BT-Drucksache 15/4675

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/4213 Nr. 2.49- Weißbuch zur Überprüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr KOM (2004) 675 endg.; Ratsdok. 13808/04

Vom 19. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4675
15. Wahlperiode 19. 01. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/4213 Nr. 2.49 –

Weißbuch zur Überprüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86
über die Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr
KOM (2004) 675 endg.; Ratsdok. 13808/04

A. Problem
Die EU-Kommission hat ein Weißbuch vorgelegt, bei dem es um die Über-
prüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 geht. Insbesondere wird die Auf-
hebung der Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen in Erwägung gezogen
und es wird die Frage untersucht, ob die Verordnung (EWG) 4056/86 durch ein
anderes Rechtsinstrument ersetzt werden sollte. Aus dem Weißbuch ist nicht
erkennbar, dass die Bedingungen für die Gruppenfreistellung nicht mehr erfüllt
sein sollten. Insbesondere fehlen der Vergleich mit dem Wettbewerb auf dem
Weltmarkt sowie ein Ausblick darauf, welche Auswirkungen eine Rücknahme
der Gruppenfreistellung auf die Behauptung der europäischen Schifffahrt am
Weltmarkt hat. Weiterhin fehlt in dem Weißbuch eine Darstellung der Auswir-
kungen auf internationale rechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union
im Zusammenhang mit Linienschifffahrtskonferenzen. In dem Weißbuch wird
der Kompromissvorschlag der European Liner Affairs Association (ELAA) als
mögliche Alternative zur bestehenden Wettbewerbspolitik erwähnt; eine Aus-
einandersetzung mit dem Vorschlag der ELAA findet aber nicht statt.

B. Lösung
Annahme einer Entschließung, durch die die Bundesregierung aufgefordert
wird, in ihrer abzugebenden Stellungnahme und in den EU-Gremien darauf
hinzuwirken, dass das Weißbuch entsprechend konkretisiert wird.
Annahme einer Entschließung in Kenntnis der Unterrichtung durch die
Bundesregierung mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP

C. Alternativen
Kenntnisnahme der Unterrichtung durch die Bundesregierung.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 15/4675 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung –Drucksache 15/4213
Nr. 2.49 – folgende Entschließung anzunehmen:
Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung,
in ihrer abzugebenden Stellungnahme darauf hinzuwirken, dass das Weißbuch
konkretisiert wird.
Die Aufhebung der Gruppenfreistellung der Linienkonferenzen macht sich an
vier Kriterien – Effizienz, Vorteile für Verbraucher, Unverzichtbarkeit, Fortbe-
stand des Wettbewerbs – fest.
Aus dem Weißbuch ist nicht erkennbar, dass die Bedingungen für die Gruppen-
freistellung nicht mehr erfüllt sein sollten. Insbesondere fehlen der Vergleich
mit dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt sowie ein Ausblick darauf, welche
Auswirkungen eine Rücknahme der Gruppenfreistellung auf die Behauptung
der europäischen Schifffahrt am Weltmarkt hat.
Dies gilt im Besonderen für:
– die Auswirkungen auf die Handelsströme und die verladende Wirtschaft,
– die Auswirkungen auf Investitionen,
– die Auswirkungen auf Verbraucherpreise,
– die Auswirkungen auf die Marktanteile, also die Überlebenschancen von

Unternehmen,
– die Auswirkungen auf Beschäftigung auf See und an Land,
– die Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur und vor allem die Flaggen-

führung der von deutschen Linienreedereien betriebenen Handelschiffe.
Außerdem fehlt in dem Weißbuch eine Darstellung der Auswirkungen auf
internationale rechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union im Zusam-
menhang mit Linienschifffahrtskonferenzen.
Im Weißbuch wird der Kompromissvorschlag der European Liner Affairs
Association (ELAA) vom 6. August 2004 als mögliche Alternative zur beste-
henden Wettbewerbspolitik erwähnt. Eine wünschenswerte Auseinanderset-
zung mit dem Vorschlag der ELAA findet aber nicht statt.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
in ihrer abzugebenden Stellungnahme und in den EU-Gremien darauf hinzu-
wirken, dass das Weißbuch in den oben aufgeführten Punkten konkretisiert
wird.

Berlin, den 19. Januar 2005

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Eduard Oswald
Vorsitzender

Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4675

Bericht des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

I. Überweisung
Die Unterrichtung – Drucksache 15/4213 Nr. 2.49 – wurde
am 12. November 2004 gemäß § 93 Abs. 1 der Geschäfts-
ordnung an den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen zur federführenden Beratung und an den Aus-
schuss für Wirtschaft und Arbeit zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Bei dem Weißbuch, welches die EU-Kommission vorgelegt
hat, geht es um die Überprüfung der Verordnung (EWG)
Nr. 4056/86. Insbesondere wird die Aufhebung der Grup-
penfreistellung von Linienkonferenzen in Erwägung gezo-
gen und es wird die Frage untersucht, ob die Verordnung
durch ein anderes Rechtsinstrument ersetzt werden sollte.

III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat die Vorlage
in seiner 80. Sitzung am 15. Dezember 2004 beraten und
empfiehlt deren Kenntnisnahme. Er empfiehlt mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Frak-
tion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP die Annahme des Entschließungsantrags der Koaliti-
onsfraktionen (Ausschussdrucksache 15(9)1610).

IV. Beratungsverlauf im federführenden
Ausschuss

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
hat die Unterrichtung durch die Bundesregierung in seiner
61. Sitzung am 15. Dezember 2004 beraten.
Die Koalitionsfraktionen haben zu der Vorlage einen Ent-
schließungsantrag (Ausschussdrucksache 15(14)1517) ein-
gebracht, dessen Inhalt sich aus der Beschlussempfehlung
ergibt.
Den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Aus-
schussdrucksache 15(14)1517 hat derAusschuss fürVerkehr,
Bau- und Wohnungswesen mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP angenommen.DieUnterrichtung durch die Bundes-
regierung – Drucksache 15/4213 Nr. 2.49 – hat er zur Kennt-
nis genommen.

Berlin, den 19. Januar 2005
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4675

13808/04 eh 1
DG C I DE

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 21. Oktober 2004 (22.10)
(OR. en)

13808/04

RC 13
MAR 182

ÜBERMITTLUNGSVERMERK
Absender: Frau Patricia BUGNOT, Direktorin, im Auftrag des Generalsekretärs der

Europäischen Kommission
Eingangsdatum: 15. Oktober 2004
Empfänger: der Generalsekretär/Hohe Vertreter, Herr Javier SOLANA
Betr.: Weißbuch zur Überprüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die

Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr

Die Delegationen erhalten in der Anlage das Kommissionsdokument - KOM(2004) 675 endg.

________________________

Anl.: KOM(2004) 675 endg.

Anlage

Drucksache 15/4675 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

DE DE

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 13.10.2004
KOM(2004) 675 endgültig

WEISSBUCH

zur Überprüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Anwendung der EG-
Wettbewerbsregeln auf den Seeverkehr

(von der Kommission vorgelegt)

{SEK(2004) 1254}

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4675

1. EINLEITUNG

1.1. Zweck des Weißbuchs

1. Mit dem vorliegenden Papier soll das weitere Vorgehen im Bereich Wettbewerb im
Seeverkehr unterbreitet werden. Insbesondere soll geprüft werden, ob die derzeit
geltenden Vorschriften der Verordnung 4056/86 beibehalten, geändert oder außer
Kraft gesetzt werden sollen. Des Weiteren wird erörtert, ob es sinnvoll ist, die
derzeitige Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen, wie sie die Verordnung
4056/86 vorsieht, durch andere Gemeinschaftsinstrumente (z.B. eine neue
Gruppenfreistellung oder eine Reihe von Leitlinien) zu ersetzen, in denen neue
Formen der Zusammenarbeit zwischen Linienschifffahrtsbetreibern auf Routen aus
der und in die EU (abgesehen von den bereits existierenden Formen wie Konsortien
oder Allianzen) berücksichtigt sind.

1.2. Ratsverordnung 4056/86

2. Die Verordnung 4056/86 des Rates über die Anwendung der Artikel 81 und 82 des
Vertrages auf den Seeverkehr (nachstehend „Verordnung 4056/86“)1 erfüllte
ursprünglich eine doppelte Funktion. Zum einen enthielt sie verfahrensrechtliche
Bestimmungen, die der Kommission die praktischen Hilfsmittel für eine effektive
Sachverhaltsfeststellung und Durchsetzung der EG-Wettbewerbsregeln im
Seeverkehr an die Hand gaben. Zum anderen sah sie materiellrechtliche Vorschriften
für den Bereich des Seeverkehrs vor. Die wichtigste materiellrechtliche Bestimmung
ist die Freistellung von bestimmten Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und
aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen
Handelsschifffahrtsunternehmen vom Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG-Vertrag.
Die erstgenannte Funktion der Verordnung 4056/86 wurde mit dem Inkrafttreten der
Verordnung 1/2003 überflüssig, mit der die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der
Verordnung 4056/86 außer Kraft gesetzt und praktisch für alle Sektoren
einschließlich des Seeverkehrs einheitliche wettbewerbsrechtliche
Durchführungsbestimmungen eingeführt wurden (von einigen wenigen Ausnahmen
abgesehen)2. Die materiellrechtlichen Bestimmungen der Verordnung 4065/86 sind
jedoch unverändert gültig. Nach Abschaffung der verfahrensrechtlichen
Sondervorschriften für die Handelsschifffahrt drängt sich daher in einem nächsten
Schritt die logische Frage auf, ob in der gegenwärtigen Situation die Beibehaltung
spezieller materiellrechtlicher Wettbewerbsregeln für den Handelsverkehr zur See
noch ihre Berechtigung hat.

1.3. Überprüfung der Verordnung

3. Bei der Überprüfung muss eine Gesamtsicht der Dinge gewahrt bleiben. Auf dem
Treffen des Europäischen Rates in Lissabon im März 20003 wurde die Kommission
aufgefordert, „die Liberalisierung in Bereichen wie Gas, Strom, Postdienste und
Beförderung zu beschleunigen“. Weiteren Anlass zu der Überprüfung gab ein im
April 2002 veröffentlichter Bericht des OECD-Sekretariats, in dem empfohlen wird,
über eine Abschaffung der kartellrechtlichen Freistellung von Preis- und
Frachtratenabsprachen nachzudenken4.

Drucksache 15/4675 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. Im Mittelpunkt der Überprüfung steht die derzeitige Freistellung bestimmter
wettbewerbsbeschränkender Praktiken von Linienkonferenzen, darunter vor allem
die Festsetzung von Preisen und die Regulierung des Angebots. Darüber hinaus
sollen noch einige andere Vorschriften der Verordnung 4056/86 unter die Lupe
genommen werden, so die Vorschrift über die Nichtanwendbarkeit der
wettbewerbsrechtlichen Durchführungsbestimmungen auf bestimmte
Handelsschifffahrtsdienste (Kabotage, d.h. der Seetransport innerhalb eines Landes,
und Trampdienste, d.h. Dienste außerhalb des Linienverkehrs), die Vorschrift über
technische Vereinbarungen und die Vorschrift zum Thema Rechtskollision.

5. In den achtzehn Jahren seit Annahme der Verordnung 4056/86 hat sich der
Handelsschifffahrtsmarkt gewandelt. So hat vor allem die Bedeutung von
Handelsschifffahrtsunternehmen, die Liniendienste außerhalb einer Linienkonferenz
anbieten (unabhängige Betreiber), auf den meisten Routen in die und aus der EU
zugenommen. Zudem gibt es inzwischen zahlreiche weitere funktionierende Formen
der Zusammenarbeit zwischen Handelsschifffahrtsunternehmen (z.B. Konsortien und
Allianzen), bei denen keine Preisfestsetzung stattfindet. Was jedoch noch mehr zählt,
ist die deutliche Zunahme individueller geheimer vertraglicher Vereinbarungen
zwischen Reedereien und Verladern (individuelle Dienstleistungsverträge).
Hierdurch stellt sich die Frage, ob die generelle Freistellung der Praxis der
Preisfestsetzung und Kapazitätsregulierung im Rahmen von Linienkonferenzen
gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag immer noch berechtigt ist.

6. Mit den Mitgliedstaaten war vereinbart worden5, dass die Überprüfung
in drei Schritten erfolgen soll: 1) Sachstandsermittlung, 2) Erarbeitung
eines Kommissionspapiers und 3) Unterbreitung eines Vorschlags für einen
Rechtsakt. Ganz zu Anfang - im März 2003 - wurde ein Konsultationspapier
veröffentlicht, das über das Internet unter der Anschrift
http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/legislation/maritime/en.pdf abrufbar
ist. Insgesamt gingen hierzu 36 Kommentare von Anbietern von regelmäßigen
Transportdiensten zur See (Reedereien), Nutzern (Verladern und Spediteuren), den
Mitgliedstaaten, Verbraucherverbänden u.a. ein. An der Auswertung der Antworten
wirkten Wirtschaftwissenschaftler der Erasmus Universität Rotterdam mit. Die
Antworten auf das Konsultationspapier und der Erasmus-Abschlussbericht sind auf
der Website der Kommission veröffentlicht. Im Anschluss an eine öffentliche
Anhörung, die im Dezember 2003 stattfand, gab die GD Wettbewerb ein
Diskussionspapier heraus, in dem sie das Ergebnis des Anhörungsprozesses
erläuterte und eine erste Analyse vornahm. Dieses Papier, das unter der Internet-
Anschrift http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/ veröffentlicht
wurde, diente als Grundlage für die Erörterung der anstehenden Fragen mit den
Mitgliedstaaten im Mai 2004.

1.4. Diskussionspunkte

7. Die Überprüfung der Verordnung 4056/86 wirft im Wesentlichen folgende Fragen
auf:

(a) Ist angesichts der aktuellen Marktlage die generelle Freistellung der Praxis der
Preisfestsetzung sowie der Angebots- und Marktregulierung im Rahmen von
Linienkonferenzen gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag nach wie vor
gerechtfertigt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4675

(b) Wenn nicht, wären dann andere Gemeinschaftsinstrumente nötig (z.B. eine
neue Gruppenfreistellung oder verschiedene Leitlinien), in denen neue Formen
der Zusammenarbeit zwischen Handelsschifffahrtsunternehmen auf Routen aus
der und in die EU (abgesehen den bereits existierenden Formen wie Konsortien
oder Allianzen) berücksichtigt werden?

(c) Ist es immer noch berechtigt, dass Trampdienste und Kabotage vom
Anwendungsbereich der Verordnung 1/2003 ausgenommen werden?

(d) Gibt es einen vernünftigen Grund, weshalb die Ausnahmeregelung für rein
technische Vereinbarungen in der Verordnung 4056/86 beibehalten werden
sollte?

(e) Gibt es einen vernünftigen Grund, weshalb die Kollisionsvorschrift in der
Verordnung 4056/86 beibehalten werden sollte?

2. DIE GRUPPENFREISTELLUNG FÜR LINIENKONFERENZEN

8. Die Verordnung 4056/86 ermöglicht unter bestimmten Bedingungen und
Voraussetzungen eine so genannte Gruppenfreistellung von Vereinbarungen,
Beschlüssen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen allen oder
einzelnen Mitgliedern einer oder mehrerer Linienkonferenzen im Sinne von Artikel 1
Absatz 3 Buchstabe b) der Verordnung 4056/86, in deren Rahmen die
Verschiffungspreise und -bedingungen festgelegt und zudem eine oder mehrere der
nachstehenden Formen der Zusammenarbeit praktiziert werden:

– Abstimmung von Fahrplänen oder Auslauf bzw.- Einlaufzeiten,

– Festsetzung der Fahrtfrequenzen,

– Abstimmung bzw. Aufteilung der Fahrten unter den Mitgliedern der
Konferenz,

– Regulierung der von den einzelnen Mitgliedern angebotenen
Transportkapazitäten,

– Aufteilung der Lademenge oder der Einnahmen unter den Mitgliedern.

9. Aus der Verordnung selbst, der Entscheidungspraxis der Kommission und der
ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass die
Gruppenfreistellung in der Verordnung 4056/86 „absoluten Ausnahmecharakter“
hat6, weil sie Preisabsprachen und die Regulierung von Kapazitäten, die
normalerweise zu den „Kernbeschränkungen“ gehören7, auf unbestimmte Zeit
freistellt und keine Marktanteilsschwellen enthält. Tatsächlich ist die Verordnung nur
aus der damaligen Situation heraus zu verstehen.

10. Die Linienkonferenzen haben versucht, die Gruppenfreistellung weit auszulegen.
Ihrer Ansicht nach fielen zum Beispiel die Vereinbarungen über die Nichtnutzung
von vorhandenen Kapazitäten8 und die Festsetzung von Preisen für die
Inlandsbeförderung9 unter die Gruppenfreistellung. Weder die Kommission noch der
Gerichtshof schlossen sich jedoch dieser Auffassung an, da die Gruppenfreistellung

Drucksache 15/4675 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

eine Ausnahmeregelung vom Verbot des Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt
und daher eng auszulegen ist10. Sonstige Zielsetzungen des EG-Vertrags können nur
insoweit berücksichtigt werden, als sie unter einer der vier in Artikel 81 Absatz 3
genannten Bedingungen subsumiert werden können11.

2.1. Bewertung

11. Die EU-Wettbewerbsregeln wurden ausgehend von der Prämisse konzipiert, dass der
Wettbewerb für ein optimales Preis-Leistungsverhältnis aus der Sicht der
Verbraucher sorgt. Die Grundregel im Vertrag lautet daher, dass der Wettbewerb
nicht verfälscht werden darf und dass jede Ausnahme von der Regel begründet
werden muss. Vereinbarungen, die den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz
1 EG-Vertrag einschränken (wie dies bei Preis- und
Kapazitätsregulierungsvereinbarungen der Fall ist), können nur freigestellt werden,
wenn sie alle vier Bedingungen des Artikels 81 Absatz 3 EG-Vertrag erfüllen, d.h.

1) die Vereinbarung muss einen Beitrag zur Verbesserung der
Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen
oder wirtschaftlichen Fortschritts leisten,

2) die Verbraucher müssen angemessen an dem entstehenden Gewinn
beteiligt werden,

3) die Wettbewerbsbeschränkungen müssen für die Verwirklichung dieser
Ziele unerlässlich sein und

4) die beteiligten Unternehmen dürfen keine Möglichkeit erhalten, für einen
wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb
auszuschalten.

12. Die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von
Vereinbarungen im Wege der Gruppenfreistellung beruht auf der Annahme, dass die
wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen jede der in Artikel 81 Absatz 3 des
Vertrags genannten Bedingungen erfüllen.

13. Die Begründung für die Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen findet sich in
Erwägungsgrund 8 der Präambel der Verordnung 4056/86, wo grundsätzlich davon
ausgegangen wird, dass die Konferenzen eine stabilisierende Rolle spielen, indem sie
den Verladern zuverlässige Dienste garantieren, die durch weniger restriktive
Maßnahmen nicht gewährleistet werden könnten. Dies heißt jedoch nicht, wie das
Gericht erster Instanz ausgeführt hat, dass der Rat behauptet habe, dass Stabilität
wichtiger sei als Wettbewerb (was er auch gar nicht hätte tun können)12.

14. Es sei angemerkt, dass die in Erwägungsgrund 8 der Präambel der Verordnung
4056/86 genannte Rechtfertigung für die Freistellung nicht mit Erfahrungen der
Kommission mit der Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 auf Linienkonferenzen
begründet worden ist13. Die Kernfrage bei der Überprüfung der Verordnung lautet
daher, ob angesichts der aktuellen Marktlage die in der Verordnung 4056/86
genannte Rechtfertigung für die Preisfestsetzung und die Regulierung des Angebots
durch Linienkonferenzen (nach wie vor) Gültigkeit besitzt. Sollte dies nicht der Fall
sein, bestünde nämlich kein Grund mehr für die Gruppenfreistellung, die dann

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4675

entweder außer Kraft gesetzt oder abgeändert werden müsste. Deshalb wurden die
Beteiligten aufgefordert, objektiv gerechtfertigte Gründe für eine weitere Freistellung
vorzubringen.

15. Die Anhörung hat gezeigt (wie in der Anlage ausführlicher erläutert wird), dass die
vier kumulativen Bedingungen für die Freistellung der Preisfestsetzung und der
Angebots- und Marktregulierung durch die Linienkonferenzen offensichtlich nicht
mehr erfüllt sind. Es gibt keinen triftigen ökonomischen Grund, der dafür spricht,
dass die Annahmen, mit denen die Gruppenfreistellung bei ihrer Verabschiedung im
Jahr 1986 begründet wurde, heute die vier Bedingungen des Artikels 81 Absatz 3
EG-Vertrag noch erfüllen.

3. SONSTIGE FORMEN DER ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN
HANDELSSCHIFFAHRTSUNTERNEHMEN

3.1. Einleitung

16. Konferenzen sind nicht die einzige Form, in der Handelsschifffahrtsunternehmen
organisiert sind. Liniendienste können auch von Konsortien und Allianzen erbracht
werden. Die Tätigkeiten von Konsortien sind gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag
unter bestimmten, in der Verordnung 823/2000 genannten Voraussetzungen
freigestellt. Die Reedereien könnten ihr Frachtgeschäft auch zusammenlegen; der
Zusammenschluss wäre dann nach den nationalen Kartellvorschriften oder der EG-
Fusionskontrollverordnung zu prüfen.

3.2. “Discussion Agreements”

17. Eine andere denkbare Form der Zusammenarbeit im Handelsschifffahrtsverkehr auf
den Routen aus und nach Europa wären die so genannten „Discussion Agreements“.
Diese Vereinbarungen, die vor allem auf den US-amerikanischen Routen und den
Routen von und nach Australien praktiziert werden14, sind mehr oder weniger
Rahmenvereinbarungen, mittels derer Reedereien, die Mitglied einer
Linienkonferenz sein können oder auch nicht, ihr Wettbewerbsverhalten in Bezug
auf Frachtraten und andere Beförderungsbedingungen flexibel untereinander
abstimmen können. Umfang und Inhalt der Vereinbarungen können variieren. In der
Regel kommt es dabei auch zum Austausch sensibler Geschäftsdaten zwischen
Wettbewerbern, weshalb bei diesen Vereinbarungen die ständige Rechtsprechung des
Gerichtshofs zum Datenaustausch zu beachten ist. Wie in den USA gesehen, sind die
„Discussion Agreements“ aufgrund ihrer per se flexiblen Handhabung auch für
traditionell unabhängige Reedereien von Interesse. Daher können „Discussion
Agreements“ für den Wettbewerb noch schädlicher sein als Konferenzen, da sie eine
wirksame Konkurrenz der Linienkonferenzen auszuschalten vermögen.

18. Andere Formen der Zusammenarbeit zwischen Reedern im Rahmen der EU
Wettbewerbsregeln sind denkbar.

3.3. Der Vorschlag der European Liners Affairs Association (ELAA)

19. Die ELAA hat der Kommission einen Vorschlag für eine neue Rahmenregelung für
Linienfrachtdienste zur See aus der und in die EU vorgelegt15, der ihrer Ansicht nach

Drucksache 15/4675 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

die Verordnung 4056/86 ersetzen könnte16. Die Kommission nimmt diesen
Vorschlag zur Kenntnis, möchte aber betonen, dass er nicht das Ergebnis von
Verhandlungen oder einer Vereinbarung mit der Kommission ist. Er gibt lediglich
wieder, was nach Ansicht der ELAA ein geeigneter Rahmen für eine
Zusammenarbeit von Handelsschifffahrtsunternehmen wäre. Die Kernpunkte des
Vorschlags sind17:

– Austausch von Daten über die Gesamtauslastung und den Marktumfang je nach
Route und für den gesamten Verkehr zwischen jeweils zwei Regionen/Zonen
zwischen den Reedereien und deren Erörterung (Zusammenstellung der Daten mit
einmonatiger Verzögerung),

– Erörterung und Einschätzung der Güterentwicklung je nach Route (anhand von
mit einmonatiger Verzögerung gesammelter Daten),

– Erörterung und Bewertung der Angebots- und Nachfragedaten je nach
Route/Transportgut; Veröffentlichung der Nachfrageprognosen je nach Route und
Transportgut,

– Unterrichtung der Reedereien über ihre Marktanteile je nach Route, Region und
Hafen (Zusammenstellung der Daten mit einmonatiger Verzögerung),

– Veröffentlichung der Preisindizes je nach Art der Ausrüstung (mit Kühlaggregat,
Trockenlagerung) und/oder Route (Zusammenstellung mit vierteljährlicher
Verzögerung),

– Festlegung der Aufschläge und Nebenkosten anhand von öffentlich zugänglichen
transparenten Berechnungsformeln, deren Einzelheiten mit den Verladern erörtert
würden.

3.4. Erste Kommentare zu dem ELAA-Vorschlag

20. Die Kommission begrüßt die Bereitschaft der Reedereien, über eine künftige
Neuorganisation der Linienfrachtgutbeförderung nachzudenken, die von dem
bisherigen Konferenzsystem abrückt. Aus der Branche selbst war zu hören, dass es
den Handelsschifffahrtsunternehmen gar nicht mehr so sehr um die in der
Verordnung 4056/86 freigestellten Tätigkeiten geht (d.h. Festsetzung von Preisen
und Angebots- und Marktregulierung), sondern eher um die Gespräche
„drumherum“. Deshalb versteht es sich von selbst, dass jede neue Rahmenregelung
für eine Zusammenarbeit zwischen Handelsschifffahrtsunternehmen sorgfältig auf
ihre Vereinbarkeit mit den EG-Wettbewerbsregeln hin geprüft werden muss.

21. Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass sich die Mitglieder der Konferenz
an Praktiken gewöhnt haben, die nach den EG-Wettbewerbsregeln normalerweise
untersagt sind. Diese Vorzugsbehandlung erschwert Einigen von ihnen die
Anpassung an eine Situation, in der sie wie in jeder anderen Branche auch die
üblichen EG-Wettbewerbsregeln einhalten müssen. Aus geschäftlicher Sicht ist daher
verständlich, wenn die Reedereien versuchen, das derzeitige System „sanft“
auslaufen zu lassen oder zumindest durch ein anderes System zu ersetzen, das der
derzeitigen Regelung nahe kommt und das ihre vermeintliche Sonderstellung am
besten widerspiegelt. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4675

fortgesetzte Sonderbehandlung der Linienhandelsschifffahrtsbranche im Vergleich
zu anderen kapitalintensiven Branchen mit hohen Fixkosten und
Nachfrageschwankungen (wie z.B. der Luftverkehr) stichhaltig begründet werden
muss. Darüber hinaus müssen die Auswirkungen einer Alternativregelung auf die
gesamte Branche berücksichtigt werden, d.h. nicht nur die Interessen der Mitglieder
der Linienkonferenzen, sondern auch diejenigen ihrer Wettbewerber (d.h. der
unabhängigen Reedereien), ihrer Kunden (der Verlader) und der Endabnehmer. Die
ELAA hat betont, der Vorschlag sei für die gesamte Branche und deren Kunden von
Nutzen. Die Kommission würde daher gern die Meinung aller betroffenen Kreise zu
den verschiedenen Punkten des Vorschlags in Erfahrung bringen, vor allem die von
Verladern, Vereinigungen wie dem European Shippers Council und Reedereien.

3.5. Schlussfolgerung

22. Bei einer Aufhebung der gegenwärtigen Freistellung der Praxis der Preisfestsetzung
und Kapazitätenregulierung wären die Linienkonferenzen auf Routen in die und aus
der EU im Sinne der Verordnung 4056/86 mit Artikel 81 EG-Vertrag unvereinbar18.
In diesem Fall stellt sich die Frage, welches andere EU-Rechtsinstrument benötigt
wird, das in Bezug auf die Anwendbarkeit von Artikel 81 auf andere Formen der
Zusammenarbeit bei der Linienfrachtgutbeförderung zur See eine Orientierungshilfe
gibt. Selbstverständlich würden die Notwendigkeit und die Form eines solchen
Rechtsinstruments in starkem Maße vom Inhalt der geplanten Rahmenregelung für
die Zusammenarbeit abhängen. Vor allem ist es wichtig zu wissen, ob damit
Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag
verbunden sind und wenn ja, ob die Voraussetzungen für eine Freistellung gemäß
Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag gegeben sind.

23. Die Kommission würde gern wissen, ob Dritte einen neuen Rechtsrahmen zur
Regelung der Zusammenarbeit zwischen Linienseefrachtunternehmen für notwendig
halten und wenn ja, welche Form dieses Rechtsinstrument ihrer Ansicht nach haben
sollte.

4. KABOTAGE UND TRAMPDIENSTE

24. Gemäß Artikel 32 Buchstaben a) und b) der Verordnung 1/2003 gelten die
Durchführungsbestimmungen zu den EG-Wettbewerbsregeln nicht für internationale
Trampdienste im Sinne von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a) der Verordnung
4056/86 und Seeverkehrsdienstleistungen, die ausschließlich zwischen Häfen ein und
desselben Mitgliedstaates erbracht werden (Kabotage -Artikel 1 Absatz 2 der
Verordnung 4056/86) 19,20.

25. Wie in der Anlage ausführlicher dargelegt ist, wurde kein glaubhaftes Argument
vorgebracht, weswegen für diese Dienste andere Durchführungsbestimmungen
gelten sollten als für alle anderen Wirtschaftssektoren. Es wurde auch nicht näher
erläutert, welche nachweislich nachteiligen Folgen sich hieraus für die Branche
ergeben könnten. Die Kommission schlägt daher vor, die allgemeinen
Durchführungsbestimmungen der Verordnung 1/2003 auch auf Kabotage- und
Trampdienste im Bereich des Seeverkehrs anzuwenden. Um der Trampindustrie zu
helfen ihre „pool agreements“ korrekt zu bewerten, zieht die Kommission in
Erwägung, die Industrie in angemessener Form zu beraten.

Drucksache 15/4675 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

5. TECHNISCHE VEREINBARUNGEN

26. Nach Artikel 2 der Verordnung 4056/86 dürfen Anbieter von Transportleistunngen
zur See Vereinbarungen schließen, die ausschließlich technische Verbesserungen
oder eine technische Zusammenarbeit bezwecken oder bewirken. Derartige
Vereinbarungen fallen nicht unter Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag. In der Vorschrift
werden einige Beispiele genannt, z.B. Vereinbarungen über Normen oder Typen für
Schiffe und sonstige Ausrüstungsgegenstände und die Abstimmung von Fahrplänen
auf Anschlussrouten.

27. Diese Ausnahmebestimmung hat, wie auch der Gerichtshof befand, rein
deklaratorischen Charakter (siehe hierzu die ausführlicheren Erläuterungen in der
Anlage). Deshalb wird vorgeschlagen, sie zu streichen, wie dies der Rat zu Beginn
dieses Jahres bereits für den Luftverkehr getan hat.

6. RECHTSKOLLISION

28. Artikel 9 der Verordnung 4056/86 schreibt vor, wie zu verfahren ist, wenn die
Verordnung mit den gesetzlichen Vorschriften eines Drittlandes kollidiert. In diesem
Fall ist die Kommission aufgerufen, die zuständigen Behörden in den betreffenden
Staaten zu konsultieren und sich gegebenenfalls vom Rat zur Aufnahme von
Verhandlungen ermächtigen zu lassen. Diese Bestimmung wurde seinerzeit deshalb
in die Verordnung 4056/86 aufgenommen, weil man der Ansicht war, dass aufgrund
der Besonderheiten des internationalen Seeverkehrs die Anwendung der Verordnung
4056/86 zu Kollisionen mit den Rechts- und Verwaltungsvorschriften einzelner
Drittländer führen und abträgliche Folgen für wichtige handels- und
schifffahrtspolitische Interessen der Gemeinschaft haben könnte (siehe
Erwägungsgrund 15 der Verordnung).

29. Wie den Ausführungen in der Anlage zu entnehmen ist, ist es bisher noch nie zu
einer Rechtskollision gekommen und es ist unwahrscheinlich, dass dieser Fall
eintritt, selbst wenn die Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen vollständig
außer Kraft gesetzt wird. Somit gibt es eigentlich keinen Grund, an dieser Vorschrift
festzuhalten.

7. SCHLUSSFOLGERUNGEN

30. Aus obigen Ausführungen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

(a) Ist angesichts der aktuellen Marktlage die generelle Freistellung der
Praxis der Preisfestsetzung sowie der Angebots- und Marktregulierung
im Rahmen von Linienkonferenzen gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-
Vertrag nach wie vor gerechtfertigt? Nein. Es gibt keinen triftigen
ökonomischen Grund, der dafür spricht, dass die Annahmen, mit denen
die Gruppenfreistellung bei ihrer Verabschiedung im Jahr 1986
begründet wurde, heute vor dem Hintergrund der vier Bedingungen des
Artikels 81 Absatz 3 EG-Vertrag noch zutreffen. Die Kommission zieht
daher in Erwägung, die Gruppenfreistellung für die Linienkonferenzen
aufzuheben.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/4675

(b) Würde die Kommission vorschlagen, die Gruppenfreistellung durch ein
anderes Rechtsinstrument für Linienschifffahrtsdienstleistungen, die auf
Handelsrouten zu und von der EU anwendbar sind, zu ersetzen? Die
Kommission wird die maßgeblichen Vorschläge der Industrie und die
Kommentare der Anspruchsberechtigten beurteilen, mit dem Ziel eine
Position bezüglich eines alternativen Kooperationsrahmens zwischen
Linienschifffahrtsgesellschaften einzunehmen. Dies wird mit Hilfe eines
angemessenen Rechtsmittels geschehen. ELAA hat bereits konkrete
Vorstellungen bezüglich eines solchen Rahmens vorgelegt. Bevor die
Kommission in Bezug auf diese Konzepte eine Position einnehmen wird,
möchte sie interessierte Dritte einladen ihre Stellungnahmen
einzureichen, sowie alternative Möglichkeiten anzubieten.

(c) Ist es immer noch berechtigt, dass Tramp- und Kabotagedienste vom
Anwendungsbereich der Durchführungsbestimmungen der Verordnung
1/2003 ausgenommen werden? Es wurde kein glaubhaftes Argument
vorgebracht, weswegen für diese Dienste andere
Durchführungsbestimmungen gelten sollten als für alle anderen
Wirtschaftssektoren. Es wurde auch nicht näher erläutert, welche
nachteiligen Folgen sich hieraus für die Branche nachweislich ergeben
könnten. Die Kommission zieht daher in Erwägung, die allgemeinen
Durchführungsbestimmungen der Verordnung 1/2003 auch auf
Kabotage- und Trampdienste im Bereich des Seeverkehrs anzuwenden.
Die Kommission wird die Trampindustrie in angemessener Form
hinsichtlich der Anwendung der Wettbewerbsregeln in ihrem Sektor
beraten.

(d) Gibt es einen vernünftigen Grund, weshalb die Ausnahmeregelung für
rein technische Vereinbarungen beibehalten werden sollte? Die in
Artikel 2 der Verordnung 4056/86 enthaltene Ausnahmebestimmung
betreffend technische Vereinbarungen hat, wie auch der Gerichtshof
befand, rein deklaratorischen Charakter, weshalb die Kommission in
Erwägung zieht, sie zu streichen, wie dies der Rat zu Beginn dieses
Jahres bereits für den Bereich des Luftverkehrs getan hat.

(e) Gibt es einen vernünftigen Grund, weshalb die Kollisionsvorschrift in der
Verordnung 4056/86 beibehalten werden sollte? Es ist es bisher noch nie
zu einer Rechtskollision gekommen und es gibt eigentlich keinen Grund,
an dieser Vorschrift festzuhalten. Bevor die Kommission in dieser Frage
jedoch endgültig Stellung bezieht, möchte sie die Meinung Dritter, vor
allem ihrer internationalen Partner, zur Notwendigkeit einer
Kollisionsvorschrift einholen.

8. VORGESCHLAGENE MAßNAHMEN

31. Die Kommission schlägt daher folgende Maßnahmen vor:

– die Aufhebung der materiellrechtlichen Vorschriften der Verordnung 4056/86 in
Erwägung zu ziehen, vor allem der Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen
und der Vorschrift über technische Vereinbarungen,

Drucksache 15/4675 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– Untersuchung der Frage, ob die Verordnung 4056/86 durch ein anderes
Rechtsinstrument ersetzt werden sollte, und ggf. Vorlage eines entsprechenden
Vorschlags, wobei auch die Konkurrenzposition der EU
Linienschifffahrtsindustrie in einem globalen Zusammenhang mit einbezogen
werden,

– sorgfältige Prüfung des ELAA-Vorschlags unter Berücksichtigung der von dritter
Seite eingegangenen Kommentare, sowie von anderen Vorschlägen, die von der
Industrie oder anderen interessierten Parteien eingereicht werden könnten,

– Änderung der Verordnung 1/2003 dahingehend, dass die Nichtanwendbarkeit auf
Kabotage- und Trampdienste gestrichen wird,

– sorgfältige Prüfung der Frage, ob es Gründe für die Beibehaltung der
Kollisionsvorschrift gibt,

9. AUFFORDERUNG ZUR ÜBERMITTLUNG VON KOMMENTAREN

32. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten sowie alle sonstigen Institutionen und
betroffenen Kreise auf, ihre Kommentare zu dem Weißbuch innerhalb von zwei
Monaten ab seiner Veröffentlichung an folgende Anschrift zu übermitteln:

Per Post:

Generaldirektion Wettbewerb
Europäische Kommission
Referat D2 (Verkehr)
Weißbuch zur Überprüfung der Verordnung zum Seeverkehr
Rue Joseph II 70, 2/237
1049 Brüssel

Per E-Mail:

[email protected]

Anlage: Hintergrundpapier

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4675

1 Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der
Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr, ABl. L 378 vom 31.12.1986,
S. 24, zuletzt geändert durch die Verordnung 1/2003 vom 16. Dezember 2002 (ABl. L 1 vom 4.1.2003,
S. 1).

2 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S.1).

3 SN 100/1/100.

4 Bericht des OECD Sekretariats vom April 2002, Competition policy in liner shipping, S. 80-88,
abrufbar unter http://www.oecd.org/dataoecd/13/46/2553902.pdf.

5 Beratender Ad-hoc-Ausschuss vom 25. März 2002.

6 Siehe z.B. Rs. T-86/95, Companie Générale Maritime, Slg.2002, II-1011, Rdnrn. 254, 393 und 484.

7 Kernbeschränkungen sind Beschränkungen des Wettbewerbs, die per se von Artikel 81 Absatz 1 EG-
Vertrag erfasst werden und in aller Regel die Voraussetzungen für eine Freistellung gemäß Artikel 81
Absatz 3 EG-Vertrag nicht erfüllen.

8 Siehe Entscheidungen der Kommission vom 14. November 2002 in den Sachen TAA, EATA und
TACA (ABl. L 26 vom 31.1.2003, S. 53) und Pressemitteilung IP/02/1677 der Kommission vom
14.11.2002.

9 Siehe Entscheidungen der Kommission vom 14. November 2002 in den Sachen TAA, EATA und
TACA (ABl. L 26 vom 31.1.2003, S. 53) und Pressemitteilung IP/02/1677 der Kommission vom
14.11.2002.

10 Verbundene Rs. T-191/98 und T-212/98 bis T-214/1998, TACA, Slg. 2003, noch nicht veröffentlicht,
Rdnr. 568.

11 Siehe implizit hierzu Rs. T-17/93, Matra, Slg. 1994, II-595, Rdnr. 139, und Rs. 26/76, Metro (I),
Slg. 1977, 1875, Rdnr. 43.

12 Rs. T-395/94, TAA, Slg. 2002, II-00875, Rdnr. 156.

13 Vgl. hierzu die Verordnung (EG) Nr. 823/2000 zu Konsortien (ABl. 100 vom 20.4.2000, S. 24), die
Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 zu Kraftfahrzeugen (ABl. 203 vom 1.8.2002, S. 30) und die
Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 zu vertikalen Vereinbarungen (ABl. L 336 vom 29.12.1999, S. 21), in
denen die Kommission ausdrücklich auf die gewonnenen Erfahrungen verweist, die sie in die Lage
versetzten, bestimmte Gruppen von Vereinbarungen zu bestimmen, von denen normalerweise davon
ausgegangen werden kann, dass sie die Voraussetzungen des Artikel 81 Absatz 3 erfüllen.

14 Eine ausführlichere Beschreibung der Situation in diesen Gebieten findet sich in der Anlage zu diesem
Papier.

15 Linienfrachtdienste werden von der ELAA in ihrem Vorschlag definiert als „regelmäßige, auf einer
oder mehreren bestimmten Routen zwischen Häfen gemäß im voraus veröffentlichten Fahrplänen und
Abfahrtzeiten durchgeführte Beförderung von Gütern, die jedem Verkehrsnutzer gegen Bezahlung auch
bedarfsweise zugänglich ist, einschließlich Nebentätigkeiten“ (vgl. Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung
823/2000).

16 ELAA-Vorschlag vom 6 August 2004, abrufbar unter:
http://europa.eu.int/comm/competition/antitrust/others/maritime/elaa_proposal/elaa_proposal_6_august

_2004_en.pdf.

Rdnr. 568.

Drucksache 15/4675 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

17 Im Anhang findet sich eine ausführlichere Beschreibung des ELAA-Vorschlags.

18 Zumindest eine Linienkonferenz, die als Gruppe von zwei oder mehr Seeschifffahrtsunternehmen
definiert ist, die für die Beförderung von Ladung einheitliche oder gemeinsame Frachtraten vorsehen
(vgl. Definition in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) der Verordnung 4056/86).

19 Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ersetzt seit 1. Mai 2004 die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der
Verordnung 4056/86. Der Ausschluss von Kabotage- und Trampdiensten vom Anwendungsbereich der
Verordnung 4056/86 hat daher im Grunde seit 1. Mai 2004 seine praktische Bedeutung verloren.

20 Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen - die materiellrechtlichen Vorschriften (Artikel 81
und 82 EG-Vertrag) gelten selbstverständlich auch für diese Leistungen. Der Ausschluss beschränkt
sich auf die Durchführungsbestimmungen, mit anderen Worten – die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ist
auf Tramp- und Kabotagedienste nicht anwendbar.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.