BT-Drucksache 15/4676

Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Kampagne "Echt gerecht - clever kaufen" des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Vom 18. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4676
15. Wahlperiode 18. 01. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Julia Klöckner, Kurt Segner, Ursula Heinen, Bernhard Kaster,
Peter H. Carstensen (Nordstrand), Marlene Mortler, Ilse Aigner, Artur
Auernhammer, Peter Bleser, Gitta Connemann, Gerda Hasselfeldt, Helmut
Heiderich, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Volker Kauder, Bernhard
Schulte-Drüggelte, Jochen Borchert, Cajus Julius Caesar, Hubert Deittert,
Thomas Dörflinger, Ingrid Fischbach, Susanne Jaffke, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr,
Dr. Klaus Rose, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Max Straubinger,
Volkmar Uwe Vogel und der Fraktion der CDU/CSU

Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Kampagne
„Echt gerecht – clever kaufen“ des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft

„Echt gerecht – clever kaufen“ ist eine Kampagne des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL), die sich für eine
nachhaltige Lebensweise einsetzen soll. Nach den Worten der Bundesministe-
rin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, fügt
sich die Kampagne in die „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ ohne jedoch in
dem knapp 350 Seiten umfassenden Strategiepapier „Perspektiven für Deutsch-
land“, auch nur andeutungsweise, erwähnt zu werden. Im Rahmen der Kam-
pagne sollen vier Großveranstaltungen zu den Themenbereichen „Lebensmittel
und Ernährung“, „Textilien, Bekleidung und Spielzeug“, „Reisen, Mobilität
und Geldanlagen“ und „Bauen, Wohnen, Haushalt und Energie“ stattfinden.
Die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag unterstützt grundsätzlich
die Förderung eines autonomen und aufgeklärten Verbraucherleitbildes. Es ist
begrüßenswert, auf eine Sensibilisierung der Konsumenten bezüglich der
Nachhaltigkeit von Waren und Dienstleistungen hinzuwirken. Gerade im Zu-
sammenhang mit einem freien, aber auch fairen Wettbewerb ist eine umfas-
sende Aufklärung der Verbraucher unerlässlich.
Es besteht jedoch Grund zur Annahme, dass die vom BMVEL initiierte Kam-
pagne nicht das Ziel einer neutralen und allumfassenden Information verfolgt.
Dies zeigt sich insbesondere insofern, als die in der Internet-Präsenz vertrete-
nen Gütezeichen ausschließlich auf ökologische Gesichtspunkte abzielen. Die
Erfüllung gewisser ökologischer Parameter allein ist aber weder notwendiges
noch hinreichendes Kriterium für die Nachhaltigkeit eines Produkts oder einer
Dienstleistung.
Zudem ist der Ansatz, den Konsumenten als letztes Glied in der Absatzkette für
die Nachhaltigkeit des Warenwirtschaftssystems verantwortlich zu machen,
grundsätzlich verfehlt. Vielmehr muss alles daran gesetzt werden, die Ursachen
mangelnder sozial-ökonomischer und ökologischer Produktion sowie die Initia-

Drucksache 15/4676 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

toren entsprechender Produktionsabläufe ausfindig zu machen und vom Wett-
bewerb auszuschließen. Aus den Unterlagen zur Kampagne wird allerdings
nicht ersichtlich, welche Anstrengungen die Bundesregierung unternimmt, um
auf Ebene der Hersteller und des Handels für Nachhaltigkeit einzutreten.
In Ansehung der eklatant angespannten Haushaltslage müssen überdies die für
die Kampagne aufgewendeten personellen und finanziellen Mittel genau über-
prüft werden. Am 6. Dezember 2004 fand in Berlin die Auftaktveranstaltung
für die Kampagne statt, die sich zunächst dem Themenschwerpunkt „Kinder-
spielzeug“ widmete. Begleitend zu diesem Auftakt finden sich in etlichen regi-
onalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften große farbige Druck-
anzeigen, die für die Kampagne werben. Unter dem Slogan „Wo kommt ihr
denn her?“ wird auf mögliche Missstände in der Produktion von Spielzeug hin-
gewiesen. Mit einem Verweis auf die Internetpräsenz der Kampagne werden
die Konsumenten aufgefordert, darauf zu achten, wie das neu erworbene Spiel-
zeug hergestellt wurde.
Nachdem eine groß angelegte Projektion auf das Gebäude des BMVEL verwor-
fen wurde, ist am Potsdamer Platz in Berlin an einem Baukran ein in alle Rich-
tungen zeigendes, je 72 Quadratmeter großes Poster (vier Seiten mit je 6 × 12
Metern Kantenlänge, so genanntes Blow-up) angebracht worden, das mit einer
speziellen Innenbeleuchtung Tag und Nacht sichtbar ist.
Die Kampagne bedarf demnach insgesamt einer genauen Überprüfung auf ihre
eigene Nachhaltigkeit. Zugleich gilt es, freiwillige Selbstverpflichtungen aus der
Industrie, wie etwa den „Code of Business Practices“ des Internationalen Ver-
bands der Spielwarenindustrie anzuerkennen und zu stärken. Bislang stellen
noch zu wenige der Produzenten ihre Waren nach den Richtlinien dieses Verhal-
tenscodexes her. Außerdemmuss ein nach außen hin für den Verbraucher erkenn-
bares Siegel geschaffen werden, das die so produzierten Waren kennzeichnet.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Agentur wurde mit der Umsetzung der Kampagne beauftragt?
2. Handelt es sich bei der Kampagne um eine lokal begrenzte Aktion oder han-

delt es sich um eine bundesweite Kampagne?
3. Wie hoch sind die gesamten Kosten der Kampagne, aufgeschlüsselt nach

Schaltkosten und Agenturkosten für Plakate, Faltblätter (einschließlich der
Kosten für deren Versendung), Anzeigen, Internet-Auftritte und, sofern
ebenfalls vorgesehen, für TV-Spots?

4. Wie hoch sind die Kosten für die Internet-Präsentation „echtgerecht.de“,
aufgeschlüsselt nach den Kosten für Programmierung, Content und Design
der Webseite sowie den Kosten für die Webdesigner?

5. Wie viele Zugriffe werden insgesamt und pro Monat auf der Webseite
„echtgerecht.de“ registriert?

6. Wie hoch sind die Schalt- und Herstellungskosten allein für das großforma-
tige Plakat, welches am Potsdamer Platz in Berlin angebracht ist?

7. Wie viele solcher Plakate wurden und werden in der Bundesrepublik
Deutschland aufgehängt?

8. Wurden Plakate jedweder Größe flächendeckend in der Bundesrepublik
Deutschland verteilt oder auf wenige Großstädte begrenzt – für den Fall
einer Begrenzung, auf welche Großstädte?

9. Erstreckte sich die Plakat- und Anzeigenaktion lediglich auf die Weih-
nachtszeit oder wird sie auch in Zukunft fortgesetzt?
Wenn ja, über welchen Zeitraum erstreckt sich die Plakataktion und wird es
weitere geben?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4676

10. Mit welchen Mitteln werden die Kampagnen finanziert?
11. Aus welchem konkreten Haushaltstitel erfolgt dies jeweils?
12. Sind die zur Finanzierung der Werbekampagne herangezogenen Haushalts-

titel auch offiziell als Mittel für Öffentlichkeitsarbeit im Bundeshaushalt
ausgewiesen worden, und wenn nein, wieso werden für die Kampagne den-
noch Haushaltsstellen herangezogen, die vom Haushaltsgesetzgeber nicht
für Öffentlichkeitsarbeit freigegeben worden sind?

13. Sind die Kosten der Kampagne in der von der Bundesregierung immer
verwendeten Gesamtsumme ihrer Mittel für Öffentlichkeitsarbeit, wie
beispielsweise in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage
der Fraktion der CDU/CSU „Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung“
auf Bundestagsdrucksache 15/2912, Frage 1, enthalten?

14. Wurden für diese Kampagnen im Haushalt des BMVEL zusätzliche Mittel
bereitgestellt oder erfolgte eine interne Umschichtung, und wenn ja, zu
Lasten welcher anderen Titel?

15. Wurden auch aus anderen Ressorts, etwa Wirtschaft und Arbeit (BMWA)
oder wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Mittel auf-
gewendet?

16. Ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(BMU) an der Kampagne beteiligt, und wenn nicht, warum nicht?

17. Ist das BMWA an der Kampagne beteiligt, und wenn nicht, warum nicht?
18. Ist das BMZ an der Kampagne beteiligt, und wenn nicht, warum nicht?
19. Wie stellt die Bundesregierung ein koordiniertes Vorgehen der beteiligten

Ressorts sicher?
20. Welche weiteren Werbeaktionen sind geplant?
21. Welches finanzielle und zeitliche Ausmaß haben die geplanten weiteren

Werbeaktionen?
22. Sind für die anderen Konsumbereiche, die im Internetauftritt

„echtgerecht.de“ angesprochen werden, ebenfalls Plakat- und Anzeigen-
maßnahmen vorgesehen?

23. Welches finanzielle und zeitliche Ausmaß haben diese Werbeaktionen?
24. Warum werden im Konsumbereich Lebensmittel und Ernährung des Inter-

netauftritts „echtgerecht.de“ nur Lebensmittel aus ökologischem Anbau
empfohlen?

25. Warum werden bei der Aufstellung der Einkaufshilfen im Konsumbereich
Lebensmittel und Ernährung des Internetauftritts „echtgerecht.de“ nur öko-
logische Gütezeichen angegeben?

26. Warum wird beispielsweise nicht auch auf ein Qualitätssiegel wie „QS“
hingewiesen?

27. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die konventionelle Lebens-
mittelherstellung die Umwelt nicht in gleicher Weise schont wie die öko-
logische Lebensmittelherstellung und weniger als diese für gerechtere
Lebens- und Arbeitsbedingungen anderer sorgt?

28. Nach welchen Kriterien wird der ab Januar 2005 im Internetauftritt
„echtgerecht.de“ verfügbare Multiple-Choice-Test zusammengestellt?

29. Was hat die Bundesregierung unternommen, um neben den bereits im
Internetauftritt „echtgerecht.de“ in der Rubrik Akteure genannten Einrich-

Drucksache 15/4676 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
tungen auch den Deutschen Bauernverband und die Centrale Marketing-
Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft zur Teilnahme zu gewinnen?

30. Wann werden die im Rahmen der Kampagne „echtgerecht.de“ angekündig-
ten Großveranstaltungen zu den Themenbereichen „Lebensmittel und Er-
nährung“, „Textilien, Bekleidung und Spielzeug“, „Reisen, Mobilität und
Geldanlagen“ und „Bauen, Wohnen, Haushalt und Energie“ stattfinden?

31. Welche Kosten sind für diese Großveranstaltungen veranschlagt?
32. Wie werden diese Großveranstaltungen gestaltet?
33. Wo werden diese Großveranstaltungen stattfinden?
34. Aus welchem Titel werden diese Großveranstaltungen finanziert?
35. Wie beurteilt die Bundesregierung den vom Internationalen Verband der

Spielwarenindustrie aufgelegten „Code of Business Practices“?
36. Was unternimmt die Bundesregierung, damit sich weitere Unternehmen der

Spielwarenindustrie dem „Code of Business Practices“ anschließen?
37. Wie beurteilt die Bundesregierung die Schaffung eines eigenen Gütesiegels

seitens der Industrie für Spielzeug, das von Unternehmen hergestellt wird,
die sich dem „Code of Business Practices“ angeschlossen haben?

38. Wie versucht die Bundesregierung im Rahmen internationaler Abkommen,
etwa der Welthandelsorganisation WTO, gegen Kinderarbeit vorzugehen?

39. Welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung in Aussicht, um die Her-
steller direkt zu einer nachhaltigen Produktion zu bewegen?

40. Welche Maßnahmen stellt die Bundesregierung in Aussicht, um den Han-
del schwerpunktartig zum Vertrieb von Produkten aus nachhaltiger Herstel-
lung zu bewegen?

41. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Maßnahmen zur Förde-
rung nachhaltiger Herstellung in anderen europäischen Staaten?

42. Wie setzt sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine Förde-
rung der nachhaltigen Herstellung ein?

Berlin, den 18. Januar 2005
Julia Klöckner
Kurt Segner
Ursula Heinen
Bernhard Kaster
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Marlene Mortler
Ilse Aigner
Artur Auernhammer
Peter Bleser
Gitta Connemann
Gerda Hasselfeldt
Helmut Heiderich
Uda Carmen Freia Heller
Dr. Peter Jahr

Volker Kauder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Jochen Borchert
Cajus Julius Caesar
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Ingrid Fischbach
Susanne Jaffke
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Max Straubinger
Volkmar Uwe Vogel
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.