BT-Drucksache 15/468

Deutsch als dritte Arbeitssprache auf europäischer Ebene ¿ Verstärkte Förderung von Deutsch als lernbare Sprache im Ausland

Vom 5. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/468
15. Wahlperiode 05. 03. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen),
Renate Blank, Steffen Kampeter, Dr. Günter Krings, Dr. Martina Krogmann,
Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Erika Steinbach,
Christian Freiherr von Stetten, Edeltraut Töpfer, Wolfgang Zeitlmann und der
Fraktion der CDU/CSU

Deutsch als dritte Arbeitssprache auf europäischer Ebene –
Verstärkte Förderung von Deutsch als lernbare Sprache im Ausland

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Derzeit sprechen über 100 Millionen EU-Bürger Deutsch, davon etwa 91 bis 92
Millionen als Muttersprache. Damit spricht fast jeder dritte EU-Bürger (32 %)
Deutsch. Englisch als Muttersprache sprechen 62,2 Millionen EU-Bürger,
Französisch 62,7 Millionen.
Nach der geplanten EU-Osterweiterung wird sich die Zahl der EU-Bürger, die
Deutsch sprechen, noch deutlich erhöhen, da Deutsch in Osteuropa als Fremd-
sprache traditionell sehr stark verbreitet ist. Dennoch bekommt Deutsch im
Betrieb der EU und ihrer Kommissionen noch immer nicht den gleichen Status
als gleichberechtigte Arbeitssprache neben Englisch und Französisch.

Der Deutsche Bundestag möge beschließen:
1. Der Deutsche Bundestag begrüßt, den bisherigen Einsatz der Bundesregie-

rung, die deutsche Sprache auf europäischer Ebene zu stärken, insbesondere
durch die gemeinsame deutsch-französische Sprachanweisung aus dem
Jahre 2000 und das Beharren darauf, dass bei Treffen auf EU-Ebene auch
dann ins Deutsche gedolmetscht wird, wenn dies durch die jeweilige Rats-
präsidentschaft nicht vorgesehen war.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich über die
bisherigen Bemühungen hinaus noch stärker für die vollständige und
ausnahmslose Gleichberechtigung von Deutsch als Dritter Arbeitssprache
neben Englisch und Französisch einzusetzen und dafür Sorge zu tragen, dass
Deutsch bei allen Veröffentlichungen, Datenbanken, Standards, Konferen-
zen und Ausschreibungen den Sprachen Englisch und Französisch gleich-
gestellt wird.

3. Die Bundesregierung soll verstärkt dafür Sorge tragen, dass der Verbreitung
und Pflege der deutschen Sprache im Ausland ein höherer Stellenwert ein-
geräumt wird. In diesem Zusammenhang sollte die Bundesregierung auch

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alle Anstrengungen unternehmen, um die Förderung der deutschen Sprache
zum Nutzen des Studien- und Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken.
Hierzu gehört auch, dass in den Programmen der Deutschen Welle (Hörfunk
und DW-TV) die deutsche Sprache als Vermittlungsinstrument und Kultur-
träger nicht reduziert, sondern gestärkt wird.

Berlin, den 18. Februar 2003
Dr. Peter Gauweiler
Günter Nooke
Bernd Neumann (Bremen)
Renate Blank
Steffen Kampeter
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Norbert Lammert
Vera Lengsfeld
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Edeltraut Töpfer
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Begründung
Ein vereintes Europa hat nur dann eine Chance, wenn sich die Menschen mit
ihm identifizieren und sich gegenseitig verstehen und verständigen können.
Ein entscheidender Faktor hierbei ist die Sprache. Es muss das Ziel sein, auf
europäischer Ebene Sprachen zu etablieren, die von möglichst vielen Menschen
gesprochen werden. Es gibt in Europa etwa 130 Millionen Menschen, die
Deutsch sprechen. Deutsch ist die mit Abstand am meisten gesprochene
Muttersprache in der Europäischen Union. Die Deutsche Sprachgemeinschaft
ist wirtschaftlich derzeit die drittstärkste der Welt und die wirtschaftlich
stärkste in Europa. Aus diesen Gründen müssen wir, wie es der Schriftsteller
Botho Strauss formuliert hat, unsere Sprache schützen wie unsere Gewässer.
Nach Englisch ist Deutsch die wichtigste zweite Fremdsprache Europas. Nach
dem politischen Umbruch nimmt die deutsche Sprache in den Reformstaaten
Mittel-, Ost- und Südeuropas sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion
eine wichtige Brückenfunktion zur Europäischen Union ein. Demgegenüber ist
die Berücksichtigung der deutschen Sprache auf EU-Ebene nicht angemessen.

1. Deutsch als Arbeitssprache in der EU
Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 1 des Rates zur Regelung der Sprachenfrage
für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist Deutsch neben Dänisch, Eng-
lisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugie-
sisch, Schwedisch und Spanisch offizielle Amtssprache. Das bedeutet, dass die
Vertreter jedes Staates zunächst das Recht haben, in ihrer Muttersprache zu
sprechen und Texte aus anderen Sprachen in ihre Muttersprache übersetzen zu
lassen. Gleichzeitig kann sich jeder Bürger und jeder Staat in einer der Amts-
sprachen an die Gemeinschaftsorgane wenden und hat Anspruch auf Antwort in
der gleichen Sprache. Auch werden alle Verordnungen und Schriftstücke der

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/468

Gemeinschaft sowie das Amtsblatt zeitgleich in allen Amtssprachen publiziert.
Dadurch soll die Gleichbehandlung aller EU-Bürger zum Ausdruck gebracht
werden.
In der Praxis existiert jedoch durch die Verwendung von Englisch und Franzö-
sisch als (inoffizielle) Arbeitssprachen häufig eine Ungleichbehandlung, die
sich auch zu Ungunsten der am meisten verwendeten Muttersprache auswirkt.
In der externen Kommunikation der EU-Organe tritt eine Benachteiligung von
deutschsprachigen EU-Bürgern – muttersprachlich oder fremdsprachlich – auf,
wenn sie nicht auch fließend Englisch und Französisch sprechen, und dies ob-
wohl sie die größte Sprachgruppe der EU bilden. So werden wirtschaftsrele-
vante Daten fast ausschließlich in Englisch und Französisch veröffentlicht. Die
EU-Wirtschaftsdatenbanken arbeiten vorwiegend mit diesen Sprachen und
selbst die 240 000 Ausschreibungen der EU-Kommission erscheinen zunächst
nur in Englisch und Französisch. Hier sind kleine und mittlere Betriebe stark
benachteiligt, weil sie die umfangreichen und mit schwierigen Fachwörtern
versehenen Texte in der Regel erst kostenpflichtig übersetzen lassen müssen,
um am Verfahren teilzunehmen.
Wenn es Ziel der Europäischen Union ist, mehrere viel gesprochenen Sprachen
so zu etablieren, dass sie von möglichst vielen EU-Bürgern beherrscht werden,
so kann und darf dies nicht zur Konsequenz haben, dass die meist gesprochene
EU-Sprache hierbei nur eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Schon derzeit
sprechen 32 % der EU-Bürger Deutsch. Damit sprechen schon vor der EU-Er-
weiterung so viele Menschen Deutsch wie Spanisch (15 %) und Italienisch
(18 %) zusammengenommen. Gerade ein sich erweiterndes Europa muss daher
die deutsche Sprache den Sprachen Französisch und Englisch ausnahmslos
gleichstellen. Wenn Französisch, das von 28 % der EU-Bürger als Mutter- oder
Fremdsprache gesprochen wird, Arbeitssprache ist, muss dies für Deutsch, ins-
besondere in Blick auf die bevorstehende Erweiterung durch die osteuropäi-
schen Beitrittskandidaten, bei denen Deutsch traditionell als Fremdsprache sehr
verbreitet ist, auch gelten.
Begrüßenswert ist es, dass die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den
Ländern die Zahl der Plätze in Sondersprachkursen für EU-Mitarbeiter und
Spitzenbeamte erhöht hat und dass auch für Beamte auch den Beitrittsländern
Sprachkurse angeboten werden. In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit nur
ein Prozent der Kommunikation von EU-Beamten nach außen auf Deutsch
geführt wird, müssen die Bemühungen, die Zahl der Deutsch sprechenden EU-
Beamten zu erhöhen dennoch deutlich verstärkt werden. Die Bundesregierung
ist hier gefordert, nach geeigneten Möglichkeiten zu suchen.

2. Verstärkte Förderung von Deutsch als lernbare Sprache im Ausland
Die Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache im Ausland ist von ganz zentra-
ler Bedeutung. Durch die Sprache wird eine Beschäftigung mit dem Land, den
Menschen und der Kultur erreicht. Die Sprachkenntnis steigert das Verständnis
zu unserem Land und weckt Interesse, dieses Land auch kennen zu lernen,
wovon nicht nur die Tourismusindustrie profitiert. Ein ausländischer Geschäfts-
mann wird eher und leichter ein Geschäft mit einem Deutschen Unternehmen
abschließen, wenn er sich in der Sprache seines deutschen Geschäftspartners
verständigen kann.
Wenn die Integration für Zuwanderungsberechtigte sinnvoll und erfolgreich
sein soll, muss das Erlernen der deutschen Sprache so früh wie möglich begin-
nen, nach Möglichkeit also schon im Heimatland. Deshalb müssen die Ange-
bote für Zuwanderungsberechtigte und Einwanderungswillige in wesentlich
stärkerem Umfang angeboten werden, als dies bisher der Fall ist.

Drucksache 15/468 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der
CDU/CSU „Verbreitung, Förderung und Vermittlung der Deutschen Sprache“
(Bundestagsdrucksache 14/5835) hat die Bundesregierung erklärt, es bestehe
nach wie vor Interesse am Erlernen von Deutsch als Amtssprache. Insbeson-
dere in den osteuropäischen Staaten sei die Bereitschaft, Deutsch zu lernen,
sehr hoch. Dem hingegen sei das Interesse an Deutsch innerhalb der EU-
Staaten auf das Niveau Ende der 80er Jahre gesunken. In Frankreich sei die
Zahl sogar weiter gesunken. Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der
deutsch-französischen Beziehungen ist dieser Rückgang besorgniserregend.
Die Bundesregierung ist laut Antwort auf die Große Anfrage (Bundestags-
drucksache 14/5835) daran interessiert, dass möglichst viele Menschen in mög-
lichst vielen Ländern Deutsch lernen. In besonderem Maße gelte dies für Län-
der, mit denen Deutschland besonders enge politische, wirtschaftliche und
kulturelle Beziehungen pflege. Sollte sich diese Auffassung nicht geändert
haben, ist es unbedingt geboten, gerade auch innerhalb der Europäischen Union
noch stärkere Anstrengungen zu unternehmen, um Deutsch als Fremdsprache
zu stärken und zu verbreiten.

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