BT-Drucksache 15/4440

Gefährdung vom medizinischen Personal durch Nadelstichverletzungen

Vom 30. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4440
15. Wahlperiode 30. 11. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust, Andreas Storm, Annette Widmann-
Mauz, Dr. Wolf Bauer, Monika Brüning, Verena Butalikakis, Michael Hennrich,
Hubert Hüppe, Volker Kauder, Gerlinde Kaupa, Barbara Lanzinger,
Dr. Michael Luther, Maria Michalk, Hildegard Müller, Matthias Sehling,
Jens Spahn, Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau), Wolfgang Zöller
und der Fraktion der CDU/CSU

Gefährdung vom medizinischen Personal durch Nadelstichverletzungen

Jährlich ereignen sich etwa 500 000 Nadelstichverletzungen bei ca. 750 000
Beschäftigten im Gesundheitswesen. Dabei besteht ein signifikantes Risiko,
sich an den spitzen oder scharfen Instrumenten zu verletzen und hierdurch mit
Krankheiten wie z. B. Hepatitis B und C oder HIV infiziert zu werden. Nur ein
sehr kleiner Anteil der Nadelstichverletzungen wird den Unfallversicherern je-
doch gemeldet und findet so Eingang in die Erfassung der Berufskrankheiten.
Nach verschiedenen Untersuchungen in Europa und den USA sind dies nur et-
wa 15 % 1). Leid, Krankheit und Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aufgrund ent-
standener Infektionen bedeuten eine große Belastung für die Betroffenen. Da-
rüber hinaus haben die damit verbundenen krankheitsbedingten Arbeitsausfälle
zur Folge, dass es zu einer erheblichen Mehrbelastung des medizinischen Per-
sonals in Praxen, Kliniken und sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens
kommt. Die Kosten für die Heilbehandlung, Entgeltfortzahlung durch langfris-
tige krankheitsbedingte Ausfälle oder für Renten wegen Erwerbsminderung
verteilen sich auf verschiedene Kostenträger, belasten aber in jedem Fall die
Volkswirtschaft insgesamt. Die volkswirtschaftliche Belastung steigt mit der
Anzahl der Meldungen und der Anzahl der Berufserkrankungen.
Aus verschiedenen regionalen Erhebungen von Berufsgenossenschaften, Un-
fallkassen und Krankenhäusern ist bekannt, dass Nadelstichverletzungen eine
schwere Gefährdung für das medizinische Personal bedeuten und für einen
Großteil der beruflich erworbenen Infektionskrankheiten, wie Hepatitis B und
C oder Acquired Immune Deficiency Syndrome (AIDS) verantwortlich sind.
Schwestern, Pfleger und Ärzte, die sich infiziert haben, müssen damit rechnen,
ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Tun sie es dennoch, so kann eine
Gefährdung der Patienten und der Mitarbeiter im Gesundheitswesen nicht aus-
geschlossen werden. Unfallversicherungsträger, Arbeitsschutzexperten und
Vertreter des medizinischen Personals mahnen deshalb seit geraumer Zeit ver-
stärkte Sicherheitsmaßnahmen an.

1) F. Hofmann, N. Kralj, M. Beie: Kanülenstichverletzungen im Gesundheitsdienst – Häufigkeit, Ursachen und Präventionsstrategien; Gesundheits-
wesen 2002; 64: Seite 259-266.

Drucksache 15/4440 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Einen hilfreichen Beitrag zum Schutz vor Nadelstichverletzungen bildet die
Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe 250 (TRBA 250) vom Novem-
ber 2003. Sie beschreibt neben den erforderlichen organisatorischen Maßnah-
men (Schulungen, Benennung von Verantwortlichen, Ablaufpläne etc.) die Ver-
wendung von stich- und kratzsicheren Medizinprodukten als einen wesent-
lichen Baustein beim Schutz vor Nadelstichverletzungen. Angesichts des
beträchtlichen Kostendrucks im Gesundheitswesen zeigen sich jedoch viele
medizinische Einrichtungen zögerlich bei der Umsetzung der TRBA 250. Um
den Verantwortlichen in den Praxen, Kliniken und sonstigen Einrichtungen des
Gesundheitswesens die Entscheidungen über die Umsetzung erforderlicher
Schutzmaßnahmen erleichtern zu können, werden jedoch dringend valide
Daten über die Gefährdung der Beschäftigten benötigt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse (bitte detaillierte Auflistung) liegen der Bundesregie-

rung über die Anzahl von Nadelstichverletzungen bei Beschäftigten in Pra-
xen, Kliniken, Zahnkliniken, Rettungsdiensten und sonstigen Einrichtungen
des Gesundheitswesens vor, und wie bewertet sie diese?
Wenn ihr keine entsprechenden Erkenntnisse vorliegen, was wird die Bun-
desregierung unternehmen, um diese zu erhalten?

2. Welche Daten (bitte detaillierte Auflistung) liegen der Bundesregierung über
die Anzahl von Infektionserkrankungen vor, die das medizinische Personal
infolge von Nadelstichverletzungen erleidet, und wie bewertet sie diese?
Wenn ihr keine entsprechenden Daten vorliegen, was wird die Bundesregie-
rung unternehmen, um diese zu erhalten?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Berufserkrankungen
infolge von Nadelstichverletzungen vor, und wie bewertet sie diese?
Wenn ihr keine entsprechenden Erkenntnisse vorliegen, was wird die Bun-
desregierung unternehmen, um diese zu erhalten?

4. In welcher Höhe (bitte detaillierte Auflistung) haben die Unfallversiche-
rungsträger Aufwendungen zu tragen, die im Zusammenhang mit Nadel-
stichverletzungen stehen?
Wenn ihr keine entsprechenden Daten vorliegen, was wird die Bundesregie-
rung unternehmen, um diese zu erhalten?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung sowohl über die Anzahl
von als auch über die damit im Zusammenhang stehenden finanziellen Auf-
wendungen für Umschulungsmaßnahmen von durch Nadelstichverletzung
berufsunfähig gewordenen Beschäftigten des Gesundheitswesens bei den
Kostenträgern vor, und wie ist deren Beschäftigungsquote nach Abschluss
dieser Maßnahmen?

6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die im Zusammen-
hang mit Nadelstichverletzungen entstehenden Kosten, wie z. B. Diagnose-
kosten, Entgeltfortzahlung bei Erkrankung des Beschäftigten, Maßnahmen
zur Sicherstellung der Versorgung von Patienten durch Anordnung von
Mehrarbeit bzw. Überstunden, Behandlung mit Immunglobulinen vor, die
seitens des Arbeitgebers zu tragen sind?
Wenn ihr keine entsprechenden Erkenntnisse vorliegen, was wird die Bun-
desregierung unternehmen, um diese zu erhalten?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4440

7. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Stand der Umset-
zung der TRBA 250 in Praxen, Kliniken, Zahnkliniken, Rettungsdiensten
und sonstigen Einrichtungen des Gesundheitswesens vor, und wie bewertet
sie diese?
Wenn ihr keine entsprechenden Erkenntnisse vorliegen, was wird die Bun-
desregierung unternehmen, um diese zu erhalten?

8. Mit welchen finanziellen Aufwendungen rechnet die Bundesregierung in
den Praxen, Kliniken, Zahnkliniken, Rettungsdiensten und sonstigen Ein-
richtungen des Gesundheitswesens für eine adäquate Umsetzung der TRBA
250?

9. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung einzuleiten, damit
die Beschäftigten im Gesundheitswesen besser vor Nadelstichverletzungen
geschützt werden, und wenn sie keine Maßnahmen ergreifen will, warum
nicht?

Berlin, den 30. November 2004
Dr. Hans Georg Faust
Andreas Storm
Annette Widmann-Mauz
Dr. Wolf Bauer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Michael Hennrich
Hubert Hüppe
Volker Kauder
Gerlinde Kaupa
Barbara Lanzinger
Dr. Michael Luther
Maria Michalk
Hildegard Müller
Matthias Sehling
Jens Spahn
Matthäus Strebl
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Wolfgang Zöller
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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