BT-Drucksache 15/440

Umsetzung und Finanzierung des Ganztagsschulbauprogramms der Bundesregierung

Vom 11. Februar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/440
15. Wahlperiode 11. 02. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, Maria
Eichhorn, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner, Antje
Blumenthal, Helge Braun, Thomas Dörflinger, Vera Dominke, Ingrid Fischbach,
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Markus Grübel, Volker Kauder, Kristina Köhler
(Wiesbaden), Michael Kretschmer, Werner Lensing, Walter Link (Diepholz),
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Michaela Noll, Rita Pawelski, Hannelore Roedel,
Andreas Scheuer, Uwe Schummer, Marion Seib, Angelika Volquartz, Willi Zylajew
und der Fraktion der CDU/CSU

Umsetzung und Finanzierung des Ganztagsschulbauprogramms
der Bundesregierung

Die Bundesregierung beabsichtigt, insgesamt 4 Mrd. Euro in den kommenden
4 Jahren für die Einrichtung von Ganztagsschulen auf der Basis des Artikels
104a Grundgesetz (GG) zur Verfügung zu stellen. Mit diesen Mitteln sollen
nach Maßgabe der Bundesregierung Konsequenzen aus den in der PISA-Studie
festgestellten Bildungsdefiziten bei Schülerinnen und Schülern in Deutschland
gezogen werden. Der Bund will mit der angekündigten Unterstützung von
4 Mrd. Euro für die Jahre 2003 bis 2007 lediglich eine „Anschubfinanzierung“
zur Verfügung stellen. Während der Bund seine Förderung ausschließlich auf
Investitionen für die Renovierung, den Ausbau, Neubau und die Ausstattung
von Schulen beschränken will, liegen die eigentlichen Probleme in der Finan-
zierung der langfristigen Personal- und Betriebskosten. Allein die Bereitstel-
lung des Lehrpersonals kostet die Bundesländer bei den vom Bund angestreb-
ten 10 000 neuen Ganztagsschulen mindestens 1,5 Mrd. Euro pro Jahr, wenn
man von drei zusätzlichen Lehrkräften pro Ganztagsschule ausgeht. Hinzu
kommen weitere Kosten für Sozialpädagogen sowie Ausstattung und Betrieb
der Räumlichkeiten. Der Bund provoziert damit weit über das vier Jahre beste-
hende Investitionsprogramm hinausgehende Dauerlasten für Länder und Ge-
meinden.
In den einzelnen Bundesländern bestehen bereits unterschiedliche Lösungsan-
sätze für die schulbegleitende Betreuung von Kindern in der Primar- und Se-
kundarstufe I. So existiert in den neuen Ländern flächendeckend ein Hortange-
bot (§ 22 Achtes Buch Sozialgesetzbuch), das durch die ausschließliche Fokus-
sierung der veranschlagten Mittel auf Ganztagsschulen benachteiligt würde.
Das Ziel der Länder und Gemeinden, mit dem die Fraktion der CDU/CSU über-
einstimmt, nämlich mehr stetige Schul- und Betreuungsangebote schaffen zu
können und das Bildungssystem nachhaltig und langfristig zu verbessern, er-
fordert eine verbesserte und dauerhaft originäre Finanzausstattung der Kom-
munen.

Drucksache 15/440 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen signifikanten Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwi-

schen dem unterdurchschnittlichen Abschneiden deutscher Schulen bei der
internationalen PISA-Vergleichsstudie und dem Anteil von Ganztagsschu-
len in der deutschen Schullandschaft?

2. Welche Beweggründe hat die Bundesregierung für die Festlegung auf den
1. Januar 2002 als Stichtagsregelung zur „beschlossenen bzw. genehmigten
Einrichtung oder Erweiterung“ einer Ganztagsschule?

3. Setzt die Bundesregierung voraus, dass für die Gewährung von Mitteln aus
diesem Programm spezifische pädagogische Konzepte seitens der Schul-
träger entwickelt werden müssen, obwohl es sich bei den Mitteln um Inves-
titionsförderung handelt?

4. Auf welche Weise und wann hat die Bundesregierung gemäß Gemeinsamer
Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO, § 41) die kommunalen
Spitzenverbände an der Vorbereitung ihrer Initiative zum Ausbau der
Ganztagsschulen beteiligt?

5. Wie begründet die Bundesregierung eine Finanzierung nach Artikel 104a
GG, wonach die erforderlichen Kriterien einer Finanzleistung des Bundes
lauten: Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
oder Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder
Förderung des wirtschaftlichen Wachstums?

6. Ist der Bundesregierung bewusst, dass Artikel 104a Abs. 4 GG keine
Finanzverantwortung des Bundes in kulturellen Angelegenheiten beinhal-
tet, sondern lediglich eine Finanzierungskompetenz des Bundes in spezifi-
schen ökonomischen Situationen feststellt?

7. Wie begründet die Bundesregierung diese Anforderung vor dem Hinter-
grund des in den einschlägigen Kommentaren zum Grundgesetz nachzu-
lesenden Verbots von Verwendungsauflagen bei Programmen auf der
Grundlage von Artikel 104a Abs. 4 GG?

8. Mit Investitions- und Betriebskostenkosten in welcher Höhe rechnet die
Bundesregierung im Durchschnitt für jede zusätzliche Ganztagsschule und
auf welcher Datengrundlage basiert diese Kostenschätzung?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Kommunen zur Übernahme von Finanzierungslasten, die mit dem Ausbau
von Ganztagsschulen verbundenen sind?

10. Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen ihren Ankündigun-
gen in der Koalitionsvereinbarung zur Einhaltung des Konnexitätsprinzips
und zum Abbau von Mischfinanzierungstatbeständen und ihrer Ganztags-
schulinitiative, und wenn nein, warum nicht?

11. Besteht Einvernehmen mit den Ländern über die durch dieses Programm
entstehenden Zusatzkosten, z. B. für zusätzliche Lehrkräfte, für das Betreu-
ungspersonal sowie für die anfallenden Betriebskosten?

12. Wie hoch werden von der Bundesregierung die Folgekosten dieses Inves-
titionsprogramms für die einzelnen Bundesländer von 2003 bis 2006 ver-
anschlagt?

13. Wie stellt sich die Bundesregierung die Finanzierung der Erhaltungskosten
der Bausubstanz nach Auslaufen des Investitionsprogramms im Jahr 2006
vor?

14. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Zuständigkeiten der Länder im Be-
reich der Bildung durch Gesetze oder Verfassungsänderung zu ändern?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/440

Berlin, den 11. Februar 2003
Katherina Reiche
Thomas Rachel
Dr. Maria Böhmer
Maria Eichhorn
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Antje Blumenthal
Helge Braun
Thomas Dörflinger
Vera Dominke
Ingrid Fischbach
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Markus Grübel
Volker Kauder
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Michael Kretschmer
Werner Lensing
Walter Link (Diepholz)
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Michaela Noll
Rita Pawelski
Hannelore Roedel
Andreas Scheuer
Uwe Schummer
Marion Seib
Angelika Volquartz
Willi Zylajew
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.