BT-Drucksache 15/4280

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/2793 Nr. 2.25- Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt KOM (2004) 60 endg.; Ratsdok. 6462/04

Vom 25. November 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4280
15. Wahlperiode 25. 11. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/2793 Nr. 2.25 –

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den
Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt
KOM (2004) 60 endg.; Ratsdok. 6462/04

A. Problem
Die Kommission hat eine Mitteilung zu einer thematischen Strategie für die städ-
tische Umwelt vorgelegt, in der es vor allem um die Themen nachhaltige Städte-
politik, nachhaltiger städtischer Nahverkehr, nachhaltiges Bauen und nachhaltige
Stadtgestaltung geht. Anhand der vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission
wird offenbar, dass umweltpolitische Rechtsvorschriften vorgelegt werden sollen,
die die Bodennutzung, den Städtebau und die Raumordnung berühren. Im Ergeb-
nis können die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen dazu führen,
das nationale Städtebaurecht in Teilen auf die europäische Ebene zu verlagern.
Dies hätte auch Auswirkungen auf die kommunale Planungshoheit.

B. Lösung
Aufforderung an die Bundesregierung, in den anstehenden Gesprächen mit der
Kommission dafür Sorge zu tragen, dass die Planungshoheit der Kommunen
erhalten bleibt und das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird sowie in den anste-
henden Konsultationen auf Bürokratieabbau hinzuwirken und der Einführung
von Regelungen, die zusätzlichen bürokratischen Aufwand mit sich bringen bei
der Bewältigung der Umweltprobleme in den Städten, entgegenzuwirken.
Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

C. Alternativen
Annahme einer von der Fraktion der CDU/CSU bzw. einer von der Fraktion der
FDP vorgeschlagenen Entschließung.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 15/4280 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung – Drucksache 15/2793
Nr. 2.25 – folgende Entschließung anzunehmen:
„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Kommission hat im Februar 2004 die Mitteilung zur
„Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt“ vorge-
legt und den Konsultationsprozess eröffnet. Die Mitteilung stellt die erste
Phase der Vorbereitung einer umfassenden Strategie dar, die bis zum Som-
mer 2005 erarbeitet werden soll. Die thematische Strategie zur Förderung
der städtischen Umwelt ist Teil des Sechsten Umweltaktionsprogramms
der Europäischen Gemeinschaft vom 22. Juli 2002. Das Ziel der thema-
tischen Strategie ist die Verbesserung der Umwelteffizienz und der Lebens-
qualität in städtischen Gebieten. So soll langfristig ein gesundes Le-
bensumfeld für die Stadtbewohner in Europa gewährleistet werden. Die
thematische Strategie verdeutlicht das Anliegen der Europäischen Kom-
mission, gute und gesunde Lebensverhältnisse in europäischen Städten und
städtischen Gebieten zu sichern und zu verbessern.
Die Europäische Kommission schlägt den Mitgliedstaaten Maßnahmen in
vier Aktionsfeldern vor. Dazu gehören neben einer nachhaltigen Städte-
politik auch der nachhaltige städtische Verkehr, das nachhaltige Bauen und
die nachhaltige Stadtgestaltung.
Die Europäische Kommission schlägt den Mitgliedstaaten vor, nationale
und/oder regionale Strategien für die städtische Umwelt zu erstellen, natio-
nale und/oder regionale Zentren für städtische Umwelt zu benennen und
darüber hinaus auch regionale und auf Kommunalbehörden ausgerichtete
Maßnahmen zur Sensibilisierung für Fragen der städtischen Umwelt zu
erwägen.
Um die thematische Strategie für die städtische Umwelt in die Gemein-
schaftspolitik zu integrieren, erwägt die Europäische Kommission bei der
Kohäsionspolitik nach 2006 die Verwendung von Struktur- und Kohä-
sionsfondmitteln für die nachhaltige Stadtentwicklung. Die Europäische
Kommission beabsichtigt eine teilweise Ausweitung dieser Politik über die
benachteiligten und strukturschwachen Regionen hinaus auch auf Städte in
vergleichsweise strukturstarken Gebieten.
Anhand der vorgeschlagenen Maßnahmen der Europäischen Kommission
wird offenbar, dass umweltpolitische Rechtsvorschriften vorgelegt werden
sollen, die die Bodennutzung, den Städtebau und die Raumordnung be-
rühren. Im Ergebnis können die von der Kommission vorgeschlagenen
Maßnahmen dazu führen, das nationale Städtebaurecht in Teilen auf die
europäische Ebene zu verlagern. Dies hätte auch Auswirkungen auf die
kommunale Planungshoheit.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt das Bestreben der Europäischen Kom-
mission, die nachhaltige Stadtentwicklung zur Grundlage und zum Leitbild
europäischer Städtebau- und Wohnungspolitik zu machen. Die Zukunft der
Städte ist entscheidend für die Zukunft der Gestaltung in Europa. Der
Deutsche Bundestag befürwortet den Willen der Kommission ihre Sektor-
politiken im Hinblick auf ihre Umweltauswirkungen in Städten konsistent

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4280

und kohärent zu gestalten. Die Bundesregierung beteiligt sich aktiv und
konstruktiv an dem eingeleiteten Konsultationsprozess. Das gemeinsame
Ziel, funktionsfähige und nachhaltige städtische Räume zu erhalten und zu
schaffen, wird mit Nachdruck verfolgt.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– in den anstehenden Gesprächen mit der Europäischen Kommission dafür
Sorge zu tragen, dass die Planungshoheit der Kommunen erhalten bleibt
und das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird;

– in den anstehenden Konsultationen auf Bürokratieabbau hinzuwirken
und der Einführung von Regelungen, die zusätzlichen bürokratischen
Aufwand mit sich bringen bei der Bewältigung der Umweltprobleme in
den Städten, entgegenzuwirken. Die bestehenden Instrumente auf natio-
naler und europäischer Ebene sind geeignet, das Ziel einer Verbesserung
der Lebensqualität in städtischen Gebieten anzugehen und umzusetzen.“

Berlin, den 22. November 2004

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Eduard Oswald
Vorsitzender

Peter Götz
Berichterstatter

Drucksache 15/4280 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Peter Götz

I. Überweisung
Die Vorlage auf Drucksache 15/2793 Nr. 2.25 wurde am
26. März 2004 gemäß § 93 Abs. 1 der Geschäftsordnung an
den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur
federführenden Beratung und an den Ausschuss für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Bei der Mitteilung der Kommission geht es um eine thema-
tische Strategie für die städtische Umwelt. Es werden vor
allem die Themen nachhaltige Städtepolitik, nachhaltiger
städtischer Nahverkehr, nachhaltiges Bauen und nachhaltige
Stadtgestaltung angesprochen.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat die Vorlage in seiner 37. Sitzung am 28. April 2004
beraten und empfiehlt deren Kenntnisnahme. Weiterhin emp-
fiehlt er mit der Stimmenmehrheit der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Koalitionsfraktionen
die Annahme des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf
Ausschussdrucksache 15(14)690 des federführenden Aus-
schusses:
Keine schleichende Erweiterung der EU-Kompetenzen auf
die Bereich Städtebau, Wohnen und Raumordnung zulassen
Der Ausschuss möge beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in bei den an-
stehenden Beratungen in den Gremien der Europäischen
Gemeinschaft grundsätzlich gegen eine Weiterverfolgung
des von der Kommission gewählten Ansatzes auszuspre-
chen.
Die Europäische Union verfügt über keinerlei Kompetenz
im Bereich Stadtentwicklung. Eine Ausweitung – wie sie mit
dieser Vorlage faktisch vorgenommen würde – würde dem
Subsidiaritätsprinzip widersprechen.
Inhaltlich verweist der Ausschuss auf die Stellungnahme des
Bundesrates (BR-Drs. 173/04 – Beschluss vom 02. April
2004) und unterstützt diese.
Grundsätzlich erwartet der Ausschuss, dass die Bundesre-
gierung konsequent darauf achtet, dass die Kompetenzen
der Europäischen Union nicht unmittelbar oder mittelbar
auf die Belange des Städtebaus, des Wohnens und der
Raumordnung ausgeweitet werden.
Im federführenden Ausschuss wurde dieser Antrag von der
Fraktion der CDU/CSU am 25. Mai 2004 durch den Antrag
auf Ausschussdrucksache 15(14)1303 ersetzt; also nachdem
das Votum des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit bereits vorlag.

IV. Beratungsverlauf im federführenden
Ausschuss

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
hat die Vorlage in seiner in seiner 56. Sitzung am 20. Okto-
ber 2004 beraten.
Die Koalitionsfraktionen haben zu der Vorlage einen Ent-
schließungsantrag (Ausschussdrucksache 15(14)1294) ein-
gebracht, dessen Inhalt sich aus der Beschlussempfehlung
ergibt. Die Fraktion der CDU/CSU hat folgenden Ent-
schließungsantrag (Ausschussdrucksache 15(14)1303) ein-
gebracht:
Keine schleichende Erweiterung der EU-Kompetenzen auf
die Bereich Städtebau, Wohnen und Raumordnung zulassen
Der Ausschuss möge beschließen:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich in bei den an-
stehenden Beratungen in den Gremien der Europäischen
Gemeinschaft gegen eine Weiterverfolgung des von der
Kommission gewählten Ansatzes zur Entwicklung einer the-
matischen Strategie für städtische Umwelt auszusprechen.
Die Europäische Union verfügt über keinerlei Kompetenz
im Bereich Stadtentwicklung. Eine Ausweitung – wie sie von
der Kommission mit der vorgelegten Strategie faktisch vor-
bereitet und vorgenommen würde – widerspricht dem Subsi-
diaritätsprinzip.
Inhaltlich verweist der Deutsche Bundestag auch auf die
Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 173/04 – Be-
schluss vom 02. April 2004) und unterstützt diese.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
frühzeitig und konsequent darauf hinzuwirken, dass die
Kompetenzen der Europäischen Union nicht unmittelbar
oder mittelbar auf die Belange des Städtebaus, des Wohnens
und der Raumordnung ausgeweitet werden. Der Deutsche
Bundestag spricht sich ausdrücklich gegen derartige Be-
strebungen in der Kommission aus.
Die Fraktion der FDP hat dazu folgenden Entschließungs-
antrag (Ausschussdrucksache 15(14)1390) eingebracht:
Der Ausschuss wolle beschließen, dem Deutschen Bundes-
tag zu empfehlen, folgender Entschließung zuzustimmen:
Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Ziel der EU-Kommission ist es, den Erlass europarechtli-
cher Vorschriften vorzubereiten, die die Bodennutzung, den
Städtebau und die Raumordnung berühren. Im Ergebnis
würde dies eine Verlagerung des Städtebaurechts von der
nationalen auf die europäische Ebene bedeuten. Da diese
Materie ausreichend national geregelt werden kann, würde
dies eine Verletzung des in Artikel 5 EGV geregelten Subsi-
diaritätsprinzips darstellen. Eine ausdrückliche Ermächti-
gung der EU seitens der Mitgliedstaaten existiert nicht. Die
EU-Kommission selbst äußert sich zu dem Thema Kompe-
tenz gar nicht.
Der Erlass solcher europarechtlicher Vorschriften würde
die kommunale Planungshoheit erheblich einschränken.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4280

Das ist um so problematischer, als dass dieser Bereich gem.
Artikel 28 Abs. 2 GG zur verfassungsrechtlich verbürgten
Selbstverwaltung der Kommunen gehört.
Neben der fehlenden Kompetenz der EU für Raumordnung
und Bauleitplanung ist auch kein akuter Handlungsbedarf
vorhanden, da es bereits ein von den Mitgliedstaaten erar-
beitetes Europäisches Raumentwicklungskonzept gibt. Die-
ses enthält auch Zielsetzungen zur Entwicklung der Städte.
Die angestrebten Vereinheitlichungen sind überflüssige und
zudem unnötige „Gleichmachereien“, die den Kommunen
Vorgaben machen würden, die den lokalen Bedürfnissen oft
nicht entsprechen (z. B. die Mindestbesiedlungsdichten). Die
mit dem Konzept vorgesehenen Berichtspflichten würden
außerdem den Verwaltungsaufwand vergrößern.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass mit dem kürzlich
verabschiedeten Europarechtsanpassungsgesetz – Bau um-
fangreiche umweltrechtliche Regelungen in das Baurecht,
einschließlich des Städtebaurechts, aufgenommen wurden.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
Aus den vorgenannten Gründen darauf hinzuwirken, die
Kompetenzen im Bereich Stadtentwicklung nicht auf die EU
auszuweiten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind abzu-
lehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärte, die Vorlage stelle ein
typisches Beispiel dafür dar, wie von der Kommission ver-
sucht werde, in die nationalen Zuständigkeiten im Bereich
des Städtebaus einzugreifen. Man sei sich einig, dass darü-
ber auch im Plenum diskutiert werden solle und habe sich
bemüht, einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu for-
mulieren, was aber nicht ganz gelungen sei.
Den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Aus-
schussdrucksache 15(14)1390 hat der Ausschuss für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Den Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU auf Aus-
schussdrucksache 15(14)1303 hat er mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen auf
Ausschussdrucksache 15(14)1294 hat er mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP angenommen.
Die Unterrichtung durch die Bundesregierung wurde zur
Kenntnis genommen.

Berlin, den 22. November 2004

Peter Götz
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4280

6462/04 lu/HMA/eh 1
DG I DE

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 19. Februar 2004 (20.02)
(OR. fr)

6462/04

ENV 97
TRANS 74

ÜBERMITTLUNGSVERMERK
Absender: Frau Patricia BUGNOT, Direktorin, im Auftrag des Generalsekretärs der

Europäischen Kommission
Eingangsdatum: 12. Februar 2004
Empfänger: der Generalsekretär/Hohe Vertreter, Herr Javier SOLANA
Betr.: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den

Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Regionen -
"Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt"

Die Delegationen erhalten in der Anlage das Kommissionsdokument - KOM(2004) 60 endg.

________________________

Anl.: KOM(2004) 60 endg.

Drucksache 15/4280 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

DE DE

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 11.02.2004
KOM(2004)60 endgültig

.

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE
PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt

.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4280

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung und Übersicht ...........................................................................................10

2. Themenschwerpunkte .................................................................................................14

2.1. Nachhaltige Städtepolitik .......................................................................................... 14

2.2. Nachhaltiger städtischer Nahverkehr ......................................................................... 21

2.3. Nachhaltiges Bauen.................................................................................................... 32

2.4. Nachhaltige Stadtgestaltung....................................................................................... 37

3. Entwicklung eines stärker integrierten Konzepts....................................................... 46

3.1. Horizontale Integration in verschiedenen Bereichen der Gemeinschaftspolitik........ 46

3.2. Horizontale Integration im Bereich der gemeinschaftlichen Umweltpolitik ............. 48

3.3. Integration zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen.......................................... 50

4. Indikatoren, Daten, Ziele und Berichte ...................................................................... 51

5. Förderung der breiten Anwendung vorbildlicher Verfahren auf lokaler Ebene ........ 54

5.1. Kommunalbehörden................................................................................................... 54

5.2. Die Rolle der Bürger .................................................................................................. 56

6. Nächste Schritte ......................................................................................................... 57

Anhang 1: Entwicklung politischer Strategien für die Städtische Umwelt.............................. 58

Anhang 2: Eine europäische Perspektive für nachhaltige Städte und Nachhaltigkeit in
Städtepolitik, Verkehr, Bau und Stadtgestaltung ....................................................... 60

Anhang 3: Beispiele für Forschungs- und Demonstrationsvorhaben, die von der
Kommission zur Förderung von Nachhaltigkeit in Städtepolitik, Verkehr,
Bau und Stadtgestaltung finanziert wurden ............................................................... 64

Anhang 4: Definition des Begriffs „Nachhaltiger Verkehr“ durch den Rat der
Verkehrsminister ........................................................................................................ 68

Anhang 5: Beispiele für den Einsatz von Strukturfonds- und Kohäsionsfondsmitteln
für die nachhaltige städtische Entwicklung................................................................ 69

Anhang 6: Die städtische Umwelt in der Umweltpolitik ......................................................... 71

Drucksache 15/4280 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

1. EINLEITUNG UND ÜBERSICHT

Ungefähr 80% der europäischen Bürger leben in städtischen Gebieten1; gerade dort sind die
Auswirkungen von Umweltproblemen am deutlichsten spürbar. Lärm, schlechte Luftqualität,
starker Verkehr, Vernachlässigung von Gebäuden, schlechtes Umweltmanagement und ein
Mangel an strategischer Planung führen zu Gesundheitsproblemen und niedrigerer
Lebensqualität. Um Fortschritte bei der Lösung der großen umweltbezogenen
Gesundheitsprobleme in Europa erreichen zu können, muss eine deutliche Verbesserung der
städtischen Umwelt und Lebensqualität erzielt werden. Viele Menschen kehren den
Stadtzentren den Rücken und ziehen in die Randzonen, weil sie zu Recht der Auffassung sind,
dass ihr Wohlbefinden durch die Umweltverschmutzung in den Städten beeinträchtigt wird.
Diese Zersiedelung der Landschaft wiederum zieht größere Verkehrsströme nach sich, und
die Probleme verstärken sich gegenseitig, wobei das Wirtschaftsleben zunehmend aus den
Stadtzentren in die Peripherie verlagert wird. Diese Symptome übermäßiger Belastung
werden in immer mehr städtischen Gebieten deutlich. Deshalb überrascht es nicht, dass viele
Europäer mit dem Begriff „Umwelt“ zumeist Verschmutzung in Städten assoziieren2.

Zu den wesentlichen Ursachen für die derzeitige Situation gehört das Versäumnis, den
Umweltauswirkungen von Entscheidungen angemessen Rechnung zu tragen und eine
qualitativ hochwertige städtische Umwelt systematisch zu planen; dies wirkt sich sowohl auf
die Umwelt als auch auf die Wirtschaft und die Bewohner der Städte aus. Die Auslegung der
städtischen Planung auf ein hohes Umweltschutzniveau ist eines der zentralen Elemente für
die Verwirklichung einer nachhaltigen städtischen Entwicklung und die Gewährleistung
hoher Lebensqualität für die städtische Bevölkerung Europas.

Die thematische Strategie für die städtische Umwelt ist ein wichtiger Schritt in Richtung
dieses Ziels; sie stützt sich auf eine Reihe von Initiativen, die zur Entwicklung der
europäischen Politik für die städtische Umwelt beigetragen haben (siehe Anhang 1). Sie ist
Teil des sechsten Umweltaktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaft „Umwelt 2010:
Unsere Zukunft liegt in unserer Hand“3, und sie ist eine von sieben Strategien im Rahmen des
Programms, die ein ganzheitliches Konzept für wichtige ökologische Fragen bilden sollen und
sich durch ihre Komplexität, die Vielfalt der betreffenden Akteure und die Notwendigkeit
innovativer und multipler Lösungen auszeichnen. Wie im sechsten Umweltaktionsprogramm
der Gemeinschaft ausgeführt, wird mit der thematischen Strategie für die städtische Umwelt
folgendes Ziel verfolgt:

„ ... Förderung eines integrierten, unterschiedliche gemeinschaftliche Politikbereiche
umfassenden Konzepts und Hebung der Qualität der städtischen Umwelt, wobei den
Fortschritten Rechnung getragen wird, welche bei der Anwendung des bestehenden Rahmens
für die Zusammenarbeit erzielt worden sind; gegebenenfalls Überarbeitung dieses
Gemeinschaftsrahmens und Behandlung folgender Bereiche:

– Förderung der Lokalen Agenda 21;

1 Städtische Gebiete (Ballungsräume) im weitesten Sinne, worunter alle Arten städtischer Siedlungen
subsumiert werden..

2 Erhebung Eurobarometer 58.0 über die Einstellung der Umwelt vom Dezember 2000.
3 Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das

sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 242 vom 10. 9.2002, S. 1.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4280

– Entflechtung von Wirtschaftswachstum und Nachfrage im öffentlichen
Personenverkehr;

– Notwendigkeit, den Anteil der öffentlichen Verkehrsmittel, der Bahn, der
Binnenschifffahrt sowie der Fußgänger und Radfahrer zu erhöhen;

– Notwendigkeit der Bewältigung steigender Verkehrsvolumina und der
Herbeiführung einer signifikanten Abkopplung der Zunahme des Verkehrsvolumens
vom Anstieg des BIP;

– Notwendigkeit, den Einsatz schadstoffarmer Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr zu
fördern;

– Prüfung von Indikatoren für die städtische Umwelt.“

Globalziel der thematischen Strategie für die städtische Umwelt

Verbesserung der Umwelteffizienz und der Lebensqualität in städtischen Gebieten,
Gewährleistung eines gesunden Lebensumfelds für die Stadtbewohner in Europa, Stärkung
des ökologischen Beitrags zur nachhaltigen städtischen Entwicklung und gleichzeitig die
entsprechenden wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu berücksichtigen.

Alle europäischen Städte und Gemeinden müssen sich mit den vorhandenen
Umweltproblemen auseinandersetzen; das zentrale Ziel der Strategie besteht darin, darauf
hinzuwirken, dass diese Auseinandersetzung systematisch erfolgt. Allerdings werden keine
pauschalen Lösungen oder Ziele vorgegebenen, da in jedem städtischen Raum die Probleme
anders gelagert sind. Stattdessen wird durch die Strategie ein stabiler Rahmen eingerichtet,
um das städtische Umweltmanagement und die möglichst umfassende Übernahme bewährter
Praktiken zu fördern. Gleichzeitig unterstützt die Strategie die Städte und Gemeinden in ihrer
schwierigen Rolle als die zentralen Akteure mit der größten Problemnähe, wobei die
Erfahrungen, Initiativen und technologischen Innovationen der weiter Fortgeschrittenen zum
Tragen kommen.

Viele der Probleme, denen die europäischen Städte und Gemeinden sich gegenübersehen, sind
allgemeiner Art, und es ist sinnvoll und möglich, auf europäischer Ebene sachgerechte
Lösungen zu entwickeln und auszutauschen und deren Umsetzung zu fördern. Es besteht ein
breites Spektrum von politischen Maßnahmen, Aktionen und Finanzierungsprogrammen zur
Lösung dieser Probleme. Dabei handelt es sich jedoch größtenteils um isolierte Initiativen, die
den spezifischen Erfordernissen des städtischen Umfelds oder potenziellen Synergien
untereinander nicht Rechnung tragen. Große Fortschritte wären durch ein stärker integriertes
und fokussiertes Konzept sowie durch intensivere Zusammenarbeit und Koordination auf
allen Verwaltungsebenen zu erzielen. Deshalb wird die thematische Strategie ein schlüssiges
und integriertes Konzept fördern, durch das eine europäische Perspektive für nachhaltige
Städte (siehe Anhang 2) geschaffen wird und das den besonderen Gegebenheiten in den
Beitritts- und Kandidatenländern Rechnung trägt.

Drucksache 15/4280 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die europäischen Städte und Gemeinden müssen wieder mit Leben erfüllt werden. Sie
müssen attraktive, gesunde und qualitativ hochwertige Wohnorte und Lebensräume sein, in
denen die Gesellschaft und die Wirtschaft sich entfalten können. Die Umwelt muss bei dieser
Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Das Ziel der Strategie besteht darin, sich auf die
städtische Umwelt zu konzentrieren und gleichzeitig den entsprechenden dynamischen
Bezügen zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen Rechnung zu tragen und so den Beitrag der
Umwelt zu einer nachhaltigen Entwicklung der städtischen Gebiete zu steigern. Sie wird sich
mit der städtischen Umwelt im weitest möglichen Sinn befassen und die wichtigen
Implikationen von Umweltproblemen für die menschliche Gesundheit einbeziehen. Die dazu
in enger Verbindung stehende Mitteilung über Umwelt und Gesundheit4 wird bei der
Ermittlung der Kausalzusammenhänge zwischen diesen Faktoren eine wichtige Rolle spielen.
Daneben wird die Strategie sich mit Fragen der Lebensqualität für Stadtbewohner und
städtische Gemeinschaften befassen und von einem Ökosystem-Konzept5 ausgehen. Im
Mittelpunkt steht dabei zwar unweigerlich der städtische Raum selbst, doch wird die
Bedeutung des weiteren regionalen und nationalen Umfelds nicht übersehen.

Diese Mitteilung „Entwicklung einer thematischen Strategie für die städtische Umwelt“ stellt
die erste Phase in der Vorbereitung der endgültigen Strategie dar, die im Sommer 2005
vorliegen soll. Die hier vorgestellten Ideen und Ansätze sind das Ergebnis von Konsultationen
mit Städten und anderen Betroffenen, Arbeitsgruppen unabhängiger Sachverständiger sowie
der EU-Sachverständigengruppe für die städtische Umwelt. Die Beiträge dieser Gruppen
können auf der Webseite der Kommissionen für die städtische Umwelt6 eingesehen werden.

4 KOM(2003) 338 endg.
5 Bei der Betrachtung als Ökosystem wird die Stadt als ein komplexes System kontinuierlicher

Austausch- und Entwicklungsprozesse gesehen. Dabei werden Gesichtspunkte wie Energie, natürliche
Ressourcen und Abfallerzeugungen als Ströme oder Ketten betrachtet. Erhaltung, Wiederherstellung,
Stimulierung und Schließung dieser Ströme und Ketten tragen zu nachhaltiger Entwicklung bei.

6 www.europa.eu.int/comm/environment/urban/thematic_strategy.htm

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4280

Im Rahmen der thematischen Strategie vorgeschlagene Maßnahmen im Überblick

Im nachstehenden Überblick werden die Ergebnisse umfassender Konsultationen dargestellt.
Diese Mitteilung und die darin vorgeschlagenen Maßnahmen werden 2004 Gegenstand
weiterer Konsultationen sein, die Diskussionen in den EU-Institutionen, in der
Sachverständigengruppe für die städtische Umwelt und verschiedenen anderen Gruppen von
Betroffenen sowie eine Anhörung der Öffentlichkeit per Internet einschließen. Daneben
werden technische Arbeitsgruppen aus Sachverständigen und Betroffenen organisiert, um die
vorgeschlagenen Schlüsselmaßnahmen, deren Durchführbarkeit und ihren potenziellen
Beitrag zur Verbesserung der städtischen Umwelt eingehender zu erörtern. Die endgültige
thematische Strategie, die den Ergebnissen der Konsultationen und der genannten
Arbeitsgruppen Rechnung trägt, wird Mitte 2005 vorgelegt.

Dadurch soll auf EU-Ebene ein Beitrag zur Entwicklung eines festen Rahmens geleistet
werden, der lokale Initiativen auf der Grundlage bewährter Verfahren hervorbringt, wobei die
Wahl der jeweils besten Lösungen und angemessenen Ziele bei den örtlichen
Entscheidungsträgern liegt. Kern der Strategie ist, dass Hauptstädte und städtische
Ballungsräume mit mehr als 100 000 Einwohnern (d.h. die größten 500 Städte und
Gemeinden der EU-25) einen städtischen Umweltmanagementplan mit Zielen für die
Verwirklichung einer nachhaltigen städtischen Umwelt verabschieden und für diesen Zweck
ein sachgerechtes Umweltmanagementsystem einrichten sollten. Daneben sollten diese Städte
und Gemeinden einen Plan für nachhaltigen städtischen Nahverkehr entwickeln und
umsetzen. Nach Auffassung der Kommission könntendiesbezüglich Anforderungen auf EU-
Ebene vorgesehen werden. Diese Fragen werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen
sein, unter anderem im Rahmen der oben genannten spezifischen Arbeitsgruppen.

Im Interesse einer besseren Integration werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, nationale und
regionale Strategien für die städtische Umwelt zu beschließen, die an nationale Pläne für die
nachhaltige Entwicklung anknüpfen, und nationale und/oder regionale Zentren für die
städtische Umwelt zu benennen, um die Verbreitung bewährter Verfahren zu fördern und die
Städte und Gemeinden bei der Schaffung einer nachhaltigen und gesunden städtischen
Umwelt zu unterstützen.

Die Kommission wird weiterhin Initiativen für die städtische Umwelt unterstützen,
Empfehlungen, Leitlinien, Indikatoren, Daten, Normen und Evaluierungstechniken
entwickeln sowie Fortbildungsmaßnahmen und Aktionen zur technischen Unterstützung
durchführen, um Städten und Gemeinden die Würdigung und Verwaltung verschiedener
Aspekte ihrer Umwelt zu erleichtern.

Die Europäische Umweltagentur wird über den Stand der städtischen Umwelt berichten und
Daten zur städtischen Umwelt verfügbar machen, um die politischen Entscheidungsträger, die
Öffentlichkeit und andere zentrale Akteure besser zu informieren und die Fortschritte der
thematischen Strategie zu lenken und zu dokumentieren.

Drucksache 15/4280 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Kommission setzt bei der Weiterentwicklung der thematischen Strategie auf enge
Zusammenarbeit mit allen Betroffenen und wird mit diesen in stetigem Kontakt bleiben. Die
Strategie muss sich auf ein gemeinsames Engagement der Gemeinschaft, der Mitgliedstaaten,
Regionen und natürlich auch der Städte selbst zur Verbesserung der städtischen Umwelt
stützen. In dieser Mitteilung soll im Hinblick auf eine zweite Konsultationsrunde 2004 eine
erste Analyse vorgelegt werden. Die Kommission ersucht um Stellungnahmen zu den hier
vorgestellten Ideen und Konzepten. Zu diesem Zweck wird 2004 eine Reihe von Anhörungen
der Betroffenen und technischen Arbeitsgruppen organisiert, um die vorgeschlagenen
Maßnahmen, deren Durchführbarkeit und ihren Beitrag zur Verbesserung der städtischen
Umwelt eingehender zu erörtern (siehe Abschnitt 6). Es wird ein breites Spektrum von
Betroffenen und Sachverständigen, einschließlich Vertretern der Mitgliedstaaten, der
Beitritts- und Kandidatenländer, von Regionen, Städten, Unternehmen und nichtstaatlichen
Organisationen sowie Wissenschaftlern einbezogen. Betroffene können auch unmittelbar
Stellung nehmen7 (Schlusstermin: 15. April 2004). Die endgültige thematische Strategie, die
den Ergebnissen der Konsultationen und der genannten Arbeitsgruppen Rechnung trägt, wird
Mitte 2005 vorgelegt.

2. THEMENSCHWERPUNKTE

Um dem im sechsten Umweltaktionsprogramm erteilen Mandat gerecht zu werden, wird die
thematische Strategie für die städtische Umwelt sich auf vier Querschnittsthemen
konzentrieren, die für die langfristig tragbare Entwicklung von Städten und Gemeinden
wesentlich sind, deutliche Verbindungen zu den wirtschaftlichen und sozialen Säulen der
Nachhaltigkeit haben und das größte Potenzial für Fortschritte aufweisen. Bei diesen in
Abstimmung mit der EU-Sachverständigengruppe für die städtische Entwicklung und anderen
Betroffenen ermittelten Themen handelt es sich um nachhaltige Städtepolitik, nachhaltigen
städtischen Nahverkehr, nachhaltiges Bauen und nachhaltige Stadtgestaltung. Diese Themen
werden zwar separat präsentiert, zwischen ihnen besteht jedoch deutliche und starke
Interaktion. Andere Themenschwerpunkte werden nach der schrittweisen Vorgehensweise der
thematischen Strategie zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt und behandelt.

2.1. Nachhaltige Städtepolitik

2.1.1. Warum ist nachhaltige Städtepolitik ein Themenschwerpunkt?

Städtische Gebiete erfüllen für ihre Bewohner und Nutzer zahlreiche Funktionen. Sie bieten
Wohnraum, Arbeitsplätze, Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, Kultur und soziale
Interaktion. Zur Leistung und Unterstützung dieser Funktionen bestehen in städtischen
Gebieten zahlreiche unterschiedliche statische Elemente wie Gebäude, Infrastrukturen,
Grünflächen und Brachland sowie dynamische Elemente, wie Verkehr, Wasser, Luft, Energie
und Abfall.

7 www.europa.eu.int/comm/environment/urban/thematic_strategy.htm

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/4280

Alle diese Funktionen und Elemente gehen mit ökologischen Folgen einher, die zur Summe
der Umweltauswirkungen der Stadt beitragen. Die einzelnen politischen Maßnahmen auf
unterschiedlichen Verwaltungsebenen, mit denen auf diese Elemente eingewirkt wird, sind
jedoch oftmals isoliert, da sie von unterschiedlichen Verwaltungseinheiten getroffen werden.
Die Implikationen politischer Entscheidungen für die Umwelt werden häufig nicht
ausreichend berücksichtigt. Ein Ziel nachhaltiger Entwicklung besteht darin, diese
Umweltauswirkungen zu verringern und gleichzeitig eine dynamische Wirtschaft und eine
gesunde, gerechte Gesellschaft zu gewährleisten. Viele Stadtverwaltungen räumen jedoch der
Verbesserung der Umwelteffizienz und -qualität ihrer Stadt nicht den nötigen Vorrang ein.

Es ist unwahrscheinlich, dass eine qualitativ hochwertige und gesunde städtische Umwelt
automatisch aus einer Vielzahl von Entscheidungen resultiert, die von verschiedenen, in
unterschiedlichen Sektoren des städtischen Gebiets tätigen Behörden, Unternehmen und
Einzelnen unabhängig voneinander getroffen werden. Es bedarf klarer Vorstellungen, einer
Gesamtstrategie und eines umfassenden Planes zum Erreichen vereinbarter Ziele, um einen
Rahmen für die Orientierung täglicher Verwaltungsentscheidungen zu schaffen. Diese müssen
dem Handeln der Stadtverwaltungen zugrunde liegen und dürfen nicht als zusätzliche
Aufgaben neben ihren normalen Verantwortlichkeiten empfunden werden. Dies impliziert
andere Entscheidungsverfahren, so dass die traditionellen Grenzen zwischen benachbarten
Kommunen und zwischen Verwaltungseinheiten innerhalb kommunaler Behörden abgetragen
werden, um einen stärker integrierten Entscheidungsprozess zu erreichen. Ebenso wichtig ist
ein allgemeines Umdenken, und die Beteiligung der Öffentlichkeit, eine aktive Rolle der
Bürger, Transparenz der Entscheidungsfindung und verantwortungsvolles Handeln sind
zentrale Elemente der nachhaltigen Städtepolitik. In Anhang 2 wird eine europäische
Perspektive für nachhaltige Städtepolitik vorgestellt.

Vorbildliche Umweltmanagementplanung — ein Beispiel

Die Stadt Stockholm hat ihr erstes Umweltprogramm Mitte der 70er Jahre beschlossen. Das fünfte
Umweltprogramm8 wurde 2003 im Anschluss an eine umfassende Umwelterhebung und eingehende
Konsultationen von Behörden, Bürgern, Unternehmen und Verbänden verabschiedet. Das Programm wird im
Rahmen des integrierten Stockholmer Verwaltungssystems durchgeführt und umfasst regelmäßige Umweltaudits
und Berichterstattung. Es enthält sechs vorrangige Ziele in Bezug auf Umwelt und Volksgesundheit, die in
insgesamt 43 quantitative und qualitative, bis 2006 zu erreichende Etappenziele unterteilt sind, welche jeweils
die zuständigen Stellen und die zur Dokumentation der Fortschritte genutzten Schlüsselindikatoren festlegen. Bei
den vorrangigen Zielen handelt es sich um ökologisch effizienten Verkehr, sichere Produkte, nachhaltigen
Energieverbrauch, Umweltplanung- und -management, ökologisch effiziente Abfallwirtschaft sowie gesunde
Innenraumumwelt. Ein Beispiel für ein Etappenziel ist die angestrebte Verringerung des Verbrauchs fossiler
Brennstoffe für Heizzwecke um 20% durch Anbindung an Fernwärme.

8 www.tyckom.stockholm.se

Drucksache 15/4280 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Bedeutung nachhaltiger Städtepolitik auf lokaler Ebene wird bereits seit einiger Zeit
anerkannt. Auf dem Weltgipfel von 1999 wurde festgestellt, dass den Kommunen bei der
Verwirklichung nachhaltiger Entwicklung eine besondere Rolle zukommt; bei dieser
Gelegenheit wurde die Lokale Agenda 21 (LA 21) erstellt. Darin werden die Gemeinden dazu
aufgefordert, durch einen Dialog mit ihren Bürgern, Unternehmen und anderen Betroffenen
Strategien für die nachhaltige Entwicklung ihres Raumes zu entwickeln. Europa ist mit mehr
als 5000 engagierten Gemeinden in der LA 21 führend9. Nach den Ergebnissen des
Forschungsprojekts LASALA zur Selbstbewertung der Gemeinden im Rahmen der Lokalen
Agenda 2110, an dem europaweit mehr als 250 Kommunalverwaltungen beteiligt sind, hat die
LA 21 sehr erfolgreich dazu beigetragen, auf lokaler Ebene ein Umdenken, ein neues
Verständnis und neue Verhaltensweisen zu bewirken, was sich unter anderem in einer
besseren Umsetzung von Umweltschutzvorschriften niederschlägt.

Allerdings ist trotz dieser Erfolge die Einführung der LA 21 europaweit sehr heterogen, und
es gibt Hinweise darauf, dass die Umsetzung der LA 21-Strategien selbst in den Staaten an
Dynamik verliert, in denen sie zunächst enthusiastisch unterstützt wurde. Die
Umwelteffizienz der europäischen Städte und Gemeinden ist recht unterschiedlich
(s. Abb. 1)11, und viele Kommunalbehörden gehen ihre Umweltprobleme nicht systematisch
an. Die bestehenden LA 21-Prozesse unterscheiden sich im Hinblick auf Dimension und
Ambitionen erheblich, wobei die Wirksamkeit ihrer Umsetzung kaum dokumentiert wird. Nur
wenige Mitgliedstaaten (z.B. Dänemark und das Vereinigte Königreich) haben das LA 21-
Konzept gesetzlich institutionalisiert, um einigen dieser Mängel abzuhelfen und die
allgemeine Verbreitung und Anwendung von Strategien für das städtische
Umweltmanagement zu fördern.

Deshalb wird auf europäischer Ebene ein stabilerer Rahmen benötigt, um das
Umweltmanagement der größten europäischen Städte und Gemeinden neu zu beleben. Dies
wird auch für die anderen betrachteten Themenschwerpunkte (s. 2.2-2.4) vorteilhaft sein.

9 Quelle: Second Local Agenda 21 Survey (ICLEI), 2002.
10 http://www.iclei.org/europe/LASALA/
11 Die angeführten Studienergebnisse für den „ökologischen Fußabdruck“ wurden von Best Foot Forward

(www.bestfootforward.com) zusammengestellt. Je nachhaltiger eine Stadt ist, umso kleiner ist der
„ökologischen Fußabdruck“ je Bürger.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4280

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Abb. 1 - "Ökologischer Fußabdruck" in ausgewählten europäischen
Städte und Gemeinden

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2.1.2. Derzeitige Gemeinschaftsinitiativen für nachhaltige Städtepolitik

Die EU hat ein umfassendes Umweltmanagementinstrument entwickelt, das auf Freiwilligkeit
beruhende Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung
(EMAS)12. Seit der Überarbeitung 2001 konnten mehr als 500 öffentliche Stellen, davon 110
Kommunalbehörden, für EMAS registriert werden. Das System wurde zwar ursprünglich zur
kontinuierlichen Verbesserung der Umwelteffizienz des Alltagsbetriebs von Organisationen
konzipiert, es unterstützt jedoch auch Kommunalbehörden bei der koordinierten,
systematischen und nachprüfbaren Verwaltung und Durchführung ihrer gesetzlichen Pflichten
und anderer Initiativen im Umweltbereich. Es versetzt sie in die Lage, die mittelbaren und
unmittelbaren ökologischen Folgen ihrer Handlungen zu analysieren, z.B. die Auswirkungen
von Entscheidungen im Bereich der Flächenutzung oder bei der Wahl von Auftragnehmern.
Daneben verpflichtet das System lokale Behörden dazu, die Standpunkte Betroffener (z.B.
kommunaler Verbände) zu berücksichtigen und diesen in größerem Umfang über ihre
Maßnahmen im Umweltbereich Rechenschaft zu geben.

Die Kommission und der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) haben eine
Kampagne gestartet, um Kommunalbehörden zur Nutzung von EMAS anzuhalten. Die ersten
Erfahrungen zeigen, dass es sich dabei um ein praktisches und nützliches Instrument für
Gemeinden handelt, das hinreichend flexibel für die Auseinandersetzung mit den zentralen
ökologischen Fragen von Städten und Gemeinden ist, beim Setzen von Prioritäten unterstützt,
Einsichten in ökologische Zusammenhänge fördert, die Berichterstattung verbessert und die
Umsetzung von LA 21 erleichtert.

12 Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über
die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das
Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS) (ABl. L 114, 24.4.2001, S. 1).

Drucksache 15/4280 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Vorbildlicher Einsatz von Umweltmanagementsystemen — ein Beispiel

Der Stadtrat von Leicester13 (UK) nutzt EMAS seit 1997 zur Verbesserung der Umwelteffizienz. 2003 wurde der
Anwendungsbereich des Systems auf die Verwaltung der ökologischen Leistungsfähigkeit der gesamten Stadt
Leicester ausgedehnt, wobei die von den Bürgern am unmittelbarsten wahrgenommenen Aspekte im Mittelpunkt
standen. Es wurden ehrgeizige Ziele für die Energieeffizienz von Wohnungen, die Einschränkung von
Autofahrten ins Stadtzentrum und zu Schulen, die Schärfung des Umweltbewusstseins der Bevölkerung,
geringeren Anfall von Bauschutt, die Entwicklung lokaler Normen für nachhaltiges Bauen und für das
Vermeiden der Verschmutzung der Straßen durch Abfall festgelegt.

Die Niederlande haben beschlossen, dass bis Ende 2004 alle Behörden, auch auf lokaler Ebene, über ein
Umweltmanagementsystem (EMAS, ISO 14001 oder ein gleichwertiges System) verfügen sollten14. Den Bosch
war im November 2002 die erste niederländische Stadt, die die ISO 14001-Zertifizierung erhielt.

Neben der Förderung einer Reihe von Forschungsprojekten, mit denen städtischen Behörden
notwendige Instrumente an die Hand gegeben werden (hier ist besonders das Projekt „Die
Stadt von morgen und das kulturelle Erbe”, s. Anhang 3, zu nennen)15 fördert die
Kommission die Einführung der Lokalen Agenda 21 durch finanzielle Unterstützung
verschiedener in Netzen organisierter Städte, die sich für die Initiative engagieren und
europaweit dafür werben (s. Abschnitt 5.1).

Die Kommission engagiert sich bereits aktiv für die Bereitstellung anderer
Managementinstrumente für Stadtverwaltungen, z.B. die „Gemeinsamen Europäischen
Indikatoren“ und den „Ökologischen Fußabdruck“ (s.a. Abschnitt 4). Außerdem werden
durch eine Reihe von Richtlinien der EU Verpflichtungen im Hinblick auf die
Bewirtschaftung verschiedener Aspekte der städtischen Umwelt wie Luft, Lärm und Wasser
begründet. Anhang 6 enthält eine entsprechende Aufstellung.

2.1.3. Weitere notwendige Maßnahmen zur größtmöglichen Verbreitung nachhaltiger
Städtepolitik

In dem Bericht „Zukunftsfähige Städte in Europa“16 wird „die Entwicklung gesamtstädtischer
Strategien für ein nachhaltiges Stadtmanagement ausdrücklich befürwortet“. Analog dazu
wurde im Rahmen des LA 21-Projekts zur Selbstbeurteilung der Kommunalbehörden dafür
plädiert, die Lokale Agenda 21 auf eine festere und längerfristige Grundlage zu stellen, damit
sie in die Praktiken und Verfahren der lokalen Selbstverwaltung in Europa integriert werden
kann, und im Implementierungsplan des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung werden
Maßnahmen zur Festigung institutioneller Regelungen zur nachhaltigen Entwicklung
gefordert, unter anderem auf lokaler Ebene im Rahmen der Agenda 21.

Langfristig ist eine aktive und integrierte Handhabung ökologischer Fragen für den gesamten
städtischen Raum der einzige Weg, um eine qualitativ hochwertige und gesunde städtische
Umwelt zu erreichen. Explizite ökologische Ziele, Aktionen und Monitoringprogramme sind
notwendig, die Umweltpolitik mit Wirtschafts- und Sozialpolitik verbinden.

13 www.leicester.gov.uk/
14 “Met preventie naar duurzaam ondernemen – een programma voor en door overheden 2001-2005”

(“Durch Vorbeugen zu nachhaltigen Unternehmen — ein Programm von Behörden für Behörden
2001-2005”).

15 www.cordis.lu/eesd/ka4/home.html
16 ISBN 92-827-8259-X (1996).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/4280

Die Stadtverwaltungen müssen deshalb Umweltmanagementpläne erstellen. Um die
Verwirklichung der Umweltmanagementpläne zu gewährleisten und die Fortschritte dabei zu
dokumentieren, müssen sachgerechte Umweltmanagementsysteme beschlossen werden.

Nach Ansicht der Kommission könnte dies auf EU-Ebene vorgeschrieben werden und für alle
Hauptstädte sowie Städte und Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern gelten, so dass
die 500 größten Agglomerationen in der EU 25 erfasst werden. Diese Frage wird 2004
Gegenstand weiterer Konsultationen sein, unter anderem im Rahmen der oben genannten
spezifischen Arbeitsgruppe von Sachverständigen und Betroffenen.

Durch die vorgeschlagene Maßnahme würde die Erstellung eines entsprechenden Plans und
die Verwirklichung eines sachgerechten Umweltmanagementsystems verbindlich
vorgeschrieben. Im Zuge dieser Verfahren könnte es beispielsweise notwendig sein, die
Bürger, Unternehmen und andere Betroffene zu konsultieren, (auf lokaler Ebene
beschlossene) Ziele zu setzen sowie die Fortschritte zu beobachten und darüber Bericht zu
erstatten. Die Kommission würde jedoch nicht die Absicht haben, die Einzelheiten dieser
Managementpläne zu beaufsichtigen, vielmehr, dass diese Pläne wesentliche Bestandteile des
Stadtmanagements werden.

Nach bestehenden Richtlinien der EU sind die für die Verwaltung städtischer Ballungsräume
zuständigen Behörden bereits zur Kontrolle der Luftqualität17 und der Lärmemissionen18

sowie zur Beteiligung an der Bewirtschaftung des betreffenden Wassereinzugsgebiets19

verpflichtet. Die vorgeschlagene Maßnahme würde eine Gelegenheit für die
Stadtverwaltungen bieten, ihre Tätigkeiten im Rahmen dieser Verpflichtungen mit anderen
ökologischen Fragen in einem umfassenden Umweltmanagementplan zu kombinieren.

Der Plan könnte zentrale Fragen wie Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen,
Wassernutzung und Abwasserbehandlung, Abfall, Lärm, Luftqualität, Natur und biologische
Vielfalt, Verkehr und Mobilität, Design, natürliche und anthropogene Risiken, nachhaltiges
Bauen, damit verbundene Fragen der Volksgesundheit sowie die Lebensqualität insgesamt
betreffen. Da sich Ballungsräume oftmals über das geografische Gebiet der Zuständigkeit
einer Verwaltung hinaus erstrecken, würde der Plan für das gesamte Gebiet gelten und
eventuell die Zusammenarbeit benachbarter Stadtverwaltungen voraussetzen
(s. a. Abschnitt 3.3).

Diese Umweltmanagementpläne würden im Einklang mit den Bemühungen der EU um eine
bessere Verwaltung die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen (lokale,
regionale und nationale Ebene), zwischen verschiedenen Abteilungen derselben
Kommunalverwaltung und zwischen benachbarten Verwaltungen intensivieren und die
Beteiligung der Bürger und Betroffenen ausbauen. Sie würden sich mit anderen Mängeln und
Lücken im derzeitigen Umweltmanagement auseinandersetzen, z.B. dem Mangel oder der
unzureichenden Nutzung von Daten und Managementinstrumenten, der Übergewichtung
projektbezogener Entwicklung an Stelle einer kohärenten, nachhaltigen Entwicklungspolitik
sowie der Trennung von Planung und Umsetzung.

17 Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der
Luftqualität, ABl. L 296 vom 21.11.1996, S. 55.

18 Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die
Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABl. L 189 vom 18.7.2002, S. 12.

19 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur
Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik,
ABl. L 327, 22.12.2000, S. 1.

Drucksache 15/4280 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Sie würden einen Beitrag zur Überwindung der kurzfristigen, von politischem Kalkül
geleiteten Planung leisten, indem sie der Umweltpolitik aufeinander folgender
Stadtverwaltungen die notwendige Kontinuität verleihen würden. Langfristige
Herausforderungen wie die Folgen des Klimawandels müssen berücksichtigt werden; sie
erfordern eine integrierte langfristige Planung, um allen relevanten Faktoren und ihrem
komplexen Zusammenspiel Rechnung zu tragen und nachhaltige Lösungen hervorzubringen.

Darüber hinaus würden Umweltmanagementpläne dazu beitragen, für die 500 größten
europäischen Städte vergleichbare Grundlagen im Hinblick auf ihre Umweltinitiativen und
-verpflichtungen zu schaffen. In dieser Hinsicht bestehen erhebliche Unterschiede, da einige
Städte weitaus aktiver sind als andere und die Mitgliedstaaten den Kommunen
verschiedenartige Verpflichtungen mit unterschiedlichem Verbindlichkeitsgrad auferlegen.
Die Verabschiedung und Verwirklichung von Umweltmanagementplänen in zahlreichen
Städten und Gemeinden würde bedeuten, dass der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen ihnen
ein geringeres Hindernis für die Förderung einer qualitativ hochwertigen und gesunden
städtischen Umwelt darstellen würde. Stattdessen würden Städte und Gemeinden auf Grund
der gebotenen Lebensqualität zunehmend Unternehmen und neue Bürger anziehen.

Zur Begleitung des Umweltmanagementplans und zur Durchführung der für dessen
regelmäßige Überprüfung notwendigen Analyse, Beobachtung und Prognostik bedarf es eines
umfassenden Umweltmanagementsystems. Das System würde die Kommunalverwaltungen
auch dabei unterstützen, einzelstaatliche und europäische Umweltschutzvorschriften (z.B. zu
Luftqualität und Lärmbelastung) einzuhalten und deren wirksame Durchsetzung —seit jeher
ein Schwachpunkt des Umweltrechts — zu gewährleisten. Diesbezüglich dient ein
umfassendes System wie EMAS den Kommunalverwaltungen als Orientierung im
kontinuierlichen Prozess der Gestaltung von Umweltpolitik, Festlegung von Zielen,
Beaufsichtigung, Prüfung und Berichterstattung. Die Umweltsituation wird überprüft, was zur
Definition einer Umweltpolitik in Abstimmung mit Arbeitnehmern, Bürgern,
Wirtschaftsbeteiligten und anderen Betroffenen führt. Daraufhin wird das Managementsystem
eingerichtet; dieser Prozess umfasst die Zuweisung von Verantwortlichkeiten, Ausbildung
von Arbeitnehmern, Dokumentation, Auswahl von Umweltzielen (deren Anspruch im
Ermessen der Behörde liegt), Festlegung eines Aktionsprogramms zur Verwirklichung dieser
Ziele, Ressourcenzuteilung sowie Einrichtung eines Auditsystems zur Erfassung der
relevanten Daten sowie zur Beobachtung des Systems und der Fortschritte bei der
Verwirklichung der Ziele. Daraufhin wird eine Umwelterklärung veröffentlicht und jährlich
aktualisiert. Der Überprüfung eines in Übereinstimmung mit EMAS oder ISO 14001
eingerichteten Umweltmanagementsystems durch einen unabhängigen externen Prüfer kommt
größte Bedeutung zu.

Wie in dem Bericht „Zukunftsfähige Städte in Europa“ hervorgehoben wurde, sind
verschiedene Maßnahmen notwendig, um politische, strukturelle und technische Hindernisse
auszuräumen, die einem umfassenden und integrierten Konzept entgegen stehen.
Umweltmanagementpläne und –systeme würden dazu einen großen Beitrag leisten,
wenngleich weitere Maßnahmen notwendig bleiben. Die integrierte Entscheidungsfindung
erfordert verschiedene Arbeitsweisen innerhalb von Kommunalverwaltungen, und das kann
erhebliche Änderungen in der Organisation und Struktur des Entscheidungsprozesses
bedeuten. Daneben müssen sachgerechte Verbindungen zu regionalen und nationalen
Strategien hergestellt und bessere Informationen zur Unterstützung der Städte und Gemeinden
bereitgestellt werden. Abschnitt 3.3 enthält Vorschläge für diesbezügliche Maßnahmen. Die
Rolle von Indikatoren zur Messung von Fortschritten und zur Einwirkung auf den
Entscheidungsprozess wird in Abschnitt 4 behandelt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/4280

Der Ausbildung von Beamten und gewählten Vertretern in Kommunalverwaltungen kommt
bei der Sensibilisierung für Fragen der städtischen Umwelt und ihrer Verbindungen zu
sozialen und wirtschaftlichen Aspekten große Bedeutung zu. Die Kommission wird prüfen,
ob Ausbildungsprogramme wie Leonardo da Vinci eingesetzt werden können, um die
entsprechende Qualifikation und Sensibilisierung zu vermitteln; daneben werden andere
Mechanismen für die permanente Förderung vorbildlicher Verfahren und zum
Erfahrungsaustausch untersucht (s. a. Abschnitt 5.1).

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Nachhaltige Städtepolitik

Alle Hauptstädte und jede andere Stadt oder Gemeinde mit mehr als 100 000 Einwohnern
sollte einen Umweltmanagementplan für den städtischen Raum insgesamt verabschieden und
Ziele für die wesentlichen Umweltauswirkungen festlegen; sodann sollte sie ein
Umweltmanagementsystem einrichten, um den betreffenden Prozess zu steuern und diese
Ziele zu verwirklichen. Nach Auffassung der Kommissionen könnte diesbezüglich eine
Vorschrift auf EU-Ebene vorgesehen werden. Diese Frage wird 2004 Gegenstand weiterer
Konsultationen sein, unter anderem im Rahmen der oben genannten spezifischen
Arbeitsgruppe von Sachverständigen und Betroffenen.

Die Kommission wird Leitlinien für die Verwirklichung dieser Managementsysteme durch
die kommunalen Behörden erstellen. Die Mitgliedstaaten werden dazu angehalten,
sicherzustellen, dass die lokalen Behörden bei der Realisierung eines
Umweltmanagementsystems die notwendige Unterstützung in Form von
Ausbildungsmaßnahmen und Beratung erfahren.

Die Kommission wird untersuchen, welche Möglichkeiten für Ausbildung, Forschung und
Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der nachhaltigen Städtepolitik bestehen.

2.2. Nachhaltiger städtischer Nahverkehr

2.2.1. Warum ist nachhaltiger städtischer Nahverkehr ein Themenschwerpunkt?

Städtische Nahverkehrssysteme sind wesentliche Glieder des Stadtgefüges. Sie stellen den
Zugang zu Gütern, Dienstleistungen, Arbeitsplätzen und Freizeitaktivitäten sicher,
gewährleisten effizienten Güterverkehr und sind Voraussetzung für eine florierende lokale
Wirtschaft. Allerdings ist die hohe Verkehrsdichte heute nach der hohen Bebauungsdichte das
zweitwichtigste Charakteristikum städtischer Gebiete. Der Verkehr wirkt sich in erheblichem
Maße auf die Umwelt und auf die Gesundheit der Stadtbevölkerung sowie auf die
Lebensqualität in Städten insgesamt aus. Die zunehmende Überlastung der
Verkehrsinfrastrukturen beeinträchtigt die Mobilität und verursacht steigende Kosten für die
Wirtschaft (die Straßenverkehrsüberlastung verschlingt derzeit 0,5% des BIP der
Gemeinschaft; dieser Wert wird bis 2010 auf 1% ansteigen)20.

20 Weißbuch — Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft,
KOM(2001) 370.

Drucksache 15/4280 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Fast alle (97%) Stadtbewohner Europas sind einer Luftverschmutzung ausgesetzt, die die
Grenzwerte (Qualitätsziele) der EU für Partikel überschreitet; für bodennahes Ozon beträgt
der Anteil 44%, für Stickoxide 14%21. Die Hauptquelle diese und andere Luftschadstoffe ist
der Kraftverkehr. Bei der Reduzierung der Emissionen von Kfz für den Individualverkehr
wurden erhebliche Fortschritte erzielt, so dass die Konzentration von Partikeln unter 10µm
(PM10), NOx und anderen Ozonvorläufern in Städten zurückgeführt werden konnte. Im
Bereich von Knotenpunkten bestehen die Probleme allerdings weiterhin, und das zunehmende
Kraftverkehrsaufkommen in Städten kompensiert in gewissem Maße die erreichten
Fortschritte. Der Rückgang der PM10-Konzentration kam 1999 zum Erliegen, und die
Ozonkonzentrationen steigen derzeit an22. Dem Bericht der Europäischen Umweltagentur
über Verkehr und Umwelt 2002 zufolge werden die derzeitigen Maßnahmen die Luftqualität
in Städten weiter verbessern, doch wird die europäische Stadtbevölkerung im Jahre 2010 noch
immer regelmäßig hohen Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt sein. Außerdem wird der
zunehmende städtische Verkehr den zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen
unternommenen Anstrengungen entgegen wirken. Falls nichts unternommen wird, um die
Tendenz zu ansteigenden Verkehrsvolumina umzukehren, ist bis 2010 ein Anstieg des durch
den Verkehr verursachten CO2-Ausstoßes um 40% gegenüber dem Niveau von 1990 zu
erwarten. 40% der verkehrsbedingten CO2-Emissionen entfallen auf den Stadtverkehr.

Eine Reihe von Studien legt den Schluss nahe, dass die Auswirkungen auf die Gesundheit der
Stadtbevölkerung erheblich sind.So gelangte beispielsweise eine Studie23, die PM10 als
Indikator für die Luftverschmutzung nutzte, zu dem Ergebnis, dass die Folgen der
verkehrsbedingten Luftverschmutzung auf die Volksgesundheit in Österreich, Frankreich und
der Schweiz sich in mehr als 21 000 Fällen chronischer Bronchitis bei jungen Erwachsenen,
mehr als 290 000 Fällen von Bronchitis bei Kindern, mehr als einer halben Million
Asthmaanfällen und mehr als 16 Mio. Personentagen krankheitsbedingter teilweiser
Arbeitsunfähigkeit niederschlugen. Die wirtschaftlichen Folgekosten verkehrsbedingter
Luftverschmutzung sind schätzungsweise auf ca. 1,7% des BIP zu beziffern24. Diese Studie
stützt sich auf Daten, die in einer Reihe von Studien aus den neunziger Jahren erfasst wurden,
und trägt daher den im Zuge der Emissionskontrolle in letzter Zeit erzielten erheblichen
Fortschritten nicht Rechnung, vermittelt aber dennoch eine Vorstellung von der potenziellen
Dimension der Auswirkungen. Nach einer Schätzung im Rahmen des Forschungsprojekts
APHEIS25, das 26 Städte in 12 europäischen Ländern erfasste, könnte bereits eine
Verringerung der langfristigen PM10-Exposition um lediglich 5 µg/m³ jährlich 19 vorzeitige
Todesfälle pro 100 000 Einwohner verhindern, was dem Anderthalbfachen der Quote der
Verkehrstoten entspricht. Die Verhinderung verkehrsbedingter Schadstoffemissionen in
Städten ist also mit erheblichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden.

Das hohe Kraftverkehrsaufkommen in Städten trägt auch zur zunehmenden Bewegungsarmut
bei, die ihrerseits eine Reihe negativer Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung
hat und eine bedeutende Ursache kardiovaskulärer Erkrankungen ist. Obwohl das Risiko des

21 EUA-Bericht TERM 2002.
22 EUA-Bericht zur Luftverschmutzung in Europa 1990-2000.
23 The Lancet, Bd. 356, Nr. 9232 vom 2. September 2000, Titel: Public-health impact of outdoor and

traffic-related air pollution: a European assessment, Autoren: N. Künzli, R. Kaiser, S. Medina,
M. Studnicka, O. Chanel, P. Filliger, M. Herry, F. Horak Jr., V. Puybonnieux-Texier, P. Quénel,
J. Schneider, R. Seethaler, J.-C. Vergnaud, H. Sommer.

24 WHO: “Health costs due to road traffic related air pollution. An impact assessment project for Austria,
France and Switzerland.” Juni 1999.

25 www.apheis.net; Air Pollution and Health: A European Information System – Health impact
assessment of air pollution in 26 cities, 2. Jahresbericht 2000-2001.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/4280

Entstehens von Herz-Kreislauf-Krankheiten durch tägliches 30-minütiges Fahrradfahren
halbiert werden kann, wird in mehr als jedem zweiten Fall zum Zurücklegen von Distanzen
unter 5 Kilometern das Auto verwendet. Den Berechnungen einer neueren Studie zufolge
könnten in London jährlich 100 vorzeitige Todesfälle und 1000 Fälle stationärer Behandlung
vermieden werden, wenn 10% der mit Pkw gefahrenen Strecken stattdessen zu Fuß oder mit
dem Fahrrad zurückgelegt würden26.

Verkehrsunfälle in Städten und Gemeinden führen noch immer zu einer unannehmbar hohen
Zahl von Toten und Verletzten. 2000 ereigneten sich zwei Drittel der 1,3 Mio.
Verkehrsunfälle in der EU, bei denen Menschen verletzt wurden, und die Hälfte der tödlichen
Verkehrsunfälle in städtischen Gebieten27. Die wirtschaftlichen Kosten von
Straßenverkehrsunfällen belaufen sich schätzungsweise auf 2% des BIP der Gemeinschaft.

26 Soderland N., Ferguson J., McCarthy M: “Transport in London and the Implications for Health”. 1999.
27 Internationale Straßenverkehrs- und Unfalldatenbank der OECD, April 2002.

Drucksache 15/4280 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Lärmbelastung in städtischen Gebieten ist ebenfalls ein ernstes und zunehmendes
Problem; es wird zu 80% vom Straßenverkehr verursacht. Mindestens 100 Mio. Menschen
sind in Europa in Ballungsräumen oder in der Nähe von Verkehrsinfrastrukturen
verkehrsbedingtem Lärm ausgesetzt, dessen Lautstärke den von der WHO empfohlenen
Grenzwert von 55 dB (A) übersteigt28. Dies ist eine erhebliche Belastung, die den Schlaf und
die Lebensqualität beeinträchtigt. Ungefähr 40 Mio. Menschen sind Lärm in einer Lautstärke
von über 65 dB (A) ausgesetzt, der ernsthafte Gesundheitsschäden hervorruft. Durch die
Verringerung des Verkehrsaufkommens und die Verbesserung des Verkehrsflusses in
Kombination mit strengeren, an der Lärmquelle ansetzenden Lärmschutzmaßnahmen könnte
die Lärmbelastung in städtischen Gebieten erheblich reduziert werden.

Der Verkehr wird als einer der Schlüsselfaktoren empfunden, die die Lebensqualität in
Städten und Gemeinden beeinträchtigen. Bei einer 1995 durchgeführten Befragung nannten
51% der Stadtbevölkerung in der EU den Verkehr als Hauptursache für Beeinträchtigungen
ihrer Umwelt; zwei weitere verkehrsbedingte Faktoren, Luftqualität und Lärm, wurden von
41% beziehungsweise 31% genannt29. Hohe Verkehrsaufkommen halten Anwohner davon ab,
sich zu Fuß auf ihrer Straße zu bewegen und ihre Kinder dort spielen zulassen, wodurch das
Gefühl für Nachbarschaft und lokale Gemeinschaft nach und nach verloren geht.

Die zunehmende Mobilität in städtischen Gebieten treibt die Urbanisierung an, indem die
Ausdehnung von Städten auf die umgebenden ländlichen Gebiete vorangetrieben wird
(„Zersiedelung“ der Landschaft.) So wie schlechte Entscheidungen bei der Flächennutzung
das Verkehrsaufkommen erhöhen, können hohe Mobilität und hohes Verkehrsaufkommen
wiederum Anstoß zu Fehlentscheidungen bei der Flächenutzung sein, wenn beispielsweise
eine Verkehrsentlastung angestrebt wird. Flächenutzung und Verkehr sind untrennbar
verbunden (s.a. Abschnitt 2.4.1, Städtebauliche Gestaltung).

Städtische Mobilität ist auch ein wichtiges Element sozialer Gerechtigkeit. Dienstleistungen,
Ausbildung, Beschäftigung, Freizeit und Güter sollten allen Stadtbewohnern zugänglich sein,
unabhängig davon, ob sie ein Auto besitzen. In den ärmsten Stadtvierteln ist die relative
Anzahl der Fahrzeugeigentümer am niedrigsten. Der öffentliche Verkehr könnte entsprechen-
den Zugang zu den genannten Gütern bieten, und er weist klare ökologische Vorteile auf.

Die städtische Mobilität muss überdacht werden, um diese negativen Auswirkungen zu be-
kämpfen und gleichzeitig das Potenzial für Wirtschaftswachstum und Förderung der Bewe-
gungsfreiheit und Lebensqualität der Stadtbevölkerung zu wahren. Deshalb scheint ein
Rahmen zur Förderung des nachhaltigen städtischen Verkehrs auf europäischer Ebene nötig
zu sein.

28 EUA 2001 : Traffic noise, exposure and annoyance.
29 Quelle: Eurobarometer.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/4280

2.2.2. Aktuelle Gemeinschaftsinitiativen für den Stadtverkehr

Der Rat (Verkehr) hat 2001 eine Definition für nachhaltige Verkehrssysteme festgelegt
(s. Anhang 4), auf die bei der Erstellung dieser Mitteilung zurückgegriffen wurde.

Im Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik30 wurde betont, dass die europäische
Verkehrspolitik an einem kritischen Punkt angelangt ist, wo saubere, gut funktionierende und
von fossilen Brennstoffen unabhängigere Nahverkehrssysteme als unverzichtbare
Voraussetzung für die Verwirklichung des übergeordneten Ziels nachhaltiger Mobilität in
Europa zu betrachten sind. Im Weißbuch werden zwei Bereiche für Maßnahmen der
Gemeinschaft zur Förderung umweltfreundlichen Nahverkehrs ermittelt: die Unterstützung
einer diversifizierten Energieversorgung im Verkehr und die Verbreitung vorbildlicher
Verfahren. Die Kommission wird gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nicht versuchen,
Alternativen zur Verwendung des Pkw in Städten und Gemeinden per Erlass vorzuschreiben.

Die Notwendigkeit zur rationelleren Nutzung privater Pkw und zur Verbesserung des
energieintensiven Nahverkehrs wird auch im Grünbuch der Kommission zur Sicherheit der
Energieversorgung31 hervorgehoben. Darin wird das ehrgeizige Ziel festgesetzt, bis 2020
Diesel- und Ottokraftstoffe im Straßenverkehr zu 20% durch alternative Kraftstoffe zu
ersetzen. Im Anschluss an die Mitteilung über alternative Kraftstoffe für den Straßenverkehr32

wird ein „optimistisches Entwicklungsszenario“ präsentiert, das sich auf drei Kraftstoffarten
stützt, die grundsätzlich erhebliche Marktanteile erreichen können und generell erhebliche
Vorteile für die städtische Umwelt haben: Biokraftstoffe, Erdgas und Wasserstoff. Es wurden
Maßnahmen zur Unterstützung einer breiteren Markteinführung von Biokraftstoffen
getroffen. Im Mai 2003 haben der Rat und das Europäische Parlament eine Richtlinie
verabschiedet, in der Ziele für deren Marktanteil festgelegt werden, und im Oktober 2003
wurde eine Richtlinie verabschiedet, die Steuerbefreiungen ermöglicht. Die 2002 eingesetzte
Kontaktgruppe „Alternative Kraftstoffe“ hatte 2003 einen Bericht mit Empfehlungen von
Sachverständigen für die Weiterentwicklung der Technologien zur Nutzung von Erdgas und
Wasserstoff erstellt.

Die Kommission betreibt derzeit die Umsetzung eines Arbeitsprogramms spezifischer und
praktischer Maßnahmen im Bereich des umweltfreundlichen Nahverkehrs, z.B. durch die
Initiative CIVITAS, sowie verschiedene Aktionen in den Bereichen Forschung und
Benchmarking, Demonstrationsprojekte und Sensibilisierungsmaßnahmen (siehe Anhang 3).

30 „Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“, KOM(2001) 370.
31 „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“, (KOM)2000 769.
32 KOM(2001) 547 endg.

Drucksache 15/4280 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Vorbildliche Verfahren im nachhaltigen Nahverkehr — ein Beispiel

Das österreichische Graz33 verwirklicht seit Ende der 80er Jahre einen integrierten, auf „sanfte“ Mobilität
ausgerichteten Verkehrsplan, dessen Eckpfeiler Sicherheit, Umwelteffizienz und Steigerung der Attraktivität des
öffentlichen Raumes sind. 1992 wurde in der gesamten Stadt eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h
eingeführt, die dazu beitrug, die Zahl der Unfälle um 20% zu senken und Schadstoffemissionen und
Lärmbelastung erheblich zu reduzieren. Parallel dazu hat die Stadtverwaltung in der Innenstadt die Anzahl der
Parkplätze begrenzt und die Parkgebühren angehoben, wobei die Erträge zur Verbesserung des öffentlichen
Nahverkehrs verwendet wurden. Es bestehen Anreize zur Förderung der Nutzung emissionsarmer Fahrzeuge.
Die Radwege wurden auf eine Länge von über 100 Kilometer ausgebaut; es wurden Fahrradparkplätze
geschaffen und fahrradspezifische Dienstleistungen entwickelt. Die Pflasterung wurde erheblich verbessert,
Fußgängerzonen ausgedehnt und Hauptverkehrswege für Fußgänger in die gesamte Planung einbezogen.
Schulen und Geschäfte werden bei der Erstellung von Mobilitätsmanagementplänen zur Verringerung der Kfz-
Nutzung unterstützt. Die Information der Öffentlichkeit und ihre Einbeziehung in die Verkehrsplanung haben zu
einer hohen Akzeptanz der städtischen Politik bei der Bevölkerung geführt, die selbst von zwei Dritteln der
Autofahrer unterstützt wird.

Zur Erleichterung der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren, wie sie derzeit von London
eindrucksvoll demonstriert und von anderen Städten wie z.B. Stockholm erwogen wird, hat
die Kommission eine Richtlinie über elektronische Gebührenerhebungssysteme
vorgeschlagen, die die Interoperabilität der Mautsysteme unionsweit gewährleisten soll.

Daneben fördert die Kommission die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen und gut
zugänglichen öffentlichen Verkehrs in Europa durch ihre Forschungsprogramme sowie durch
ihren Vorschlag für die Marktöffnung. Sie bereitet derzeit eine Richtlinie über die Förderung
energieeffizienter und umweltfreundlicher Fahrzeuge vor und führt Forschungs- und
Demonstrationsprojekte zu Alternativenkraftstoffen für den Straßenverkehr durch. In diesem
Zusammenhang ist auch der Legislativvorschlag der Kommission zur Einführung
kontrollierten Wettbewerbs im öffentlichen Verkehr34 zu nennen. In den 90er Jahren stieg in
einer Reihe europäischer Städte, die kontrollierten Wettbewerb eingeführt hatten, die Nutzung
des öffentlichen Verkehrs durchschnittlich um 1,7% jährlich (während sie in Städten ohne
Wettbewerb um 0,2% jährlich zurückging)35.

Die Kommission unterstützt die Entwicklung der transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN), die
erhebliche Auswirkungen auf die Schnittstellen mit städtischen Gebieten haben. Das TEN-
Programm unterstützt beispielsweise die Nutzung intelligenter Verkehrsmanagementsysteme,
die Entwicklung von Knotenpunkten wie Flughäfen und Häfen, die zumeist in oder dicht bei
städtischen Gebieten liegen, sowie die Entwicklung von Infrastrukturen zur Verbindung der
wichtigsten Ballungsräume in Europa insbesondere durch den Schienen- und
Binnenschiffsverkehr.

33 www.graz.at
34 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über

Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und
der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße
und auf Binnenschifffahrtswegen, KOM(2002) 107 endg.

35 Colin Buchanan und Partner:“Good practice in contracts for public passenger transport“, Studie für die
Europäische Kommission, 2002.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/4280

Ein beträchtlicher Korpus von EU-Vorschriften ist auf die Verbesserung der technischen
Qualität der Fahrzeuge ausgerichtet, wobei eine Reihe von Richtlinien Emissionsgrenzwerte
für verschiedene Fahrzeugklassen sowie (im Anschluss an das Auto-Öl-Programm I und
II)Normen für Kraftstoffe36 und Lärmemissionsgrenzwerte37 festlegen und die technische
Überwachung regeln38. Die Emissionsnormen Euro 3 und Euro 4 werden mit kurzer
Anlaufzeit im Zuge der Erneuerung der Fahrzeugflotte erhebliche Verbesserungen erbringen,
und die Kommission prüft derzeit die künftigen Emissionsnormen Euro 5, die eine erhebliche
Verringerung der Stickoxid- und Partikelemissionen bewirken werden. Die Richtlinien über
Luftqualität und Lärmbelastung (siehe Anhang 6) werden mittelbar einen erheblichen Einfluss
auf den Nahverkehr haben, sobald die kommunalen Behörden ein aktives
Verkehrsmanagement einführen müssen, um ihren Anforderungen zu entsprechen.

Im Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik wurde als Ziel vorgeschlagen, die Zahl der
jährlichen Verkehrstoten bis 2010 zu halbieren. 2003 hat die Kommission ein Europäisches
Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit39 verabschiedet, das einen Beitrag zur
Verringerung der Unfallopfer im städtischen Verkehr leisten wird. Zu den wichtigsten Maß-
nahmen gehören Anreize für die Straßennutzer zu sicherheitsbewussterem Verhalten,
sicherheitstechnische Verbesserungen der Fahrzeuge (z.B. Fahrzeugfrontpartien, von denen
geringere Verletzungsgefahr für Fußgänger und Radfahrer ausgeht) die Verbesserung der
Straßeninfrastruktur und die Verbesserung der Sicherheit im gewerblichen Güter- und
Personenverkehr. Alle Behörden, auch auf lokaler Ebene, werden ersucht, die europäische
Straßenverkehrscharta zu unterstützen und sich zur Durchführung spezifischer Maßnahmen zu
verpflichten, die propagiert und beaufsichtigt werden. Es werden spezifische Indikatoren für
die Straßenverkehrssicherheit in städtischen Gebieten entwickelt werden, um die Wirksamkeit
der getroffenen Maßnahmen bewerten und die erreichten Fortschritte dokumentieren zu
können.

Die Initiative eSafety40 ergänzt das Europäische Aktionsprogramm für die
Straßenverkehrssicherheit durch Beschleunigung der Entwicklung, Einführung und Nutzung
von Sicherheitssystemen mit modernster Informations- und Kommunikationstechnologie, um
die Anzahl der Unfallopfer im Straßenverkehr zu verringern. Aktive Sicherheitssysteme,
moderne Systeme zur Fahrerunterstützung sowie Verkehrsinformationen in Echtzeit
verbessern die Möglichkeiten der Unfallverhütung und die Überlebenschancen von
Unfallopfern. Eine Arbeitsgruppe zum Thema eSafety hat einen Bericht mit 28 Empfehlungen
vorgelegt, und es wurde ein eSafety-Forum zu deren Weiterentwicklung und Umsetzung
eingerichtet. Zusätzlich hat die Kommission im September 2003 eine Mitteilung über
Informations- und Kommunikationstechnologien für sichere und intelligente Fahrzeuge
vorgelegt, worin die von der Kommission zur Umsetzung dieser Empfehlungen in ihrem
Zuständigkeitsbereich zu treffenden Maßnahmen im Einzelnen dargestellt werden. Durch die
eSafety-Initiative sollen alle wichtigen Akteure, die für den Erfolg des hochmodernen
Systems von entscheidender Bedeutung sind, zur Beteiligung bewegt werden. Dazu gehören
die Automobil- und die Telekommunikationsindustrie sowie Netzbetreiber und
Diensteanbieter. Entsprechend kommt den Eigentümern und Betreibern der städtischen und
kommunalen Verkehrsinfrastrukturen eine zentrale Rolle zu.

36 Richtlinien 98/69, 2001/1, 2002/80, 99/96, 2001/27, 97/24, 2002/51, 98/70.
37 Richtlinien 70/157, 92/97, 92/61, 97/24, 2001/43, 2000/14.
38 Richtlinie 96/96.
39 KOM(2003) 311 endg.
40 http://europa.eu.int/information_society/programmes/esafety/index_en.htm
41 KOM(2003) 542 endg.

Drucksache 15/4280 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2.2.3. Weitere notwendige Maßnahmen für flächendeckende Verwirklichung nachhaltigen
Nahverkehrs

Viele negative Aspekte des städtischen Verkehrs werden durch Gemeinschaftsmaßnahmen
umfassend angegangen. Die Anstrengungen zur Verbesserung der technischen Qualität von
Kraftfahrzeugen und der Schaffung entsprechender Kaufanreize sind von zentraler Bedeutung
und werden daher fortgesetzt.

Die bei diesen laufenden Initiativen erreichten Verbesserungen müssen den prognostizierten
Verkehrsanstieg und die zunehmende Infrastrukturüberlastung in städtischen Gebieten
kompensieren. Die Verkehrsleistung (Anzahl der zurückgelegten Kilometer) in städtischen
Gebieten wird Schätzungen zufolge zwischen 1995 und 2030 um 40% ansteigen. Die
Fahrzeugflotte nimmt in Europa jährlich um 3 Mio. Kfz zu und hat sich in den letzten dreißig
Jahren verdreifacht. In den Beitritts- und Kandidatenländern wird eine erhebliche Zunahme
der Nutzung von Kfz erwartet. Deshalb ist offensichtlich, dass neben den laufenden
Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung weitere Maßnahmen notwendig sind, mit denen dem
wachsenden Verkehrsvolumen begegnet werden kann. Die Motoren sind zwar heute
umweltfreundlicher, aber allein die hohe Anzahl von Fahrzeugen führt in städtischen
Gebieten zu starker Luftverschmutzung und trägt zu zahlreichen frühzeitigen Todesfällen bei.
Verkehrsstaus verursachen auch mit umweltfreundlichen Fahrzeugen hohe wirtschaftliche
Kosten. Im Weißbuch zur europäischen Verkehrspolitik wird die Feststellung getroffen: „Das
Hauptproblem, das die zuständigen Behörden zu bewältigen haben werden, und zwar
schneller als gedacht, ist die Bewältigung des Verkehrs und besonders des Stellenwerts des
Pkw in den Ballungsgebieten. (…) die ungeteilte Vorherrschaft des Pkw [bleibt] aufgrund
eines nicht vorhandenen integrierten Ansatzes bei der Städtebau- und Verkehrspolitik
unangetastet.“

Deshalb wird vorgesehen, dass die Hauptstädte der Mitgliedstaaten sowie alle Städte und
Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern einen Plan für nachhaltigen städtischen
Verkehr erstellen, annehmen und durchführen sollten. Einige Mitgliedstaaten (z.B. Finnland,
Frankreich, Italien, die Niederlande und das Vereinigte Königreich) haben zwar bereits mit
der Umsetzung ähnlicher Initiativen begonnen, die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass
nun eine Vorschrift auf EU-Ebene erlassen werden könnte. Diese Frage wird 2004
Gegenstand weiterer Konsultationen sein, unter anderem im Rahmen der oben genannten
spezifischen Arbeitsgruppe von Sachverständigen und Betroffenen.

Der Plan für nachhaltigen städtischen Verkehr soll das gesamte städtische Gebiet abdecken,
auf eine Beschränkung der negativen Auswirkungen des Verkehrs ausgerichtet sein, dem
ansteigenden Verkehrsvolumen und der Infrastrukturüberlastung entgegenwirken und sich in
regionale und nationale Pläne und Strategien eingliedern. Er würde alle Verkehrsarten
erfassen und eine Verkehrsverlagerung auf den effizienteren öffentlichen Nahverkehr, das
Fahrrad und das Gehen bewirken. Eines der grundlegenden Ziele des Plans würde darin
bestehen, ein umwelteffizienteres Verkehrsystem zu schaffen, das allen Bürgern der Stadt
dient, die ihrerseits mit ihrer täglichen Entscheidung für einen Verkehrsträger eine zentrale
Rolle einnehmen. Ein wesentliches Element wäre die Verbindung zur Flächennutzung.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/4280

Spezifische Ziele, Lösungen und Maßnahmenpakete sollen nicht auf EU-Ebene
vorgeschrieben, sondern unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und im
Benehmen mit der Öffentlichkeit, Wirtschaftsakteuren und anderen wichtigen Betroffenen auf
lokaler Ebene entschieden werden. Der Plan wäre mit den allgemeinen Plänen und Zielen der
betreffenden Stadt in Bezug auf die ökologische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung
verknüpft. Während die bedeutenden und weit reichenden Auswirkungen des städtischen
Verkehrs und dessen gewichtige wirtschaftliche und soziale Implikationen die Entwicklung
eines spezifischen und detaillierten Plans für nachhaltigen Nahverkehr erfordert, muss dieser
Plan notwendigerweise eine zentrale Rolle in dem in Abschnitt 2.1.3 vorgeschlagenen
allgemeinen Umweltmanagementplan spielen und damit vollständig kompatibel sein.

Die vorgeschlagene Anforderung könnte die Verpflichtung betreffen, einen derartigen Plan
und die zugehörigen Verfahren zu verabschieden. Dies würde beispielsweise die
Notwendigkeit einschließen, ein breites Spektrum möglicher Lösungen einzubeziehen
(vgl. die Perspektive für nachhaltigen städtischen Verkehr in Anhang 2), Verkehr und
Flächennutzungsplanung zu integrieren, (auf lokaler Ebene beschlossene) Ziele festzusetzen,
Fortschritte zu dokumentieren und die Öffentlichkeit darüber zu informieren sowie die
Bürger, Unternehmen und andere Betroffene anzuhören.

Diese Pläne würden die 500 größten Städte und Gemeinden in der EU 25 dabei unterstützen,
die Vorgaben der Richtlinien zur Luftqualität und zur Bewertung und Bekämpfung von
Umgebungslärm zu erfüllen, und sie würden einen Beitrag zur Verwirklichung der in Kyoto
vereinbarten Ziele leisten. Eine in Bern durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass das
Verkehrsmanagement der Stadtverwaltung über eine Verringerung der Schadstoffemissionen
privater Pkw um mehr als 10% zu einer erheblichen Verringerung der Luftverschmutzung
führen würde42.

Die Pläne würden eine besonders wichtige Rolle bei der Wahrung bestehender Niveaus der
Nutzung effizienter Verkehrsarten in den Beitrittsländern spielen. Dort werden öffentliche
Verkehrsysteme von einem viel größeren Teil der Bevölkerung genutzt als in den
Mitgliedstaaten; die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel geht jedoch mit der rasch
zunehmenden Verbreitung privater Pkw zurück. So verringerte sich beispielsweise in Prag die
Zahl der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel zwischen 1991 und 1999 und 30%.

42 www.ecoplan.ch/Projekte/citaire.html

Drucksache 15/4280 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zur Ergänzung und Unterstützung dieser lokalen Pläne werden gleichzeitig alle
Mitgliedstaaten aufgefordert, eine klare Politik zur Förderung der Nachhaltigkeit des
städtischen Verkehrs zu verfolgen und dabei durch Erhebung von Abgaben, Maut und
Nutzungsgebühren den Grundsatz der Internalisierung externer Kosten anzuwenden. Im
Interesse eines besseren Verständnisses der Auswirkungen von neuen Infrastrukturprojekten
für den Stadtverkehr sollen nach deren Fertigstellung in den Mitgliedstaaten Bewertungen
vorgenommen werden, um ihren Beitrag zur Nachhaltigkeit des städtischen Verkehrssystems
einschätzen zu können.

Die Rolle der Finanzierungsmechanismen der Gemeinschaft (z.B. im Rahmen der
Kohäsionspolitik) wird in Abschnitt 3.1 erörtert. Bestehende Leitlinien für die Nutzung der
Strukturfonds tragen dem Nachhaltigkeitsprinzip bereits Rechnung und sollten genau befolgt
werden.

Daneben wird die Kommission die Weiterentwicklung verschiedener bereits bestehender
Möglichkeiten der Förderung (s. Anhang 3), mit denen die Städte und Gemeinden bei der
Verwirklichung dieser Pläne unterstützt werden, vorantreiben, z.B. die Entwicklung
geeigneter Indikatoren und Orientierungen, die Förderung von Demonstrationsprojekten, den
Austausch vorbildlicher Verfahren sowie Sensibilisierungsmaßnahmen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/4280

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Nachhaltiger städtischer Nahverkehr

Alle Hauptstädte und Städte und Gemeinden mit mehr als 100 000 Einwohnern sollten einen
Plan für nachhaltigen städtischen Nahverkehr mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen
entwickeln, beschließen, verwirklichen und regelmäßig überarbeiten. Nach Auffassung der
Kommissionen könnte diesbezüglich eine Vorschrift auf EU-Ebene vorgesehen werden. Diese
Frage wird 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein, unter anderem im Rahmen der
oben genannten spezifischen Arbeitsgruppe von Sachverständigen und Betroffenen.

Alle Mitgliedstaaten werden angehalten,

– eine klare Rahmenpolitik für nachhaltigen städtischen Nahverkehr zu erarbeiten,

– die Auswirkungen neuer Infrastrukturvorhaben im städtischen Nahverkehr auf die
Nachhaltigkeit des städtischen Verkehrssystems zu beurteilen,

– die Leitlinien für den Einsatz der Strukturfonds genau zu beachten.

Die Kommission erarbeitet derzeit in Sinne des Weißbuchs zur europäischen Verkehrspolitik
einen Richtlinienvorschlag, der sich auf die öffentliche Beschaffung von Kraftfahrzeugen mit
niedrigem Energieverbrauch und geringem Schadstoffausstoß konzentriert. Ziel dieser
Initiative ist es, den Erwerb umweltfreundlicherer und effizienterer Fahrzeuge zu fördern; es
geht aber nicht darum, neue Normen für die Fahrzeuge festzulegen oder in das bestehende
Regelwerk steuerlicher Anreize einzugreifen.

Im Rahmen der Strategie für alternative Kraftstoffe wird die Kommission einen Aktionsplan
zur Förderung der Marktentwicklung alternativer Kraftstoffe — insbesondere Erdgas und
Wasserstoff — vorschlagen.

Die Kommission wird die Entwicklung und den Ausbau des Programms CIVITAS,
städtischer Forschungsinitiativen sowie des Austauschs von Erfahrungen und vorbildlichen
Verfahren vorantreiben.

Die Kommission wird die verkehrsspezifischen Kapazitäten der mehr als 250 lokalen und
regionalen Energieagenturen und anderen europäischen Agenturen ausbauen, um die
Verwirklichung nachhaltigen städtischen Nahverkehrs und die Förderung bewährter
Verfahren zu unterstützen.

Die Kommission wird gestützt auf die von der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister
in diesen Bereich geleistete Arbeit eine Reihe grundlegender Indikatoren für nachhaltigen
städtischen Nahverkehr ermitteln.

Sie wird ihre Öffentlichkeitsmaßnahmen, z.B. den europäischen autofreien Tag und die
Mobilitätswoche, fortsetzen. Die Notwendigkeit von Orientierungs- und
Schulungsmaßnahmen zu Fragen des nachhaltigen städtischen Nahverkehrs und der Beitrag
neuer Arbeitsmethoden wie Telearbeit wird geprüft werden.

Drucksache 15/4280 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2.3. Nachhaltiges Bauen

2.3.1. Warum ist nachhaltiges Bauen ein Themenschwerpunkt?

Gebäude und die bebaute Umwelt sind prägende Elemente der städtischen Umwelt. Sie
verleihen einer Stadt ihren Charakter und bilden Wahrzeichen, die ein Gefühl der Vertrautheit
und Identität schaffen und Städten und Gemeinden zu attraktiven Orten machen, an denen die
Menschen gerne arbeiten und leben. Deshalb hat die bebaute Umwelt erheblichen Einfluss auf
die Qualität der städtischen Umwelt, der weit über rein ästhetische Aspekte hinausgeht.

Auf Beheizung und Beleuchtung von Gebäuden entfallen der größte Einzelanteil des
Energieverbrauchs von Gebäuden (42%, davon 70% für Heizung) und 35% der gesamten
Treibhausgasemissionen. Die Hälfte der Materialien, die der Erdkruste entnommen werden,
kommen im Sektor des Hoch- und Tiefbaus und der bebauten Umwelt zum Einsatz, der
jährlich 450 Mio. t Bauschutt (mehr als ein Viertel der insgesamt produzierten Abfallmenge)
produziert. In der Mitteilung der Kommission “Eine thematische Strategie für
Abfallvermeidung und -recycling” 43 wird festgestellt, dass das Bau- und
Abbruchabfallaufkommen ansteigt und die Zusammensetzung der Abfälle mit zunehmender
Verschiedenartigkeit der beim Bau eingesetzten Werkstoffe immer komplexer wird. Dadurch
werden die Möglichkeiten der Wiederverwendung und Verwertung dieser Abfälle (derzeitige
Quote: 28%) eingeschränkt, woraus sich die Notwendigkeit von mehr Deponien und
intensiverem Bergbau ergibt.

Europäer verbringen nahezu 90% ihres Lebens innerhalb von Gebäuden. Mängel der
baulichen Auslegung haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Gebäudenutzer
und können dazu führen, dass die Instandhaltung, Heizung und Kühlung von Gebäuden sehr
aufwändig wird, wovon ältere Menschen und sozial schwächere Gruppen unverhältnismäßig
stark betroffen sind. Schlecht konzipierte Bauwerke können kriminellem Verhalten Vorschub
leisten. Durch Änderungen bei Konzeption, Bau, Renovierung und Abriss von Gebäuden
kann die ökologische und ökonomische Effizienz von Städten und Gemeinden wie auch die
Lebensqualität der Stadtbevölkerung potenziell erheblich verbessert werden (siehe auch die
vorgeschlagene Zukunftsperspektive für nachhaltiges städtisches Bauen in Anhang 2).

Vorbildliche Verfahren für nachhaltiges Bauen — ein Beispiel

Im französischen Lille44 hat der Stadtrat 2003 einen Wettbewerb zur Unterstützung von Bauvorhaben von hoher
ökologischer, sozialer und ökonomischer Qualität organisiert. So zeichnet sich beispielsweise die neue
Schulkantine in Lompret durch hohe Energieeffizienz, einen mindestens 20-prozentigen Anteil erneuerbarer
Energieträger an der Energieversorgung sowie die Speicherung und Nutzung von Regenwasser aus. Die
Baustoffe wurden auf Grund ihrer hohen ökologischen Qualität ausgewählt, um eine gute Innenraum-
Luftqualität zu gewährleisten, die die Gesundheit der Schulkinder nicht beeinträchtigt. Das Bauvorhaben ist auf
die Minimierung der kombinierten Bau- und Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes (50-
60 Jahre) ausgelegt. Parallel dazu organisiert Lille für die örtlichen Bauunternehmen in Zusammenarbeit mit
deren Berufsorganisationen Schulungen für nachhaltiges Bauen, und dieses so stärker in der Praxis zu verankern
und das entsprechende Angebot zu vergrößern. Dieser neue Ansatz wird im Rahmen einer öffentlich-privaten
Partnerschaft (MIEL21) konzipiert, finanziert und schrittweise ausgedehnt.

43 KOM(2003) 301 endg.
44 www.mairie-lille.fr

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/4280

Das Know-how zum nachhaltigen Bauen besteht zwar, die meisten neuen Gebäude werden
allerdings nicht nach diesen bewährten Verfahren gebaut. Und selbst wenn dies der Fall wäre,
würde es wegen der geringen Geschwindigkeit, mit der bestehende Gebäude ersetzt werden
(0,5-2% jährlich) lange dauern, bevor sich eine spürbare Wirkung einstellt. Wie bei der
3. Europäischen Ministerkonferenz für nachhaltiges Wohnen45 betont wurde, muss die
Nachhaltigkeit von Gebäuden auch durch entsprechende Nachrüstung verbessert werden, oder
indem gewährleistet wird, dass Nachhaltigkeit bei Renovierungen ein zentrales Anliegen ist.
Die Verbesserung der Energieeffizienz bestehender Gebäude ist eine der kosteneffizientesten
Methoden zur Erfüllung der in Kyoto zum Klimaschutz eingegangenen Verpflichtungen. Die
nachträgliche Isolierung des älteren Gebäudebestands Europas könnte die CO2-Emissionen
aus Gebäuden und die entsprechenden Energiekosten um bis zu 42% senken46.
Renovierungen sind komplexer als Neubauten, da verschiedene Gebäude unterschiedliche
Lösungen erfordern, insbesondere bei geschützten Gebäuden; nachhaltiges Renovieren hat
jedoch gegenüber Abriss und Neubau verschiedene ökologische Vorteile im Hinblick auf die
Energiebilanz und den Erhalt von Material in der Bausubstanz. Außerdem trägt die
Renovierung und Wiederherstellung historischer Gebäude und Gebiete zur Wahrung des
kulturellen Erbes in lokalen Gemeinschaften und zu dem damit verbundenen Gefühl des
Stolzes bei.

Nach der Erweiterung der EU werden bestehende Gebäude besonders ins Rampenlicht des
Interesses geraten. Mehr als 40% der Einwohner größerer Städte in den Beitritts- und
Kandidatenländern leben in großen, aus Fertigteilen in großer Stückzahl gebauten
Wohnblöcken. In Bukarest erreicht diese Zahl 80%. Diese Wohnblöcke stellen auf Grund
ihrer Dimension, der dringenden Notwendigkeit zur Verbesserung ihrer geringen
Energieeffizienz, des schlechten Instandhaltungszustands und der damit verknüpften
gesundheitlichen Fragen eine große Herausforderung dar. Die Datenbasis ist zwar noch
unvollständig, vorläufigen Schätzungen zufolge muss jedoch ein Fünftel der Wohnungen
leicht renoviert werden, drei Fünftel müssen grundlegend überholt und ein Fünftel muss
vollständig neu gebaut werden. Auch die Wohnanlagen müssen neu strukturiert werden, um
eine bessere Kombination von Wohnungen, wirtschaftlichen und sozialen Einrichtungen
herzustellen und so nachhaltige Gemeinden an Stelle der derzeitigen einförmigen Nutzung,
die mit langen Wegen verbunden ist, zu schaffen.

Das nachhaltige Bauen neuer Gebäude und Infrastrukturen und die nachhaltige Renovierung
bestehender Gebäude kann ab der Mitte dieses Jahrhunderts erste größere Verbesserungen für
die Umwelteffizienz unserer Städte und Gemeinden und die Lebensqualität ihrer Bürger
bringen.

45 27./28. Juni 2002.
46 „The contribution of mineral wool and other thermal insulation materials to energy savings and climate

protection in Europe”, ECOFYS-Bericht für den Europäischen Verband der Isolationshersteller, 2003.

Drucksache 15/4280 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2.3.2. Derzeitige Gemeinschaftsinitiativen im Bereich des nachhaltigen Bauens

In der 1997 vorgelegten Mitteilung zur Wettbewerbsfähigkeit der Bauindustrie47 wurden die
Bedeutung und der Nutzen einer Einbeziehung ökologischer Aspekte in alle Bereiche des
Bauens hervorgehoben. Die Arbeitsgruppe für nachhaltiges Bauen, an der Vertreter der
Kommission, der Mitgliedstaaten und der Industrie beteiligt sind, hat 2001 einen umfassenden
Bericht zum nachhaltigen Bauen in Europa48 erstellt, der einen Vorschlag für ein
Aktionsprogramm und eine Reihe zielgerichteter Empfehlungen enthielt.

Diese Arbeit hat zu der vor kurzem verabschiedeten Richtlinie über die Energieeffizienz von
Gebäuden49 beigetragen, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, nach einer gemeinsamen
Methodik Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden festzusetzen. Bestehende
Gebäude mit einer Fläche von mehr als 1000 m², an denen größere Renovierungsarbeiten
vorgenommen werden, müssen diese Mindestanforderungen ebenfalls erfüllen, und bei Bau,
Verkauf oder Vermietung von Gebäuden muss ein Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz
eines Gebäudes ausgestellt werden.

Entwicklung, Demonstration und Umsetzung von Techniken der Energiebedarfssteuerung
sowie die Nutzung erneuerbarer Energiequellen sowohl in Einzelgebäuden als auch in
Gebäudekomplexen und Siedlungen wie auch andere Aspekte des nachhaltigen Bauens (siehe
Anhang 3) werden durch verschiedene Finanzierungsprogramme der Gemeinschaft gefördert.

Die Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie50 über die Steigerung der Effizienz
im Energieendverbrauch und bei Energiediensten angenommen, um die großräumige
Entwicklung der Energieeffizienz zu fördern und die Anbieter von Energiediensten zu
unterstützen, die nicht nur Energie verkaufen möchten, sondern auch bereit sind, ihren
Kunden bei der Verbesserung ihrer Energieeffizienz und der Steuerung ihres Energiebedarfs
zu helfen. Diese Richtlinie dürfte langfristig die Art, in der Energie vermarktet wird,
grundlegend umwälzen und zu erheblichen Einsparungen beim Energieverbrauch führen.

Die Bauprodukterichtlinie51 erfasst sowohl Gesundheits- als auch Umweltaspekte; derzeit
werden Normungsaufträge an das CEN in Bezug auf die Entwicklung harmonisierter Normen
und Testmethoden für die Luftqualität in Innenräumen vorbereitet.

47 KOM(97) 539 endg.
48 europa.eu.int/comm/enterprise/construction/suscon/sustcon.htm. Die Arbeit der Gruppe konzentrierte

sich auf umweltfreundliche Baumaterialien, die Energieeffizienz von Gebäuden, Abfallmanagement bei
Bau und Abriss sowie Berechnung der Lebenszykluskosten der bebauten Umwelt.

49 Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 65.

50 (KOM(2003)739)
51 Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und

Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte, ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 15.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/4280

2.3.3. Weitere notwendige Maßnahmen für flächendeckende Verwirklichung nachhaltigen
Bauens

Die meisten Gebäude werden noch nicht in nachhaltiger Weise gebaut oder renoviert, obwohl
bewährte Techniken verfügbar sind. Das wichtigste Hindernis ist dabei mangelndes Interesse
von Seiten der Bauherren und Käufer, die nachhaltiges Bauen fälschlicherweise als teuer
empfinden und die langfristige Zuverlässigkeit und Effizienz der neuen Technologien
bezweifeln. Die längerfristigen Vorteile nachhaltigen Bauens, wie z.B. niedrigere
Instandhaltungs- und Betriebskosten, bessere Haltbarkeit und höherer Wiederverkaufswert,
sind beim Kauf oder kurz danach nicht unmittelbar deutlich (die Betriebskosten eines
Gebäudes können sich über die Spanne seiner Nutzungsdauer auf das Zehnfache der
Baukosten summieren). Deshalb sind Maßnahmen notwendig, um die längerfristigen Vorteile
hervor zu kehren, damit Käufer und Kreditinstitute zwischen herkömmlich und nachhaltig
gebauten Gebäuden unterscheiden können.

Die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden markiert einen wichtigen Schritt in
Richtung einer stärkeren Gewichtung langfristiger ökologischer Effizienz. Dieses Konzept
könnte schrittweise auf kleinere Gebäude ausgedehnt werden. Grundsätzlich sollte es
allerdings so erweitert werden, das zentrale Elemente des Umweltschutzes und der
Nachhaltigkeit, z.B. Luftqualität, Zugänglichkeit, Lärmpegel, Komfort, Umweltqualität der
Werkstoffe und Lebenszykluskosten des Gebäudes, einbezogen werden. Außerdem sollte die
Widerstandsfähigkeit des Gebäudes gegenüber den lokal gegebenen Umweltrisiken wie
Überflutung, Sturm oder Erdbeben einbezogen werden.

Dies erfordert zunächst auf europäischer Ebene die Entwicklung einer gemeinsamen
Methodik für die Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung von Gebäuden und Bauwerken
sowie der Berechnung ihrer Lebenszykluskosten. Diese würde auf der bestehenden Methodik
für die integrierte Energieeffizienz von Gebäuden und anderen laufenden Initiativen basieren
und in Zusammenarbeit mit allen Betroffenen weiterentwickelt werden. Die Methodik sollte
nicht nur auf bestehende Gebäude angewandt werden, sondern auch auf die Planung von
Neubauten und größeren Renovierungen, um die Einbeziehung nachhaltiger Techniken schon
bei der Konzeption zu fördern. Die bei Planung und Konzeption getroffenen Entscheidungen
beeinflussen die Lebenszykluskosten, den Energieverbrauch, die Innenraumluftqualität sowie
die Rezyklierfähigkeit und Wiederverwendung der beim Abriss anfallenden Abfälle.

Die von den Mitgliedstaaten in sachgerechter Weise angepasste und angenommene
gemeinsame Methodik und die resultierenden Bewertungen und Berechnungen der
Lebenszykluskosten sollten sodann in Verbindung mit einer Reihe von Anreizen zur
Förderung vorbildlicher Verfahren genutzt werden. So könnte beispielsweise ein hohes
Nachhaltigkeitsniveau zu einer geringeren Besteuerung; Versicherungsgesellschaften und
Kreditinstitute könnten günstigere Angebote vorschlagen. . Die Demonstration der geringeren
Lebenszykluskosten dürfte Gebäude für Verkäufer und Finanzinstitute attraktiver machen.
Die Kommission wird nach der festen Etablierung der geeigneten Methodik zur Ergänzung
der Richtlinie 2002/91 weitere Anforderungen an die Umweltfreundlichkeit vorschlagen, die
nicht den Energiesektor betreffen.

Drucksache 15/4280 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Gleichzeitig müssen verschiedene andere Maßnahmen zur flächendeckenden Einführung
nachhaltiger Techniken getroffen werden. Einige Mitgliedstaaten haben ein Programm für
nachhaltiges Bauen mit entsprechenden Aktionsprogrammen angenommen, und diese posi-
tiven Initiativen sollten ausgedehnt und systematisch umgesetzt werden. In ähnlicher Weise
müssen auch die lokalen Behörden das nachhaltige Bauen fördern. Nachhaltigkeit muss in die
nationalen Bauverordnungen, –vorschriften und –normen einbezogen werden, wobei keine
spezifischen Techniken oder Lösungen vorgeschrieben werden sollten, sondern möglichst ein
effizienzorientiertes Konzept angewandt werden sollte. Die Mitgliedstaaten und die
kommunalen Behörden müssen auch entsprechend den Empfehlungen der 3. Europäischen
Ministerkonferenz bei den Anforderungen im Rahmen ihrer eigenen Beschaffungen und beim
Einsatz öffentlicher Mittel für Gebäude oder andere Baumaßnahmen ein Beispiel geben.

Die Notwendigkeit, Architekten und Bauingenieuren Weiterbildungsmaßnahmen in Bezug
auf nachhaltige Baumethoden und –techniken anzubieten, wurde ebenso als Priorität
hervorgehoben wie die Notwendigkeit neuer Arbeitsweisen der Gewerke, um überkommene
Hindernisse bei der baulichen Auslegung, der Zusammenarbeit und der institutionellen
Organisation, die der Einführung nachhaltigen Bauens entgegenstehen, zu überwinden. Auch
terminologische Unterschiede können ein Hindernis darstellen. Die Kommission wird daher
die Möglichkeiten der Bereitstellung entsprechender Weiterbildungs- und
Orientierungsmaßnahmen prüfen.

Demonstrationsprojekte sollten weiterhin durch die Forschungsprogramme der Gemeinschaft
gefördert werden, wobei der Schwerpunkt auf „normale“ Bau- und Renovierungsvorhaben
sowie auf gängige Wohnhäuser, Schulen, Krankenhäuser und Bürogebäude zu legen ist.
Daneben sind Forschungsarbeiten notwendig, um das Erlangen von Praxis bei der
Entwicklung nachhaltiger Methoden und Techniken für den Bau bestimmter Infrastrukturen
wie Straßen und Versorgungsnetze zu fördern.

Im Rahmen der thematische Strategie für die Vermeidung und Verwertung von Abfällen wird
die Kommission mögliche Maßnahmen zur Verringerung der steigenden Mengen von
Bauschutt untersuchen.

Zur Orientierung von Architekten, Bauunternehmen und ihrer Kunden bei der Wahl der
Baustoffe bedarf es einer besseren und systematischeren Information über die Umwelt-
eigenschaften von Baustoffen, und die Kommission wird die ökologische Kennzeichnung von
Baustoffen im Rahmen der Umweltzertifizierung von Produkten und/oder ggf. des Ökolabels
der EU weiterentwickeln. Die Kommission wird als Orientierungshilfe für die Verbraucher
bei Entscheidungen in Bezug auf Gebäude und zugehörige Dienstleistungen ein
entsprechendes EU-Ökolabel und/oder eine harmonisierte Zertifizierung von
Umweltprodukten vorschlagen, worin sich die gemeinsame Methodik für die Bewertung der
Nachhaltigkeit niederschlägt. Daneben werden weitere Sensibilisierungsmaßnahmen, z.B. die
Vergabe von Architekturpreisen für Nachhaltigkeit, geprüft.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/4280

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Nachhaltiges Bauen

Die Kommission wird eine gemeinsame Methodik für die Bewertung der
Gesamtnachhaltigkeit von Gebäuden und der bebauten Umwelt sowie Indikatoren für die
Lebenszykluskosten entwickeln. Diese Methodik wird auch auf die Planung von Neubauten
und umfangreichen Renovierungen anwendbar sein. Alle Mitgliedstaaten werden angehalten,
diese Methodik anzupassen und im Interesse einer Förderung vorbildlicher Verfahren zu
übernehmen. Die Kommission wird daraufhin weitere, über den Energiesektor hinausgehende
Effizienzanforderungen zur Ergänzung der Richtlinie 2002/91 über die Energieeffizienz von
Gebäuden vorschlagen, wobei der Methodik dieser Richtlinie Rechnung getragen wird.

Wie in der Richtlinie 2002/91 angegeben, wird die Kommission mit Unterstützung des durch
diese Richtlinie eingesetzten Ausschusses Möglichkeiten zur Förderung der Nachhaltigkeit
bei der Renovierung kleinere Gebäude und allgemeine Anreize für Energieeffizienz prüfen.

Alle Mitgliedstaaten werden aufgefordert, ein nationales Programm für nachhaltiges Bauen zu
entwickeln und durchzuführen sowie unter Verwendung harmonisierter europäischer Normen
und des Eurocode hohe Effizienzanforderungen festzusetzen. In ähnlicher Weise werden auch
die kommunalen Behörden zur Förderung nachhaltigen Bauens angehalten.

Alle Mitgliedstaaten, Kommunalbehörden und an öffentlicher Beschaffung beteiligten Stellen
werden angehalten, bei der Ausschreibung von Bauleistungen und bei der Verwendung von
Mitteln der öffentlichen Hand für Gebäude und Bauleistungen Anforderungen an die
Nachhaltigkeit zu stellen. Sie werden ersucht, steuerliche Anreize für nachhaltigere Gebäude
zu entwickeln.

Die Kommission wird untersuchen, welche Möglichkeiten für Ausbildung, Orientierung,
Erfahrungsaustausch sowie für weitere Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des nachhaltigen
Bauens bestehen.

Sie wird im Rahmen der thematischen Strategie zur Abfallvermeidung und -verwertung
mögliche Maßnahmen zur Verringerung der zunehmenden Mengen von Bauschutt prüfen.

Die Kommission wird die Umweltzertifizierung von Baustoffen (oder die Vergabe des EU-
Ökolabels) weiterentwickeln und ein EU-Ökolabel und/oder eine harmonisierte
Umweltzertifizierung für Gebäude und/oder Bauleistungen vorschlagen.

2.4. Nachhaltige Stadtgestaltung

Das Konzept der nachhaltigen Stadtgestaltung bezieht sich auf das Muster und die Art der
Flächennutzung im städtischen Raum.

Drucksache 15/4280 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2.4.1. Warum ist nachhaltige Stadtgestaltung ein Themenschwerpunkt?

Die Flächennutzung in einem städtischen Gebiet ist von grundlegender Bedeutung für den
Charakter und die Umwelteffizienz einer Stadt sowie für die Lebensqualität, die sie ihren
Bewohnern bietet. Flächennutzungsentscheidungen müssen so getroffen werden, dass sie die
Identität, das kulturelle Erbe, das historische Straßenmuster, die Grünflächen und die
Biodiversität einer Stadt schützen. Fehlentscheidungen bei der Flächennutzung haben
Stadtgebiete hervorgebracht, die als unattraktive Wohnorte empfunden werden, und sie haben
zu Siedlungsmustern geführt, die nicht nachhaltig sind.

Die Zersiedelung der Landschaft ist eines der dringendsten Problem der Stadtgestaltung.
Städte und Gemeinden dehnen sich rascher in ländliche Gebiete aus, als ihre Bevölkerung
ansteigt (in den letzten zwanzig Jahren stieg der Flächenbedarf und 20%, während die
Bevölkerung im gleichen Zeitraum nur um 6% anstieg). Grünflächen (wertvolle
landwirtschaftlich genutzte und naturbelassene Gebiete) werden durch Wohn- und
Industriegebieten geringer Bebauungsdichte ersetzt. Die Zersiedelung steigert das
Verkehrsaufkommen und die Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr, was
wiederum zu Verkehrsstaus sowie zu erhöhtem Energieverbrauch und Schadstoffausstoß
führt. Diese Probleme stellen sich in besonderem Maße in dünn besiedelten Wohngebieten, an
denen die Zentren der täglichen Beschäftigungen (Arbeit, Freizeit, Einkaufen) räumlich weit
voneinander getrennt sind. In Gebieten mit einer Besiedlungsdichte von weniger als 40-60
Personen pro Hektar (s. Abb. 2) steigt der motorisierten Individualverkehr stark an.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/4280

Abbildung 2: Abnehmender Individualverkehr bei zunehmender Bebauungsdichte52

Im Gegensatz zur Situation in den derzeitigen Mitgliedstaaten findet in manchen Städten und
Gemeinden der Beitritts- und Kandidatenländer eine Abwanderung aus den Städten auf das
Land statt. Das allein erklärt allerdings nicht die Geschwindigkeit, mit der die betreffenden
städtischen Gebiete sich ausdehnen. Die Zersiedelung der Landschaft ist in diesen Ländern
ein großes Problem, das durch Änderungen der Flächennutzungsplanung und durch große
Einkaufszentren und Wirtschaftsprojekte außerhalb der Städte noch verschärft wird. In den
betreffenden Städten befinden sich teilweise bis zu 30% der Einzelhandelsflächen in solchen
Einkaufszentren; dieser Anteil ist weitaus höher als in den derzeitigen Mitgliedstaaten. Durch
die Verlagerung von Wirtschaftsaktivitäten auf Gebiete außerhalb der städtischen
Verwaltungsbezirke wird auch das Steueraufkommen verringert, was die Fähigkeit zu
Investitionen in die Zukunft beeinträchtigt.

Während Städte und Gemeinden sich ausdehnen, fallen vielerorts ungenutzte, verlassene
Gebiete („Industriebrachen“) an, und viele Gebäude stehen leer. In Städten, in denen
wohlhabendere Bürger diese unattraktiveren Gebiete verlassen, können soziale Brennpunkte
entstehen. Auch diese Probleme stellen sich in den Beitritts- und Kandidatenländern in
stärkerem Maße als in den derzeitigen Mitgliedstaaten. Aufgegebenes Land und leer stehende
Gebäude müssen wieder einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden, um die Notwendigkeit
von Neuerschließungen außerhalb des Stadtgebiets zu verringern. Die sozialen,
wirtschaftlichen und ökologischen Kosten von brachliegendem Land und leer stehenden
Gebäuden in Ballungsräumen sind sehr hoch.

Die örtliche Lage von Infrastrukturen ist ein weiterer zentraler Punkt der Flächennutzung.
Städte stehen untereinander im Wettbewerb um Investitionen, und sie bieten Anreize wie die
Bereitstellung neu zu erschließender Flächen, wo die Baukosten für neue Wirtschaftsprojekte
geringer sind. Wenn für neue Beschäftigungs-, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten
stadtferne, z.B. an Autobahnanschlüssen gelegene Standorte gewählt werden, so untergräbt
dies die Lebensfähigkeit der Stadt als Wirtschaftsraum, leistet dem motorisierten
Individualverkehr Vorschub und führt dazu, dass die nicht motorisierten Bürger keinen
Zugang zu diesen Beschäftigungsmöglichkeiten und Dienstleistungen haben. Falls die
Ansiedlung von Industriebetrieben überwiegend in ärmeren Stadtgebieten erfolgt, stellt sich
auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit.

In früheren Strategiepapieren (siehe Anhang 1) wurde die Notwendigkeit zur dichten und
kompakten Bebauung von städtischen Gebieten und zu deren vielseitiger Nutzung betont, um
diese Probleme möglichst gering zu halten. Davon abweichende Konzepte, z.B. strenge
funktionale Trennungen in der städtischen Flächennutzung, wie sie in Städten der Beitritts-
und Kandidatenländer verwirklicht wurden, erhöhen das Verkehrsaufkommen. Die
betroffenen Gebiete müssen umstrukturiert oder „nachgerüstet“ werden, um nachhaltiger zu
werden. Große Wohnsiedlungen außerhalb der Stadt, die nicht über grundlegende Dienste
verfügen, müssen in nachhaltige Gemeinden umgewandelt werden.

52 Newman PW und Kenworthy JR, 1989. Gasoline Consumption and cities: a comparison of US cities
with a global survey. Journal of American Planning Association, 55(1), S. 24-37. Wiedergabe mit
Genehmigung der Autoren.

Drucksache 15/4280 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Vorbildliche Verfahren in der nachhaltigen Stadtgestaltung — ein Beispiel

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der Wohnungsbestand in Warschau angesichts einer rasch wachsenden
Bevölkerung möglichst schnell wieder aufgebaut werden. Die Wohnsiedlung Natolin Wyzyny53 ist ein Beispiel
für die damals gebauten Wohnanlagen. Kennzeichnend für diese Siedlung sind hohe, mehrstöckige Gebäude,
eine eintönige Raumstruktur und große Freiflächen. Privatisierung und Modernisierung der Siedlung begannen
1994. Im Zuge der Umbauten wurden die Gebäudefassaden isoliert, die Heizungs- und Sanitärsysteme
modernisiert und Zähler für die Messung des individuellen Verbrauchs installiert. Für die Fassadenisolierung
wurden staatliche Beihilfen in Höhe von 920 000 ECU gewährt. 1998 waren ca. 60% der Wohnungen privatisiert
und 90% des Gebäudebestands renoviert oder wieder aufgebaut. Daneben wurden die Nutzungsmuster der
Gebäude geändert, um zu einer vielfältigen Nutzung zu gelangen und an Stelle der zuvor einförmigen
Wohnblocks, die praktisch kein Dienstleistungsangebot für die Bewohner vorsahen, nachhaltige Viertel zu
schaffen. So wurden zahlreiche neue Geschäfte und Büroräume geschaffen. Durch die Modernisierung entstand
eine nachhaltigere Gemeinde, die ein angenehmer Wohnort ist und sich durch hohe Energieeffizienz auszeichnet.

Durch die zunehmende Mobilität entstehen neue Muster der städtischen Entwicklung, wobei
eine Stadt mehrere „Zentren“ haben kann, die unterschiedliche Funktionen (Einkaufen,
Büroräume, Freizeit) erfüllen oder miteinander im Wettbewerb stehen. Es entstehen auch
zunehmend Verbindungen zwischen benachbarten Städten, die zur Herausbildung von
Stadtnetzen führen. Eine der Herausforderungen der Stadtgestaltung liegt darin, auf diese
neuen Muster so zu reagieren, dass deren negative Folgen, z.B. übermäßiger
Individualverkehr und Zersiedelung der Landschaft, verhindert werden (s. die in Anhang 2
vorgeschlagene Perspektive für nachhaltige Stadtgestaltung); daneben muss die notwendige
Zusammenarbeit zwischen benachbarten Behörden weiterentwickelt werden.

Grünflächen in Städten und Gemeinden haben erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der
Bürger. Diese Flächen bieten Raum für Freizeitsport, soziale Begegnung, Entspannung, Ruhe
und Erholung. Grünflächen, Parks und Waldgebiete, deren Nutzung gut organisiert ist,
können zu beliebten und herausragenden Aspekten eines städtischen Gebietes werden. Daher
sollten sie geschützt werden, indem die Möglichkeiten der Schaffung neuer Grünflächen oder
anderer öffentlicher Räume durch die Wiederverwendung ungenutzter Gebiete geprüft
werden. Grünflächen sind auch für die biologische Vielfalt von Bedeutung. Die
Stadtgestaltung sollte wichtige Lebensräume vor der Urbanisierung schützen und die
biologische Vielfalt durch Einbeziehung in das Stadtgefüge fördern. Stadtbewohnern den
Kontakt mit der Natur zu ermöglichen ist eine gute Methode, um sie für weitere ökologische
Zusammenhänge zu sensibilisieren.

Zusätzlich zu diesen Fragen wird die Flächennutzung in allen europäischen Städten und
Gemeinden im Zuge des demographischen und ökologischen Wandels zunehmend an
Bedeutung gewinnen. Die Lebenserwartung der Europäer steigt, ebenso wie die Nachfrage
nach Einzelwohnungen für alleinstehende Bewohner. Obwohl die Gesamtbevölkerung
beispielsweise in Italien, Griechenland, Spanien und Portugal zurückgeht, steigt die Anzahl
der Haushalte rasch an. Dieser Bedarf muss in nachhaltiger Weise gesteuert und gedeckt
werden. Die Ausdehnung von Städten und Gemeinden muss methodisch erfolgen und sich in
eine langfristige Gesamtstrategie eingliedern, die die Umweltauswirkungen ermittelt und
minimiert; sie darauf kein planloser Prozess sein, der die Zersiedelung der Landschaft nach
sich zieht. Der Klimawandel kann dazu führen, dass derzeit geplante Neuerschließungen
beispielsweise wegen höherer Überflutungsrisiken hinfällig werden.

53 http://www.ursynow.pl

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/4280

Vorbildliche Verfahren in der nachhaltigen Stadtgestaltung — weiteres Beispiel

Im spanischen Vitoria-Gasteiz wurde eine systematische Politik vielfältiger Flächennutzung, hoher
Bebauungsdichte entlang der Achsen des öffentlichen Verkehrs, der Sanierung historischer Viertel und der
Dezentralisierung sozialer Dienste, des ausgewogenen Zugangs zu Grünflächen sowie der Entwicklung des
öffentlichen Verkehrs, von Radwegen und Fußgängerzonen verfolgt, die durch andere Grundsätze nachhaltiger
Stadtgestaltung und -entwicklung wie z. B. Investitionen in Sozialprogramme ergänzt wurde. So gelang es der
Stadt, eine kompakte und qualitativ hochwertige städtische Umwelt mit einem grünen Hinterland zu erhalten und
zu entwickeln, obwohl sich die Einwohnerzahl seit 1950 nahezu vervierfacht hat.

Die Stadtzentren müssen attraktive Wohnorte sein, sonst werden die Bürger ungeachtet der
ökologischen Argumente für Städte hoher Dichte weiterhin in die Vorstädte und auf das
Umland ziehen. In der Mitteilung „Nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen Union:
ein Aktionsrahmen“ aus dem Jahr 1999 und dem 2001 vorgelegten Bericht der
Sachverständigengruppe für Städtische Umwelt “Towards more sustainable urban land use“
(s. Anhang 1) wird jeweils unter Verweis auf die oben erläuterten Gründe die Bedeutung der
Flächennutzung bei der Verwirklichung einer nachhaltigen städtischen Umwelt
hervorgehoben. Die Flächennutzung spielt auch für die Nachhaltigkeit der bebauten Umwelt
eine wichtige Rolle, beispielsweise in Bezug auf die zur Nutzung der Sonnenenergie optimale
Ausrichtung von Gebäuden. Die nachhaltige Stadtgestaltung wird daher ein wesentliches
Element der thematischen Strategie für die städtische Umwelt sein.

2.4.2. Aktuelle Gemeinschaftsinitiativen für nachhaltige Stadtgestaltung

Das 1999 vom Ausschuss für Raumentwicklung vorgelegte Europäische
Raumentwicklungskonzept (EUREK)54 wurde von allen Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis
übernommen. Darin werden Ziele und Richtlinien für eine ausgewogene und nachhaltige
Raumentwicklung festgelegt, wobei sich ein Drittel der 60 vereinbarten strategischen
Optionen direkt mit der Frage befasst, wie die räumliche Ausdehnung von Städten und
Gemeinden gesteuert werden kann. Davon ausgehend koordiniert und realisiert das
Beobachtungsnetz für die Europäische Raumordnung die Forschung im Bereich der
Raumordnungsplanung und erstellt einen Rahmen für die Erfassung und Analyse relevanter
raumbezogener Daten.

Mehrere Richtlinien haben die städtische Flächennutzung beeinflusst, insbesondere die
Richtlinien über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)55 und über die Prüfung der
Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme56 sowie die
Wasserrahmenrichtlinie57. Nach Artikel 12 der Richtlinie zur Beherrschung der Gefahren bei
schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen58 („Seveso II“) haben die Mitgliedstaaten dafür
zu sorgen, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder
anderen einschlägigen Politiken das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu
begrenzen, Berücksichtigung findet. Die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten
Entscheidungen ist in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen von Aarhus ein wichtiges
Element dieser Verfahren.

54 engl. “ESDP” — European Spatial Development Perspective - Towards Balanced and Sustainable
Development of the Territory of the European Union (1999) ISBN 92-828-7658-6).

55 Richtlinie 85/337/EWG, geändert durch Richtlinie 97/11/EG.
56 Richtlinie 2001/42/EG.
57 Richtlinie 2000/60/EG.
58 Richtlinie 96/82/EG.

Drucksache 15/4280 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Kommission bereitet derzeit einen Vorschlag für eine Rahmenrichtlinie vor, mit der eine
Strategie und ein rechtlicher Rahmen für die Einrichtung und den Betrieb einer Infrastruktur
für raumbezogene Informationen in Europa (INSPIRE)59 geschaffen werden soll. Durch diese
Struktur werden harmonisierte und qualitativ hochwertige raumbezogene (geografische)
Daten für die Konzeption, Umsetzung, Beobachtung und Evaluierung gemeinschafts-
politischer Initiativen bereitgestellt, die es auch den Bürgern ermöglichen, sich über
zahlreiche Sektoren auf lokaler, regional, nationaler und internationaler Ebene zu informieren.
Umfang und Qualität der raumbezogenen Daten, die den Entscheidungsträgern in der
Stadtgestaltung und der Flächennutzungsplanung zur Verfügung stehen, werden dadurch
erheblich verbessert.

In den Verordnungen und den Leitlinien für den Zeitraum 2000 bis 200660 für die
Strukturfonds wird die Notwendigkeit nachhaltiger Konzepte für die städtische
Flächennutzung hervorgehoben, wobei festgestellt wird, dass die „Sanierung von
aufgegebenem Gelände (Industriebrache) (…) Vorrang vor Baumaßnahmen auf der grünen
Wiese haben“ sollte. Im Rahmen des Programms URBAN II wird für „gemischte Nutzung
von städtischen Gebieten und umweltfreundliche Neuerschließung von Industriebrachen in
Verbindung mit weniger Baumaßnahmen auf der grünen Wiese sowie der Reduzierung der
Zersiedlungsprozesse“ plädiert. Zu den förderungswürdigen Maßnahmen gehören u.a.
„Sanierung von aufgegebenen Standorten und kontaminiertem Land, Sanierung von
öffentlichen Flächen, einschließlich von Grünflächen, Modernisierung von Gebäuden, damit
dort wirtschaftliche und soziale Aktivitäten in nachhaltiger und umweltfreundlicher Art und
Weise untergebracht werden können“. INTERREG bietet ähnliche Möglichkeiten.

Im Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen61 werden die Bedingungen
dargelegt, unter denen Finanzhilfen, die Unternehmen zur Sanierung verschmutzter
Industriestandorte gewährt werden, als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet
werden können. Nach Abschnitt E.1.8. dieses Gemeinschaftsrahmens gilt das
Verursacherprinzip; Beihilfen für die Sanierung eines verschmutzten Standorts können also
nur gewährt werden, wenn der Verursacher nicht ermittelt oder nicht zum Tragen der Kosten
herangezogen werden kann. Die Kommission hat vor kurzem in ihrer Entscheidung zur
staatlichen Beihilfe des Vereinigten Königreichs N 385/2002, “Hilfen für die
Grundstücksanierung” die Auffassung vertreten, dass neben den im Gemeinschaftsrahmen
beschriebenen Maßnahmen auch Beihilfen zur erneuten Nutzung von Industriebrachen in der
Regel als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet werden können.

Die Kommission unterstützt verschiedene Forschungsprojekte zur Neubelebung von
Stadtzentren und -vierteln, zur Sanierung und erneuten Nutzung kontaminierter Standorte und
Industriebrachen, zur Nachrüstung von Stadtgebieten (z.B. großen Wohnsiedlungen) mit
nachhaltigkeitsfördernden Technologien sowie über Möglichkeiten zur Eingrenzung der
Zersiedelung der Landschaft, insbesondere durch die Integration der Flächennutzungs- und
Verkehrsplanung (siehe Anhang 3).

59 www.ec-gis.org/inspire.
60 Mitteilung der Kommission über die Strukturfonds und ihre Koordinierung mit dem Kohäsionsfonds.

Leitlinien für die Programme des Zeitraums 2000-2006, ABl. C 267 vom 22.9.1999, S. 12.
61 ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/4280

Im Rahmen der thematischen Strategie für den Schutz des Bodens62 hat die Kommission die
Oberflächenversiegelung als eine von acht großen Bedrohungen für den Boden in Europa
ermittelt. Das Europäische Fachzentrum für terrestrische Umwelt erarbeitet derzeit eine Reihe
von Indikatoren, mit deren Hilfe der Oberflächenversiegelung entgegengewirkt werden kann.

Die Kommission erstellt derzeit eine Mitteilung über Umweltrisiken63, die sich unter anderem
auf die Notwendigkeit einer Kartierung in Bezug auf natürliche und anthropogene
Umweltrisiken wie beispielsweise Überflutungen konzentriert. Dies wird es den mit der
Städteplanung befassten Entscheidungsträgern erleichtern, solchen Risiken bei der Planung
systematischer Rechnung zu tragen.

Die 2001 vorgelegte Mitteilung über den Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt
im Bereich der Naturressourcen64 sah unter anderem eine Reihe spezifischer Maßnahmen für
städtische Gebiete vor, insbesondere zur Nutzung von Naturflächen, Industriebrachen und
kontaminierten Gebieten. Die Kommission wird dem Rat und dem Parlament 2004 über die
Fortschritte bei der Umsetzung des Plans Bericht erstatten und dabei die relativen Prioritäten
der verschiednen Maßnahmen erläutern. Die für Städte relevanten Gesichtspunkte werden in
diesem Bericht umfassende Berücksichtigung finden.

2.4.3. In Zukunft notwendige Maßnahmen für flächendeckende Verwirklichung
nachhaltiger Stadtgestaltung

In jedem Dokument zur Gemeinschaftspolitik in Bezug auf die städtische Umwelt (siehe
Anhang 1) wurde für das bevorzugte Zukunftsszenario dicht bebauter multifunktionaler
Siedlungen unter erneuter Nutzung von Industriebrachen und leer stehenden Immobilien
sowie für eine geplante Ausdehnung städtischer Gebiete an Stelle willkürlicher Zersiedelung
der Landschaft plädiert. Die Strategie wird diese Vision als geltende Grundlage für die
europäischen Städte übernehmen, wobei berücksichtigt wird, dass die Bevölkerungsdichte nur
bis zu einer gewissen Grenze annehmbar ist (in einigen städtischen Gebieten wird die
Umweltqualität durch Übervölkerung beeinträchtigt), und dass die Neuausrichtung von
Gebieten auf vielfältige Nutzung einfacher ist als die Umkehr der Zersiedelung oder die
Steigerung der Flächennutzungsdichte. Diese Perspektive wird weiterentwickelt, um
derzeitige Trends in Städten und Gemeinden (multiple Zentren) und die regionale Dimension
(konzentrierte Dezentralisierung) widerzuspiegeln.

62 KOM(2002) 179 endg.
63 www.europa.eu.int/comm/environment/civil/prote/integrated_strategy_en.htm.
64 KOM(2001) 132 endg.

Drucksache 15/4280 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Es ist nicht Aufgabe der Gemeinschaft, ein Standardsystem für Flächennutzungs-
entscheidungen festzulegen oder das „ideale Siedlungsmuster“ vorzugeben, da jede Stadt und
Gemeinde einzigartig ist und die zur Verwirklichung einer nachhaltigen städtischen Umwelt
notwendigen Lösungen fallspezifisch sind. Gleichwohl steht fest, dass einige Ansätze nicht
nachhaltig sind, und die Strategie wird darauf ausgerichtet sein, diese zu unterbinden und
nachhaltigere Alternativen zu fördern. Die in Bezug auf nachhaltige Städtepolitik
vorgeschlagenen Ausnahmen (Abschnitt 2.1.3) werden hierzu beitragen. Die Kommission
wird auch die Möglichkeit der Entwicklung von Leitlinien zu spezifischen Fragen prüfen, die
sich positiv auf die Alltagspraxis auswirken könnten. Dies könnte beispielsweise Leitlinien
für die Standortwahl und die Bebauungsdichte von Neuerschließungen, die Integration von
Grünflächen, die Nachrüstung städtischer Gebiete zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeit oder
die Kontinuität des städtischen Gefüges (Verknüpfung alter und neuer Baugebiete) betreffen.

Die Zersiedelung der Landschaft ist ein vorrangig zu lösendes Problem der europäischen
Städte und Gemeinden, und in diesem Zusammenhang ist es zweifellos sinnvoll, ungenutztes
Gelände und Industriebrachen in den Stadtzentren neuen Verwendungen zuzuführen. Einige
Stadtverwaltungen haben Konzepte entwickelt, mit denen es gelungen ist, die Zersiedelung zu
bremsen und die Flächennutzungsdichte zu erhöhen. Die Mitgliedstaaten müssen
gewährleisten, dass mit ihren Systemen zur Flächennutzungsplanung die angestrebten Ziele
erreicht werden. Es müssen Anreize zur Förderung der nachhaltigen Stadtentwicklung
geschaffen werden, indem beispielsweise Neuerschließungen auf der grünen Wiese
unattraktiv gemacht werden. Politische Konzepte für städtische Gebiete müssen mit den
regionalen und nationalen Strategien verknüpft werden, um deren Schlüssigkeit zu
gewährleisten und zu verhindern, dass lokale Initiativen untergraben werden.

Forschung, Erfahrungsaustausch und Förderung bewährter Verfahren bei der Stadtgestaltung
sind von besonderer Bedeutung, und die Kommission wird Möglichkeiten zur Intensivierung
entsprechender Maßnahmen prüfen.

Im Rahmen der Bodenschutzstrategie werden die für diesen Themenschwerpunkt relevanten
Fragen wie die Oberflächenversiegelung erörtert und eventuell zusätzliche Maßnahmen zur
Beschränkung dieses Phänomens vorgeschlagen. Die Wiederbebauung von Industriebrachen
und die Begrenzung der Landschaftszersiedelung sind gemeinsame Ziele beider Strategien.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/4280

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Nachhaltige Stadtgestaltung

Alle Mitgliedstaaten werden angehalten,

– zu gewährleisten, dass ihre Planungssysteme für die Flächennutzung zu nachhaltigen
Besiedlungsmustern führen und Umweltrisiken Rechnung tragen, und dies zu
überprüfen und zu fördern;

– Anreize dafür zu schaffen, dass der erneuten Nutzung von brachliegenden Flächen
Vorzug vor Neuerschließungen „auf der grünen Wiese“ gegeben wird, ehrgeizige
Ziele für diese erneute Nutzung festzusetzen und die Wiederverwendung leer
stehender Gebäude in städtischen Gebieten zu fördern;

– Mindestbesiedelungsdichten bei der Flächennutzung festzulegen, um eine höhere
Bebauungsdichte zu unterstützen und der Landschaftszersiedelung entgegen zu
wirken;

– die Folgen des Klimawandels für ihre Städte einzuschätzen, um nicht sachgerechten
Entwicklungen vorzubeugen, und damit Anpassungen an neue klimatische
Bedingungen in die Flächennutzungsplanung einbezogen werden können.

Die Kommission wird Leitlinien für eine auf hohe Bebauungsdichte und vielfältige Nutzung
ausgerichtete Flächennutzungsplanung vorlegen und Begriffsbestimmungen für „Industrie-
brache“ und „unerschlossenes Land“ vorschlagen. Die Kommission wird die Möglichkeit der
Entwicklung weiterer Leitlinien für spezifische Fragen der Stadtgestaltung prüfen.

Die Kommission wird untersuchen, welche Möglichkeiten für Ausbildung,
Erfahrungsaustausch und weitere Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der nachhaltigen
Stadtgestaltung bestehen.

Die Europäische Umweltagentur (EUA) wird die Flächennutzung und Änderungen derselben
als vorrangige grundlegende Information für die Zukunft weiterhin beobachten. Über die
Zersiedelung der Landschaft und die Flächennutzung wird die EUA Sonderberichte vorlegen.

Drucksache 15/4280 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. ENTWICKLUNG EINES STÄRKER INTEGRIERTEN KONZEPTS

Eine der größten Herausforderungen bei der Verbesserung der städtischen Umwelt liegt in der
Verschiedenartigkeit der ökologischen Fragen und der auf die Umwelt und die Lebensqualität
in städtischen Gebieten einwirkenden Einflüsse, Akteure und Faktoren sowie in der
Uneinheitlichkeit der bislang verfolgten Konzepte. Eine Integration ist in verschiedener
Hinsicht notwendig:

– auf horizontaler Ebene zur Einbeziehung der städtischen Umwelt in die relevantesten
Bereiche der Gemeinschaftspolitik wie Verkehr, Kohäsion, Gesundheit, Forschung
und technologische Entwicklung;

– auf horizontaler Ebene innerhalb der gemeinschaftlichen Umweltpolitik zur
Fokussierung zentraler Sektoren wie Wasserwirtschaft, Luft, Lärm, Abfall,
Klimawandel, Natur und biologische Vielfalt auf die städtische Dimension;

– vertikal zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen: EU, nationale, regionale und
lokale Ebene;

– horizontal auf lokaler Ebene, indem Kommunalbehörden zur Festlegung eines
integrierten Umweltmanagementplans und zur Verwirklichung eines integrierten
Umweltmanagementsystems (siehe Abschnitt 2.1) veranlasst werden.

3.1. Horizontale Integration in verschiedenen Bereichen der Gemeinschaftspolitik

Die Einbeziehung ökologischer Fragen in die entsprechenden Bereiche der
Gemeinschaftspolitik ist ein langfristiger Prozess, der eine dauerhafte und intensive
Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen verschiedenen Kommissionsdienststellen
voraussetzt.

Das 1990 vorgelegte Grünbuch über die städtische Umwelt (siehe Anhang 1) hat den
Integrationsprozess innerhalb der Kommission angestoßen und eine Sensibilisierung für
Fragen der städtischen Umwelt und ihre politische Behandlung bewirkt. Daneben hat es dazu
beigetragen, die Initiative URBAN65 des Gemeinschaftsfonds für Regionale Entwicklung
anzustoßen, in deren Rahmen ungefähr 1 Mrd. € für die nachhaltige Entwicklung städtischer
Gebiete mit schweren sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Problemen bereitgestellt
wurde. Die Mitteilung „Nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen Union: ein
Aktionsrahmen“ aus dem Jahr 1998 hat dazu geführt, dass Erwägungen zur städtischen
Umwelt in die Leitlinien der Kommission für Regionale Entwicklungsprogramme 2000-2006
eingingen, sie hat zur Erneuerung der URBAN-Initiative (ca. 728 Mio. €) beigetragen und die
Entwicklung des Forschungsprogramms „Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe”
gefördert. Nicht alle im Aktionsrahmen beabsichtigten Initiativen kamen zur Entfaltung, und
die thematische Strategie wird dem Integrationsprozess neuen Schwung verleihen.

65 europa.eu.int/comm/regional_policy/urban2/index_en.htm.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/4280

Seit 2003 nimmt die Kommission für alle wichtigen neuen politischen Initiativen und die
zugehörigen Instrumente, die potenziell erhebliche ökologische, ökonomische und soziale
Auswirkungen haben, eine erweiterte Folgenabschätzung66 vor. Für die städtische Umwelt
relevante Aspekte wie Flächennutzung, Verkehr, Verschmutzung und Gesundheitsfragen
gehen in diese Folgenabschätzung ein. Dadurch wird ein Beitrag dazu geleistet, die
Kompatibilität künftiger gemeinschaftspolitischer Initiativen aller Kommissionsdienststellen
mit den Zielen der thematischen Strategie sicherzustellen.

Im Forschungsbereich liegen nun erste Ergebnisse des Projekts „Die Stadt von morgen und
das kulturelle Erbe“ vor. Das Projekt war konzeptionell durch Integration der zentralen
städtepolitischen Fragen auf einen umfassenden Ansatz ausgerichtet. Es ist bereits deutlich,
dass damit bedeutsame Ergebnisse gewonnen wurden, die Wissenslücken schließen, neue
Ansätze eröffnen und neue Informationen für den politischen Entscheidungsprozess
bereitstellen. Beispiele dafür sind in Anhang 3 aufgeführt. Dauerhafte Anstrengungen zur
Ermittlung und Verbreitung vorbildlicher Verfahren, die durch Projekte mit
Gemeinschaftsförderung im Zuge des Forschungs-Rahmensprogramms entwickelt wurden,
sind für deren breite Anwendung in Städten und Gemeinden von wesentlicher Bedeutung67.
Soweit innovative Technologien weiterentwickelt werden müssen, um Problemen der
städtischen Umwelt zu begegnen, sollten sie gefördert werden.

Im Bereich der Koalitionspolitik haben der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung
(EFRE) und der Kohäsionsfonds erhebliche Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung vieler
städtischer Zentren geleistet. Für den Programmzeitraum 2000-2006 sind mindestens 10% der
im Rahmen des EFRE (Ziel 1 und 2) verfügbaren Mittel für städtische Zentren und die
Stadtbevölkerung vorgesehen. Der entsprechende Betrag beläuft sich auf nahezu 15 Mrd. €
(11,5 Mrd. € für Ziel 1 und 3,4 Mrd. € für Ziel 2). Aus dem Kohäsionsfonds werden zum
gleichen Zweck erhebliche Beiträge bereitgestellt, allerdings sind die Gesamtbeträge
schwieriger zu berechnen. Anhang 5 enthält einige Beispiele zur Verwendung der
Fondsmittel. Die Kommission erwägt im Zusammenhang mit dem dritten Bericht über die
Kohäsionspolitik bei der Kohäsionspolitik nach 2006 die Verwendung von Fondsmitteln für
die nachhaltige Stadtentwicklung.

Aus- und Fortbildung wurden in jedem Themenschwerpunkt als wesentliche Aspekte
hervorgehoben, und die Kommission wird Möglichkeiten prüfen, durch Programme wie
Leonardo da Vinci entsprechende Unterstützung zu leisten.

Die thematische Strategie wird durch die Konzentration auf die vier Themenschwerpunkte,
die ausnahmslos enge Verbindungen zu diesen und anderen Bereichen der Gemeinschafts-
politik haben, zu einer stärkeren Einbeziehung von Fragen der städtischen Umwelt in die
einschlägige Gemeinschaftspolitik führen, insbesondere in Bezug auf Verkehr und Energie.

66 Mitteilung der Kommission über Folgenabschätzung, KOM(2002) 276 endg.
67 Anmerkung: Viele europäische Forschungsprojekte und konzertierte Aktionen mit Relevanz für den

städtischen Raum wurden auch im Rahmen von COST und EUREKA unternommen.

Drucksache 15/4280 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Integration in die Gemeinschaftspolitik

Nach Auffassung der Kommission sollten die bei der Erarbeitung der thematischen Strategie
ermittelten Wissenslücken Ausgangspunkt für die Fortführung der städtebezogenen
Forschungs- und Demonstrationsprojekte der Gemeinschaft sein, die eine intensivere
Verbreitung der Ergebnisse laufender und künftiger europäischer Forschungsvorhaben
einschließen sollten.

Die Kommission erwägt im Zusammenhang mit dem dritten Bericht über die
Kohäsionspolitik bei der Kohäsionspolitik nach 2006 die Verwendung von Fondsmitteln für
die nachhaltige Stadtentwicklung.

Die Kommission wird untersuchen, wie bildungspolitische Initiativen wie beispielsweise das
Programm Leonardo da Vinci zur Verwirklichung einer nachhaltigen städtischen Umwelt
beitragen können.

3.2. Horizontale Integration im Bereich der gemeinschaftlichen Umweltpolitik

Die Kommission ist in allen für städtische Gebiete besonders relevanten Bereichen des
Umweltschutzes aktiv, insbesondere Luftqualität, Klimawandel, Abfall- und
Wasserwirtschaft, Lärmbelastung und biologische Vielfalt. Obwohl die Maßnahmen in diesen
Bereichen sich überwiegend nicht speziell auf den städtischen Raum konzentrieren, tragen sie
entscheidend zur Verbesserung der städtischen Umwelt bei. Es ist wichtig, dass die
Grundzüge dieser allgemeinen Maßnahmen umgesetzt und weiterentwickelt werden. Im
Rahmen der thematischen Strategie wird untersucht, wie deren Umsetzung in städtischen
Gebieten gefördert werden kann und wie künftige Aktionen und flankierende Maßnahmen in
besonderer Weise auf städtische Probleme ausgerichtet werden können. Anhang 6 enthält eine
Übersicht der bestehenden Maßnahmen in diesen Sektoren, die für die im Rahmen der
thematischen Strategie ermittelten Themenschwerpunkte relevant sind.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/4280

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Integration in die gemeinschaftliche Umweltpolitik

Wasser: Die Kommission wird gestützt auf die Wasserrahmenrichtlinie und ihre gemeinsame
Umsetzungsstrategie eine Empfehlung erarbeiten, die aufzeigt, wie Kommunalbehörden eine
nachhaltige Wasserwirtschaft verwirklichen und wirksamer zur Bewirtschaftung von
Wassereinzugsgebieten beitragen können. Daneben werden in der Strategie weiter gehende
und stärker zielgerichtete Maßnahmen untersucht.

Klimawandel: Die Kommission wird prüfen, ob Netze von Städten gefördert werden können,
die sich mit der Anpassung an die Folgen des Klimawandels auseinandersetzen, und sie wird
allgemeine wissenschaftliche Unterstützung leisten, beispielsweise in Bezug auf Art,
Dimension und erwarteten Zeitpunkt der diversen prognostizierten Folgen.

Luft: Das Programm CAFE (Saubere Luft für Europa) wird bei der Entwicklung von
Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität der Steuerung des städtischen
Verkehrsaufkommens und Aspekten der Verkehrsverlagerung Rechnung tragen. Daneben
werden im Rahmen des Programms die Verbindungen zwischen der Außenluft- und der
Innenluftqualität in städtischen Gebieten untersucht, und die Anforderungen an die
Berichterstattung über die Luftqualität werden überprüft, um eine Konzentration auf
städtische Gebiete zu ermöglichen.

Abfall: Im Rahmen der thematischen Strategie für Abfallvermeidung und -recycling wird die
Kommission die potenzielle Rolle der Gemeinschaft bei der Entwicklung lokaler Initiativen
zur Beherrschung und Verringerung der Umweltauswirkungen von Abfall untersuchen. Bei
der Erarbeitung einer künftigen Gemeinschaftspolitik zur Förderung des Recycling wird
insbesondere der städtischen Dimension der Bewirtschaftung bestimmter Abfallströme (z.B.
Bau- und Abbruchschutt, s.a. Abschnitt 2.3.3) Rechnung getragen.

Natur und biologische Vielfalt: Die Kommission wird Leitlinien zur Unterstützung
kommunaler Behörden bei der Bewirtschaftung und Förderung der biologischen Vielfalt und
zum Schutz bedrohter Arten und Lebensräume in städtischen Gebieten entwickeln. Die
Kommission wird Indikatoren für die biologische Vielfalt erarbeiten.

Pestizide: Die thematische Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden68 wird
Vorschläge für geeignete Maßnahmen (Fortbildung, Leitlinien) enthalten, die sich an
Kommunalbehörden und andere Benutzer richten und verschiedene Aspekte der nachhaltigen
Nutzung von Pestiziden betreffen.

68 KOM(2002) 349 endg.

Drucksache 15/4280 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3.3. Integration zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen

Die thematische Strategie konzentriert sich zwar auf städtische Gebiete, der Einfluss
regionaler und nationaler Faktoren ist jedoch stark und muss bei der Entwicklung lokaler
Strategien für eine qualitativ hochwertige und gesunde städtische Umwelt berücksichtigt
werden. Analog dazu müssen regionale, nationale und gemeinschaftliche Strategien überprüft
werden, um zu gewährleisten, dass sie auf die gleichen Ziele auf lokaler Ebene ausgerichtet
sind. Die vertikale Integration zwischen diesen verschiedenen Verwaltungsebenen ist von
zentraler Bedeutung. Ein zentrales Element dieser Integration sollte darin bestehen, dass die
Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Pläne für eine nachhaltige Entwicklung eine nationale
Strategie für die städtische Umwelt beschließen. Gegebenenfalls sollten auch regionale
Strategien beschlossen werden. Diese sollten dazu beitragen, den beim Weltgipfel für
nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vereinbarten Umsetzungsplan zu erfüllen.

Zur Unterstützung dieses Prozesses, und um den Städten und Gemeinden Informationen,
Sachverstand und Beratung bieten zu können, sollten nationale und/oder regionale Zentren für
die städtische Umwelt benannt werden. Diese Zentren sollten den lokalen und regionalen
Behörden den Zugang zu Daten und Fachwissen, Schulungs- und
Sensibilisierungsmaßnahmen sowie Beispielen für vorbildliche Verfahren erleichtern, um die
Umsetzung der nationalen Strategie für die städtische Umwelt zu unterstützen.

Vorbildliche Verfahren für ein nationales Zentrum für die städtische Umwelt — ein Beispiel

1973 hat der Deutsche Städtetag das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu)69 mit dem Ziel gegründet, die
langfristigen Perspektiven der städtischen Entwicklung zu ermitteln und die städtischen Behörden durch die
Bereitstellung von Fachberatung bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Das Difu bietet mit 100
Beschäftigten ungefähr 130 Städten ein breites Spektrum von Dienstleistungen in den Bereichen städtische
Umwelt, städtische Entwicklung, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik, Rechtsetzung und städtische Finanzen.
Die nutzerorientierte Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse wird durch Studien, Sachverständigen-
berichte, Fortbildungsseminare, Informations- und Dokumentationsdienste sowie durch regelmäßige Veröffent-
lichungen gefördert. Das Difu bildet ein Forum, in dem Kommunalbehörden Ideen und Erfahrungen austauschen
und Stadtverwaltungen sich bei der praktischen Umsetzung ihrer Planungsziele beraten lassen können.

Daneben wurde die Schaffung spezialisierter Zentren für spezifische Themen angeregt. So hat
beispielsweise die 3. europäische Ministerkonferenz für nachhaltiges Wohnen empfohlen, in
jedem Staat ein nationales Kontaktzentrum für nachhaltiges Wohnen einzurichten, um den
Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren zu fördern. Angesichts der Komplexität
der Probleme, mit denen Kommunalbehörden in der städtischen Umwelt konfrontiert werden,
ist es in der Tat angebracht das breite Themenspektrum in einem Zentrum zu konzentrieren.

Daneben ist festzustellen, dass die Verwaltungsstrukturen und –bezirke mit der geografischen
Ausdehnung von Städten und Gemeinden nicht immer Schritt gehalten haben. Deshalb sollten
die Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunalbehörden möglicherweise die Koordinierung
und Verteilung der Zuständigkeiten in Bezug auf die wichtigsten Fragen der städtischen
Umwelt, insbesondere zwischen benachbarten Behörden und verschiedenen
Verwaltungsebenen, überdenken.

69 www.difu.de.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/4280

In dem 2001 vorgelegten Weißbuch über Europäisches Regieren schlug die Kommission ziel-
orientierte dreiseitige Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten, regionalen Behörden
und der Kommission vor; dieses neue potenzielle Instrument sollte im Umweltbereich getestet
werden. Es wurden drei Pilotprojekte zur städtischen Umwelt initiiert, um den Zusatznutzen
dreiseitiger Vereinbarungen in diesem Bereich auf europäischer Ebene einschätzen zu
können.

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Integration zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen

Alle Mitgliedstaaten werden angehalten,

– nationale und/oder regionale Strategien für die städtische Umwelt zu erstellen,

– nationale und/oder regionale Zentren für die städtische Umwelt zu benennen;

– auf regionale und Kommunalbehörden ausgerichtete Maßnahmen zur
Sensibilisierung für Fragen der städtischen Umwelt zu erwägen.

Die Mitgliedstaaten, die Regionen und die Kommunalbehörden werden aufgefordert, die
Koordinierung und Verteilung von Zuständigkeiten bei der Behandlung der wichtigsten
Fragen der städtischen Umwelt weiterzuentwickeln.

4. INDIKATOREN, DATEN, ZIELE UND BERICHTE

Der Ermittlung von Indikatoren für die städtische Umwelt kommt große Bedeutung zu. Sie
machen deutlich, welche Daten zur Beobachtung von Tendenzen im städtischen Raum
notwendig sind. Sie ermöglichen eine Einschätzung der Wirksamkeit von Initiativen und der
Fortschritte in Richtung einer qualitativ hochwertigen und gesunden Umwelt, die Festsetzung
von Zielen und die Ausrichtung von Entscheidungen auf nachhaltigere Ergebnisse.

Auf der lokalen Ebene hat die Kommission ein „Standardpaket“ von Indikatoren für die
städtische Umwelt bereitgestellt, das von Städten und Gemeinden auf freiwilliger Basis
genutzt werden kann. Die Gemeinsamen Europäischen Indikatoren70 wurden von der EU-
Sachverständigengruppe für die städtische Umwelt entwickelt und sind insbesondere für
Kommunalbehörden nützlich, die gerade die Auseinandersetzung mit Umweltfragen für ihren
städtischen Raum insgesamt aufnehmen. Sie bieten Zielpunkte für die Erstellung erster
politischer Strategien und Aktionspläne, für die lokale Kommunikation71 mit den Bürgern und
die allgemeine Sensibilisierung für zentrale Fragen der städtischen Umwelt. Sie können von
der Stadt oder Gemeinde so angepasst oder erweitert werden, dass sie der lokalen Situation
gerecht werden, und sie können die breit angelegte Umsetzung von
Umweltmanagementplänen durch Kommunalbehörden unterstützen (s. Abschnitt 2.1.3).

70 www.sustainable-cities.org/indicators/index.htm.
71 “Environmental Issue Report No 30 : Towards an Urban Atlas” EUA/GFS, Publikation

ISBN 92-9167-470-2.

Drucksache 15/4280 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Gemeinsame Europäische Indikatoren

1. Zufriedenheit der Bürger mit der Gemeinde
2. Beitrag der Gemeinde zur globalen Klimaänderung
3. Lokale Mobilität und Personenverkehr
4. Lokales Angebot an öffentlichen Freiflächen und Dienstleistungen
5. Qualität der lokalen Außenluft
6. Schulweg
7. Nachhaltiges Management der Kommunalverwaltung und der lokalen Unternehmen
8. Lärmbelastung
9. Nachhaltige Bodennutzung
10. Erzeugnisse zur Förderung der Nachhaltigkeit
11. Ökologischer Fußabdruck

Auf europäischer Ebene finden zwar in verschiedenen Städten und Gemeinden zahlreiche
Indikatoren Anwendung, sie werden im Allgemeinen jedoch nur punktuell umgesetzt, liefern
keine vergleichbaren Daten oder eignen sich nicht für die multiplen Zielsetzungen der
thematischen Strategie. Analog dazu werden die im Rahmen sektorspezifischer Maßnahmen
z.B. in Bezug auf Luft oder Wasser erhobenen Daten nur in seltenen Fällen separat auf
städtischer Ebene analysiert. Deshalb wird die Kommission eine Reihe von Indikatoren
ermitteln, die auf europäischer Ebene verwendet werden können, um die Erhebung der Daten
zu steuern, die für die Beobachtung der Strategie notwendig sind. Diese Initiative wird von
der vorgeschlagenen INSPIRE-Richtline (s. Abschnitt 2.4.2) unterstützt, durch die ein
genormtes Format für die Erfassung und den Austausch raumbezogener Informationen
bereitgestellt wird. Sie berücksichtigt einschlägige laufende Initiativen wie ECI, das Städte-
Audit II, in dessen Rahmen wirtschaftliche, soziale und ökologische Daten aus 200 Städten
analysiert werden, sowie TERM, das Berichtswesen über Verkehr und Umwelt, das Daten
zum Verkehr und damit verbundenen ökologischen Parametern liefert. Sie nutzt ferner das
von den Mitgliedstaaten der Europäischen Umweltagentur (EUA) geschaffene Europäische
Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz (EIONET) und trägt Arbeiten wie dem
von der EUA und der Gemeinsamen Forschungsstelle vorgelegten „Städtischen Atlas“
Rechnung, der die Verbindungen zwischen der Zersiedelung der Landschaft und den sozialen
und wirtschaftlichen Faktoren, die ihr zu Grunde liegen, untersucht.

Vorbildliche Verfahren im Bereich städtischer Umweltdaten — ein Beispiel

Das Umweltinformationssystem IOZIP der Stadt Prag wurde in den 80er Jahren eingeführt, und es konzentriert
sich nun auf die Erfassung und Verarbeitung von Umweltdaten und die Bereitstellung der Ergebnisse an
städtische Stellen, Sachverständige und die Öffentlichkeit. So wird Planern und Investoren ein hervorragender
Überblick über ökologische Fragen und die Entwicklung geboten. Das System unterstützt zahlreiche Produkte,
z.B. den Umweltatlas72 (gefördert durch ein Interact-Projekt der EU), eine seit 1989 fortgeschriebene Reihe
jährlicher Berichte über den „Stand der städtischen Umwelt“ in Prag73, CD-ROMs über die gesamte ökologische
Entwicklung der Stadt sowie eine Webseite mit Daten und Karten (auf der Grundlage des geografischen
Informationssystems) für ein breiteres Publikum (Pilotprojekt). Die Online-Version bietet auch im Rahmen des
EU-Projekts HEAVEN Daten gewonnene Daten zur Luftqualität und den Wetterbedingungen. Dieses breite
Spektrum neuer technologiegestützter städtischer Informationssysteme erweist sich als höchst effizient bei der
Verknüpfung einer Reihe ökologischer Projekte zur nachhaltigen Entwicklung der Stadt Prag. Das System wird
von der Stadt Prag betrieben und finanziert.

72 www.wmap.cz/atlasen
73 www.praha-mesto.cz/zp/rocenky/eng.asp

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/4280

In Bezug auf Daten zu Umwelt und Gesundheit bringt das in der Europäischen Strategie für
Umwelt und Gesundheit vorgesehene Biomonitoring von Kindern die Verpflichtung zur
Entwicklung von Umwelt- und Gesundheitsindikatoren mit sich, wobei eine Verbindung
zwischen laufenden Aktionen in den Bereichen Umwelt und Gesundheit hergestellt wird.
Dabei konzentriert sich das in der Strategie vorgesehene Biomonitoring auf Kinder in
städtischen Gebieten. Langfristig wird dieses Programm es ermöglichen, zu untersuchen, ob
die Fortschritte bei der Verbesserung der städtischen Umwelt sich in einer Verbesserung der
Gesundheit von Kindern niederschlagen, und in welchen Städten und Gemeinden zusätzliche
Anstrengungen notwendig sind.

Während für einige Parameter der städtischen Umwelt, z.B. die Luftqualität, Grenzwerte auf
europäischer Ebene festgesetzt wurden, sollte die Zielsetzung in vielen anderen Gebieten, wie
z.B. den nachhaltigen städtischen Verkehr, auf lokaler Ebene erfolgen. Die betroffenen
Behörden sind am ehesten in der Lage, den lokalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen,
weshalb eine einheitliche europäische Zielsetzung nicht zweckmäßig wäre. Die
Notwendigkeit einer Orientierung bei der Zielsetzung ist allerdings offensichtlich, und in
einigen Bereichen könnte erörtert werden, ob Richtwerte auf nationaler oder europäischer
Ebene sinnvoll wären. Die Kommission wird sich deshalb bemühen, Leitlinien für die
Zielsetzung zu erstellen, und sie wird die Möglichkeiten der Ermittlung etwaiger Richtwerte
prüfen.

Schließlich sollte die EUA im Rahmen ihrer regelmäßigen Berichterstattung über den Stand
der städtischen Umwelt in Europas Städten und Gemeinden berichten. Die Mitgliedstaaten
sind nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu
Umweltinformationen74 bereits zur regelmäßigen Erstellung von Umweltzustandsberichten
verpflichtet. Der Bericht über den Zustand der städtischen Umwelt sollte die wichtigsten
Umweltaspekte (Luft, Lärm, Wasser, Abfall, biologische Vielfalt) und die Schwerpunkte der
thematischen Strategie (Umweltmanagement, Verkehr, Bau, Stadtgestaltung) sowie die
weiteren Aspekte (Gesundheit und Lebensqualität) erfassen. Er sollte eine vergleichende
Bewertung einzelner Städte und Gemeinden einschließen. Ein derartiger detaillierter Bericht
ist notwendig, um der künftigen Entwicklung der thematischen Strategie Impulse zu verleihen
und die betreffenden Informationen den europäischen Bürgern verfügbar zumachen; daneben
würde er den lokalen Behörden Anreize zur Verbesserung der Umweltqualität in ihrer
Stadt geben.

74 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den
Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des
Rates, ABl. L 41 vom 14.2.2003, S. 26.

Drucksache 15/4280 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Entwicklung von Zielen und Indikatoren

Die Kommission wird zur Dokumentation der Auswirkungen der thematischen Strategie auf
den Zustand der städtischen Umwelt Schlüsselindikatoren ermitteln.

Die Mitgliedstaaten werden angehalten, die Nutzung der Gemeinsamen Europäischen
Indikatoren auf lokaler Ebene zu fördern.

Die EUA wird im Rahmen ihrer regelmäßigen Berichterstattung über den Zustand der
städtischen Umwelt berichten und Daten zur städtischen Umwelt verfügbar machen, um die
politischen Entscheidungsträger, die vollziehenden Stellen und die Öffentlichkeit besser zu
informieren und die Fortschritte der thematischen Strategie zu lenken und zu dokumentieren.

Die Kommission wird bestrebt sein, Städten und Gemeinden bei der Festlegung von Zielen
für die städtische Umwelt Orientierungen und Leitlinien an die Hand zugeben, und sie wird
die Möglichkeiten der Festlegung etwaiger Richtwerte prüfen.

5. FÖRDERUNG DER BREITEN ANWENDUNG VORBILDLICHER VERFAHREN AUF
LOKALER EBENE

5.1. Kommunalbehörden

1994 nahm eine Reihe von Städten und Gemeinden sowie Netzen kommunaler Behörden in
Europa die Charta von Aalborg75 an, die die Unterzeichner zur Einhaltung des Verfahrens der
Lokalen Agenda 21 sowie zur Entwicklung langfristiger Aktionspläne zum Erreichen von
Nachhaltigkeit verpflichtet. Die Europäische Kampagne zukunftsfähiger Städte und
Gemeinden wurde initiiert, um die Vernetzung zwischen den Unterzeichnern und die
Verknüpfung bestehender Netze von Städten und Gemeinden zu fördern und die Beteiligung
an der Charta zu erweitern. Bislang sind politische Vertreter von mehr als 1950 Städten und
Gemeinden aus 41 europäischen Staaten für Ihre Stadtverwaltungen die in der Charta
vorgesehenen Verpflichtungen eingegangen76. Diese Städte und Gemeinden und die Netze, in
denen sie organisiert sind, waren die treibende Kraft der Entwicklung der Lokalen Agenda 21
und ihrer Umsetzung in die Praxis; sie erörtern derzeit eine Initiative Aalborg+10, die einen
erheblichen Schritt weiter geht, indem sie die Unterzeichner für das nächste Jahrzehnt zu
bestimmten Maßnahmen und zum Erreichen genau benannter und quantitativer Ziele
verpflichtet.

75 www.sustainable-cities.org/keydocs.html.
76 Eine Reihe von Regionen hat sich 1998 zu einer vergleichbaren Initiative, der Charta von Valencia,

zusammengeschlossen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/4280

Vorbildliche Verfahren für die Umsetzung der Lokalen Agenda 21 — ein Beispiel

Der 1998 im italienischen Ferrara aufgenommene LA 21-Prozess wurde zwischenzeitlich zu einem wesentlichen
Bestandteile der Entwicklungsstrategie der Stadt. Als Ergebnis einer kontinuierlichen Sensibilisierung hat sich
bei den lokalen Akteuren ein tiefes Verständnis des Nachhaltigkeitskonzepts eingestellt, das in den Alltag
integriert wurde. Durch eine Reihe von Methoden zur Entwicklung von Beteiligungen und Partnerschaften
(Foren, Seminare, Arbeitsgruppen, Vereinbarungen, Projekte) wurde eine Reihe lokaler Pläne auf freiwilliger
Basis vorbereitet und verwirklicht, die u.a. Energie, Verkehr, Gesundheit und Sozialfürsorge betreffen. Diese
bilden nun die Grundlage des städtischen Gesamtentwicklungsplans. 2002 hat der Stadtrat seine erste
Umweltbilanz verabschiedet; sie schließt Ziele für das Naturressourcenmanagement, umweltfreundliche
Beschaffung und die Verwirklichung eines lokalen Umweltmanagementsystems ein.

Die Kommission hat die Charta von Aalborg, die Kampagne und die verschiedenen Netze, die
auf nachhaltige städtische Entwicklung hinwirken, insbesondere durch den
Gemeinschaftsrahmen für die Zusammenarbeit zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung
in den Städten77 unterstützt. Daneben bestehen weitere Förderungsmöglichkeiten. Die
Initiative INTERREG78 bietet Städten und Gemeinden eine Reihe von Gelegenheiten zum
Erfahrungsaustausch über nachhaltige städtische Entwicklung sowie zur Durchführung von
Projekten für die Umweltinfrastrukturentwicklung in kleinem Maßstab; diese Möglichkeiten
werden von den Städten und Gemeinden derzeit nur unzureichend genutzt. In ähnlicher Weise
bietet das Programm URBACT Städten und Gemeinden, die an der URBAN-Initiative
beteiligt sind, die Möglichkeiten zum Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren.
Daneben stellt die Kommission Finanzhilfen für Aktionen im Rahmen von
Städtepartnerschaften79 bereit, um bestehende Verbindungen zu stärken und neue
Partnerschaftsinitiativen zu unterstützen. Mehr als eine Million Menschen kommen jährlich in
den Genuss der dabei bereitgestellten Finanzmittel, und ungefähr ein Drittel der 1250 jährlich
geförderten Partnerschaftsprojekte betrifft Umweltthemen. Die Städtepartnerschaftsinitiative
bietet Städten und Gemeinden eine erstklassige Möglichkeit zum Austausch von Erfahrungen
und bewährten Verfahren in Bezug auf das breite Spektrum von Fragen der städtischen
Umwelt. Außerdem haben die verschiedenen städtischen Forschungsprogramme der EU
(s. Anhang 3) hunderte von Städten in zahlreichen Projekten zur Zusammenarbeit bei der
Entwicklung und Umsetzung vorbildlicher Verfahren vereint.

Auch den Mitgliedstaaten kommt bei der Förderung bewährter Verfahren, der Annahme der
Lokalen Agenda 21, der Charta von Aalborg und ähnlichen Initiativen eine zentrale Rolle zu.

Die Kommission wird unter Berücksichtigung der Entwicklung der Strategie und eines eher
aktionsorientierten Ansatzes für die LA 21 prüfen, wie sie ihre Unterstützung der
Kommunalbehörden und deren Netze u.a. durch einen überarbeiteten Rahmen für die
Zusammenarbeit zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in den Städten anpassen und
weiterentwickeln kann. Daneben wird die Kommission prüfen, ob der Rahmen für die
Zusammenarbeit zur weiteren Verbreitung der Ergebnisse des Projekts „Die Stadt von
morgen und das kulturelle Erbe” und ähnlicher europäischer Projekte mit Bedeutung für die
städtische Umwelt genutzt werden kann.

77 Beschluss Nr. 1411/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über einen
Gemeinschaftsrahmen für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nachhaltigen Stadtentwicklung,
ABl. L 191 vom 13.7.2001, S. 1.

78 www.interreg3c.net.
79 europa.eu.int/comm/dgs/education_culture/towntwin/index_de.html.

Drucksache 15/4280 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

5.2. Die Rolle der Bürger

Der Schwerpunkt der thematischen Strategie wird zwangsläufig größtenteils auf
Empfehlungen für Maßnahmen der Europäischen Kommission, der Mitgliedstaaten und
Kommunalbehörden liegen. Aber auch dem einzelnen Bürger kommt bei der Verwirklichung
einer nachhaltigen, gesunden städtischen Umwelt eine wichtige Rolle zu.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess gilt allgemein als grundlegende
Voraussetzung für das Erreichen von Nachhaltigkeit. Initiativen wie das Übereinkommen von
Aarhus und das Weißbuch über Europäisches Regieren fördern die Einbeziehung der
Öffentlichkeit, und alle im Rahmen der Strategie vorgelegten Vorschläge in Bezug auf die
von den Stadtverwaltungen zu erstellenden Pläne werden entsprechende Bestimmungen für
die Einbeziehung der Öffentlichkeit beinhalten.

Grundlegender ist noch der Umstand, dass die Entscheidungen und Verhaltensweisen
Einzelner das Gelingen lokaler Pläne oder Maßnahmen stark beeinflussen. Sie können zu Fuß
gehen, mit dem Fahrrad fahren, den Bus nehmen oder mit dem Auto fahren. Sie wählen eine
Energiequelle zur Heizung der Wohnung und entscheiden selbst, ob sie in bessere
Wärmedämmung investieren. Wie in dieser Mitteilung erläutert wurde, ist eine mangelnde
Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die ökologischen Folgen ihrer Handlungen mitunter ein
erhebliches Hindernis für nachhaltigere Konzepte. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und
Verhaltensänderungen sind notwendigerweise wichtige Elemente jeder Strategie zur
Verwirklichung einer qualitativ hochwertigen und gesunden städtischen Umwelt.

Auf europäischer Ebene führt die Kommission diverse Sensibilisierungsmaßnahmen durch,
wie z.B. den Europäischen Autofreien Tag; Aktionen dieser Art werden fortgesetzt. Daneben
werden neue Maßnahmen entwickelt, z.B. Städtische Ökologische Tage, in denen Städte den
Bürgern ihre Umweltaktivitäten und ihre ökologischen Leistungen vorstellen. Die von
Stadtverwaltungen, Regionen und staatlichen Stellen erstellten Strategien sollten nicht nur die
Öffentlichkeit einbeziehen, sondern auch geeignete Maßnahmen zum Herbeiführen von
Verhaltensänderungen vorsehen.

Für die thematische Strategie vorgeschlagene Maßnahmen
(Diese Vorschläge werden 2004 Gegenstand weiterer Konsultationen sein.)

Förderung der breiten Anwendung vorbildlicher Verfahren auf lokaler Ebene

Die Kommission wird einen überarbeiteten Gemeinschaftsrahmen für die Zusammenarbeit
zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in den Städten vorlegen.

Die Kommission wird die Möglichkeiten einer besseren Verbreitung der Ergebnisse
städtischer Forschung bei Städten und Gemeinden untersuchen.

Außerdem wird die Kommission prüfen, wie sie die Entwicklung einer Aalborg+10-Initiative
durch Städte und Gemeinden fördern kann, so dass eine koordinierte Aktion eingeleitet wird,
die für das kommende Jahrzehnt zum Erreichen genau benannter und quantitativer Ziele
verpflichtet.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57 – Drucksache 15/4280

6. NÄCHSTE SCHRITTE

Bei der Vorbereitung der thematischen Strategie, die Mitte 2005 vorgelegt werden soll, wird
die Kommission die umfassenden Konsultationen, die zu diesem Zweck eingeleitet wurden,
fortsetzen, und sie ersucht um Stellungnahmen zu den vorgeschlagenen Ideen und Konzepten.
Zu diesem Zweck wird die Kommission 2004 verschiedene Anhörungen der Betroffenen
durchführen und technische Arbeitsgruppen organisieren, um die vorgeschlagenen
Maßnahmen, deren Durchführbarkeit und potenziellen Beitrag zur Verbesserung der
städtischen Umwelt eingehender zu untersuchen. In diese Arbeitsgruppen wird ein breites
Spektrum von Betroffenen und Sachverständigen, einschließlich Vertretern der
Mitgliedstaaten, der Beitritts- und Kandidatenländer, von Regionen, Städten, Unternehmen
und nichtstaatlichen Organisationen sowie Akademikern einbezogen.

Die Webseite der Kommission (www.europa.eu.int/comm/environment/urban/thematic_strategy.htm)
bietet aktuelle Informationen und die Gelegenheit zur direkten Stellungnahme (letzter Termin
für die Einsendung von Beiträgen ist der 15. April 2004).

Drucksache 15/4280 – 58 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anhang 1: Entwicklung politischer Strategien für die Städtische Umwelt

Die thematische Strategie stellt einen wichtigen Schritt in einer Reihe von Initiativen dar, die
zur Entwicklung der europäischen Politik in Bezug auf die städtische Umwelt beigetragen
haben.

Das 1990 vorgelegte Grünbuch über die städtische Umwelt80 enthielt einen umfassenden und
weit in die Zukunft reichenden Überblick über die Herausforderungen, denen die städtische
Umwelt gegenüber steht; darin wurden erstmals ein Gesamtkonzept und eine Reihe von
Maßnahmen auf europäischer Ebene vorgeschlagen, wobei betont wurde, dass die
Entwicklung der Zusammenarbeit und die Integration politischer Strategien vorangetrieben
werden muss.

Die EU-Sachverständigengruppe für die städtische Umwelt wurde 1991 eingesetzt.

1993 wurde das Projekt „Nachhaltige Städte“ eingeleitet. Mit dem Projekt sollten neue Ideen
zur Nachhaltigkeit in europäischen Ballungsräumen gefördert, ein weit reichender
Erfahrungsaustausch unterstützt, bewährte Verfahren zur Förderung der Nachhaltigkeit in
städtischen Gebieten verbreitet, Empfehlungen für die EU-Institutionen, nationale, regionale
und Kommunalbehörden formuliert und die Umsetzung des Fünften
Umweltaktionsprogramms der Europäischen Gemeinschaft unterstützt werden.

1996 hat die EU-Sachverständigengruppe einen umfassenden Bericht („Zukunftsfähige Städte
in Europa“) zur Förderung der Lokalen Agenda 21 vorgelegt. Damit wurde ein detaillierter
Rahmen für lokale Maßnahmen geschaffen, der Städtemanagement, Integration politischer
Strategien, ökosystemorientiertes Denken sowie Zusammenarbeit und Partnerschaft als die
Prinzipien ermittelte, die den Fortschritten bei der Verwirklichung von Nachhaltigkeit in
städtischen Gebieten zu Grunde liegen.

Die Mitteilung „Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union“81 aus dem Jahr 1997
konzentrierte sich gestützt auf diesen Bericht auf die wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen Herausforderungen, denen europäische Städten und Gemeinden
gegenüberstehen, und betonte die Notwendigkeit einer städtischen Perspektive in der EU-
Politik. Darauf folgte 1998 die Mitteilung “Nachhaltige Stadtentwicklung in der Europäischen
Union: ein Aktionsrahmen“82, die erstmals ein wirklich nachhaltiges Entwicklungskonzept
mit vier unabhängigen politischen Zielen verfolgte:

– Stärkung des wirtschaftlichen Wohlstands und der Beschäftigung in den Städten;

– Förderung der Chancengleichheit, der sozialen Eingliederung und der Erneuerung
in städtischen Gebieten;

– Schutz und Verbesserung der städtischen Umwelt im Interesse lokaler und globaler
Nachhaltigkeit und

– Leistung eines Beitrags zu einem guten Stadtmanagement und zur Stärkung der
kommunalen Selbstverwaltung.

80 KOM(1990) 218 endg.
81 KOM(1997) 197 endg.
82 KOM(1998) 605 endg.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59 – Drucksache 15/4280

Insbesondere wurde eine Reihe politischer Ziele zu Verbesserung der städtischen Umwelt
aufgeführt, die weiterhin bestehen und die wesentliche Grundlage der thematischen Strategie
bilden.

– Verbesserung der Luftqualität in städtischen Gebieten, der Zuverlässigkeit und
Qualität der Trinkwasserversorgung, des Schutzes und der Bewirtschaftung des
Oberflächen- und Grundwassers; an der Quelle ansetzende Verringerung der
Abwasser- und Abfallmengen, die eine endgültige Beseitigung erfordern, sowie von
Umgebungslärm.

– Schutz und Verbesserung der bebauten Umgebung und des Kulturerbes, Förderung
der biologischen Vielfalt und der Schaffung von Grünflächen in städtischen
Gebieten.

– Förderung ressourceneffizienter Siedlungsmuster, die Flächenverbrauch und
Zersiedlung minimieren.

– Minimierung der Umweltauswirkungen des Verkehrs, vor allem durch Anstreben
weniger verkehrsintensiver Wege der wirtschaftlichen Entwicklung und Förderung
der Nutzung ökologisch nachhaltigerer Verkehrsträger.

– Verbesserung der Umweltfreundlichkeit von Unternehmen durch Förderung guten
Umweltmanagements in allen Sektoren.

– Messbare, signifikante Reduzierung von Treibhausgasemissionen in städtischen
Gebieten, vor allem durch rationelle Energienutzung, verstärkten Einsatz von
erneuerbaren Energieträgern und Kraftwärmekopplung sowie durch
Abfallreduzierung.

– Minimierung und Management von Umweltrisiken in städtischen Gebieten.

– Begünstigung stärker ganzheitlicher, integrierter und ökologisch nachhaltiger
Managementkonzepte für städtische Gebiete innerhalb funktionaler städtischer
Gebiete, Förderung von ökosystembasierten Entwicklungskonzepten, die der
wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Stadt und Land Rechnung tragen und so die
Verknüpfung zwischen den städtischen Zentren und ihrer ländlichen Umgebung
verbessern.

2001 hat die EU-Sachverständigengruppe den Bericht „Towards more sustainable urban land
use: advice to the European Commission for policy and action” mit Empfehlungen an die
Kommission für eine nachhaltigere Bodennutzung in Städten vorgelegt.

Wie auch in der Mitteilung „Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt:
Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“83 aus dem Jahr 2001
betont wurde, müssen nach Artikel 6 des Vertrags die Erfordernisse des Umweltschutzes bei
den Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
einbezogen werden.

83 KOM(2001) 264 endg.

Drucksache 15/4280 – 60 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anhang 2: Eine europäische Perspektive für nachhaltige Städte und Nachhaltigkeit in
Städtepolitik, Verkehr, Bau und Stadtgestaltung

Die nachfolgend vorgestellten Perspektiven wurden im Anschluss an umfassende
Konsultationen entwickelt; sie sollen der Strategie und denjenigen, die bei ihrer Umsetzung
eine zentrale Rolle spielen, zur Orientierung dienen.

Europäische Städte des 21. Jahrhunderts

Städte und Gemeinden sollten so gestaltet, gebaut und verwaltet werden, dass sie eine
gesunde, dynamische, integrierende und umweltfreundliche Wirtschaft fördern, den
Erfordernissen ihrer Bürger in nachhaltiger Weise gerecht werden und deren Wohl zuträglich
sind, auf die natürlichen Ökosysteme, die ihre Grundlage bilden, Rücksicht nehmen und in
Harmonie mit diesen existieren.

Eine Perspektive für nachhaltige Städtepolitik

Nachhaltige Städtepolitik ist ein Prozess, durch den die nachhaltige Entwicklung städtischer
Gebiete, ihrer unmittelbaren Umgebung und der Regionen, in denen sie sich befinden,
gewährleistet werden kann. Sie ist darauf ausgerichtet, die negativen Auswirkungen
städtischer Gebiete auf ökologische Zyklen nach dem Vorsorgeprinzip zu minimieren und die
Umweltbedingungen zu verbessern, damit Städte gesunde Lebensräume sind.

Sie konzentriert sich auf die Erhaltung der natürlichen Umwelt innerhalb ihres sozialen und
wirtschaftlichen Rahmens, bezieht Umweltbelange in andere Politikbereiche ein und trägt der
Verflechtung sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Aspekte sowie der Notwendigkeit
fairer und gerechter Ergebnisse politischer Prozesse Rechnung.

Sie erfordert neue Organisationsstrukturen, die die Entwicklung integrierter politischer
Konzepte für städtische Probleme ermöglichen, stützt sich auf die besten verfügbaren
Informationen zum Umweltzustand und nutzt die zweckmäßigsten Ansätze und Instrumente,
die den spezifischen Erfordernissen des betreffenden städtischen Gebiets gerecht werden. Der
natürliche Ausgangspunkt nachhaltiger Städtepolitik sind die lokalen Behörden.

Nachhaltige Städtepolitik fördert die Entwicklung einer Kultur des Lernens, Verstehens und
der Achtung in Organisationen und in den mit der Politik nachhaltiger Entwicklung befassten
Entscheidungsträgern, und sie bezieht die betroffenen Menschen und Institutionen in einen
transparenten und offenen Entscheidungsprozess ein.

Sie stellt einen kontinuierlichen Zyklus der Problemanalyse, Planung, Umsetzung,
Beobachtung, Erhebung und Evaluierung der Fortschritte dar, der sich auf eine ständig
wachsende Summe von Kenntnissen und Erfahrungen stützt, stellt so sicher, dass neue
politische Konzepte gewonnene Erfahrungen berücksichtigen, und trägt der Notwendigkeit
einer langfristigen politischen Vision Rechnung.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 61 – Drucksache 15/4280

Eine Perspektive für nachhaltigen städtischen Nahverkehr

Ein nachhaltiges städtisches Nahverkehrsystem

– fördert Mobilität, Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität heutiger und künftiger
Generationen,

– ist ökologisch effizient und

– unterstützt eine dynamische und integrierende Wirtschaft, die allen — auch weniger
begüterten, älteren oder behinderten Bürgern — Möglichkeiten eröffnet und
Dienstleistungen bietet.

Sie erreicht diese Ziele u.a. durch

– Anreize für eine rationellere Nutzung privater Kfz sowie Förderung sauberer, leiser,
energieeffizienter Fahrzeuge, die durch erneuerbare oder alternative Kraftstoffe
angetrieben werden,

– Bereitstellung eines öffentlichen Verkehrssystems, das sich durch Regelmäßigkeit,
hohe Taktfrequenz, bequeme und moderne Verkehrsmittel, wettbewerbsfähige Preise
und gute Vernetzung auszeichnet,

– Erhöhung des Anteils nicht motorisierter Fortbewegungsarten (Gehen und
Radfahren),

– höchste Effizienz bei der Bodennutzung,

– Steuerung der Verkehrsnachfrage durch den Einsatz wirtschaftlicher Instrumente,
durch Pläne zur Änderung von Verhaltensweisen und Mobilitätsmanagement,

– aktives, integriertes Nahverkehrsmanagement unter Beteiligung aller Betroffenen,

– quantifizierte kurz-, mittel- und langfristige Ziele in Verbindung mit einem
wirksamen Monitoringsystem.

Eine Perspektive für nachhaltiges Bauen

Beim nachhaltigen Bauen berücksichtigen alle Beteiligten (Eigentümer, Finanzinstitut,
Ingenieur, Architekt, Bauunternehmen, Baustofflieferant, Genehmigungsbehörde usw.)
gleichermaßen funktionelle, wirtschaftliche und qualitative Aspekte, um Bauwerke so
herzustellen und zu renovieren, dass

– diese attraktiv, haltbar, funktionell und leicht zugänglich sind, das Wohlbefinden der
damit in Kontakt tretenden Menschen fördern und der Aufenthalt darin komfortabel
und gesund ist;

– Ressourcen — insbesondere Energie, Baustoffe und Wasser — dabei effizient
eingesetzt werden, indem die Bauwerke auf eine vorzugsweise Nutzung erneuerbarer
Energiequellen und geringen Energiebedarf, auf sachgemäße Nutzung von Grund-
und Regenwasser sowie fachgerechte Abwasserentsorgung ausgelegt werden, und
indem umweltfreundliche, leicht wiederverwendbare oder verwertbare Baustoffe
eingesetzt werden, die keine gefährlichen Verbindungen enthalten und gefahrlos
entsorgt werden können;

Drucksache 15/4280 – 62 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– der Umgebung und dem lokalen kulturellen Erbe Rechnung getragen wird,

– deren Kosten insbesondere bei Berücksichtigung längerfristig relevanter
Gesichtspunkte wie Instandhaltungskosten, Dauerhaftigkeit und Wiederverkaufswert
wettbewerbsfähig sind.

Eine Perspektive für nachhaltige Stadtgestaltung

Bei der nachhaltigen Stadtgestaltung arbeiten alle Beteiligten (nationale, regionale und
kommunale Behörden, Bürger, lokale Organisationen, NRO, Sachverständige und
Unternehmen) zusammen, um funktionale, ökologische und qualitätsbezogene Erwägungen in
Entwurf und Planung der bebauten Umgebung einzubeziehen, damit diese folgenden
Anforderungen gerecht wird:

– Schaffung ästhetischer, origineller, sicherer, gesunder und qualitativ hochwertiger
Lebens- und Arbeitsräume, die ein starkes Gefühl von Gemeinschaft, Würde,
sozialer Gleichheit und Einbindung sowie Identität vermitteln,

– Förderung eines dynamischen, ausgewogenen, einschließenden und fairen
Wirtschaftsablaufs, der die Stadterneuerung unterstützt,

– Würdigung von Grund und Boden als wertvolle Ressource, die möglichst effizient
genutzt werden muss, wobei der erneuten Nutzung von Brachflächen und
leer stehenden Immobilien in der Stadt der Vorzug vor Neuerschließungen gegeben
wird, um so der Zersiedelung entgegenzuwirken (kompakte Städte und — auf
regionaler Ebene — konzentrierte Dezentralisierung),

– Berücksichtigung der Beziehung zwischen Städten, ihrem Hinterland und der
weiteren Umgebung,

– strategische Positionierung von Neuerschließungen, mit Anschluss an öffentlichen
Nahverkehr und unter Schutz der natürlichen Umwelt (biologische Vielfalt,
Gesundheit, Umweltverträglichkeit),

– für wirtschaftliche Tragfähigkeit und Effizienz von Diensten wie dem öffentlichen
Nahverkehr ausreichende Aktivitäts- und Nutzungsdichte und –intensität, bei
gleichzeitiger Gewährleistung eines hochwertigen Lebensumfelds (Schutz der
Privatsphäre, Minimierung von Belastungen wie Lärm usw.),

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 63 – Drucksache 15/4280

– Förderung einer gemischten Flächennutzung, damit die Vorteile der geografischen
Nähe voll zum Tragen kommen und die Wege zwischen Wohnort, Arbeitsplatz und
Geschäften möglichst kurz sind,

– Vorhandensein einer grünen Struktur zu Optimierung der ökologischen Qualität des
städtischen Raums (biologische Vielfalt, Mikroklima und Luftqualität),

– Vorhandensein einer hochwertigen und gut geplanten Infrastruktur mit öffentlichem
Nahverkehr, Straßen, Geh- und Radwegen zur Erleichterung des Zugangs,
insbesondere für benachteiligte Gemeinden, und Förderung intensiver sozialer,
kultureller und wirtschaftlicher Aktivität,

– Nutzung modernster Konzepte der Ressourcenschonung wie Niedrigenergiehäuser,
energieeffizienter Verkehr, Fernwärme und Recyclingsysteme,

– Schutz und Entfaltung bestehender Gemeinden und des kulturellen Erbes.

Drucksache 15/4280 – 64 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anhang 3: Beispiele für Forschungs- und Demonstrationsvorhaben, die von der
Kommission zur Förderung von Nachhaltigkeit in Städtepolitik, Verkehr, Bau und

Stadtgestaltung finanziert wurden

Nachhaltige Städtepolitik

Im Rahmen des Projekts „Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe”, einer Leitaktion des
5. Forschungs-Rahmenprogramms84, wurden Instrumente entwickelt, die städtischen
Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dienen (so nutzt z.B. das Projekt ECOLUP85

EMAS in der Flächennutzungsplanung kommunaler Behörden), und es wurde institutionelle
und soziale Kapazität für städtische Nachhaltigkeit aufgebaut. Im Rahmen des Projekts
LASALA erfolgte eine umfassende Überprüfung der Initiative Lokale Agenda 21 in Europa,
und es wurde ein Instrument zur Selbstevaluierung entwickelt, das Behörden einsetzen
können, wenn sie über ihre Tätigkeit Rechenschaft ablegen. Das Projekt PASTILLE
untersucht, wie Umweltindikatoren möglichst wirksam genutzt werden sollten. Weiterhin
finanziert die Kommission ein Projekt zur gegenseitigen Prüfung von
Kommunalverwaltungen, die EMAS86 nutzen. Im Bereich der städtischen Abfallwirtschaft
entwickelt beispielsweise das Instrument SWA eine Methodik für die Analyse fester Abfälle,
die in einigen Städten in Mitglieds- und Beitrittsländern getestet wird, und das Projekt PAYT
(Pay As You Throw) analysiert die potentiellen Vor- und Nachteile einer unmittelbar am
Verursacherprinzip orientierten Abfallpolitik. INTEGAIRE ist ein thematisches Netz für
Luftqualitäts- und Stadtmanagement, dessen Ergebnisse in das Programm „Saubere Luft für
Europa" (CAFE) einfließen.

Nachhaltiger städtischer Nahverkehr

Um die Verbreitung vorbildlicher Verfahren in Europa zu fördern, leistet die Kommission den
Städten mit Vorreiterfunktion im Rahmen der Initiative CIVITAS87 finanzielle Unterstützung.
CIVITAS vereint und unterstützt eine erste Gruppe von 19 Städten, die ehrgeizige und
innovative Maßnahmen zur Verbesserung ihres Nahverkehrssystems einführen und
demonstrieren möchten. Eine zweite Gruppe von CIVITAS-Städten wird 2004 ausgewählt.
Die Webseite von ELTIS88 und verschiedene Schulungsprogramme89 dienen der Vertiefung
der Kenntnisse von Nahverkehrs-Sachverständigen. Die Benchmarking-Initiative für den
Stadtverkehr („Urban Transport Benchmarking“90) bietet Stadtverwaltungen ein Instrument
zur Bewertung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit ihrer Verkehrssysteme durch
Selbstevaluierung.

84 www.cordis.lu/eesd/ka4/home.html
85 www.ecolup.info
86 www.emascities.org
87 www.civitas-initiative.org
88 www.eltis.org
89 www.transport-training.org , www.eu-portal.net
90 www.eltis.org/benchmarking/

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65 – Drucksache 15/4280

Durch die Forschungsprogramme für Nachhaltige Mobilität und Intermodalität91 und für
Energie92 fördert die Kommission die Forschung und die Demonstration vorbildlicher
Verfahren. Neben der erwähnten Initiative CIVITAS wird u.a. das weltweit größte
Demonstrationsprojekt für Busse mit Brennstoffzellenantrieb (CUTE) gefördert. Die
Programme betreffen Themen wie die Verwirklichung von Gebührensystemen für die
Straßenbenutzung in Städten (PROGRESS), politische Grundlagen hochwertigen öffentlichen
Nahverkehrs (VOYAGER), sozioökonomische Auswirkungen von Investitionen in städtische
Verkehrssysteme (TRANSECON), politische Strategien für Güterverkehr in Städten
(BESTUFS), Strategien für das Mobilitätsmanagement (MOST) und das Herbeiführen von
Verhaltensänderungen (TAPESTRY).

Das Forschungsprogramm “Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe“ betrifft den
städtischen Nahverkehr und insbesondere dessen Beziehungen zu anderen Politikbereichen.
Auf diesem Gebiet laufende Projekte: die Entwicklung eines praktischen Instruments, das
Kommunalbehörden bei der Entwicklung und Beaufsichtigung einer Reihe von Studien zur
Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung unterstützt (MATISSE), Mobilitätsdienste wie Car-
Sharing, darunter die Inbetriebnahme des ersten osteuropäischen Systems in Bukarest
(MOSES), die Förderung der Fußgänger in städtischen Gebieten (PROMPT),
Informationsverbreitung zur Förderung des Radfahrens (VELOINFO) und Aufwertung von
Güterverkehrszentren (CITY FREIGHT).

Durch STEER, den verkehrsbezogenen Teil des neuen Programms „Intelligente Energie für
Europa“93 unterstützt die Kommission auch die Entwicklung und Verbreitung vorbildlicher
Verfahren, Informationen und Anleitungen zur Energieeffizienz im Nahverkehr.

Im Rahmen des IST-Programms (4. und 5. RP) hat die Kommission Forschungsprojekte zur
Entwicklung von Methoden zur Ermittlung der verkehrsbedingten Luftverschmutzung und
Lärmbelastung insbesondre in städtischen Gebieten kofinanziert. Durch die betreffenden
Projekte (z.B. ECOSIM, EFFECT, EMMA, HEAVEN, ADA, HARMONOISE) wurden
partielle oder vollständige Systeme zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen
einschließlich einzelner notwendiger Module wie Sensoren, Instrumente zur Datenerfassung,
–validierung und –aggregation sowie zur Modellierung von Luftqualitäts- und
Lärmbelastungsprognosen entwickelt. Andere Projekte betrafen die Notwendigkeit zur
Information der Bürger und zum Herbeiführen von Verhaltensänderungen in Abhängigkeit
von Luftqualitätsprognosen (z.B. APNEE, APNEE-TU).

91 europa.eu.int/comm/research/growth/gcc/ka02.html
92 europa.eu.int/comm/research/energy/nn/nn/_rt_en.html
93 europa.eu.int/comm/energy/intelligent/index_en.htm

Drucksache 15/4280 – 66 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Im Bereich der Sensibilisierung für nachhaltigen städtischen Verkehr hat die Kommission
2000 den jährlichen autofreien Tag („In die Stadt — ohne mein Auto“)94 initiiert. Die
Unterstützung für diese Initiative nimmt zu: 2000 waren 760 Städte beteiligt, 2001 bereits
1005 und 2002 nahmen 1148 Städte teil. 2002 organisierte die Kommission die Europäische
Woche der Mobilität, eine einwöchige Veranstaltung zur Sensibilisierung für verschiedene
Aspekte nachhaltiger Mobilität. Die Städte mit den besten Ergebnissen wurden prämiert. 2003
und 2004 fand bzw. findet im Rahmen dieser Woche ein Aktionstag für
Mobilitätsmanagement in Europa statt95. Die Kommission hat verschiedene Broschüren
veröffentlicht, z.B. „Vorfahrt für Kinder! Anregungen für eine kindgerechte Stadtplanung”
(2002) und „Fahrradfreundliche Städte: vorwärts im Sattel“ (1999)96.

Nachhaltiges städtisches Bauen

Die Entwicklung, Demonstration und Durchführung von Maßnahmen zur Steuerung des
Energiebedarfs in Gebäuden wird durch verschiedene Finanzierungsprogramme der
Gemeinschaft unterstützt. In den letzten Rahmenprogrammen für Forschung wurden
Untersuchungen zu ökologisch effizienten Gebäuden angestellt, die auf die Verringerung des
Energieverbrauchs in einzelnen Gebäuden und die Förderung der Selbstversorgung unter
Nutzung neuer und erneuerbarer Energiequellen ausgerichtet waren. Die Initiative
CONCERTO97 konzentriert sich auf die Integration von Selbstversorgungs- und
Bedarfssteuerungstechniken in größere Gebäudekomplexe.

Die starke Gewichtung der Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und
neuer Technologien wird erhebliche Verringerungen des CO2-Ausstoßes in kostenwirksamer
Weise ermöglichen. Das mit engerem Marktkontakt durchgeführte Programm “Intelligente
Energie für Europa“98 ist auf Nachbildung bewährter Lösungen in großem Maßstab
ausgerichtet, z.B. bei Nachrüstung und Neubau von Sozialwohnungen.

Im Rahmen des Programms “Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe“ werden die
Aspekte nachhaltigen Bauens intensiv untersucht. Mehrere Vorhaben stellen einen großen
Fortschritt bei der Ermittlung und Verbreitung nachhaltiger Bau- und Renovierungsverfahren
in Europa dar. Im Rahmen von PRESCO soll ein Europäischer Kodex für die Praxis des
nachhaltigen Bauens erarbeitet werden, und CRISP ist auf die Entwicklung und Validierung
harmonisierter Kriterien und Indikatoren zur Messung der Nachhaltigkeit von Bauprojekten
insbesondere in der städtischen bebauten Umwelt ausgerichtet. SUREURO befasst sich mit
der nachhaltigen Renovierung von Nachkriegsbauten in Europa und ist darauf ausgerichtet,
praktische Managementinstrumente zur Integration nachhaltiger Entwicklung und zur
Einbeziehung der Bewohner in diesen Prozess zu entwickeln. Der Gesamtenergiebedarf soll
um 10% verringert werden. Im Rahmen des Projekts RUFUS werden Methoden für die
Wiederverwendung von Fundamenten in städtischen Gebieten untersucht, um so die
Baukosten und die anfallenden Bauschuttmengen zu reduzieren, und das von
Sozialwohnungsorganisationen angeregte Projekt SHE soll den Bau von ca. 750 nachhaltigen
Wohnungen leiten. Im Rahmen des Projekts WAMBUCO wird ein Abfallhandbuch für das
Baugewerbe erarbeitet, das zur Ressourcenschonung und Effizienzverbesserung auf der

94 www.mobilityweek-europe.org/
95 www.emma-day.info
96 europa.eu.int/comm/environment/pubs/urban.htm
97 europa.eu.int/comm/dgs/energy_transport/rtd/concerto/index_en.htm
98 europa.eu.int/comm/energy/intelligent/index_en.htm

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 67 – Drucksache 15/4280

Baustelle beitragen soll. Nachhaltige Bautechniken und sind auch Gegenstand des
Aktionsplans der Kommission „Umwelttechnologie für eine nachhaltige Entwicklung“.

Nachhaltige Stadtgestaltung

Das Forschungsprogramm „Die Stadt von morgen und das kulturelle Erbe“ unterstützt
Forschungsprojekte zur Neubelebung von Stadtzentren und -vierteln (einschließlich
Sanierung und erneuter Nutzung kontaminierter Standorte und Industriebrachen), zur
Nachrüstung von Stadtgebieten (z.B. großen Wohnsiedlungen) mit nachhaltigkeitsfördernden
Technologien sowie über Möglichkeiten zur Eingrenzung der Zersiedelung der Landschaft,
insbesondere durch die Integration der Flächennutzungs- und Verkehrsplanung. Beispiele für
Vorhaben in diesem Bereich sind die Projekte ECOCITY (Analyse der Beziehungen
zwischen Flächennutzung und Verkehr), LUTR (Erarbeitung eines Leitfadens für
Entscheidungsträger über die Verwirklichung von Nachhaltigkeit in Flächennutzung und
Verkehr) sowie SCATTER (Untersuchung der Zersiedelung). Ziel des Projekts HQE²R ist die
Entwicklung einer Methodik, die Stadtverwaltungen beim Übergang zu nachhaltiger
städtischer Erneuerung und Entwicklung unterstützt. Im Rahmen einer Gruppe von fünf
Projekten sollen die unterschiedlichen Beiträge von Grünflächen auf die städtische
Nachhaltigkeit ermittelt und Instrumente für deren Bewirtschaftung und Planung in Städten
und Gemeinden entwickelt werden. Eine Reihe von Projekten befasst sich mit der Integration
des kulturellen Erbes in die Planung der städtischen Entwicklung. So sollen beispielsweise
durch das Projekt SUIT Verfahren für die Anwendung der SUP-Richtlinie und der UVP-
Richtlinie in Städten und Gemeinden mit bedeutendem kulturellem Erbe entwickelt werden.
Im Rahmen des Projekts UGIS wird untersucht, wie Programme für die städtische
Entwicklung die soziale Integration und bessere Verwaltungspraxis auf städtischer Ebene
fördern können. CABERNET99 ist eine konzertierte Aktion in 21 europäischen Ländern, die
darauf ausgerichtet ist, die Entwicklung neuer nachhaltiger Lösungen für die Sanierung und
erneute Nutzung von Industriebrachen zu fördern. Die Gemeinsame Forschungsstelle ist
ebenfalls auf diesem Gebiet tätig. Die Datenbank MOLAND100 erfasst ungefähr 40
Ballungsräume, wo die Flächennutzung beobachtet wird, um festzustellen, wie
Raumordnungspolitik mit demografischen Trends und Entwicklungen der Flächennutzung
korreliert. Daneben arbeitet die GFS an einem Rahmen für die Integration von Konzepten der
Flächennutzungsplanung und nachhaltiger Städtepolitik in ein System zur Unterstützung des
Entscheidungsprozesses für die Verhütung und Begrenzung der Auswirkungen
wetterbedingter Naturkatastrophen (Überflutungen, Waldbrände, Erdrutsche).

99 www.cabernet.org.uk
100 moland.jrc.it/

Drucksache 15/4280 – 68 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anhang 4: Definition des Begriffs „Nachhaltiger Verkehr“ durch den Rat der
Verkehrsminister

Der Rat (Verkehr) definierte im April 2001 ein nachhaltiges Verkehrssystem als ein System,
das

– die Abdeckung der grundlegenden Zugangserfordernisse und die Entwicklung von
Einzelpersonen, Firmen und Organisationen in sicherer und der menschlichen
Gesundheit sowie dem Ökosystem nicht abträglicher Weise ermöglicht und die
Gerechtigkeit innerhalb aufeinander folgender Generationen und zwischen ihnen
fördert;

– bezahlbar ist, effizient funktioniert, die Wahl des Verkehrsträgers ermöglicht, eine
wettbewerbsfähige Wirtschaft und eine ausgewogene Regionalentwicklung
unterstützt;

– das Aufkommen an Emissionen und Abfallstoffen auf ein Maß beschränkt, das für
das Ökosystem tragbar ist, erneuerbare Ressourcen maximal in dem Umfang nutzt, in
dem diese erzeugt werden, nicht erneuerbare Ressourcen maximal in dem Umfang
nutzt, in dem erneuerbare Ersatzstoffe entwickelt werden, und Flächenverbrauch und
Lärmentwicklung auf ein Minimum reduziert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 69 – Drucksache 15/4280

Anhang 5: Beispiele für den Einsatz von Strukturfonds- und Kohäsionsfondsmitteln für
die nachhaltige städtische Entwicklung

Eine U-Bahn für Athen

Dies war ein ehrgeiziges Projekt für eine Stadt mit 4 Mio. Einwohnern und eine der am
stärksten verschmutzten Metropolen Europas. In Athen verkehren ca. 1,4 Mio. Kfz; der
öffentliche Verkehr beschränkte sich auf eine S-Bahn-Linie und einen unzureichenden
Omnibusdienst. Kaum jemand nutzte noch den öffentlichen Nahverkehr. Mit Finanzhilfen der
Europäischen Union und günstigen Darlehen der Europäischen Investitionsbank konnten
jedoch Anfang 2000 zwei neue U-Bahn-Linien in Betrieb genommen werden. Dadurch wurde
die Anzahl der täglichen Fahrten mit Privatwagen um ca. 250 000 reduziert. So wurde ein
bedeutender Beitrag zu Verringerung von Zeit- und Energieverlusten sowie zur Verbesserung
der Lebensqualität der Einwohner, der Umweltqualität und des Images der Stadt insgesamt
geleistet.

Positive Auswirkungen auf die Beschäftigung: 4 500 Personen waren am Bau der jetzt
betriebenen Abschnitte beteiligt, 3 000 arbeiten derzeit an der Erweiterung, und die Behörde
für den Betrieb der neuen U-Bahn hat 800 dauerhafte Arbeitsplätze geschaffen.

Baupolitische Konzepte für Außenbezirke von Städten

Die massive Ansiedelung großer Einkaufszentren und Fabrikverkaufsstellen an den
Stadträndern hat negative Auswirkungen auf das Stadt/Region-Gleichgewicht und die
Umwelt. Sie leistet dem Niedergang der Stadtzentren, hohem Verkehrsaufkommen, der
fortschreitenden Bebauung von Naturgebieten und der Landschaftszerstörung Vorschub.
Diese Folgen können sich auch auf benachbarte Regionen und Staaten auswirken. Um diese
Entwicklung einzugrenzen und Kohärenz zu gewährleisten, müssen regionale baupolitische
Konzepte in grenznahen Gebieten koordiniert werden und sich in eine langfristige,
grenzübergreifende Planung einfügen.

Die Behörden von Nordrhein-Westfalen, der niederländischen Provinz Limburg, der
belgischen Regionen Wallonien und Flandern sowie eine deutsche NRO haben das Projekt
TRADE durchgeführt. Eine grenzüberschreitende Arbeitsgruppe, die den zur Bewertung der
Bauanträge für neue Einkaufszentren erforderlichen Sachverstand zusammen brachte, hat ein
Konsultationssystem eingerichtet und gemeinsame Arbeitsmethoden entwickelt. Sie verglich
die Erfahrungen der beteiligten Behörden und untersuchte die Folgen des Baus der
Einkaufszentren insbesondere in den Grenzgebieten. Schließlich legte sie Leitlinien fest, die
von allen beteiligten Behörden übernommen wurden. Gleichzeitig wurden Seminare (für
Geschäftsinhaber, Kommunalbehörden und andere Institutionen) organisiert, um die
Betroffenen zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Projekt TRADE
zu geben.

Die vier Regionen verfügen nun über gemeinsame Grundsätze und Kriterien, um zu
gewährleisten, dass der Bau von Einzelhandelszentren weder die lokalen und benachbarten
Stadtzentren noch die natürliche Umwelt beeinträchtigt. Die Vergabe von Baugenehmigungen
erfolgt auf der Grundlage dieser Leitlinien. Ein Bauprojekt, das den Bau von 7
Fabrikverkaufsstellen mit einer Gesamtfläche von 100 000 m² vorsah, wurde anhand der
festgelegten Grundsätze beurteilt, woraufhin lediglich zwei Verkaufsstellen mit geringerem
Flächenverbrauch gebaut wurden. TRADE wird als transnationales Pilotprojekt zur Schaffung
eines grenzübergreifenden Netzes für die Koordinierung der regionalen Baupolitik führen.

Drucksache 15/4280 – 70 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Dublin: Vorfahrt für Busse und Fahrräder

Die Dubliner Behörden haben mit Unterstützung der Europäischen Union eine Reihe
verknüpfter Systeme zur Verbesserung des Verkehrsflusses im Großraum Dublin in Betrieb
genommen. Ein Netz von Korridoren wird für einen hochwertigen Busverkehrsdienst
reserviert, es wurden Fußgängerzonen und 60 km Radwege eingerichtet, und die
Verkehrsregelung wurde auf Vorfahrt für Radfahrer ausgelegt. Außerdem wurden im
Stadtzentrum, an Bahnhöfen und Haltestellen sowie entlang den Haupteinfallsachsen in die
Stadt Fahrradparkplätze eingerichtet.

Palermo verbessert die lokale Umwelt durch Steigerung der Effizienz und
Zuverlässigkeit des öffentlichen Nahverkehrs

Ein im Zuge des Programms URBAN in Palermo durchgeführtes Projekt bezweckt die
Einführung neuer Technologien im Verkehr. Das Ergebnis ist ein als „Saturn“ (Satellite
Application for Transport in Urban Nodes) bezeichnetes, von geostationären Satelliten
gestütztes integriertes öffentliches Nahverkehrssystem. Es erfasst präzise die Position jedes
einzelnen Fahrzeugs auf der betreffenden Buslinie und zeigt mittels Displays an jeder
Haltestelle die genaue Ankunftszeit an. So sind die Nutzer über die Wartezeit informiert und
können entsprechend planen.

Neues Leben für Stettin durch saubereres Wasser

Das an der Oder gelegene Stettin (420 000 Einwohner) trägt erheblich zur Verschmutzung der
Ostsee bei. Derzeit verfügt die Stadt nur über eine einzige, mechanische Kläranlage. Nur 13%
des in Stettin anfallenden Abwassers wird aufbereitet. Auch die Trinkwasserqualität ist
schlecht und liegt deutlich unter den EU-Standards. Die Wasserversorgung von Stettin erfolgt
größtenteils durch eine Rohrleitung aus dem südöstlich der Stadt gelegenen Madü-See, ihrem
Haupttrinkwasserreservoir. Die Sickerverluste im Wasserversorgungssystem sind erheblich.
Im März 2000 hat die Stadt einen Gesamtplan zur Umsetzung eines ehrgeizigen
Investitionsprogramms, das zwei neue Wasseraufbereitungsanlagen zum Ausbau der
bestehenden Anlage vorsieht, und eines großen Programms zur Erweiterung und Sanierung
der Kanalisation fertig gestellt. Damit soll Stettin in die Lage versetzt werden, die EU-
Normen einzuhalten, insbesondere die Richtlinien über die Behandlung von kommunalem
Abwasser und über Trinkwasser.

Weitere Informationen über diese Projekte enthält folgende Webseite:
http://europa.eu.int/comm/regional_policy/projects/stories/index_de.cfm.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 71 – Drucksache 15/4280

Anhang 6: Die städtische Umwelt in der Umweltpolitik

Wasser: Die Emissionskontrolle beruht hauptsächlich auf der Richtlinie über die Behandlung
von kommunalem Abwasser101. Die Wasserrahmenrichtlinie102 geht hingegen über die
Emissionskontrolle hinaus und begründet die Verpflichtung zum Erreichen einer hohen
Qualität in allen Gewässern; durch diese Richtlinie wird eine umfassende Bewirtschaftung
von ganzen Einzugsgebieten eingeführt. Sie wirkt sich auf die städtischen Gebiete insofern
aus, als eine allgemein gute Gewässerqualität die Bereitstellung hochwertigen Trinkwassers
nach den Bestimmungen der Trinkwasserrichtlinie103 ebenso erleichtert wie die Erhaltung
einer hohen Qualität der Freizeit- und Badegewässer in Übereinstimmung mit der
Badegewässer-Richtlinie104.

Von weitaus größerer Bedeutung für Städte und Gemeinden ist jedoch die Bewirtschaftung
des Einzugsgebiets, die die Einbeziehung und Beteiligung der lokalen Behörden erfordert. Ein
großer Teil der Wasserwirtschafts-Infrastruktur gehört den Städten und Gemeinden oder wird
von ihnen verwaltet; sie verfügen über die Genehmigungs- und Besteuerungsbefugnisse,
wodurch die nachhaltige Wassernutzung erheblich verbessert werden kann.

Beispielsweise könnten die Förderung der Bodendurchlässigkeit in städtischen Gebieten und
die Trennung von Regenwasserableitung und Abwasserkanalisation zur
Grundwasserregenerierung beitragen, die Kosten der Abwasserbehandlung senken und
Gefahr von Überschwemmungen verringern. Die Kommunen könnten in das
Wasserversorgungssystem investieren bzw. dessen Renovation veranlassen, um derzeit hohe
Sickerverluste zu reduzieren. Sie könnten mit ihren Genehmigungsbefugnissen eine
nachhaltigere Wassernutzung in Haushalten und Industrie fördern, Zielwerte für den Pro-
Kopf-Verbrauch festlegen, allgemeine Bedarfssteuerung verfolgen und diese Maßnahmen
durch eine entsprechende Preis- bzw. Gebührenpolitik stützen.

Um mehr Städte zur Beteiligung an der Bewirtschaftung von Einzugsgebieten zu veranlassen,
könnten verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen werden. Die breite Verwirklichung der
Umweltmanagementsysteme für die Wassernutzung gemäß Abschnitt 2.1.3 würde die
allgemeine Grundlage für eine aktivere Beteiligung kleiner Städte schaffen, die in der
Wasserwirtschaft weiterhin ihre eigenen Ziele nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten
festlegen könnten. Zur Unterstützung dieses Prozesses wird die Kommission für die
Kommunalbehörden Leitlinien für nachhaltige Wasserwirtschaft und wirksame Beteiligung
an der Bewirtschaftung von Einzugsgebieten erstellen; ggf. könnte sie verbindliche und
stärker zielgerichtete Maßnahmen vorschlagen.

101 Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser,
ABl. L 135 vom 30.5.1991, S. 40.

102 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur
Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik,
ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1.

103 Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den
menschlichen Gebrauch, ABl. L 330 vom 5.12.1998, S. 32.

104 Richtlinie 76/10/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer,
ABl. L 31 vom 5.2.1976, S. 1.

Drucksache 15/4280 – 72 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Klimawandel und Energie: Eine Reihe von Städten, z.B. jene des Klimabündnisses und der
Energy-City-Netze, starten Initiativen zur Förderung des breiten Spektrums von Maßnahmen
im Europäischen Programm zur Klimaänderung (ECCP105). Die Kommission wird weiterhin
entsprechende Netze (s. Abschnitt 5.1) fördern. Deren aktiver Ansatz und ihre Beiträge
müssen allerdings Allgemeingut werden, und die in Abschnitt 2.1.3 vorgeschlagene generelle
Anwendung von Systemen der nachhaltigen Städtepolitik, die u.a. die gesamte
Energiewirtschaft und die Treibhausgasemissionen der betreffenden Stadt erfassen, ist
möglicherweise der kosteneffizienteste Weg, um dies zu erreichen. Dies würde für die Städte
und Gemeinden Anreize schaffen, sich für die Energienutzung und den Treibhausgasausstoß
auf ihrem Gebiet verantwortlich zu fühlen und eigene Ziele für ihren Beitrag auf diesem
Gebiet festzulegen.

Luft: Der allgemeine Rahmen für die Luftqualität wird durch die Richtlinie 96/92 geschaffen,
wodurch die Mitgliedstaaten u.a. verpflichtet werden, für städtische Gebiete und
Ballungsräume, in denen die Grenzwerte überschritten werden, detaillierte Aktionspläne zu
erstellen. Durch Einzelrichtlinien wurden Grenz- oder Zielwerte für die Emission von SO2,
Partikeln, CO, Benzol, NO2, NOx, Blei und troposphärischem Ozon (zuletzt auch
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle) festgesetzt, und für SO2,
NOx, flüchtige organische Verbindungen und Ammoniak wurden einzelstaatliche
Emissionsobergrenzen festgelegt. Durch verschiedene Richtlinien wurden Emissionsgrenzen
für unterschiedliche Fahrzeugklassen eingeführt und die Qualität von Treibstoffen geregelt (s.
Abschnitt 2.2.2), und die Richtlinie 99/13106 beschränkt die Emission von flüchtigen
organischen Verbindungen einer großen Reihe von Industrieanlagen.

Im Rahmen des laufenden Programms “Saubere Luft für Europa” (CAFE107) wird derzeit eine
umfassende Grundlage für die Ermittlung der Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung
und Gesundheitsauswirkungen, Ökosysystemen und kulturellem Erbe geschaffen, um die für
Mitte 2005 vorgesehene Fertigstellung der thematischen Strategie zur Luftverschmutzung
vorzubereiten. Ziel des Programms ist die Beschreibung der Maßnahmen, die in Europa auf
verschiedenen Ebenen notwendig sind, um ehrgeizige Ziele in Bezug auf den Schutz der
Umwelt und der menschlichen Gesundheit vor den negativen Folgen der Luftverschmutzung
zu erreichen. Insbesondere könnten neue Zielwerte für die Luftqualität und
Emissionsgrenzwerte bzw. -normen für Fahrzeuge und industrielle Verfahren ermittelt
werden. Diese eher technisch orientierten Lösungen können wirksam ergänzt werden durch
die Entwicklung von Maßnahmen, die zu einem nachhaltigeren Nahverkehr beitragen
(s. Abschnitt 2.2), und das Programm CAFE wird solchen Alternativen bei der Entwicklung
von Maßnahmen Rechnung tragen. Daneben werden im Rahmen des Programms die
Verbindungen zwischen der Außenluft- und der Innenluftqualität in städtischen Gebieten
untersucht, und die Anforderungen an die Berichterstattung über die Luftqualität werden
überprüft, um eine Konzentration auf städtische Gebiete zu ermöglichen.

105 KOM(2000) 88 endg.
106 Richtlinie 1999/13/EG des Rates vom 11. März 1999 über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger

organischer Verbindungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der
Verwendung organischer Lösungsmittel entstehen, ABl. L 85 vom 29.3.1999, S. 1.

107 KOM(2001) 245 endg.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 73 – Drucksache 15/4280

Lärm: Die Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm
verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Erstellung von „Lärmkarten” und zur Verabschiedung von
Aktionsplänen zur Lärmbekämpfung auf der sachgemäßen Verwaltungsebene, insbesondere
für große Ballungsräume (zunächst für solche mit über 250 000 Einwohner, später für
Agglomerationen mit über 100 000 Einwohner). Die Lärmkarten sind mittels gemeinsamer
Indikatoren zu erstellen, um unionsweit Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Natur und biologische Vielfalt: Die Durchführung der Vogelschutzrichtlinie108, der Habitat-
Richtlinie109 und der NATURA 2000-Netze betrifft zwar vorwiegend ländliche Gebiete, doch
findet sich auch im städtischen Raum eine Reihe geschützter Arten und Lebensräume, deren
Erhaltung mit spezifischen Problemen verbunden ist. Deshalb werden Leitlinien benötigt, um
die zuständigen Behörden, auch auf lokaler Ebene, bei der Gewährleistung eines
angemessenen Schutzes zu unterstützen. Im städtischen Raum, in den Parks, Gärten und
anderen Grünanlagen, sind erstaunlich viele Arten anzutreffen, und es besteht ein enormes
Potential für die Verstärkung und den Ausbau dieser biologischen Vielfalt in Stadtgebieten im
Interesse sowohl der betreffenden Arten als auch der Bürger. So haben einige Städte zum
Beispiel die Einrichtung von „grünen Korridoren“ zur Vernetzung von Biotopen in Städten
mit ihrem Hinterland aufgenommen, um so der Isolation natürlicher städtischer Populationen
entgegen zu wirken. Die Sensibilisierung der Stadtbevölkerung für Natur und biologische
Vielfalt ist ebenfalls eine wichtige Investition, die längerfristig viele positive Folgen zeitigen
wird. Der 2001 vorgestellte Aktionsplan zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Bereich
der Naturressourcen110 sah u.a. eine Reihe spezifischer Maßnahmen für städtische Gebiete
vor. Die Kommission wird dem Rat und dem Parlament 2004 über die Fortschritte bei der
Umsetzung des Plans Bericht erstatten und dabei die relativen Prioritäten der verschiednen
Maßnahmen erläutern. Die für Städte relevanten Gesichtspunkte werden in diesem Bericht
umfassende Berücksichtigung finden. Daneben wird die Kommission Indikatoren für die
biologische Vielfalt erarbeiten.

108 Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten,
ABl. L 103 vom 25.4.1979, S. 1.

109 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der
wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7.

110 KOM(2001) 132 endg.

Drucksache 15/4280 – 74 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Abfall: Da 80% der Bevölkerung in städtischen Gebieten leben, fällt ein entsprechender
Anteil der verschiedenen Abfallarten (feste Siedlungsabfälle, Klärschlamm, Industrieabfälle,
Bau- und Abbruchschutt) in Städten an und wird von den wichtigsten
Umweltschutzvorschriften im Abfallsektor erfasst. Hierzu gehören in erster Linie die
Abfallrahmenrichtlinie111, wodurch die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die
Abfallentsorgung ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu
bewerkstelligen, bestimmte Genehmigungs- und Inspektionsverfahren einzuhalten und
Abfallwirtschaftspläne aufzustellen, die Deponierichtlinie112, die Vorschriften zur sicheren
Deponierung und zur Verringerung der Menge deponierter Abfälle, insbesondere biologisch
abbaubarer Abfälle, enthält, die Richtlinie über Verpackungsabfälle113, worin Ziele für die
Wiederverwendung und stoffliche Verwertung festgesetzt werden, die Richtlinie über die
Abfallverbrennung114 mit Grenzwerten für Verbrennungsanlagen sowie die Richtlinien über
Altfahrzeuge115 und Altgeräte116, die Ziele für Rückgewinnung, Recycling und
Wiederverwendung sowie Rücknahmeverpflichtungen für Altfahrzeuge bzw. für Elektro- und
Elektronik-Altgeräte vorsehen.

Die thematische Strategie zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen und die thematische
Strategie zur nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung von Ressourcen bilden zusammen
eine Gesamtstrategie, die u.a. dazu beitragen wird, die Menge der anfallenden Abfälle zu
minimieren und deren Verwertung zu maximieren. Die „konzentrierte” Abfallerzeugung in
städtischen Gebieten erleichtert die getrennte Sammlung und Behandlung und ist mit
spezifischen Chancen und Herausforderungen verbunden, die eine besondere Konzentration
auf städtische Aspekte der Abfallwirtschaft rechtfertigen. Außerdem spielen
Kommunalbehörden eine zentrale Rolle bei der Abfallpolitik. Eine Reihe lokaler Initiativen
ist darauf ausgerichtet, die Beteiligung der Bevölkerung und kleinerer Unternehmen an
Abfallplanung, -vermeidung und –recycling zu fördern. Andere Aspekte der Abfallpolitik, die
die städtische Planung betreffen, sind die Standortwahl für Abfallsammlungs-,
-vorbehandlungs- und –endbehandlungsanlagen sowie umweltfreundliche Transportsysteme,
z.B. die Binnenschifffahrt. Solche Konzepte stehen in enger Verbindung zur Umsetzung von
LA 21-Initiativen. Die Kommission wird untersuchen, welche Rolle die Gemeinschaft
potentiell bei der Entwicklung dieser Initiativen spielen kann. Bei der Erarbeitung einer
künftigen Gemeinschaftspolitik zur Förderung des Recycling wird insbesondere der
städtischen Dimension der Bewirtschaftung bestimmter Abfallströme, z.B. Bau- und
Abbruchschutt, Rechnung getragen.

111 Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15.7.1975 über Abfälle, ABl. L 194 vom 25.7.1975, S. 39.
112 Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien,

ABl. L 182 vom 16.7.1999, S. 1.
113 Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über

Verpackungen und Verpackungsabfälle, ABl. L 365 vom 31.12.1994, S. 10.
114 Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Dezember 2000 über die

Verbrennung von Abfällen, ABl. L 332 vom 28.12.2000, S. 91.
115 Richtlinie 2000/53/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über

Altfahrzeuge, ABl. L 269 vom 21.10.2000, S. 34.
116 Richtlinie 2002/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 über

Elektro- und Elektronik-Altgeräte , ABl. L 332 vom 13.2.2003, S. 34.

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