BT-Drucksache 15/4436

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/1709, 15/4417- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen

Vom 1. Dezember 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4436
15. Wahlperiode 01. 12. 2004

Änderungsantrag
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrike Flach,
Rainer Funke, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Helga Daub, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz
Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Harald Leibrecht, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Andreas Pinkwart,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1709, 15/4417 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen
Schutz biotechnologischer Erfindungen

Der Bundestag wolle beschließen:

In Artikel 1 Nr. 7 wird § 11 Nr. 2a wie folgt gefasst:
„2a. die Nutzung biologischen Materials zum Zwecke der Züchtung, Ent-

deckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte ab dem Zeitpunkt,
von dem an das biologische Material vom Patentinhaber oder mit seiner
Zustimmung in Verkehr gebracht werden kann;“.

Berlin, den 1. Dezember 2004
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Der Züchtungsvorbehalt im Sortenschutz trägt der Tatsache Rechnung, „dass
jede Züchtung bekanntermaßen immer auf vorhandenem Material aufbaut und
deshalb eine möglichst breite und freie Materialverwendung voraussetzt“. Ent-
sprechende Bestimmungen fehlen im Patentrecht. Bei biotechnologisch verän-
derten Pflanzensorten beschränkt sich der Patentschutz nicht nur auf das erfin-
dungsgemäße Gen, sondern er erstreckt sich auf die Gesamtheit der Pflanze und
ihres Genoms und entzieht sich so weiteren züchterischen Aktivitäten, selbst

Drucksache 15/4436 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

wenn deren Ergebnis das besagte Gen nicht mehr enthält. Diese Beschränkung
genetischer Ressourcen wird als potentielle Bedrohung zukünftiger Züchtungs-
bemühungen gesehen. Erforderlich ist daher eine dem Züchtungsvorbehalt ent-
sprechende Bestimmung für Patente, die es ermöglicht, den genetischen Hinter-
grund einer patentgeschützten Sorte zu nutzen.
Diesem Ansatz scheint der deutsche Gesetzgeber entsprechen zu wollen, mit
der Intention eine unangemessene Beeinträchtigung der Züchtung von Pflan-
zensorten durch patentgeschützte Sorten zu vermeiden. Der derzeit vorliegende
Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung des § 11 um die Nummer 2a vor: „Die
Wirkung des Patents erstreckt sich nicht auf [… (2a)] die Nutzung biologischen
Materials zum Zwecke der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer
neuen Pflanzensorte.“
Dieser Wortlaut wird jedoch der ursprünglichen Intentionen nicht gerecht. Er
ermöglicht nicht nur die intendierte Nutzung des genetischen Hintergrundes ei-
ner patentierten Sorte, sondern stellt auch den Gegenstand der Erfindung selbst
frei, unabhängig davon, ob es sich um eine DNA-Sequenz oder eine Pflanze
handelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Züchtungsvorbehalt im Sorten-
schutz materiell an die Sorte des Schutzrechtsinhabers gebunden ist und zumin-
dest implizit deren rechtmäßigen Erwerb voraussetzt, da eine Sorte ein nicht re-
produzierbares (d. h. nicht wiederholbares) Ereignis ist. Diese Klarstellung
fehlt für patentgeschützte Materialien im derzeitigen Wortlaut. Sie ist erforder-
lich, da sonst ein Konkurrent das patentierte biologische Material selber her-
stellen und seine Sorte unabhängig entwickeln könnte. Somit ermöglicht der
jetzige Wortlaut auch eine konkurrierende Parallelentwicklung bis zur Mark-
teinführung allein ausgehend von der schriftlichen Offenbarung der Patent-
schrift.
Faktisch entspricht der derzeitige Wortlaut einer Zwangslizenz, die Forschung
und Entwicklung mit dem Gegenstand der Erfindung freistellt und jede Durch-
setzung eines Patentes in dieser Phase unterbinden würde. Es ist fraglich, ob
eine derartige Einschränkung den eng gefassten Rahmen von Artikel 30 des
WTO-TRIPS-Übereinkommens entspricht. Der Patentinhaber hat – selbst wenn
sein Konkurrent keine Zwangslizenzregelung in Anspruch nehmen könnte –
unmittelbar nach Auslauf seines Patentes mit Konkurrenzprodukten zu rech-
nen. Eingedenk der langen Entwicklungszeiten für biotechnologische Sorten
von durchschnittlich 10 bis 15 Jahren würde diese seine unter den derzeitigen
Rahmenbedingungen schon geringe Gewinnaussichten weiter vermindert. Da-
bei ist zu berücksichtigen, dass es für biotechnologische Pflanzensorten trotz
eines zweifachen staatlichen Zulassungserfordernisses nach dem Gentechnik-
gesetz (Richtlinie 2001/18/EG) und dem Saatgutverkehrsgesetz nicht das In-
strument des ergänzenden Schutzzertifikates gibt.
Der Züchtungsvorbehalt ist im Sortenschutz materiell immer an die Sorte des
Sortenschutzinhabers gekoppelt und setzt ihren rechtmäßigen Erwerb zumin-
dest implizit voraus. Geht es den Züchtern allein um den genetischen Hinter-
grund und nicht um den Gegenstand der Erfindung an sich, so müsste eine Re-
gelung, die diesemWunsch Rechnung trägt und der Intention des Gesetzgebers,
eine unangemessene Beeinträchtigung der Züchtung zu verhindern, gerecht
wird, vorsehen, dass zum einen der Züchtungsvorbehalt im Patent an eine Sorte
geknüpft wird, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr-
gebracht wurde (um die Parallelentwicklung auszuschließen), und dass zum an-
deren die besagte Züchtung nur dann freigestellt ist, wenn ihr Ergebnis selber
nicht in den Schutzbereich des Patentes fällt. Letzteres ist gegeben, wenn der
Züchter nur den genetischen Hintergrund nicht aber den Gegenstand der Erfin-
dung (beispielsweise das patentierte Gen) nutzt.
Durch den neuen Wortlaut wird erreicht, dass einerseits der Patentinhaber den
Gegenstand seiner Erfindung ab dem Zeitpunkt der Entwicklung nicht unred-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4436

lich zurückhalten kann, um damit die Züchter an der Ausübung ihrer Rechte
aus dem Züchtervorbehalt zu hindern. Anderseits wird ihm aber auch für die
Zeit der Entwicklung seiner Erfindung Schutz gewährt, so dass er in die Lage
versetzt wird, den Investitionsaufwand für Forschung und Entwicklung zu
amortisieren. So könnte er verhindern, nicht aufgrund der Markteinführung
ähnlicher Produkte durch Konkurrenten, die diese aus der Veröffentlichung der
Patentschrift ohne größeren eigenen Forschungsaufwand aus dem Gegenstand
der Erfindung bei erheblich geringerem Kostenaufwand selbst entwickelt ha-
ben, bei Markteinführung überholt zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt auch
ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
vom 9. November 2004.

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