BT-Drucksache 15/4504

Grünes Licht für gesetzlich normierte Fahrgastrechte

Vom 14. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4504
15. Wahlperiode 14. 12. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Georg Brunnhuber, Gitta Connemann, Renate Blank, Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Klaus Brähmig, Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Ingrid
Fischbach, Peter Götz, Ursula Heinen, Bernd Heynemann, Ernst Hinsken, Klaus
Hofbauer, Norbert Königshofen, Werner Kuhn (Zingst), Eduard Lintner, Klaus
Minkel, Marlene Mortler, Henry Nitzsche, Günter Nooke, Wilhelm Josef Sebastian,
Gero Storjohann, Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, GerhardWächter und der
Fraktion der CDU/CSU

Grünes Licht für gesetzlich normierte Fahrgastrechte

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit dem Antrag „Mehr Rechte für Fahrgäste im öffentlichen Personenverkehr“
(Bundestagsdrucksache 15/1236) hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine
gesetzliche Normierung der Fahrgastrechte eingefordert. Aufgrund des politi-
schen Drucks wurde zum 1. Oktober 2004 seitens der Deutsche Bahn AG die so
genannte Kundencharta in Kraft gesetzt. Die Bundesministerin für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, kommentierte dies
bereits vorab in ihrer Pressemitteilung vom 15. März 2004 mit den Worten:
„Die Bahnkundenrechte und das Preissystem der Deutsche Bahn AG haben
sich verbessert.“
In der Dezemberausgabe des Jahres 2004 hat sich die – unter anderem auch aus
staatlichen Zuwendungen geförderte – „Stiftung Warentest“ mit dieser Kunden-
charta auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis: „Eine Kundencharta
mit vielen schönen Worten und wenig Konkretem. Die Bahn verspricht den
Fahrgästen bei Zugverspätungen zwar erstmals einen Rechtsanspruch auf Ent-
schädigung, aber der ist wenig wert.“ Als Beispiele werden u. a. aufgeführt,
– dass es maximal einen Reisegutschein in Höhe von 20 Prozent des Fahrkar-

tenwertes gibt, wenn ein Zug mehrere Stunden zu spät ans Ziel kommt,
– dass von den neuen Regelungen ausgeschlossen ist, wer in verspäteten Re-

gionalzügen reist, denn die Entschädigungsregelungen gelten nur für un-
pünktliche Fernzüge, wie ICE, EC und IC,

– dass der Rechtsanspruch nicht gilt, wenn ein verspäteter Fernzug Schuld
daran ist, dass der Kunde seinen Anschluss verpasst und mit der nächsten
Regionalbahn erst zwei Stunden später ans Ziel gelangt,

– dass die Bahn nur bei eigenem Verschulden haftet, das heißt, dass die
meisten Fahrgäste oft das Nachsehen haben, denn zu Verspätungen führen in
vielen Fällen Bahnschranken missachtende Autofahrer, auf Gleise laufende

Drucksache 15/4504 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Kühe, Selbstmörder oder schlechtes Wetter. Dabei ist auch zu bedenken,
dass der Einzelkunde im Hinblick auf die Beweislast schlecht gestellt ist.
Eine prinzipielle Haftung des Eisenbahnverkehrsunternehmens, die aus-
nahmsweise einen Haftungsausschluss bei höherer Gewalt für das Unterneh-
men vorsieht (Beweislastumkehr), könnte hier Abhilfe schaffen, denn nur
die Bahn ist in der Lage, den Beweis zur eigenen Entlastung zu führen.

Fazit der „Stiftung Warentest“ ist: „Die Kunden haben kaum Rechte und
können bestenfalls auf Kulanz hoffen.“ Die von der Bundesministerin für Ver-
braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, verkündete
Verbesserung der Bahnkundenrechte ist also nicht eingetreten.
Dies sehen auch die Landtagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen so. In ihrem Antrag „Hochgeschwindigkeit
für moderne und verbraucherfreundliche Fahrgastrechte“ wird dokumentiert,
dass „im öffentlichen Personenverkehr das im Wirtschaftsleben übliche Haf-
tungssystems des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur eingeschränkt Anwendung
findet. Nach dem zurzeit geltenden § 17 der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO)
sind jegliche Ansprüche von Bahnkunden bei Verspätung und Zugausfall aus-
geschlossen.“ Hiernach soll es „gutes Geld künftig auch hier nur für gute
Leistungen geben. Die Stärkung der Fahrgastrechte und der davon ausgehende
ökonomische Druck auf die Bahn sind durch eine Änderung des einschlägigen
Bundesrechts zu bewirken.“
Auch die Europäische Kommission sieht die Notwendigkeit einer gesetzlichen
Normierung. Im Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments
und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschrei-
tenden Eisenbahnverkehr (KOM (2004)143 endg.; Ratsdok. 7149/04) wird
neben anderen Verbraucher schützenden Vorschriften in Artikel 10 folgende
Formulierung vorgeschlagen: „Das Eisenbahnunternehmen haftet für eine Ver-
spätung, einschließlich eine zum Verpassen eines Anschlusses führende Ver-
spätung und/oder den Ausfall eines grenzüberschreitenden Personenverkehrs-
dienstes und/oder der Gepäckbeförderung.“
Dies alles entspricht der Zielsetzung des Antrags „Mehr Rechte für Fahrgäste
im öffentlichen Personenverkehr“ (Bundestagsdrucksache 15/1236). Die frei-
willige Selbstverpflichtung der Deutsche Bahn AG ist nicht zeitgemäß und
nicht ausreichend, zumal die Regelung nur für den Fernverkehr gilt und auch
dort nur als Reisegutschein erfolgt. Gutscheine auf freiwilliger Basis sind nicht
ausreichend. Auch kann diese Kulanzregelung jederzeit durch Änderung der
Geschäftsbedingungen wieder rückgängig gemacht werden. Außerdem ist der
Kunde gezwungen, mit diesem Gutschein wiederum ein reguläres Bahnticket
zu erwerben. Vergünstigte Fahrscheine über das Internet können damit nicht
bezogen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
dem Deutschen Bundestag unverzüglich klare gesetzliche Regelungen vorzule-
gen und die Entschädigungsansprüche der Reisenden bei Verspätungen und
Ausfällen bei allen öffentlichen Verkehrsträgern verbindlich festschreiben.

Berlin, den 14. Dezember 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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