wichtige und international führende Erkenntnisse und

Drucksache 15/4707 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Maßstäbe gewonnen werden konnten und sich dieser positive Prozess bei
einer Aufhebung des Moratoriums fortsetzen würde?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

23. Wann legt die Bundesregierung eine ressortabgestimmte Bewertung des
bereits Ende 2002 veröffentlichten Endberichts des von ihr eingerichteten
„AK End“ vor?

24. Inwieweit wird bei einer solchen ressortabgestimmten Bewertung des
Endberichts des „AK End“ die Einschätzung des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit (BMWA) angesichts der Aussage des BMU „Zur an-
geblichen Äußerung des BMWA, dass das Ein-Endlager-Ziel ‚sicherheits-
technische Nachteile‘ aufweise, ist festzustellen, dass das BMWA für die
atomtechnische Sicherheit weder kompetent noch zuständig ist.“ (BMU-
Pressemitteilung vom 30. Juni 2004) einbezogen, und teilt die Bundesregie-
rung diese Aussage des BMU?

25. Wie verträgt sich die Aussage des BMWA „Die Ausführungen zum Sach-
verhalt aus denen abgeleitet wird, dass die Verfolgung des Ein-Endlager-
Zielesmit finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt in Höhe vonmehreren
Milliarden Euro verbunden ist, wobei diese Risiken mit der Dauer des Ent-
scheidungsprozesses wachsen, werden geteilt. (…) Nach hiesiger Einschät-
zung treffen die Ausführungen im Prüfungsbericht zu den finanziellen Risi-
ken des Ein-Endlager-Konzeptes dem Grunde und der Höhe nach zu.“ in
einemBrief an den BRH vom 20. Januar 2004mit der Antwort der Parlamen-
tarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, MargaretaWolf, auf die Frage 41 des Abgeordneten
Jochen-Konrad Fromme in der Fragestunde am 1. Dezember 2004, in der es
heißt: „Der Bundesrechnungshof hat (…) lediglich finanzielle Risiken der
Ein-Endlager-Zielsetzung zusammengestellt, die der Bundesregierung
bekannt waren, und die sie nicht eingehen wird.“ (Plenarprotokoll 15/144,
S. 13410 D)?

26. Wie verträgt sich die Aussage des BMU „Die Stellungnahme des Bundes-
rechnungshofs ist so weder sachgerecht noch nachvollziehbar. Von angeb-
lichen ‚Milliarden-Risiken‘ für den Bundeshaushalt durch das Ein-End-
lager-Konzept kann keine Rede sein.“ (BMU-Pressemitteilung vom 30. Juni
2004)mit der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beimBundes-
minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Margareta Wolf,
auf die Frage 41 des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme in der Frage-
stunde am 1. Dezember 2004, in der es heißt: „Der Bundesrechnungshof hat
(…) lediglich finanzielle Risiken der Ein-Endlager-Zielsetzung zusammen-
gestellt, die der Bundesregierung bekannt waren, und die sie nicht eingehen
wird.“ (Plenarprotokoll 15/144, S. 13410 D)?

27. Sieht die Bundesregierung durch den „Ein-Endlager-Ansatz“ sowie durch
den vom BRH zum BMU attestierten Tatbestand, dass das bisherige Vorge-
hen des BMU nicht zielgerichtet, unwirtschaftlich und wenig transparent ist,
de facto Risiken für den Bundeshaushalt in Höhe mehrererMilliarden Euro?
Wenn ja, welche Konsequenzen zieht sie daraus, bzw. wird sie vom „Ein-
Endlager-Ansatz“ des BMU abrücken?
Wenn nein, warum nicht, und wie widerlegt sie die Argumentation des BRH?

28. Teilt die Bundesregierung die Aussage des BMU in einer dpa-Meldung vom
8. November 2004, dass es sich bei der Wiederaufarbeitung abgebrannter
Brennelemente in Frankreich um eine „verkappte und illegale Lagerung von
deutschem Atommüll in Frankreich“ handelt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4707

Wenn ja, warum?
Wenn nein, auf welcher national bzw. international rechtlichen Grundlage
(jeweils einzeln aufgelistet) erfolgt die Wiederaufarbeitung abgebrannter
Brennelemente aus Deutschland in Frankreich und England bis zum 30. Juni
2005?

29. Wann genau wird die Bundesregierung eine abgeschlossene und ressort-
abgestimmte Bewertung der noch andauernden wissenschaftlichen Abar-
beitung der so genannten Zweifelsfragen zum Standort Gorleben vorlegen?

30. Warum genau erfolgte die noch andauernde wissenschaftliche Abarbeitung
der so genannten Zweifelsfragen zum Standort Gorleben und deren Bewer-
tung durch die Bundesregierung nicht gemäß den ursprünglichen Zusagen
der Bundesregierung zu Beginn des Jahres 2004 und warum wurden sogar
zwei der elf Studienvorhaben erst im zeitlichen Kontext der Kleinen Anfra-
ge der Fraktion der CDU/CSU „Planungsstand und Auswirkungen des Ein-
Endlager-Konzeptes“ (Bundestagsdrucksache 15/2621) zu Beginn des Jah-
res 2004 in Auftrag gegeben?
Was sind die tragenden Gründe dafür, dass zwischen Angebotseingang und
-vergaben etwa zwei Jahre lagen?

31. Wann genau erfolgt nach Einschätzung der Bundesregierung eine Imple-
mentierung der von ihr vorzulegenden Bewertung der noch andauernden
wissenschaftlichen Abarbeitung der so genannten Zweifelsfragen zum
Standort Gorleben?

32. Wie genau gestaltet sich bis Ende 2006 der Zeitplan der Bundesregierung
für eine Atomgesetznovelle zur Umsetzung des Ansatzes des BMU einer al-
ternativen Standorterkundung für ein gemeinsames Endlager für hoch-, mit-
tel- und schwachradioaktiven Abfall (unter Angabe der vorgesehenen Zeit-
punkte für BMU-Referentenentwurf, Kabinettbeschluss, Einbringung in
den Deutschen Bundestag, Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes)
vor dem Hintergrund der Meldung in der „Hannoverschen Allgemeinen
Zeitung“ vom 9. Dezember 2004, in der es u. a. wörtlich heißt: „Doch den
niedersächsischen Grünen eröffnete Trittin bei einem Besuch Anfang der
Woche, dass mit einer Vorlage des Entwurfs vor Weihnachten nicht mehr
zu rechnen sei.“?

33. Hat sich der Leiter der Abteilung „RS: Sicherheit kerntechnischer Einrich-
tungen, Strahlenschutz, nukleare Ver- und Entsorgung“ im BMU bei einem
Moskau-Besuch im Sommer 2003 für ein Endlager für radioaktive Abfälle
in Russland ausgesprochen?
Wenn ja, in welcher Form, in welchem Kontext und mit welcher Begrün-
dung?
Wenn nein, was waren Anlass, Gegenstand und Ergebnis der deutsch-russi-
schen Gespräche unter Beteiligung des BMU?

Berlin, den 18. Januar 2005
Kurt-Dieter Grill
Dr. Rolf Bietmann
Dr. Peter Paziorek
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Cajus Julius Caesar
Marie-Luise Dött
Albrecht Feibel
Dr. Maria Flachsbarth
Jochen-Konrad Fromme

Georg Girisch
Josef Göppel
Holger Haibach
Volker Kauder
Helmut Lamp
Doris Meyer (Tapfheim)
Franz Obermeier
Ulrich Petzold
Werner Wittlich
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.