BT-Drucksache 15/467

Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten

Vom 18. Februar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/467
15. Wahlperiode 18. 02. 2003

Antrag
der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald,
Georg Brunnhuber, Ulrich Adam, Dr. Wolf Bauer, Veronika Bellmann,
Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Paul Breuer, Hubert Deittert,
Alexander Dobrindt, Thomas Dörflinger, Maria Eichhorn, Enak Ferlemann,
Dr. Michael Fuchs, Georg Girisch, Peter Götz, Markus Grübel, Siegfried Helias,
Bernd Heynemann, Norbert Königshofen, Rudolf Kraus, Werner Kuhn (Zingst),
Peter Letzgus, Eduard Lintner, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Klaus Minkel,
Henry Nitzsche, Günter Nooke, Marion Seib, Gero Storjohann, Volkmar Uwe Vogel,
Gerhard Wächter, Elke Wülfing und der Fraktion der CDU/CSU

Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die Osterweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 wird ein deut-

liches Anwachsen der grenzüberschreitenden Verkehrsströme an den deut-
schen Grenzen zu Polen und der Tschechischen Republik bewirken. Die
Nutzung der grenznahen und grenzüberschreitenden Verkehrswege durch
den Güter- als auch Personenverkehr wird spürbar zunehmen. Als Folge der
engeren Beziehungen zum osteuropäischen Wirtschaftsraum zeichnet sich
eine erhebliche Steigerung des Waren- und Dienstleistungsaustausches ab.
Aufgrund der geographischen Nähe Deutschlands zu den Beitrittsländern
werden die Transitverkehre durch die Bundesrepublik Deutschland und die
grenzüberschreitenden Verkehre von und nach Osteuropa wesentlich stärker
wachsen, als der deutsche Binnenverkehr. Insbesondere sind davon betrof-
fen die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen
und Mecklenburg-Vorpommern.
Bereits heute sind die Zuwachsraten überdurchschnittlich. Die Einfuhr von
Waren aus Polen nach Deutschland hat sich von 1997 bis 2001 im Wert fast
verdoppelt. Die Ausfuhr nach Polen stieg im gleichen Zeitraum im Wert um
50 %. Betrachtet man die deutsch-polnische Autobahn-Grenzübergangs-
stelle Görlitz in Sachsen, so gab es in den fünf Jahren, nur bezogen auf das
LKW-Aufkommen, eine Zunahme um 21,2 %. Eine ähnliche Situation
zeichnet sich auch an der deutsch-tschechischen Grenze ab. Allein am
deutsch-tschechischen Grenzübergang Waidhaus in Bayern erhöhte sich das
Aufkommen an Reisenden innerhalb des kurzen Zeitraumes 1998 bis 1999
um 328 500. Die Nutzung des Übergangs durch LKW stieg in der gleichen
Zeit um 12,3 %.
Bis 2015 wird eine Steigerung des grenzüberschreitenden Straßengüterver-
kehrs zwischen der EU und den Beitrittsländern um rund 200 % prognosti-

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ziert. Die Schätzungen im Bereich des Personenverkehrs liegen bei Erhö-
hungen zwischen 25 % und 69 %.
Nicht zuletzt wird sich die Struktur der Verkehrsmärkte in Osteuropa der
Struktur der EU anpassen, womit eine steigende Bedeutung der Straße und
ein rückläufiger Anteil der Bahn einhergehen. Daher ist davon auszugehen,
dass auch die steigende Nutzung der grenzüberschreitenden Verkehrsinfra-
struktur dieser Entwicklung entsprechen wird.

2. Deutschland ist auf die EU-Osterweiterung nicht ausreichend vorbereitet.
Die von der früheren Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen stagnieren
seit vier Jahren. Der Ausbau der grenznahen und grenzüberschreitenden
Verkehrswege ist aber Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung der
Erweiterung und eine beschleunigte Integration der Beitrittsländer in poli-
tischer, wirtschaftlicher und menschlicher Hinsicht. Der bedarfsgerechte
Ausbau dieser Verkehrswege ist neben der Verbesserung der Verkehrs-
infrastruktur innerhalb der Beitrittsländer eine der wesentlichen Herausfor-
derungen der gesamten EU-Osterweiterung. Dazu ist primär eine konkrete
Bedarfsplanung nötig, welche die spezifisch erweiterungsbedingten Aus-
baunotwendigkeiten darstellt. Eine solche Planung erfordert, dass sie mit
den Anrainerstaaten abgestimmt und die Umsetzung koordiniert wird. Not-
wendig ist, dass Engpässe und Knotenpunkte festgelegt werden, die als vor-
dringlich zu behandeln sind. Dazu gehört auch die Einrichtung von zusam-
menhängenden Korridoren, in denen der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
Priorität erhält. Diese Korridore können vorübergehend eine Entlastung der
sonstigen grenzüberschreitenden Verbindungsachsen bewirken, so dass
deren bedarfsgerechter Ausbau ungehindert möglich ist.
Weiterhin ist es erforderlich, die Koordination im Rahmen des Transport-
Infrastructure-Needs-Assessment (TINA)-Programmes zu beschleunigen
und für die gesamte Planungs-, Abstimmungs- und Koordinationsphase ver-
stärkt zu nutzen.

3. Der Investitionsbedarf für den Ausbau der grenzüberschreitenden Verkehrs-
infrastruktur ist deutlich höher als der Umfang der bisherigen Maßnahmen.
Dazu gehört insbesondere die Sicherstellung der nationalen Kofinanzierung
der vorgesehenen Trans-European-Transport-Network (TEN)-Projekte, so
dass die TEN-Gelder beantragt und ausgeschöpft werden können. Daneben
ist eine verstärkte Nutzung von Privatfinanzierungen und Betreibermodellen
nötig.
Die Herausforderungen der EU-Osterweiterung im Verkehrsbereich sind nur
durch besondere Maßnahmen zu bewältigen. Verkehrsprojekte „Europäische
Einheit“, analog den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“, würden den
beschleunigten Ausbau der grenznahen und grenzüberschreitenden Ver-
kehrswege sicherstellen. Voraussetzung ist, dass die Regelungen des
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes und des Planungsvereinfa-
chungsgesetzes auf diese Projekte ausgedehnt werden.

4. Der Ausbau der grenznahen Verkehrsinfrastruktur in Deutschland kann nur
unter Berücksichtigung der bevorstehenden Anpassungsprozesse des Ver-
hältnisses der Verkehrsträger in den Beitrittsländern erfolgen. Der heute sehr
hohe Anteil des Schienenverkehrs in den osteuropäischen Ländern wird sich
zu Gunsten des Straßenverkehrs verringern. Standen die Verkehrsträger
Straße und Schiene Anfang der 90er Jahre in vielen dieser Länder noch
gleichstark nebeneinander, so wird sich in den nächsten Jahren beim Güter-
verkehr der Anteil der Straße auf zwei Drittel erhöhen und der Anteil der
Schiene auf ein Drittel verringern. Grund dafür sind die sich ändernden Gü-
terstrukturen in den Beitrittsländern von Massengütern zu Halb- und Fertig-
waren. Nicht zuletzt werden auch in diesen Ländern die Vorteile des LKW

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durch die Bahn nicht vollständig ausgeglichen werden können. Oberste Pri-
orität muss daher der Ausbau des grenznahen und grenzüberschreitenden
Straßennetzes haben.
Dennoch ist eine verstärkte Vernetzung der Bahnverbindungen zwischen
Deutschland und der Tschechischen Republik beziehungsweise Polen erfor-
derlich. Dazu würden insbesondere die Erhöhung der Zahl der grenzüber-
schreitenden Verbindungen und die Abstimmung der Fahrpläne im Regio-
nal- als auch im Fernbereich beitragen.
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Beitrittsländern existie-
ren aktuell erhebliche Differenzen zwischen den Eisenbahnsystemen, vor
allem im technischen Bereich. Der Rückgang des Verkehrsträgers Schiene in
den Beitrittsländern wird geringer ausfallen, wenn diese Unterschiede be-
schleunigt ausgeglichen und harmonisiert werden. Damit bestünde die
Chance, die Bahn innerhalb der gesamten erweiterten Union für große Dis-
tanzen und für bestimmte Produktgruppen attraktiv zu machen. Vor dem
Hintergrund des steigenden Verkehrsaufkommens hat die Bahn jetzt und in
der Zukunft einen hohen Stellenwert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Hinblick auf die
aus der EU-Osterweiterung zu erwartenden wachsenden Verkehrsströme
und die schon jetzt in den Grenzregionen bestehenden Engpässe in der Ver-
kehrsinfrastruktur auf,
1. eine konkrete Bedarfsplanung, welche auch in den Bundesverkehrswege-

plan einfließt, für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraßen
zu erarbeiten, die den spezifisch erweiterungsbedingten Neu- und Aus-
baubedarf darstellt und besondere Engpässe und Knotenpunkte festlegt;

2. die Umsetzung dieser Bedarfsplanung mit den Anrainerstaaten abzustim-
men und zu koordinieren;

3. zusammenhängende Korridore an der Grenze zu Polen und zur Tschechi-
schen Republik festzulegen, in denen dem Ausbau der Verkehrsinfra-
struktur Priorität eingeräumt wird;

4. die Investitionen für den Ausbau der grenznahen und grenzüberschreiten-
den Verkehrsinfrastruktur deutlich zu erhöhen und die Kofinanzierung
für vorgesehene TEN-Projekte sicherzustellen;

5. analog den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“, Verkehrsprojekte
„Europäische Einigung“ aufzulegen und die Regelungen des Ver-
kehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes und des Planungsvereinfa-
chungsgesetzes auf diese zu erstrecken;

6. darauf hinzuwirken, dass die deutschen Bahnverbindungen stärker mit
den Verbindungen in der Tschechischen Republik und in Polen vernetzt
werden;

7. sich dafür einzusetzen, dass die Diskrepanzen zwischen den Eisenbahn-
systemen der bisherigen EU-Länder und den Beitrittsstaaten beschleunigt
ausgeglichen und harmonisiert werden;

8. einen begleitenden Bund-Länder-Arbeitskreis einzusetzen.

Berlin, den 30. Januar 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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