BT-Drucksache 15/4082

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. bis 30. April 2004 in Straßburg

Vom 29. Oktober 2004


rischen Versammlung des Europarates fand vom 26. bis
30. April 2004 in Straßburg statt. Der deutschen Delega-
tion gehörten folgende Mitglieder an:
– Abg. Rudolf Bindig (SPD), Leiter der Delegation,
– Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU), stellvertretender

Leiter der Delegation,
– Abg. Ulrich Adam (CDU/CSU),
– Abg. Hubert Deittert (CDU/CSU),
– Abg. Herbert Frankenhauser (CDU/CSU),
– Abg. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/

CSU),
– Abg. Gerd Höfer (SPD),

Matuši als Vizepräsidenten der Parlamentarischen Ver-
sammlung gewählt.
Den Bericht des Ministerkomitees trug der amtierende
Vorsitzende des Ministerkomitees und Außenminister der
Niederlande, Bernard Bot, vor. Zu der Versammlung
sprachen außerdem der Präsident von Aserbaidschan,
Ilham Aliyev, der Präsident des Nationalrates von Mo-
naco, Stéphane Valéri, der Ministerpräsident von Kroa-
tien, Ivo Sanader, der Premierminister der Niederlande,
Jan Peter Balkenende, der Sprecher des Senats von Ka-
sachstan, Nurtay Abikayev, und der UN-Sondergesandte
für den Kosovo, Harri Holkeri.
An der Tagung nahmen Beobachter aus Israel, Kanada
und Mexiko sowie Parlamentarier aus dem seit 1997 vom
Deutscher Bundestag Drucksache 15/4082
15. Wahlperiode 29. 10. 2004

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom
26. bis 30. April 2004 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Seite

I. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
III. Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . 2
IV. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1. Entschließungen und Empfehlungen . . . . 5
2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier . . 26
3. Mitgliedsländer und Funktionsträger . . . . 30

I. Teilnehmer
Der zweite Teil der Sitzungsperiode 2004 der Parlamenta-

– Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP),
– Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD),
– Abg. Helmut Rauber (CDU/CSU),
– Abg. Walter Riester (SPD),
– Abg. Dr. Hermann Scheer (SPD),
– Abg. Bernd Siebert (CDU/CSU),
– Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD).
II. Zusammenfassung
Die Reden und Fragen der Mitglieder der Delegation der
Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung sowie die Beschlusstexte sind nachstehend
im Wortlaut abgedruckt.
Zu Beginn der Tagung wurden der bosnische Abgeord-
nete Elmir Jahíc und der kroatische Abgeordnete Frano
– Abg. Jelena Hoffmann (SPD),
– Abg. Joachim Hörster (CDU/CSU),
– Abg. Renate Jäger (SPD),
– Abg. Klaus Werner Jonas (SPD),
– Abg. Peter Letzgus (CDU/CSU),

Sondergaststatus suspendierten Belarus als Gäste teil.
In Dringlichkeitsdebatten beriet die Versammlung über
die aktuelle Lage im Kosovo, in Zypern und in Armenien.
Im Mittelpunkt der Debatte stand ein Bericht zum Thema
Sterbehilfe, dessen Beratung bereits mehrmals verscho-
ben worden war. Viel Aufmerksamkeit fanden auch die
Berichte zu verschwundenen Personen in Belarus und zur

Drucksache 15/4082 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Verfolgung der Presse in Belarus, die in einer verbunde-
nen Debatte diskutiert wurden. Ebenfalls diskutiert wurde
die Situation in europäischen Gefängnissen und Untersu-
chungshaftanstalten. Die Parlamentarische Versammlung
beriet ferner über den Entwurf des 14. Zusatzprotokolls
zur Europäischen Menschenrechtskonvention und über
den Entwurf eines Zusatzprotokolls zur Biomedizin-Kon-
vention betreffend die biomedizinische Forschung. Ferner
gab die Parlamentarische Versammlung eine Stellung-
nahme zur Aufnahme Monacos als 46. Mitgliedstaat des
Europarates ab und beriet über die Einhaltungen der
Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien.
Im ersten Wahlgang wurde die Richterin am Bundesver-
fassungsgericht, Renate Jaeger, als Richterin am Euro-
päischen Gerichtshof für Menschenrechte für Deutsch-
land gewählt. Die Amtszeit dauert sechs Jahre und endet
am 31. Oktober 2010. Ebenfalls im ersten Wahlgang wur-
den die Richter am Europäischen Gerichtshof für Men-
schenrechte für Belgien, Estland, Finnland, Frankreich,
Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Kroatien,
Liechtenstein, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Po-
len, Russland, Schweden und die Tschechische Republik
gewählt.
Die Beglaubigungsschreiben der Delegation von Serbien
und Montenegro wurden zu Beginn der Versammlung
von einer Anzahl von Abgeordneten angefochten. Hinter-
grund war die Zusammensetzung der Delegation, in der
zwei Parteien vertreten sind, deren Vorsitzende wegen
Kriegsverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof
für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag angeklagt
sind. Der zur Berichterstattung aufgeforderte Politische
Ausschuss kam ebenso wie der Ausschuss für Geschäfts-
ordnung und Immunitäten in seiner Stellungnahme zu
dem Schluss, dass eine Anfechtung der Beglaubigungs-
schreiben einzelner Delegationsmitglieder nach den be-
stehenden Regeln nicht möglich sei. Ein Ausschluss der
gesamten Delegation aber würde nach Ansicht des Aus-
schusses die in der Delegation vertretenen demokrati-
schen Kräfte Serbiens und Montenegros bestrafen. Die
Versammlung kam überein, die Geschäftsordnung so
schnell wie möglich zu ändern, sodass im begründeten
Einzelfall auch die Beglaubigungsschreiben einzelner
Mitglieder aus inhaltlichen Gründen angefochten werden
können (Entschließung 1370 (2004)).

III. Schwerpunkte der Beratungen
Nach der Eröffnung des zweiten Teils der Sitzungsperiode
der Parlamentarischen Versammlung durch ihren Prä-
sidenten Peter Schieder (Österreich) berichtete der Lei-
ter der deutschen Delegation, Abg. Rudolf Bindig (SPD),
über die Präsidentenwahlen in der Russischen Föderation,
an der er als Mitglied einer internationalen Wahlbeobach-
ter-Mission für die Versammlung teilgenommen hatte.
Die Wahlkampagne sei von geringer Intensität und in der
Öffentlichkeit kaum sichtbar gewesen. Problematisch sei
insbesondere die Rolle der nicht unparteiischen Medien
gewesen. Obwohl die russischen Behörden die Wahlen

des Abgeordneten Bindig ist insbesondere die angeblich
über 90 Prozent betragende Wahlbeteiligung im Nordkau-
kasus auffällig.
In einer Dringlichkeitsdebatte äußerten sich die Par-
lamentarier verschiedener politischer Gruppen über die
aktuelle Lage im Kosovo. Anlass war die Mitte März
2004 erneut ausgebrochene ethnische Gewalt im Kosovo,
die mindestens 19 Tote und über 900 Verwundete verur-
sachte. Im Rahmen dieser Debatte trat auch der Sonder-
beauftragte des VN-Generalsekretärs im Kosovo, Harri
Holkeri, als Redner auf und unterstrich, welchen großen
Rückschritt dieser erneute Ausbruch von Gewalt für die
Stabilität und die Entwicklung des Kosovo bedeute. Er
hob die besondere Rolle des Europarates bei der Reform
der kommunalen Selbstverwaltung hervor und lobte das
Projekt zur Stärkung einer unabhängigen Presse. Ferner
bat er den Europarat, wie bereits zu den letzten drei Wah-
len, zur nächsten Wahl im Oktober 2004 Wahlbeobachter
in den Kosovo zu entsenden. Die Versammlung empfahl
dem Ministerkomitee des Europarates, der Aufforderung
der Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen im Ko-
sovo (UNMIK) nachzukommen und die Zuständigkeit für
die internationale Beobachtung der im Oktober stattfin-
denden Parlamentswahlen im Kosovo zu übernehmen.
Ferner forderte die Versammlung UNMIK auf, gemein-
sam mit der internationalen Sicherheitskraft (KFOR)
volle Verantwortung zu übernehmen, um die Sicherheit
aller ethnischen Gruppen und die Freizügigkeit sowie den
Schutz des Kulturgutes sicherzustellen (Entschließung
1375 (2004) und Empfehlung 1660 (2004)).
Die Dringlichkeitsdebatte über Armenien fand vor
dem Hintergrund der seit Ende März 2004 von den Oppo-
sitionskräften in Armenien abgehaltenen und zum Teil
gewaltsam beendeten Proteste statt, in denen sie ein
Vertrauensreferendum und den Rücktritt von Präsident
Kotscharjan forderten. In der Januarsitzung der Ver-
sammlung war bereits der regulär vom Monitoringaus-
schuss vorgelegte Bericht zur Einhaltung der Pflichten
und Verpflichtungen durch Armenien diskutiert worden
mit dem Ergebnis, dass die besondere Überwachung fort-
gesetzt wurde. Armenien sollte nach dem Willen der Ver-
sammlung insbesondere beweisen, dass das Land die
nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen unter
Einhaltung der internationalen demokratischen Standards
organisieren kann. Die jetzigen Vorkommnisse stehen
nach Aussage der Versammlung im Widerspruch zu den
Empfehlungen, die in der im Januar verabschiedeten Ent-
schließung gegeben wurden. Die Versammlung fordert
daher die armenischen Behörden auf, friedliche Demons-
trationen zuzulassen, unverzüglich die Vorfälle und Men-
schenrechtsverletzungen zu untersuchen, die während der
jüngsten Ereignisse berichtet wurden und die Personen
freizulassen, die wegen ihrer Beteiligung an Demonstra-
tionen festgenommen wurden (Entschließung 1374
(2004)).
In einer weiteren Dringlichkeitsdebatte zu Zypern erör-
terten die Abgeordneten, wie die Versammlung auf die
professionell organisiert haben, sei es dennoch am Wahl-
tag zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Nach Meinung

fehlgeschlagenen Bemühungen der Staatengemeinschaft,
die Teilung von Zypern zu beenden und den beiden

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4082

zypriotischen Gemeinschaften gemeinsam die Möglich-
keit zu geben, der Europäischen Union am 1. Mai 2004
beizutreten, reagieren sollte. Die Versammlung hält es für
unfair, dass der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft,
trotz eines klaren Votums für ein vereintes und europäi-
sches Zypern, weiterhin eine Beteiligung an der europäi-
schen politischen Debatte vorenthalten wird. Sie be-
schloss daher, die gewählten Vertreter der türkisch-
zypriotischen Gemeinschaft enger in die Arbeit der Ver-
sammlung und deren Ausschüsse einzubeziehen (Ent-
schließung 1376 (2004)).
Äußerst kontrovers verliefen die Diskussionen über den
Bericht des Schweizer Abgeordneten Dick Marty zur
Sterbehilfe. 1999 hatte die Parlamentarische Versamm-
lung eine Empfehlung ausgesprochen, in der aktive Ster-
behilfe vollständig abgelehnt wird. Nachdem inzwischen
die Niederlande und Belgien ihre Gesetze geändert haben
und aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen nicht
länger strafrechtlich verfolgen, beschloss der federfüh-
rende Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und
Familie das Thema erneut zur Debatte zu stellen. Viele
der Delegierten, die sich zu Wort meldeten, lehnten den
Berichtsentwurf als zu weit gehend ab. Der deutsche
Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) begrüßte zwar, dass
der Berichterstatter eine breite europäische Diskussion zu
dem Thema fordert, lehnte aber eine Legalisierung der
Sterbehilfe unter Verweis auf die nicht hinnehmbare Pra-
xis in den Niederlanden und der Schweiz ab. Auch der
deutsche Abg. Helmut Rauber (CDU/CSU) lehnte im
Namen seiner Fraktion die aktive Sterbehilfe als gezielte
Tötung und als ethisch nicht vertretbar ab. Er forderte,
sich mehr Gedanken zu machen, wie Patienten geholfen
werden könnte, die unter unerträglichen Schmerzen lei-
den und wie ein menschenwürdiges Sterben gewährt wer-
den könne. Wie bereits im Vorfeld der Debatte vereinbart,
wurde der Bericht ohne eine Abstimmung an den feder-
führenden Ausschuss zur erneuten Bearbeitung zurück
überwiesen.
Im Rahmen der verbundenen Debatte über die Verfol-
gung der Presse in der Republik Belarus und die ver-
schwundenen Personen in Belarus erhielt jeweils ein
Mitglied der Regierungsfraktion des Nationalrates von
Belarus und der außerparlamentarischen Opposition des
Landes Rederecht. Der Sondergaststatus von Belarus bei
der Parlamentarischen Versammlung ist seit dem 13. Ja-
nuar 1997 suspendiert. Das Präsidium der Versammlung
lehnte im Januar 2004 den Antrag auf eine erneute Ertei-
lung des Sondergaststatus für das belarussische Parlament
ab. In ihren Entschließungen sprach sich die Parlamenta-
rische Versammlung – neben der Kritik an der Verfolgung
der Presse und den mangelnden Bemühungen der Aufklä-
rung der Fälle von Verschwundenen – dafür aus, die Aus-
setzung des besonderen Gästestatus erst dann wieder zu
prüfen, wenn wesentliche Fortschritte im Hinblick auf die
Forderungen der Versammlung gemacht wurden (Ent-
schließungen 1371, 1372 (2004) und Empfehlungen
1657, 1658 (2004)).

abgebrochen habe, sondern dass das Regime in Belarus
selber die Aufkündigung der Kontakte zu verantworten
habe. Die Versammlung werde jedoch bemüht sein, mit
allen vorhandenen Möglichkeiten die oppositionellen und
demokratischen Kräfte in Weißrussland zu unterstützen.
Die Parlamentarische Versammlung gab ihre Stellung-
nahme zum Protokollentwurf Nr. 14 (2004) der Kon-
vention zum Schutz der Menschenrechte und Grund-
freiheiten über die Reform des Kontrollsystems der
Konvention ab. Der Protokollentwurf sieht eine Reform
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) vor, da die Zahl der neu eingereichten Be-
schwerden derzeit jährlich um ca. 10 Prozent zunimmt.
Bezweckt ist eine Verfahrensvereinfachung und die Ent-
lastung der Kammern des EGMR, um den Spielraum des
Gerichthofs in Bewältigung seiner Arbeitsbelastung zu
erhöhen. Als problematisch wurde von der Versammlung
die Einführung eines neuen Zulässigkeitskriteriums gese-
hen, welches das individuelle Beschwerderecht vor dem
Gerichtshof gefährden könnte.
Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU) begrüßte in seiner
Funktion als Vorsitzender des Ausschusses für Recht und
Menschenrechte die Arbeit des Berichterstatters seines
Ausschusses und sprach seine Hoffnung für eine schnelle
Annahme des Zusatzprotokolls aus, um eine Entlastung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu er-
reichen.
Die Parlamentarische Versammlung gab ebenfalls ihre
Stellungnahme zum Antrag des Fürstentums Monaco
auf Mitgliedschaft im Europarat ab. Das Fürstentum
Monaco beantragte die Mitgliedschaft im Europarat am
15. Oktober 1998, woraufhin zwei hoch angesehene Ju-
risten die Übereinstimmung der Rechtsordnung in Monaco
mit den grundlegenden Prinzipien des Europarates über-
prüften. Nachdem in den letzten Jahren diverse Verfas-
sungs- und Gesetzesänderungen von Monaco als Reak-
tion auf die Empfehlungen der Juristen durchgeführt
wurden, empfahl die Versammlung nun dem Ministerko-
mitee, Monaco einzuladen, Mitglied des Europarates zu
werden. Voraussetzung sei, dass Monaco und Frankreich
in ihren laufenden Beratungen zu einer Überarbeitung der
Konvention von 1930 finden würden und die Möglichkeit
für eine Umsetzung des Grundsatzes der Nichtdiskrimi-
nierung in naher Zukunft eröffnet sei. Nach den derzeiti-
gen Bestimmungen dürfen nämlich monegassische
Staatsbürger noch nicht auf höhere Stellen in der mone-
gassischen Regierung und im Staatsdienst ernannt wer-
den; dies ist französischen Staatsangehörigen vorbehal-
ten. Der als Gastredner auftretende Präsident des
Nationalrates von Monaco, Stéphane Valéri, sprach
seine Hoffnung aus, dass Monaco bald als 46. Mitglied-
staat des Europarates willkommen geheißen wird und
versprach, die noch offenen Fragen so schnell wie mög-
lich im Sinne der Versammlung zu lösen.
Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU) sprach sich in der
Debatte zur Situation in europäischen Gefängnissen
Der deutsche Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU) stellte
klar, dass nicht die Versammlung die Brücken zu Belarus

und Untersuchungshaftanstalten dafür aus, eine „Euro-
päische Gefängnischarta“ mit Mindeststandards und

Drucksache 15/4082 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

deren Durchsetzung zu erarbeiten. Als Gastredner plä-
dierte der Abgeordnete des Europäischen Parlaments,
Maurizio Turco, Berichterstatter für den Ausschuss für
die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere
Angelegenheiten, für eine enge Kooperation des Europäi-
schen Parlaments mit dem Europarat. Hinsichtlich der Er-

arbeitung einer Charta hielt er allerdings den Europarat
für kompetenter. Die Versammlung verabschiedete eine
entsprechende Empfehlung an das Ministerkomitee, eine
europäische Gefängnischarta in Zusammenarbeit mit der
Europäischen Union auszuarbeiten (Empfehlung 1656
(2004)).

Rudolf Bindig, MdB Eduard Lintner, MdB
Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter der Delegation

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4082

IV. Anlagen
1. Entschließungen und Empfehlungen

Nummer Beschreibung Seite
Entschließung 1370 (2004) Die angefochtenen Beglaubigungsschreiben der parlamentarischen

Delegation von Serbien und Montenegro 6
Entschließung 1371 (2004) Verschwundene Personen in Belarus 6
Entschließung 1372 (2004) Die strafrechtliche Verfolgung der Presse in der Republik Belarus 8
Entschließung 1373 (2004) Die Stärkung der Vereinten Nationen 11
Entschließung 1374 (2004) Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Armenien 13
Entschließung 1375 (2004) Die Lage im Kosovo 15
Entschließung 1376 (2004) Zypern 17
Entschließung 1377 (2004) Die Einhaltung der Pflichten und Verpflichtungen durch Albanien 17
Empfehlung 1655 (2004) Eine europäische Beobachtungsstelle für Migration 20
Empfehlung 1656 (2004) Die Situation in europäischen Gefängnissen und Untersuchungs-

haftanstalten 21
Empfehlung 1657 (2004) Verschwundene Personen in Belarus 22
Empfehlung 1658 (2004) Die strafrechtliche Verfolgung der Presse in der Republik Belarus 23
Empfehlung 1659 (2004) Die Stärkung der Vereinten Nationen 23
Empfehlung 1660 (2004) Die Lage im Kosovo 24
Empfehlung 1661 (2004) Die Zukunft der sozialen Sicherheit in Europa 24

Drucksache 15/4082 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

En t s c h l i e ß u n g 1 3 7 0 ( 2 0 0 4 ) *

Die angefochtenen Beglaubigungsschreiben
der parlamentarischen Delegation von

Serbien und Montenegro
1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates

nimmt Bezug auf Artikel 8.2. a ihrer Geschäftsord-
nung, der eine Anfechtung der Beglaubigungsschrei-
ben einer nationalen Delegation aufgrund einer
schwerwiegenden Verletzung der Grundprinzipien
des Europarates, erwähnt in Artikel 3 und in der Prä-
ambel des Statuts des Europarates, zulässt.**

2. Die Versammlung stimmt der Erklärung ihres Präsi-
denten in Bezug auf die jüngsten Wahlen in Serbien
zu und ist der Auffassung, dass Herr Slobodan
Milosevic, Herr Vojislav Seselj und Herr Nebojsa
Pavkovic, die alle insgesamt schwerwiegender Ver-
letzungen des humanitären Völkerrechtes vor dem
Internationalen Kriegsgericht für das ehemalige
Jugoslawien angeklagt sind, trotzdem jedoch noch
Spitzenkandidaten ihrer jeweiligen politischen Par-
teien sind, die politische und moralische Verantwor-
tung für die entsetzlichen interethnischen Kriege im
ehemaligen Jugoslawien tragen. Die Versammlung
bedauert zutiefst, dass diese politischen Parteien sich
nicht von den schrecklichen Kriegsverbrechen, die
während der interethnischen Kriege begangen wur-
den, distanziert haben.

3. Unter Bezugnahme auf ihre Entschließung 1344
(2003) über die von extremistischen Parteien und
Bewegungen in Europa ausgehende Gefahr für die
Demokratie hält die Versammlung es für notwen-
dig, die Möglichkeit zu haben, sich mit extremis-
tischen Parteien und einzelnen Mitgliedern dieser
Parteien zu befassen, wenn sie von nationalen Dele-
gationen in der Versammlung als Mitglieder ernannt
werden.

4. Die Versammlung nimmt mit Bedauern zur Kenntnis,
das es Artikel 8 und 9 in ihrem derzeitigen Wortlaut
nicht ermöglichen, die Beglaubigungsschreiben ein-
zelner Mitglieder einer nationalen Delegation aus
wesentlichen Gründen anzufechten, z. B. wegen ei-
ner schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden
Prinzipien des Europarates durch eines oder mehrere
Mitglieder einer Delegation.

5. Die Versammlung beschließt, ihre Geschäftsordnung
schnellstmöglich in einer Art und Weise anzuglei-
chen, die es ermöglicht, die Beglaubigungsschreiben
einzelner Mitglieder aus wesentlichen Gründen anzu-
fechten, damit die demokratischen Kräften in einer
bestimmten Delegation nicht unter Einschränkungen
von Beglaubigungsschreiben leiden.

6. Die Versammlung hält es für unangebracht, die Be-
glaubigungsschreiben der gesamten Delegation von
Serbien und Montenegro aufgrund einzelner Mitglie-
der dieser Delegation nicht zu ratifizieren. Ein derar-
tiger Beschluss würde die demokratischen Kräfte in
Serbien und Montenegro, die in ihrer nationalen De-
legation vertreten sind, bestrafen und in die Hände je-
ner Politiker spielen, die nicht die grundlegenden
Prinzipien des Europarates respektieren.

7. Daher bleibt der Versammlung nicht anderes übrig,
als die Beglaubigungsschreiben der Parlamentari-
schen Delegation von Serbien und Montenegro zu
bestätigen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 1 ( 2 0 0 4 ) ***

Verschwundene Personen in Belarus
1. Die Parlamentarische Versammlung ist seit mehr als

zwei Jahren besorgt über das Verschwinden von Juri
Sacharenko, dem früheren Innenminister (ver-
schwunden am 7. Mai 1999), Wiktor Gontschar, dem
ehemaligen stellvertretenden Parlamentspräsidenten
von Belarus (verschwunden am 16. September
1999), Anatoly Krasowski, Geschäftsmann (ver-
schwunden zusammen mit Herrn Gontschar), und
Dimitri Sawadski, Kameramann des russischen Fern-
sehkanals ORT (verschwunden am 7. Juli 2000).

2. Mit den in der Öffentlichkeit erhobenen Anschuldi-
gungen, dass das Verschwinden dieser Personen ei-
nen politischen Hintergrund habe, befassten sich ein
im September 2002 eingesetzter Ad-hoc-Unteraus-
schuss des Ausschusses für Recht und Menschen-
rechte sowie ein Entschließungsantrag im April
2003. Die Versammlung spricht dem Ad-hoc-Unter-
ausschuss und dem Berichterstatter ihre Anerken-
nung aus für eine sorgfältige unter schwierigen Um-
ständen geleistete Arbeit.

* Debatte der Versammlung am 27. April 2004 (11. Sitzung) (Siehe
Dok. 10155, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Jakč). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 27. April
2004 (11. Sitzung).

** Artikel 3 der Satzung des Europarates lautet wie folgt:
„Jedes Mitglied des Europarates erkennt den Grundsatz der Vorherr-
schaft des Rechts und den Grundsatz an, dass jeder, der seiner Ho-
heitsgewalt unterliegt, der Menschenrechte und Grundfreiheiten teil-
haftig werden soll. Es verpflichtet sich, bei der Erfüllung der in
Kapitel I bestimmten Aufgaben aufrichtig und tatkräftig mitzuarbei-
ten.“ Die Präambel bezieht sich auf Grundprinzipien in den folgen-
den Absätzen: „In der Überzeugung, dass die Festigung des Friedens
auf den Grundlagen der Gerechtigkeit und internationalen Zusam-
menarbeit für den Erhalt der menschlichen Gesellschaft und der
Zivilisation von lebenswichtigem Interesse ist; in unerschütterlicher
Verbundenheit mit den geistigen und sittlichen Werten, die das ge-
meinsame Erbe ihrer Völker sind und der persönlichen Freiheit, der
politischen Freiheit und der Herrschaft des Rechtes zugrunde liegen,
auf denen jede wahre Demokratie beruht; in der Überzeugung, dass
zum Schutze und zur fortschreitenden Verwirklichung dieses Ideals
und zur Förderung des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts zwi-

*** Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe
Dok. 10062, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
schen den europäischen Ländern, die von demselben Geist beseelt
sind, eine engere Verbindung hergestellt werden muss.“

te, Berichterstatter: Herr Pourgourides). Von der Versammlung ver-
abschiedeter Text am 28. April 2004 (12. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4082

3. Die belarussischen Behörden lehnten es ab, dem
Ad-hoc-Unterausschuss einen Besuch in Minsk zu
gestatten zur Zusammenkunft mit Personen, die nicht
nach Straßburg kommen konnten oder wollten und
sagten eine zweite vom Berichterstatter erbetene Ver-
anstaltungsrunde ab, nachdem sie von seinen vorläu-
figen Schlussfolgerungen dadurch Kenntnis erlangt
hatten, dass sie die vertraulichen Mitteilungen zwi-
schen dem Sekretariat und seinen Kontakten in
Minsk abgefangen hatten. Die Versammlung protes-
tiert entschieden, insbesondere gegen die Weigerung
der belarussischen Behörden, Herrn S. Kowalev und
den Ad-hoc-Unterausschuss unter seinem Vorsitz
einzuladen.

4. Die Versammlung äußert Respekt vor jenen offiziel-
len Vertretern und Menschenrechtsaktivisten in Bela-
rus, die ihre Karriere opferten und Gefahren in Kauf
nahmen und dabei sogar ihre persönliche Sicherheit
aufs Spiel setzten, um die Wahrheit herauszufinden.

5. Sie dankt jenen Ländern, die mehreren dieser offi-
ziellen Vertreter Schutz und Asyl gewährten, insbe-
sondere der Russischen Föderation, den Vereinigten
Staaten von Amerika, Deutschland und Norwegen,
und ergreift die Gelegenheit, um auf die Bedeutung
des Bestehens konkreter Möglichkeiten des politi-
schen Asyls hinzuweisen als letzter Möglichkeit zum
Schutze derjenigen, die die Menschenrechte und die
Demokratie verteidigen.

6. Die Versammlung verweist auf Artikel 1 der Erklä-
rung der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1992 über
den Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlas-
sen, der Folgendes besagt: „Jedes Verschwindenlas-
sen ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Es
wird verurteilt als Verneinung der Ziele der Charta
der Vereinten Nationen und als schwere und offen-
kundige Verletzung der Menschenrechte und Grund-
freiheiten, die in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte verkündet und in den internationa-
len Übereinkünften auf diesem Gebiet bekräftigt und
weiterentwickelt werden“ und auf Artikel 13 der Er-
klärung, in der gefordert wird, die Untersuchung so-
lange durchzuführen, „wie das Schicksal des Opfers
des Verschwindenlassens nicht geklärt ist“.

7. Sie stellt fest, dass die VN-Menschenrechtskommis-
sion in ihrer am 17. April 2003 verabschiedeten
Resolution 2003/14 die Regierung von Belarus nach-
drücklich aufgefordert hat,
a) Strafvollzugsbeamte, die verwickelt sind in Fälle

von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher
Hinrichtungen, zu entlassen oder bis zu einer un-
parteiischen, glaubwürdigen und umfassenden
Untersuchung dieser Fälle vom Dienst zu sus-
pendieren;

b) sicherzustellen, dass alle erforderlichen Maßnah-
men ergriffen werden und alle Fälle von Ver-
schwindenlassen, außergerichtlicher Hinrich-

die Verantwortlichen vor ein unabhängiges Ge-
richt gebracht werden und, falls sie für schuldig
befunden werden, eine Strafe erhalten, die im
Einklang mit den internationalen Pflichten von
Belarus im Bereich der Menschenrechte steht.

8. Die Versammlung hält es für einen unzulässigen Inte-
ressenkonflikt, wenn eine Person, die der Urheber-
schaft schwerwiegender Verbrechen beschuldigt
wurde, anschließend in ihrer Funktion als General-
staatsanwalt mit der offiziellen Untersuchung eben
dieser Verbrechen beauftragt wird. Unter diesen Um-
ständen verurteilt die Versammlung diese Ernennung
auf das Schärfste.

9. Auf der Grundlage solider Ergebnisse der Arbeit des
Berichterstatters, bei denen es galt, normale Gerüchte
von durch Beweisen untermauerten oder durch be-
gründete Schlussfolgerungen belegten Fakten zu
trennen, kommt die Versammlung zu dem Schluss,
dass die zuständigen belarussischen Behörden keine
sachgemäße Untersuchung des Verschwindenlassens
durchgeführt haben. Im Gegenteil, die vom Bericht-
erstatter zusammengetragenen Erkenntnisse legen
den Schluss nahe, dass auf allerhöchster staatlicher
Ebene Maßnahmen ergriffen wurden, um die wirkli-
chen Hintergründe dieses Verschwindenlassens zu
verschleiern und lassen vermuten, dass höchste
Staatsvertreter persönlich in dieses Verschwindenlas-
sen involviert sind.

10. Die Versammlung fordert daher die belarussischen
Regierungsstellen auf,
i. nach der Entlassung des derzeitigen General-

staatsanwaltes, Herrn Sheyman, der beschuldigt
wurde, in seinen vorherigen Funktionen Draht-
zieher dieser Fälle von Verschwindenlassen ge-
wesen zu sein, die zuständigen staatlichen Be-
hörden anzuweisen, eine wirklich unabhängige
Untersuchung über die zuvor erwähnten Fälle
von Verschwindenlassen einzuleiten und die Fa-
milien der vermissten Personen umfassend über
den Fortschritt und die Ergebnisse dieser Unter-
suchung zu informieren. Der Europarat ist bereit,
jede nur mögliche Unterstützung bei einer sol-
chen Untersuchung anzubieten;

ii. eine strafrechtliche Untersuchung einzuleiten mit
dem Ziel der Untersuchung und ggf. Bestrafung:
a) der mutmaßlichen Beteiligung des derzei-

tigen Generalstaatsanwaltes, Herrn
Scheyman, des derzeitigen Sportministers
(früheren Innenministers), Herrn Siwakow,
und eines hochrangigen Offiziers der Son-
derstreitkräfte, Herrn Pavlitchenko, an die-
sen Fällen von Verschwindenlassen und

b) des möglichen Straftatbestandes der Behin-
derung der Gerichtstätigkeit, begangen
durch bestimmte andere hochrangige Funk-
tung und Folter Gegenstand einer umfassenden
und unparteiischen Untersuchung sind und dass

tionäre, die an den bislang durchgeführten
Untersuchungen beteiligt waren und welche

Drucksache 15/4082 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

die in ihrem Besitz befindlichen Beweise ge-
fälscht, unterschlagen oder vernichtet haben,
um die wahren Urheber jener Verbrechen zu
schützen.

11. Die Versammlung fordert das belarussische Parla-
ment ferner auf,
i. einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss

einzusetzen, der mit den notwendigen Ressour-
cen für eine Untersuchung ausgestattet wird;

ii. die erforderlichen Maßnahmen gegenüber der
Exekutive zu ergreifen, um sicherzustellen, dass
die in Absatz 10 geforderten Maßnahmen umge-
setzt werden, einschließlich der Forderung nach
Entlassung bestimmter hochrangiger offizieller
Vertreter, die beschuldigt werden, an diesem Ver-
schwindenlassen beteiligt zu sein, um eine wirk-
lich unabhängige Untersuchung zu ermöglichen.

12. Solange keine wesentlichen Fortschritte in Bezug auf
die Forderungen der Versammlung in den Absätzen 10
und 11 gemacht werden, hält die Versammlung es für
unzweckmäßig, die Aussetzung des besonderen
Gaststatus für das belarussische Parlament, wie vom
Präsidium am 13. Januar 1997 beschlossen, erneut zu
prüfen. Solange keine wirklichen Fortschritte in Be-
zug auf Absatz 11 oben erfolgen, hält die Versamm-
lung die Präsenz – selbst eine informelle Präsenz –
belarussischer Parlamentarier während ihrer Tagun-
gen für unzweckmäßig.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 2 ( 2 0 0 4 ) *

Die strafrechtliche Verfolgung der Presse
in der Republik Belarus

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates
verweist darauf, dass eine Mitgliedschaft im Europa-
rat voraussetzt, dass sich ein Staat verpflichtet, nach
verstärkter europäischer Einheit auf der Grundlage
der gemeinsamen Werte zu streben, die von der Fa-
milie der demokratischen Staaten in Europa geteilt
werden und in der Europäischen Menschenrechts-
konvention und den anderen Übereinkommen und
Empfehlungen des Europarates verankert sind. Die
Behörden eines jeden Beitrittskandidaten müssen da-
her ihre Bereitschaft und Fähigkeit zeigen, diese
Werte und Normen zu befolgen. Eines der grundle-
genden demokratischen von der Europäischen Men-
schenrechtskonvention garantierten Rechte ist das
Recht auf freie Meinungsäußerung und Medienfrei-
heit.

2. Die Versammlung begrüßt den vom belarussischen
Parlament geäußerten Wunsch, den Sondergaststatus
bei der Parlamentarischen Versammlung wieder auf-
zunehmen sowie den Wunsch, dem Europarat beizu-
treten. Die Versammlung muss jedoch zu ihrem Be-
dauern feststellen, dass weder das Parlament noch die
übrigen staatlichen Behörden von Belarus seit der
Aufsetzung des Sondergaststatus des Parlaments von
Belarus im Januar 1997 wegen der Auflösung des
Parlaments durch ein Referendum von Präsident
Lukaschenko und die anschließende nicht demokrati-
sche Bildung eines neuen Parlaments Fortschritte in
Richtung auf eine demokratische Entwicklung erzielt
haben. Das Präsidium der Versammlung lehnte daher
im Januar 2004 den Antrag auf eine erneute Erteilung
des Sondergaststatus für das belarussische Parlament
ab.

3. Die Versammlung erinnert daran, dass freie Mei-
nungsäußerung und Pressefreiheit eine der wesent-
lichen Grundlagen jeder demokratischen Gesellschaft
und eine der grundlegenden Voraussetzungen für ih-
ren Fortschritt und die Entwicklung eines jeden Men-
schen sind, wie der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte durchgängig in seinen Urteilen fest-
gestellt hat. Wo den Menschen Informationen auf-
grund staatlicher Zensur vorenthalten werden und wo
Staatspropaganda herrscht, kann wahre Demokratie
niemals bestehen.

4. Die Versammlung ist immer noch entsetzt über die
Tatsache, dass das Verschwinden des Journalisten
Dmitri Zawadski vor mehr als drei Jahren und seine
mutmaßliche außergerichtliche Exekution nicht ord-
nungsgemäß und wirklich untersucht wurden. Die
Verurteilung von vier Männern wegen der Entfüh-
rung von Herrn Zawadski kann aus verschiedenen
Gründen nicht als wirkliche Untersuchung bezeich-
net werden. Es sei nur auf einige wenige hingewie-
sen: Erstens wurde die Leiche von Herrn Zawadski
nie aufgefunden, und es wurde nicht festgestellt, dass
er ermordet wurde. Zweitens ist der Generalstaatsan-
walt der Republik Belarus mit allen strafrechtlichen
Untersuchungen beauftragt. Der gegenwärtige Inha-
ber des Amtes des Generalstaatsanwalts ist Viktor
Sheyman, der von vielen Menschen in Belarus als
Drahtzieher dieser Entführung und anderer Fälle von
Verschwindenlassen bezeichnet wird.

5. Die Versammlung beklagt die systematische Belästi-
gung und Einschüchterung von Journalisten, Redak-
teuren und Medien, die dem Präsidenten der Repu-
blik oder der Regierung von Belarus kritisch
gegenüberstehen, durch Staatsbeamte, vor allem
durch das Bildungsministerium. Rechtliche Grund-
lage für derartiges Handeln ist sehr häufig die vom
Informationsministerium geforderte staatliche Lizenz
für die Printmedien. Artikel 10 der Europäischen
Menschenrechtskonvention erlaubt eine solche
Lizenzierung von Printmedien nicht.

* Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe
Dok. 10107, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Pourgourides, und Dok. 10165, Stellungnahme des Ausschusses
für Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatterin: Frau Mut-
6. Darüber hinaus lässt der Staat eine Situation zu, in

der das Funktionieren der Medien der willkürlichentonen). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 28. April2004 (12. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4082

Entscheidung kommunaler Verwaltungen, Verlags-
häusern und Medienvertriebe ausgeliefert ist. Unab-
hängige Medien müssen unter diskriminierenden
wirtschaftlichen Bedingungen arbeiten.

7. Die Versammlung verurteilt es als völlig inakzepta-
bel, dass in einem demokratischen Staat Journalisten
wegen Kritik am Präsidenten und an Staatsvertretern
mit Inhaftierung und sogar Zwangsarbeit zu rechnen
haben, was derzeit nach den Bestimmungen von Arti-
kel 367, 368 und 369 des Strafgesetzbuches möglich
ist.

8. Die Versammlung ist zutiefst besorgt über das Aus-
maß der staatlichen Kontrolle über die elektronischen
Medien, insbesondere das öffentliche Fernsehen und
die Rundfunkanstalt von Belarus, deren Arbeit einem
Präsidialerlass unterliegt, jedoch auch über die staat-
liche Kontrolle der privaten Aktiengesellschaften, bei
denen der Staat generell über die Anteilsmehrheit
verfügt. Besorgniserregend ist auch die Tatsache,
dass Druckereien und Printmedienvertriebe weitge-
hend staatlich kontrolliert werden. In einer echten
Demokratie dürfen staatliche Medien nicht als
Sprachrohr des Präsidenten und der Exekutive fun-
gieren, sondern sollten vielmehr der breiten Öffent-
lichkeit unparteiische Dienste leisten, indem sie
Nachrichten und Kommentare auf offene, objektive
und wahrheitsgemäße Art und Weise verbreiten.

9. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die derzei-
tige kontrollierte Medienlandschaft keine Informa-
tionsfreiheit durch die Medien ermöglicht, was für
die Vorbereitung und Durchführung demokratischer
Parlamentswahlen im Herbst 2004 erforderlich ist.
Alle politischen Kandidaten, politischen Parteien und
politischen Organisationen der Zivilgesellschaft müs-
sen gleichen Zugang zu den Medien ohne eine res-
triktive Kontrolle durch den Staat haben. Andernfalls
werden die Wähler in Belarus nicht in der Lage sein,
die notwendigen Informationen zu erhalten, um sich
eine eigene Meinung über die Lage in ihrem Land
bilden zu können.

10. Die Versammlung bedauert daher, dass die seit lan-
gem angekündigte und erwartete Reform des Geset-
zes über die Presse und sonstige Massenmedien so-
wie anderer einschlägiger Gesetze nicht rechtzeitig
vor den anstehenden Parlamentswahlen vom Präsi-
denten der Republik, den zuständigen Ministern und
dem Parlament abgeschlossen wurde und dass die
belarussischen Behörden nicht ihrer Verpflichtung
nachgekommen sind, den Gesetzesentwurf dem Eu-
roparat zur Prüfung zuzuleiten. Die Versammlung be-
schließt, die Lage in der Republik Belarus in Bezug
auf die Medien weiterhin zu überwachen, bis das
neue Gesetz über die Presse und andere Massenme-
dien verabschiedet worden ist.

11. Die Versammlung stellt mit Bedauern fest, dass das
Parlament von Belarus sich geweigert hat, mit der

zuarbeiten. Die Versammlung bedauert ferner, dass
der stellvertretende Vorsitzende des Abgeordneten-
hauses, Herr Vladimir Konoplew, sich geweigert hat,
vom 22. bis 24. Januar 2004 eine gemeinsame Dele-
gation der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates, der Parlamentarischen Versammlung
der OSZE und des Europäischen Parlaments zu emp-
fangen, was es den Mitgliedern des Parlaments von
Belarus ermöglicht hätte, einen Dialog mit europäi-
schen Abgeordneten über Themen wie Medienfrei-
heit zu führen.

12. Die Versammlung ruft alle Mitglied- und Beobach-
terstaaten des Europarates auf, den gegenwärtigen
Stand der Dinge in Belarus nicht länger zu tolerieren.
Grundrechte und -freiheiten werden in Belarus syste-
matisch verletzt mit dem ausschließlichen Ziel, ein
nicht demokratisches Regime an der Macht zu halten.
Das Regime von Präsident Lukaschenko gründet
seine Existenz auf Repression, Einschüchterung und
Angst. Die Repressions- und Einschüchterungsmaß-
nahmen sind nicht nur gegen die Medien, sondern
auch gegen alle anderen demokratischen Institutio-
nen, Menschenrechtsaktivisten und die breite Bevöl-
kerung gerichtet. Belarus ist im Jahr 2004 weiterhin
ein Polizeistaat mit Verhältnissen, die denen des Lan-
des während der Sowjetära ähneln. Es ist unerläss-
lich, alles nur Mögliche zu unternehmen, damit die
Demokratie in Belarus Fuß fasst. Millionen Weißrus-
sen wurden im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen
die Truppen Hitlers getötet. Die Freiheit hat in ihrem
Land jedoch noch nicht Einzug gehalten. Alle Mit-
glied- und Beobachterstaaten des Europarates haben
die Pflicht sicherzustellen, dass die letzte Diktatur in
Europa – die in Belarus – ein Ende findet.

13. Die Versammlung fordert den Generalsekretär des
Europarates auf,
i. bei allen Überlegungen das Volk von Belarus nie

aus dem Blick zu verlieren und im verstärkten
Maße gezielte Maßnahmen zur Förderung der
Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat-
lichkeit in Belarus zu erwägen;

ii. in Zusammenarbeit mit dem Ministerkomitee
ausreichende Ressourcen für Projekte zur Stär-
kung von Demokratie und Medienfreiheit in
Belarus zur Vorbereitung der Parlamentswahlen
im Herbst 2004 und mit dem generellen Ziel zur
Verfügung zu stellen, das Verständnis für demo-
kratische Normen im Medienbereich weiter aus-
zubauen und den Widerstand der Öffentlichkeit
gegen jede Form von Unterdrückung der freien
Meinungsäußerung zu verstärken.

14. Die Versammlung ruft den Präsidenten der Republik
Belarus, die Regierung von Belarus und die National-
versammlung von Belarus auf,
i. eine wirklich unabhängige Untersuchung über

das Verschwinden und die mutmaßliche außerge-

OSZE bei der Veranstaltung eines Seminars über die
Medien in Belarus am 27. Februar 2004 zusammen-

richtliche Exekution des Journalisten Dimitri
Zawadski vor mehr als drei Jahren einzuleiten

Drucksache 15/4082 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und die endgültigen Ergebnisse dieser Untersu-
chung zu veröffentlichen. Voraussetzung für eine
solche Untersuchung ist die Amtsenthebung von
Viktor Sheyman;

ii. in Erwägung zu ziehen, die Strafgesetze und
Artikel 5 des Gesetzes über die Presse und sons-
tige Massenmedien zu überarbeiten, um eine
politische Kritik des Präsidenten der Republik
und der Mitglieder der Nationalversammlung
möglich zu machen; Ehre und Würde des Präsi-
denten der Republik und der Leiter staatlicher
Organe dürfen nicht bedingungslos geschützt
werden;

iii. Artikel 19 des Internationalen Pakts der Verein-
ten Nationen über bürgerliche und politische
Rechte sowie Artikel 3 und 4 des Gesetzes über
die Presse und sonstige Massenmedien gebüh-
rend Rechnung zu tragen; die Gerichte von Bela-
rus sollten daher keine unverhältnismäßigen
strafrechtlichen Sanktionen gegen Medien und
Journalisten wegen Kritik am Präsidenten der
Republik verhängen;

iv. Artikel 9 des Gesetzes über die Presse und sons-
tige Massenmedien zu überarbeiten und die vor-
gesehene Lizenz für Printmedien abzuschaffen,
da sie gegen das Recht auf Pressefreiheit ver-
stößt, wie in Artikel 10 der Europäischen Men-
schenrechtskonvention garantiert;

v. administrative Sanktionen gegenüber den Me-
dien und mündliche Verwarnungen durch das In-
formationsministerium abzuschaffen, da sie ge-
gen das Grundprinzip der Gewaltenteilung von
Exekutive und Judikative verstoßen und im Wi-
derspruch zu Artikel 10 der Europäischen Men-
schenrechtskonvention stehen. Das Gesetz über
die Presse und andere Massenmedien sollte ent-
sprechend geändert werden;

vi. Gesetze einzubringen, die Artikel 33 Absatz 3
der Verfassung von Belarus uneingeschränkt um-
setzen und jedes staatliche Monopol bei den
Massenmedien verbieten; dieses Ziel sollte durch
eine verringerte Konzentration staatlicher Kapi-
talbeteiligungen an Aktiengesellschaften, Dru-
ckereien und Printmedienvertrieben und da-
durch erreicht werden, dass die staatliche
Rundfunkanstalt zu einer öffentlichen Dienstleis-
tungs-Rundfunkanstalt wird, die unabhängig ist
von einer unmittelbaren Kontrolle durch den Prä-
sidenten der Republik oder andere staatliche Or-
gane im Sinne der Empfehlung 1641 (2004) betr.
den öffentlichen Rundfunk;

vii. sicherzustellen, dass Druckereien und Printme-
dienvertriebe keinerlei Diskriminierung gegen-
über privaten Medien, die unabhängig von staat-

viii. zu gewährleisten, dass die zentrale Wahlkommis-
sion und die staatliche Rundfunkanstalt vor den
Wahlen in Belarus für freien, gleichen und fairen
Zugang zu Sendezeiten für politische Parteien
und unabhängige Kandidaten sorgen; den Be-
hörden kann als Leitlinie die Empfehlung
Nr. R (99)15 des Ministerkomitees betr. Maß-
nahmen für die Berichterstattung durch die Me-
dien bei Wahlkampagnen dienen; dies ist insbe-
sondere zur Vorbereitung der anstehenden
Parlamentswahlen im Herbst 2004 wichtig;

ix. alle Präsidialerlasse zu überprüfen, die das
Recht, Informationen über den Staat zu erhalten
und zu verbreiten, nach Artikel 34 der Verfas-
sung von Belarus unverhältnismäßig einschrän-
ken;

x. sicherzustellen, dass die Nationalversammlung
ihre Rolle als Gesetzgeber ausüben und Gesetze
und Gesetzesänderungen auf dem Gebiet der
Medien einbringen kann; diesbezüglich sollte
sich die Nationalversammlung bemühen, in die
Verfassung von Belarus eine analoge Bestim-
mung zu Artikel 3 und 4 des Gesetzes über die
Presse und sonstige Massenmedien in Bezug auf
die Medienfreiheit und die Unzulässigkeit der
Zensur einzuführen;

xi. Abstand zu nehmen von einer Beschränkung des
Rechtes auf Versammlungsfreiheit von Journalis-
ten und Redakteuren, das durch Artikel 22 des
Internationalen Pakts der Vereinten Nationen
über bürgerliche und politische Rechte und Arti-
kel 11 der Europäischen Menschenrechtskom-
mission garantiert wird; die staatlichen Behörden
von Belarus dürfen die Arbeit der belarussischen
Journalistenvereinigung nicht durch Einschüch-
terung und Belästigung ihrer Mitarbeiter und
Mitglieder behindern.

15. Die Versammlung ruft das Europäische Parlament,
den Rat der Europäischen Union und die Europäische
Kommission auf, die systematische Verletzung der in
Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) und
Artikel 11 (Versammlungsfreiheit) der Europäischen
Menschenrechtskonvention und Artikel 11 (Freiheit
der Meinungsäußerung) und Artikel 12 (Versamm-
lungsfreiheit) der Grundrechtecharta der Europäi-
schen Union garantierten Grundfreiheiten durch die
Behörden von Belarus nicht länger zu tolerieren und
im Rahmen ihrer Beziehungen zu Belarus angemes-
sene Maßnahmen zu ergreifen.

16. Die Versammlung ruft die Parlamentarische Ver-
sammlung der OSZE, den Amtierenden Vorsitzenden
der OSZE und den OSZE-Beauftragten für die Frei-
heit der Medien auf, die systematische Verletzung der
in Artikel 10 und 11 der Europäischen Menschen-
rechtskonvention sowie Artikel 19 (Freiheit der Mei-
nungsäußerung) und Artikel 22 (Versammlungsfrei-
licher Unterstützung sind, noch gegenüber
ausländischer Presse betreiben;

heit) des Internationalen Pakts der Vereinten
Nationen über bürgerliche und politische Rechte

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4082

garantierten Grundfreiheiten durch die Behörden von
Belarus angesichts der Verpflichtungen von Belarus
im Rahmen der Schlussakte von Helsinki sowie
Absatz 22 der OSZE-Gipfelerklärung von Istanbul
nicht länger zu tolerieren und geeignete Maßnahmen
gegenüber Belarus zu ergreifen.

17. Die Versammlung ruft die Vereinten Nationen und
insbesondere die Menschenrechtskommission der
Vereinten Nationen auf, die systematische Verletzung
von Artikel 19 und 22 des Internationalen Pakts der
Vereinten Nationen über bürgerliche und politische
Rechte durch die belarussischen Behörden in keinem
Fall zu tolerieren und geeignete Maßnahmen gegen-
über Belarus zu ergreifen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 3 ( 2 0 0 4 ) *

Die Stärkung der Vereinten Nationen
1. Es gehört zu den seit langer Zeit bestehenden Tradi-

tionen der Parlamentarischen Versammlung, sich
kontinuierlich für die Unterstützung der Vereinten
Nationen einzusetzen. Die Versammlung verweist
auf ihre Entschließung 1351 (2003) über die Rolle
der Vereinten Nationen im Irak, in der sie einseitige
Maßnahmen als eine grundsätzliche Verletzung der
Prinzipien der gemeinsamen Sicherheit und der
Charta der Vereinten Nationen bezeichnet. Ebenso
wird in ihren früheren Empfehlungen in Bezug auf
die Vereinten Nationen (die Reform der Vereinten
Nationen 1367 (1998), die Beziehungen zu den Ver-
einten Nationen 1411 (1999) und die Vereinten Na-
tionen an der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert
1476 (2000) eine verstärkte Rolle dieser Organisation
gefordert.

2. Die Versammlung wird weiterhin der Stärkung der
Vereinten Nationen, der Weltorganisation, zu der sich
ihre Mitglieder voll und ganz zugehörig fühlen, ihre
volle Unterstützung geben. Sie unterstreicht die Not-
wendigkeit, dass die Vereinten Nationen ihre Fähig-
keit, sich neuen Herausforderungen zu stellen, beibe-
halten, gleichzeitig jedoch den Zielen und den in der
Charta verankerten Prinzipien treu bleiben müssen.

3. Die Versammlung begrüßt die vorausschauende Hal-
tung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen,
Kofi Annan, und seine Bereitschaft, seine Organisa-
tion kritisch zu überprüfen in dem Bestreben, sie bes-
ser an die Erfordernisse der heutigen Welt anzupas-
sen. Sie unterstützt voll und ganz die Arbeit der vom
Generalsekretär im November 2003 eingerichteten
hochrangigen Arbeitsgruppe für Bedrohungen, He-
rausforderungen und Wandel.

4. Das Jahr 2003 war ein schwieriges Jahr für die Ver-
einten Nationen und für diejenigen, die an gemein-
same Antworten auf weltweite Herausforderungen
glauben. Das Vertrauen in das multilaterale System
wurde durch den Krieg im Irak, die Besetzung eines
souveränen Staates, ohne vorherige Genehmigung
durch den Sicherheitsrat untergraben. Dennoch sind
die anhaltende Gewalt im Irak und die Schwierigkei-
ten, denen sich die Besatzungstruppen unter der Füh-
rung der USA bei der geplanten Übertragung der
Souveränität auf die Iraker gegenübersehen, Aus-
gangspunkt für zahlreiche Forderungen nach einer
zentralen Rolle der Vereinten Nationen in dieser ent-
scheidenden Phase.

5. Die Versammlung tritt ein für Multilateralismus und
eine gemeinsame Antwort auf globale Bedrohungen.
Mehr denn je ist sie davon überzeugt, dass ein auf der
Grundlage der Vereinten Nationen und ihrer Charta
geschaffenes multilaterales System der einzige Weg
ist, um den komplexen Herausforderungen der heuti-
gen Zeit zu begegnen, ganz gleich, ob es sich um
„weiche“ oder „harte“ oder alte oder neue Bedrohun-
gen handelt;

6. In Bezug auf die institutionelle Reform stimmt die
Versammlung der Notwendigkeit einer Reform des
Sicherheitsrates zu, fordert jedoch einen umfassende-
ren Ansatz, um den anderen Hauptabteilungen und
Organen der Organisation im Sinne der Charta einen
gebührenden Platz einzuräumen.

7. Zur Stärkung seiner Legitimitierung muss der Sicher-
heitsrat repräsentativer in Bezug auf den Mitglieder-
kreis der Vereinten Nationen gestaltet werden. Der-
zeit spiegelt dieser Mitgliederkreis die bei seiner
Einsetzung bestehende Weltordnung der Nachkriegs-
zeit wider.

8. Um seine Mitglieder von seiner Wirksamkeit zu
überzeugen, muss zum einen die Transparenz der Ar-
beitsverfahren verbessert werden, zum anderen die
Beschlussfassung im Sicherheitsrat effizienter gestal-
tet werden. Das derzeitige Vetosystem muss geändert
werden. Die Versammlung unterstützt den Vorschlag
des Europäischen Parlamentes, dieses durch ein Sys-
tem des „doppelten Vetos“ zu ersetzen (das Veto gilt
nur, wenn es von zwei Ständigen Mitgliedern einge-
legt wird), und auch nur in Fällen, die sich auf Kapi-
tel VII der Charta der Vereinten Nationen beziehen
(Bedrohungen des Weltfriedens, Friedensbruchs und
Angriffshandlungen). Der Sicherheitsrat muss Me-
chanismen für eine wirksamere Umsetzung seiner
Resolutionen finden.

9. Die Mitgliedstaaten des Europarates, die auch Stän-
dige Mitglieder im Sicherheitsrat sind, d. h. Frank-
reich, Russland und das Vereinigte Königreich, soll-
ten eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie
Flexibilität in Bezug auf die Reform des Sicherheits-
rates zeigen, damit die derzeitige festgefahrene Situa-
tion überwunden werden kann. * Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe

Dok. 10120, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatterin:
10. Die Versammlung nimmt die Resolution der General-
versammlung über die Neubelebung der Tätigkeit derFrau de Zulueta). Von der Versammlung verabschiedeter Text am28. April 2004 (12. Sitzung).

Drucksache 15/4082 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Generalversammlung (A/RES/58/126) zur Kenntnis
und begrüßt die Anstrengungen des Präsidenten der
Generalversammlung im Hinblick auf die Wiederher-
stellung ihrer Rolle als wichtigstes politisches Organ
und Beschlussfassungsgremium der Vereinten Natio-
nen.

11. Die Versammlung ist jedoch der Auffassung, dass
eine wirkliche Neubelebung nicht nur neue Regelun-
gen und Verfahren zur Verbesserung der Wirksamkeit
verlangt, sondern auch die Einführung einer parla-
mentarischen Dimension bei der Tätigkeit der Gene-
ralversammlung, die manchmal als „das Parlament
der Menschheit“ bezeichnet wird. Die parlamentari-
sche Dimension könnte auch dazu beitragen, die Wei-
terverfolgung verschiedener Konferenzen und Gip-
feltreffen der Vereinten Nationen auf nationaler
Ebene voranzubringen.

12. Die Versammlung nimmt die Entschließung des
Europäischen Parlamentes über die Beziehungen
zwischen der Europäischen Union und den Vereinten
Nationen (2049/29.1.04) zur Kenntnis und begrüßt
den darin enthaltenen Vorschlag, gemeinsam mit den
regionalen und weltweiten parlamentarischen Ver-
sammlungen ein Netzwerk von Parlamentariern ein-
zuführen zur Erörterung wichtiger politischer Fragen,
die in Verbindung stehen mit den Aktivitäten der Ver-
einten Nationen und den Herausforderungen, denen
diese sich gegenübersehen.

13. Die Globalisierung hat zutiefst ungleiche Auswirkun-
gen auf die Volkswirtschaften und die Gesellschaften
der Mitgliedstaaten, denn es ist nicht gelungen, durch
sie wirtschaftliche Vorteile für alle zu erzielen. Es be-
steht daher eine dringende Notwendigkeit für die
Vereinten Nationen, eine bessere und gerechtere
Weltwirtschaftsordnung zu fördern. Zu diesem
Zweck unterstützt die Versammlung Vorschläge, die
darauf abzielen, bei den Vereinten Nationen einen
Sicherheitsrat für Wirtschafts- und soziale Fragen
einzurichten, womit die Vereinten Nationen eine po-
litisch legitimierte Plattform erhielten, um weltweite
wirtschaftliche und soziale Probleme zu erörtern. Es
ist ebenfalls wichtig bei der Verfolgung einer faireren
Wirtschaftsordnung, dass die ILO die gleichen
Durchsetzungsbefugnisse erhält, wie sie die WTO
derzeit genießt. Darüber hinaus ist die Versammlung
der Auffassung, dass die Bretton-Woods-Institutio-
nen reformiert werden müssen und Leitung und Legi-
timation durch einen neu geschaffenen Sicherheitsrat
für Wirtschafts- und soziale Fragen erhalten sollten.

14. Die Versammlung unterstützt ferner die Initiative der
Vereinten Nationen, eine Weltcharta der kommunalen
Selbstverwaltung zu erarbeiten, die von der VN-
HABITAT-Organisation vorbereitet wird. Diese Ent-
wicklung ist gemeinsam mit der Einsetzung eines
Konsultativrates für kommunale Verwaltung durch
die Vereinten Nationen mit Sicherheit ein Zeichen für
die Absicht der Vereinten Nationen, sich selbst eine

Kongress der Gemeinden und Regionen Europas,
ebenfalls einen Beitrag zu diesen Initiativen zu leis-
ten.

15. Die Versammlung ermutigt den Generalsekretär der
Vereinten Nationen, den Sachverstand der regionalen
Organisationen, wie den des Europarates, umfassend
zu nutzen, um den weltweiten Gefahren entgegentre-
ten und die verschiedenen Programme und Aktivitä-
ten der Vereinten Nationen verwirklichen zu können.
Die Erfahrungen des Europarates in spezifischen Be-
reichen, wie beim Ausbau demokratischer Sicherheit
und Stabilität, der Förderung und dem Schutz der
Menschenrechte und der Grundfreiheiten, bei ver-
trauensbildenden Maßnahmen, dem Schutz nationa-
ler Minderheiten, der Förderung der kommunalen
Selbstverwaltung, der Förderung der Gleichberechti-
gung, der Bekämpfung von Rassismus und beim Um-
weltschutz, können die Antwort der Vereinten Na-
tionen auf diese globalen Bedrohungen verstärken
und ergänzen.

16. Die Versammlung fordert die Regierungen der Mit-
glieds- und Beobachterstaaten des Europarates auf,
i. in Bezug auf die Generalversammlung der Ver-

einten Nationen
a) die Resolution der Generalversammlung

über die Neubelebung der Tätigkeit der Ge-
neralversammlung (A/RES/58/126) uneinge-
schränkt zu unterstützen und alles in ihren
Kräften Stehende zu tun, um ihre Vorkehrun-
gen umzusetzen;

b) Vorschläge vorzulegen zur Stärkung der Au-
torität des Präsidenten der Generalversamm-
lung durch Verlängerung seines/ihres Man-
dats auf drei Jahre und in Betracht zu ziehen,
für dieses Amt eine politische Persönlichkeit
zu wählen, um der Generalversammlung
mehr politisches Gewicht zu verleihen;

c) Parlamentarier in ihre nationalen Delegatio-
nen mit einzubeziehen und ihnen die Mög-
lichkeit zu geben, sich aktiv an der Arbeit
der Generalversammlung zu beteiligen;

ii. in Bezug auf den Sicherheitsrat
eine wirklich konstruktive Haltung einzuneh-
men, um den Sicherheitsrat repräsentativer im
Hinblick auf die Mitgliedstaaten der Vereinten
Nationen und in Bezug auf die Beschlussfassung
effizienter zu gestalten;

iii. in Bezug auf die Organe der Vereinten Nationen:
dazu beizutragen, die langfristige finanzielle Le-
bensfähigkeit der Organe der Vereinten Nationen
sicherzustellen;

iv. in Bezug auf die Beziehungen der Vereinten
Nationen zu den Bretton-Woods-Institutionen
die Rolle der Vereinten Nationen bei den welt-
weiten Finanzbeschlüssen zu verbessern durch
die Einrichtung eines Sicherheitsrates der Ver-
stärkere Dimension in Bezug auf kommunale Ver-
waltung zuzulegen. Die Versammlung ermutigt den

einten Nationen für Wirtschafts- und soziale Fra-
gen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4082

v. in Bezug auf die in der Millenniumserklärung
gesetzten Ziele
den Verpflichtungen, die sie im Jahre 2000 ein-
gegangen sind, dadurch nachzukommen, dass sie
die notwendigen finanziellen Ressourcen für die
Umsetzung der in der Millenniums-Erklärung
gesetzten Ziele zur Verfügung stellen;

vi. die Wahl der Vorsitzenden der wichtigsten Aus-
schüsse der Organisation durch die Mitgliedstaa-
ten davon abhängig zu machen, dass die natio-
nale Regierung der Kandidatin/des Kandidaten
die Übereinkünfte der Vereinten Nationen zum
Schutz der Menschenrechte ratifiziert und umge-
setzt hat;

vii. bei den Vereinten Nationen einen Sicherheitsrat
für Umwelt- und Energiefragen einzurichten,
der mithelfen soll, Herausforderungen wie Ener-
gieknappheit und Erderwärmung entgegenzutre-
ten.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 4 ( 2 0 0 4 ) *
Die Einhaltung der Pflichten und Ver-

pflichtungen durch Armenien
1. Seit Ende März 2004 wurden von den Oppositions-

kräften in Armenien eine Reihe von Protestkundge-
bungen abgehalten, bei denen die Vertrauensfrage an
Präsident Kotscharjan per Referendum gefordert
wurde. Die Möglichkeit eines derartigen Referen-
dums wurde nach den Präsidentschaftswahlen im Fe-
bruar und März vergangenen Jahres erstmalig vom
armenischen Verfassungsgericht erwähnt, welches
später seinen Vorschlag näher erläuterte. Die Behör-
den sehen in den Forderungen und den Protesten der
Opposition den Versuch, gewaltsam an die Macht zu
kommen.

2. Die Demonstrationen waren zwar angekündigt, je-
doch von den Behörden, die den Organisatoren mit
einer strafrechtlichen Verfolgung drohten, nicht ge-
nehmigt. Nach den Demonstrationen am 5. April lei-
tete die Generalstaatsanwaltschaft im Zusammen-
hang mit den Kundgebungen der Oppositionsparteien
strafrechtliche Untersuchungen gegen mehrere
Oppositionsmitglieder ein, und viele weitere wurden
festgenommen. Zum gleichen Zeitpunkt wurden
mehrere Journalisten und Politiker von unbekannten
Personen verprügelt, während die Polizei tatenlos zu-
sah.

3. Am 9., 10. und 12. April fanden in Eriwan neuerliche
Demonstrationen statt. Am frühen Morgen des
13. April trieben die Sicherheitskräfte zwischen

zwei- und dreitausend Protestierende gewaltsam aus-
einander, die den Versuch unternahmen, in Richtung
des Präsidentenpalastes zu marschieren und den
Rücktritt von Präsident Kotscharjan forderten. Be-
richten zufolge setzte die Polizei Knüppel, Wasserka-
nonen und Tränengas ein und verursachte dadurch
Dutzende von Verletzungen. Eine Reihe von Protes-
tierenden wurde festgenommen, darunter Parlaments-
mitglieder, von denen einige der Versammlung ange-
hören, und einige wurden Berichten zufolge während
der Inhaftierung durch die Polizei misshandelt. Die
Sicherheitskräfte griffen auch mehrere Journalisten
an, die über den Oppositionsaufmarsch berichteten,
und nahmen sie fest.

4. Die Spannung in Armenien ist weiterhin angeheizt;
neue Proteste sind für die Woche vom 26. April ge-
plant. In der Zwischenzeit scheint es wenig Aussicht
auf Dialog zwischen Behörden und Opposition zu ge-
ben, auch wenn einige Angebote gemacht wurden
und einige Mitglieder der Regierungsmehrheit – und
insbesondere der Präsident des armenischen Parla-
ments – begonnen haben, das scharfe Vorgehen ge-
gen die Demonstranten zu kritisieren.

5. In Bezug auf die Haltung der Behörden verweist die
Parlamentarische Versammlung darauf, dass deren
Handeln im Widerspruch zum Buchstaben und Geist
der Empfehlungen steht, die sie in ihrer vergangen
Januar verabschiedeten Entschließung 1361 (2004)
ausgesprochen hatte. Sie ist insbesondere darüber be-
sorgt, dass
i. die Festnahmen, u. a. auf der Grundlage des Ver-

waltungsrecht, die Forderung missachtet haben,
das Verfahren der Verwaltungshaft unverzüglich
zu beenden und den Verwaltungskodex, der als
Rechtsgrundlage für dieses Verfahren dient, zu
ändern;

ii. die Behörden es ablehnten, Kundgebungen der
Opposition zu genehmigen aus Gründen, die
nach der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion nicht zulässig sind. Darüber hinaus wurde
der neue Gesetzesentwurf über das Verfahren zur
Durchführung von Versammlungen, Treffen,
Kundgebungen und Demonstrationen, das sich
zurzeit im Gesetzgebungsverfahren befindet, von
den Sachverständigen der Venedig-Kommission
als extrem restriktiv bezeichnet;

iii. Personen, die während der jüngsten Vorfälle fest-
genommen wurden, Berichten zufolge von der
Polizei und von Sicherheitskräften misshandelt
wurden trotz Forderungen der Versammlung
nach entschiedenen und aktiveren Maßnahmen
zur Abstellung des Fehlverhaltens von Vertretern
der Strafverfolgungsbehörden;

iv. die Meinungsfreiheit weiterhin gravierend einge-
schränkt wird und mehrere Akte von Gewalt ge-

* Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (13. Sitzung). (Siehe
Dok. 10163, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen (Über-
wachungsausschuss), Ko-Berichterstatter: Herr André und Herr
genüber Journalisten während der jüngsten Vor-

fälle von der Polizei und den SicherheitskräftenJaskiernia). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 28. April2004 (13. Sitzung).

Drucksache 15/4082 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

verübt wurden oder ohne ein Einschreiten zuge-
lassen wurden.

6. In Bezug auf die Haltung der Opposition betont die
Versammlung, dass diese alles in ihren Kräften Ste-
hende tun sollte, um zukünftig Gewalt zu vermeiden.

7. In Bezug auf deren Forderungen nach der Veranstal-
tung eines „Vertrauensreferendums“ und dem Rück-
tritt von Präsident Kotscharjan unterstreicht die Ver-
sammlung, dass
i. sowohl die Präsidentschafts- als auch die im Mai

vergangenen Jahres erfolgten Parlamentswahlen
von der Staatengemeinschaft massiv kritisiert
wurden, einschließlich von den Delegationen der
Versammlung. Der Wahlprozess insgesamt stand
nicht im Einklang mit den internationalen Nor-
men, und zu den festgestellten Missstände gehör-
ten vor allem eine einseitige Medienberichter-
stattung, die Festnahme von Vertretern der
Opposition und von Wahlkampfmitarbeitern, die
Fälschung der Wahlergebnisse, die Einschüchte-
rung von Beobachtern sowie ein generell unzu-
längliches Verhalten der Wahlbehörden;

ii. obwohl der Betrug trotz seiner Größenordnung
das Wahlergebnis nicht entscheidend veränderte
noch das endgültigen Ergebnis ungültig machte,
äußerte die Versammlung in ihrem im Januar
2004 verabschiedeten Bericht (Entschließung
1361) über die von Armenien einzuhaltenden
Pflichten und Verpflichtungen große Enttäu-
schung in Bezug auf die Durchführung der Wah-
len und forderte eine umfassende Untersuchung
des Wahlbetrugs und ein Ende der Straffreiheit
der hierfür Verantwortlichen.

8. Die Versammlung besteht darauf, dass die armeni-
schen Behörden ihren Empfehlungen in Bezug auf
die mit großen Mängeln behafteten Wahlen vergan-
genen Jahres uneingeschränkt nachkommen müssen,
ist jedoch auch der Auffassung, dass die Opposition,
die einerseits ihr verfassungsmäßiges Recht auf fried-
liche Versammlung uneingeschränkt in Anspruch
nehmen sollte, sich andererseits bemühen sollte, ihre
Ziele innerhalb des Verfassungsrahmens zu errei-
chen.

9. Die Versammlung fordert die armenischen Behörden
auf
i. friedliche Demonstrationen zuzulassen und Ab-

stand zu nehmen von jeder Handlung, die nach
dem Gesetz oder in der Praxis zu ungerechtfer-
tigten Einschränkungen der Versammlungsfrei-
heit, wie von der Europäischen Menschenrechts-
konvention garantiert, führen würde;

ii. Freizügigkeit innerhalb von Armenien zu garan-
tieren;

rechtsverletzungen zu untersuchen, die während
der jüngsten Ereignisse berichtet wurden, ein-
schließlich der Angriffe auf Journalisten und
Menschenrechtsaktivisten, und die Versammlung
über ihre Ergebnisse zu informieren und über
mögliche rechtliche Schritte gegen die Verant-
wortlichen;

iv. unverzüglich die Personen, die wegen ihrer Be-
teiligung an den Demonstrationen festgenommen
wurden, freizulassen und unverzüglich die Praxis
der Verwaltungshaft zu beenden und den Verwal-
tungskodex dahingehend zu ändern;

v. zur Kenntnis zu nehmen, dass die Immunitäten
der Mitglieder der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates das ganze Jahr gelten
(PV ER Entschließung 1325 (2003) und Emp-
fehlung 1602 (2003)); daher fordert sie die zu-
ständigen armenischen Behörden auf, ab sofort
so schnell wie möglich den Präsidenten der PV ER
zu informieren, wenn armenische Mitglieder
dieser Versammlung strafrechtlich verfolgt oder
festgenommen werden;

vi. faire Bedingungen für eine normale Arbeit der
Medien zu schaffen, insbesondere in Bezug auf
die Erteilung von Rundfunklizenzen an Fern-
sehgesellschaften, insbesondere den Fernsehka-
nal A1+;

vii. der Versammlung einen schriftlichen Bericht vor
Eröffnung der Teilsitzung Juni 2004 über die
Maßnahmen zuzusenden, die sie in Bezug auf die
Unterabsätze 9.i. bis 9.vi. ergriffen haben.

10. Die Versammlung fordert die Behörden und die Op-
position auf, Abstand zu nehmen von allen Handlun-
gen, die zu weiterer Gewalt führen könnten und in ei-
nen Dialog ohne Vorbedingungen einzutreten mit
dem Ziel, den derzeitigen Konflikt im Einklang mit
den Normen des Europarates und der üblichen demo-
kratischen Verfahrensweise in Europa zu lösen.

11. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die jüngs-
ten Ereignisse ihren Forderungen an Armenien weiter
Nachdruck verleihen, seinen Pflichten und Verpflich-
tungen umfassend und bedingungslos nachzukom-
men. Sie beschließt, den Überwachungsausschuss an-
zuweisen, seine Berichterstatter nach Armenien zu
entsenden, um so schnell wie angebracht einen Be-
richt über die Lage vorzulegen, insbesondere über die
Folgemaßnahmen zu den in den Unterabsätzen 9.i.
bis 9.vi. dargelegten Empfehlungen, und noch recht-
zeitig vor der Eröffnung der Teilsitzung im Oktober
2004. Falls keine Fortschritte in Bezug auf die Unter-
absätze 9.i. bis 9.vi. bis zur Eröffnung der Teilsitzung
im Oktober 2004 erfolgen, beschließt sie, die Beglau-
bigungsschreiben der armenischen Delegation im
iii. unverzüglich – auf transparente und glaubwür-
dige Art und Weise – die Vorfälle und Menschen-

Einklang mit Artikel 9 der Geschäftsordnung erneut
zu prüfen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/4082

En t s c h l i e ß u n g 1 3 7 5 ( 2 0 0 4 ) *

Die Lage im Kosovo
1. Der Ausbruch ethnischer Gewalt im März 2004 im

Kosovo verdeutlicht drastisch, dass der Kosovo trotz
vielfältiger Anstrengungen der internationalen Staa-
tengemeinschaft noch einen langen Weg bis zu einer
multiethnischen und demokratischen Gesellschaft
vor sich hat.

2. Wenn auch der anhaltende ethnische Nationalismus
der betreffenden Gemeinschaften in erster Linie für
die derzeitige Lage verantwortlich ist, so trifft doch
auch die internationale Staatengemeinschaft ein Teil
der Schuld. Seit dem Sturz des Milosevic-Regimes
im Jahre 1999 haben andere Ereignisse in der Welt in
zunehmendem Maße die internationale Aufmerksam-
keit auf sich gezogen, und den Entwicklungen und
den ausbleibenden Fortschritten im Kosovo wurde
nicht genug Interesse gewidmet.

3. Die Parlamentarische Versammlung verurteilt nach-
drücklich die Urheber der jüngsten Ereignisse, die zu
vielen Toten, zahlreichen Verletzungen und schwer-
wiegenden Sachschäden, auch an wichtigen Kultur-
denkmälern, führten, und welche als ethnische Säu-
berung der nicht albanischen Bevölkerung bezeichnet
werden könnten. In dieser Hinsicht ist es wichtig,
dass das Strafrechtssystem im Kosovo so effizient
und wirksam wie nur möglich im Einklang mit den
einschlägigen Normen des Europarates gestaltet
wird, u. a. auch dadurch, dass gewährleistet wird,
dass das neue Strafrecht und die Strafprozessordnung
reibungslos und erfolgreich eingeführt werden. Um
das Vertrauen zwischen den verschiedenen Gemein-
schaften erneut aufzubauen, ist es von allergrößter
Bedeutung und Dringlichkeit zu untersuchen, wer für
die ethnische Gewalt verantwortlich war, und dass
die Urheber rasch vor ein faires und unparteiisches
Gericht gebracht werden.

4. Die Ereignisse im März stellen einen tragischen
Rückfall beim Aussöhnungsprozess dar, für den sich
die internationale Gemeinschaft, einschließlich des
Europarates, im Verlauf der vergangenen fünf Jahre
stets eingesetzt hat und bei dem der Rückkehrprozess
der Vertriebenen dadurch eine Umkehr erfahren hat,
dass 4 100 Serben, Roma und andere Nichtalbaner
das Kosovo verlassen haben. Heute bleibt die Aus-
söhnung zwischen Albanern und Serben weiterhin
schwer vorstellbar. Ein Kosovo, in dem jedes Mit-
glied jeder Gemeinschaft die Möglichkeit hat, in ei-
nem sicheren und stabilen Umfeld zu leben und sich
frei zu bewegen, liegt noch in weiter Ferne. Die un-
eingeschränkte Beachtung der Rechtsstaatlichkeit

und der wirksame Schutz der Menschenrechte in Ver-
bindung mit genereller Stabilität und Sicherheit sind
wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg der
Rückkehrprojekte und für das zukünftige Überleben
der serbischen, Roma- und nicht albanischen Ge-
meinschaften. Die Versammlung ist daher der Auf-
fassung, dass alles nur Mögliche unternommen wer-
den sollte, um alle öffentlichen Stellen im Kosovo
– ganz gleich, ob kommunale oder internationale –
der Rechtsprechung eines Rechtsmechanismus zu un-
terstellen, der in der Lage ist, wirksame Abhilfe für
alle Menschenrechtsverletzungen zu schaffen und
ggf. der überwachenden Rechtsprechung des Europäi-
schen Menschenrechtsgerichtshofes unterliegt.

5. Die Versammlung ist sich dessen bewusst, dass das
Ministerkomitee die Anwendbarkeit von Überein-
kommen des Europarates im Kosovo prüft und unter-
streicht, wie wichtig es ist, in nächster Zeit zu einer
Schlussfolgerung zu gelangen. In der Zwischenzeit
fordert sie die Übergangsverwaltung der Vereinten
Nationen im Kosovo (UNMIK) auf, die einschlägi-
gen Rechtsinstrumente des Europarates anzuwenden
und zu fördern.

6. UNMIK, die seit Juni 1999 die Kontrolle über die
Provinz übernommen hat, hat im Verlauf der vergan-
genen fünf Jahre Fortschritte gemacht, es ist ihr je-
doch nicht hinreichend gelungen sicherzustellen,
dass ein Teil ihrer Zuständigkeiten auf die provisori-
sche Selbstverwaltung des Kosovos (PISG) übertra-
gen wurde, und insbesondere auf kommunale Politi-
ker. Viel bleibt noch zu tun, und ohne einen klaren
Plan und das vorbehaltlose Eintreten der internatio-
nalen Staatengemeinschaft dafür, den lokalen Politi-
ker die uneingeschränkte Verantwortung für die poli-
tische Zukunft aller Bürger zu übertragen, können die
erwünschten Fortschritte nicht eintreten.

7. Die Versammlung begrüßt die Entscheidung der Be-
hörden im Kosovo, Verantwortung für die Beseiti-
gung der bei den Unruhen im März verursachten
Schäden zu übernehmen und Mittel für diesen Zweck
bereitzustellen. Sie unterstreicht jedoch, wie notwen-
dig es ist, dass die Schadenseinschätzung und die
Wiederherstellungsarbeiten von lokalen und interna-
tionalen Sachverständigen übernommen werden, die
ohne Ansehen ihrer ethnischen und religiösen Zuge-
hörigkeit ausgesucht werden.

8. Die einzige Rechtsgrundlage für eine Lösung im Ko-
sovo bleibt die am 10. Juni 1999 verabschiedete
Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen, bei der eine der Schlüsselfragen die Ent-
waffnung der Extremisten im Kosovo war und wel-
che einen Rahmen für den Übergang zu einer Selbst-
regierung zur Verfügung stellt. Ganz gleich, wie der
zukünftige Status des Kosovos aussehen wird, bleibt
die uneingeschränkte Umsetzung der am 12. Dezem-
ber 2003 vom Sicherheitsrat bekräftigten „Standards
für das Kosovo“ der Schlüssel für die Herbeiführung

* Debatte der Versammlung am 29. April 2004 (14. Sitzung). (Siehe
Dok. 10157, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Lloyd, und Dok. 10170, Stellungnahme des Ausschusses für
Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatter: Herr O’Hara).
von Stabilität und eine Heranführung des Kosovos an

Europa.Von der Versammlung verabschiedeter Text am 29. April 2004(14. Sitzung).

Drucksache 15/4082 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

9. Die Versammlung begrüßt die Einleitung des Umset-
zungsplans der Standards für das Kosovo (KSIP)
durch UNMIK am 31. März 2004. Der KSIP legt die
erforderlichen Schritte und politischen Maßnahmen
fest, zur Verwirklichung der in den „Standards für das
Kosovo“ festgelegten Ziele. Dabei ist zu vermeiden,
dass dieses Unterfangen rein akademischen Charak-
ter hat und darauf zu achten, dass sichergestellt wird,
dass die tatsächliche Erfüllung der Standards durch
konkrete Maßnahmen und greifbare Fortschritte her-
beigeführt wird. Die lokalen Politiker müssen voll in
die Umsetzung eingebunden werden, da dieses Pro-
jekt konkrete Möglichkeiten bietet, die es den ver-
schiedenen ethnischen Gemeinschaften ermöglichen,
ohne die Präsenz von UNMIK oder KFOR in Frieden
miteinander zu leben.

10. Der Generalsekretär des Europarates hat einen unab-
hängigen Sachverständigenbericht einschließlich ein-
gehender Vorschläge beigetragen, nachdem die Ver-
einten Nationen mit Blick auf die Reform der
kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen
Verwaltung im Kosovo (der den Vereinten Nationen
im November 2000 vorgelegte „Civiletti-Bericht“,
SG/Inf (2003) 40) um diesen Sachverstand gebeten
hatten. Es liegt nun bei UNMIK und PISG, diesen
Empfehlungen nachzukommen. Obwohl die Ereig-
nisse vom März es sehr schwierig gemacht haben, ei-
nen Konsens über eine Strategie der Dezentralisie-
rung herbeizuführen, ist die Versammlung der
Auffassung, dass die Empfehlungen noch immer gül-
tig sind und geht davon aus, dass ihre Umsetzung ei-
nen wichtigen Beitrag zur Förderung der Beteiligung
der Bürger jedweden ethnischen Hintergrunds am öf-
fentlichen Leben und zur Stärkung der PISG leisten
könnten.

11. Das Kosovo ist mit einer extrem hohen Arbeitslosig-
keit und einer Bevölkerung, von der 50 Prozent in
Armut leben, eine der ärmsten Regionen Europas.
Die Kombination einer jungen und politisch unruhi-
gen Bevölkerung und die hohe Arbeitslosigkeit birgt
Sprengstoff und enthält Nährboden für Gewalt und
die Entwicklung einer Schattenwirtschaft, in der
Wirtschaftsverbrechen und Drogen- und Menschen-
handel an der Tagesordnung sind. In Verbindung mit
der Unsicherheit im Hinblick auf den zukünftigen
politischen Status des Kosovos dient dies dazu, aus-
ländische Investitionen abzuschrecken und damit das
Wirtschaftswachstum zu lähmen. Die internationale
Staatengemeinschaft und an erster Stelle die Europäi-
sche Union müssen deshalb ihre Prioritäten für die
Region neu prüfen, um Abhilfe für die derzeitige kri-
tische Lage zu schaffen.

12. Die Versammlung fordert die Übergangsverwaltung
der Vereinten Nationen im Kosovo auf,
i. der Umsetzung der „Standards für das Kosovo“

Priorität einzuräumen und die umfassende Betei-
ligung der provisorischen Institutionen der

ii. sicherzustellen, dass der Umsetzungsplan für die
Kosovo-Standards genügend Garantien für die
im Kosovo lebenden Minderheiten und eine si-
chere Rückkehr der vertriebenen Bevölkerung
erlaubt;

iii. die Reform der kommunalen Selbstverwaltung
und der öffentlichen Verwaltung umzusetzen und
sich dabei weitgehend auf die vom Europarat
vorgelegten Empfehlungen („Civiletti-Bericht“)
zu stützen, die ungeachtet des endgültigen Status
des Kosovos weiterhin gültig sind;

iv. zu prüfen, weshalb extremistische Kräfte weiter-
hin eine wesentliche Rolle im Kosovo spielen
und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um sie
auszurotten und um Vertrauen zwischen den ver-
schiedenen ethnischen Gemeinschaften wieder
herzustellen;

v. gemeinsam mit der internationalen Sicherheits-
kraft (KFOR) volle Verantwortung zu überneh-
men, um die Sicherheit aller ethnischen Gruppen
und die Freizügigkeit sowie den Schutz des Kul-
turgutes sicherzustellen.

13. Die Versammlung fordert die politischen Führer des
Kosovos und die provisorischen Institutionen der
Selbstverwaltung auf,
i. in einer wirklichen Partnerschaft mit UNMIK

zusammenzuarbeiten, um die Voraussetzungen
für ein multiethnisches und demokratisches Ko-
sovo zu schaffen;

ii. eine verantwortliche Haltung im Hinblick auf die
Verwirklichung des Umsetzungsplans der Kosovo-
Standards einzunehmen;

iii. der Reform der kommunalen Selbstverwaltung
und der öffentlichen Verwaltung Priorität einzu-
räumen und die Bedeutung dieser Aufgabe der
Bevölkerung auf positive Weise zu erklären;

iv. unmissverständlich echtes Engagement zu zei-
gen im Hinblick auf den Minderheitenschutz,
den Aufbau einer multiethnischen Gesellschaft,
in der Freizügigkeit und die Bestrafung gewalttä-
tiger Extremisten vorgesehen sind;

v. einen umfassenden und effizienten Rückkehrplan
zu erarbeiten und dazu beizutragen, Verhältnisse
zu schaffen, einschließlich des Wiederaufbaus
von beschädigten Häusern und Klöstern und Kir-
chen, die es den Vertriebenen ermöglichen, nach
Hause zurückzukehren;

vi. aktive und passive Unterstützung von Extremis-
tengruppen, die ethnische Gewalt gegenüber Ser-
ben und anderen Nichtalbanern schüren, einzu-
stellen;

vii. konkrete Maßnahmen zu ergreifen zur Bewälti-

Selbstverwaltung in diesem Prozess sicherzustel-
len;

gung der Hintergründe der ethnisch motivierten
Gewalt und die Urheber vor Gericht zu bringen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4082

14. Die Versammlung fordert die Regierung von Serbien
und den Ministerrat von Serbien und Montenegro
auf,
i. auf konstruktive Weise an dem Umsetzungsplan

der Kosovo-Standards mitzuarbeiten sowie am
Prozess der Verwirklichung der „Standards für
das Kosovo“;

ii. alle von ihr im Kosovo unterstützten Parallel-
strukturen abzubauen, die gegenwärtig dem Auf-
bau einer multiethnischen Gesellschaft und der
Wiederherstellung der Kulturdenkmäler im
Wege stehen;

iii. auf wirksame Art und Weise die von ihnen ratifi-
zierten Rechtsinstrumente des Europarates
umzusetzen, insbesondere im Bereich des Men-
schenrechtsschutzes, einschließlich des Minder-
heitenschutzes und der Verhütung von Folter;

iv. zur Schaffung von Voraussetzungen beizutra-
gen, die es den vor der Gewalt geflohenen Ser-
ben ermöglichen, in das Kosovo zurückzukeh-
ren.

15. Die Versammlung fordert die serbischen Führer des
Kosovos auf, sich wieder umfassend am politischen
Prozess zu beteiligen und wieder in die zentralen und
städtischen politischen Institutionen zurückzukeh-
ren, aus denen sie sich zurückgezogen hatten, und da-
mit zur Verwirklichung der „Standards für das Ko-
sovo“ beizutragen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 6 ( 2 0 0 4 ) *

Zypern
1. Die Parlamentarische Versammlung ist nach der

überaus deutlichen Abstimmung der griechisch-
zypriotischen Gemeinschaft mit Nein zutiefst ent-
täuscht über die fehlgeschlagenen Bemühungen der
Staatengemeinschaft, die Teilung von Zypern zu be-
enden und den beiden zypriotischen Gemeinschaf-
ten gemeinsam die Möglichkeit zu geben, der Euro-
päischen Union am 1. Mai 2004 beizutreten. Die
Versammlung respektiert jedoch den von den grie-
chischen Zyprioten und den türkischen Zyprioten in
getrennten und gleichzeitigen Volksabstimmungen
zum Ausdruck gebrachten Willen. Die Versamm-
lung sieht ein, dass die griechisch-zypriotische Be-
völkerung mehr Zeit benötigt, um Vertrauen zu ge-
winnen und Zuversicht zu entwickeln in die neue,
positivere Haltung der türkischen Zyprioten und der
Türkei.

2. Die Versammlung zollt dem Generalsekretär der Ver-
einten Nationen, Kofi Annan, und seinen Kollegen
ihre Anerkennung für einen enormen Beitrag im Hin-
blick auf die Herbeiführung einer Lösung für das Zy-
pern-Problem.

3. Die Versammlung spricht den türkischen Zyprioten
ihre Anerkennung aus, die den Annan-Plan mit einer
überwältigenden Mehrheit unterstützt haben und sich
somit für eine Zukunft in Europa ausgesprochen ha-
ben. Die Staatengemeinschaft und insbesondere der
Europarat und die Europäische Union können den
zum Ausdruck gebrachten Wunsch einer Mehrheit
der türkischen Zyprioten nach verstärkter Offenheit
weder ignorieren noch übergehen und sollten daher
rasche und angemessene Maßnahmen zu ihrer Ermu-
tigung greifen. Die internationale Isolierung der tür-
kischen Zyprioten muss ein Ende finden.

4. Die Versammlung begrüßt daher die von mehreren
europäischen politischen Führern zum Ausdruck ge-
brachte Unterstützung im Hinblick auf finanzielle
Hilfe für die türkischen Zyprioten und eine Locke-
rung der internationalen gegenüber ihnen verhängten
Sanktionen. Die Vereinten Nationen sollten ebenfalls
überlegen, ob die Resolutionen, auf denen die Sank-
tionen basieren, noch begründet sind.

5. Die Versammlung hält es für unfair, dass der tür-
kisch-zypriotischen Gemeinschaft, die ein klares
Votum für ein vereintes und europäisches Zypern
zum Ausdruck gebracht hat, weiterhin eine Beteili-
gung an der europäischen politischen Debatte vorent-
halten wird. Eine solche anhaltende Isolierung kann
nur dazu beitragen, die Position jener, die sich gegen
ein vereintes Zypern aussprechen, zu stärken.

6. Die Versammlung beschließt daher, die gewählten
Vertreter der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft
enger in die Arbeit der Parlamentarischen Versamm-
lung und deren Ausschüsse mit einzubeziehen, und
zwar über den Rahmen der Entschließung 1113
(1997) der Versammlung hinausgehend und integriert
in der zyprischen Delegation.

E n t s c h l i e ß u n g 1 3 7 7 ( 2 0 0 4 ) **

Die Einhaltung der Pflichten und Ver-
pflichtungen durch Albanien

1. Die Parlamentarische Versammlung begrüßt die von
den albanischen Behörden in den vergangenen drei
Jahren erzielten Fortschritte im Hinblick auf das
Funktionieren einer pluralistischen Demokratie und
der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der

* Debatte der Versammlung am 29. April 2004 (15. Sitzung). (Siehe
Dok. 10161, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Eörsi, und Dok. 10164, Stellungnahme des Ausschusses für

** Debatte der Versammlung am 29. April 2004 (15. Sitzung). (Siehe
Dok. 10116, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtungen (Überwachungsausschuss), Koberichterstatter: Herr
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Jurgens). Von der
Versammlung verabschiedeter Text am 29. April 2004 (15. Sitzung).

Smorawiński und Søndergaard). Von der Versammlung verabschie-
deter Text am 29. April 2004 (15. Sitzung).

Drucksache 15/4082 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Menschenrechte. Es hat Verbesserungen in Bezug auf
die Arbeit der staatlichen Institutionen und insbeson-
dere einen wachsenden Einfluss des Parlamentes auf
das politische Leben in Albanien gegeben. In jüngs-
ter Zeit hat es auch ein bisher nie dagewesenes Be-
streben nach Dialog und Zusammenarbeit zwischen
den Parteien gegeben, was – obwohl noch ungefestigt
und kurzlebig – gezeigt hat, dass es eine Alternative
zur immer wiederkehrenden Konfrontation und Obs-
truktionspolitik gibt, die bislang das politische Leben
in Albanien dominierten.

2. In den vergangenen 18 Monaten hat es vermehrte ge-
setzgeberische Aktivitäten gegeben, die zu neuen Ge-
setzen in allen Schlüsselreformbereichen geführt ha-
ben. Die Regierung hat Maßnahmen gegen
Menschenhandel ergriffen, und es ist ihr gelungen,
den Umfang des Menschenhandels im Adriaraum zu
reduzieren.

3. Auf internationaler Ebene hat Albanien damit begon-
nenen, ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom-
men mit der Europäischen Union zu verhandeln. Es
hat seine Beziehungen zu allen seinen Nachbarn ste-
tig verbessert und hat eine konstruktive Rolle bei der
Unterstützung der Anstrengungen der Staatenge-
meinschaft im Kosovo gespielt.

4. Trotzdem werden die erzielten Fortschritte gefähr-
det durch Möglichkeiten, die sich dem organisierten
Verbrechen und einem Teil der legalen Geschäfts-
welt bieten, fehlende Vorschriften und mangelnde
Kontrolle auszunutzen, um unerlaubten Druck auf
die öffentliche Hand auszuüben. Diese Gefahr wird
verstärkt durch eine relativ schwache und ineffi-
ziente staatliche Verwaltung, insbesondere in
Schlüsselbereichen wie Polizei, Zoll- und Steuerbe-
hörden, und die Unfähigkeit, finanzielle Transaktio-
nen wirksam zu kontrollieren und Geldwäsche zu
verhindern.

5. Trotz ernsthafter von den Behörden unternommener
Anstrengungen ist der Kampf gegen Armut und Kor-
ruption weiterhin eine ernste Herausforderung für
Albanien.

6. Das Justizsystem, welches die entscheidende Rolle
beim Kampf gegen Korruption und organisiertes Ver-
brechen übernehmen sollte, ist schwach und ineffizi-
ent. Seine Mitarbeiter werden schlecht bezahlt und
ausgebildet und scheinen zumindest teilweise korrupt
zu sein. Dies beeinträchtigt auch die Durchsetzung
neuer Gesetze, insbesondere in Bezug auf Schwer-
verbrechen.

7. Die Unfähigkeit der albanischen Polizei, der Staats-
anwälte und Richter, erfolgreich Schwerverbrecher
zu fassen, zu inhaftieren, strafrechtlich zu verfolgen
und zu verurteilen, insbesondere Mitglieder der orga-
nisierten Verbrechenssyndikate, unterhöhlt die
Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
im Land. Straflosigkeit und freier Bewegungsspiel-

der Justiz, wirksam zu arbeiten, zu Nutze machen,
sind nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Ord-
nung, sondern auch für die wirtschaftlichen Aussich-
ten und die politische Stabilität des Landes.

8. Die Finanzierung der politischen Parteien ist weiter-
hin nicht geregelt und das für die Prüfung der Ein-
künfte öffentlicher Vertreter zuständige Gremium
wurde gerade erst eingerichtet und muss seine Effi-
zienz noch unter Beweis stellen.

9. Die Regierung sollte ernsthafte Anstrengungen unter-
nehmen, um die Umsetzung von wichtigen Gesetzen
zu verbessern. Eine Anhäufung von Gesetzen, die
nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden, ist kontra-
produktiv. Letztendlicher Beweis für gutes Regie-
rungshandeln ist nicht das, was auf dem Papier steht,
sondern das, was in der Praxis erreicht wird.

10. Eine energischere Rolle des Parlaments bei der de-
mokratischen Kontrolle der Regierungsführung ist
von entscheidender Bedeutung. Sowohl die Mehr-
heits- als auch die Oppositionspartei – die eine klare
Haltung gegenüber gewalttätigen Protesten gegen die
Regierung einnehmen sollten, tragen in dieser Hin-
sicht Verantwortung. Die Versammlung verweist da-
rauf, dass die beiden wichtigsten politischen Parteien
– die vorher regierende Demokratische Partei und die
derzeit regierende Sozialistische Partei – gemeinsam
Verantwortung für die Probleme und die Missstände
tragen, denen sich Albanien gegenübersieht, und
auch Verantwortung für die Verbesserung der Lage
im Land tragen.

11. Die Versammlung sieht zum einen die erzielten Ver-
besserungen, möchte jedoch zum anderen weitere
Fortschritte auch bei der Organisation und Durchfüh-
rung von Wahlen sehen, insbesondere im Hinblick
auf die Zivilregister und die Wählerlisten sowie beim
Schutz der Menschenrechte, insbesondere in Bezug
auf die Verhaltensweise der Polizei.

12. Die Versammlung begrüßt die kürzlich erfolgte Er-
öffnung eines Informationsbüros des Europarates in
Tirana und die Wiederherstellung einer mit internatio-
nalen Mitarbeitern ausgestatteten Präsenz des Euro-
parates in Albanien. Die Versammlung begrüßt ferner
die Unterzeichnung eines neuen gemeinsamen Pro-
gramms für Albanien durch den Europarat und die
Europäische Kommission im November 2003 und ist
der Auffassung, dass dieses Programm die albani-
schen Behörden dabei unterstützen sollte, den aus der
Mitgliedschaft des Landes beim Europarat entstande-
nen Pflichten und Verpflichtungen umfassend nach-
zukommen.

13. Die Versammlung spricht den albanischen Behörden
ihre Anerkennung aus für die Einleitung von Gesprä-
chen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsab-
kommen mit der Europäischen Union. Sie möchte je-
doch unterstreichen, dass die zukünftige Entwicklung
von Beziehungen zur Europäischen Union unweiger-
lich auch von den Fortschritten abhängen wird, die in
raum für das organisierte Verbrechen, die sich eine
schwache Regierungsführung und das Unvermögen

den Bereichen erzielt werden, die vom Monitoring-
prozess der Versammlung erfasst werden. Die Ein-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/4082

haltung der aus der Mitgliedschaft beim Europarat
entstandenen Pflichten und Verpflichtungen sollte
nicht als eine lästige Pflicht, sondern als eine Inves-
tition in die Zukunft Albaniens betrachtet werden,
und die Haltung der Behörden in Bezug auf das Mo-
nitoringverfahren sollte diese Tatsache widerspie-
geln.

14. In Bezug auf die Bekämpfung von Korruption und
organisiertem Verbrechen – die sie als die wichtigste
Bedrohung für das Funktionieren demokratischer
Institutionen und der Rechtsstaatlichkeit im Lande
betrachtet – fordert die Versammlung die albanischen
Behörden auf,
i. ein Gesetz über den Interessenkonflikt, ein Ge-

setz über die Finanzierung von Wahlkampagnen
sowie ein Gesetz über die Arbeit politischer Par-
teien zu verabschieden;

ii. sicherzustellen, dass das kürzlich geschaffene
Hohe Inspektorat für die Anzeige von Vermö-
genswerten gewählter und öffentlicher Vertreter
rasch, konkret und in überzeugender Weise seine
Fähigkeit unter Beweis stellen wird, eine syste-
matische und glaubwürdige Prüfung der Ver-
mögen der gewählten und öffentlichen Vertreter
Albaniens offen zu legen, einschließlich der Ver-
mögen ihrer Familienmitglieder;

iii. das Funktionieren seiner Grenzkontroll-, Zoll-
und Steuerbehörden zu überprüfen sowie die
Verwaltungsstrukturen, denen die Kontrolle von
finanziellen Transaktionen obliegen, um deren
Effizienz bei der Verhinderung von Menschen-
handel, Geldwäsche, Korruption und ähnlichen
kriminellen Aktivitäten zu verbessern;

iv. sicherzustellen, dass in Albanien vorgenommene
Investitionen nicht mit Geldern finanziert wer-
den, die aus illegalen Aktivitäten und dem orga-
nisierten Verbrechen stammen;

v. die übermäßig nachsichtige Haltung in Bezug
auf Korruption und andere Formen beruflichen
Fehlverhaltens bei Richtern und Staatsanwälten
zu beenden. Soweit rechtlich begründet, sollten
Personen, die eines solchen Fehlverhaltens für
schuldig befunden wurden, nicht nur entlassen,
sondern auch vor Gericht gestellt werden;

vi. sicherzustellen, dass Richter und Staatsanwälte
ordnungsgemäß ausgebildet, entlohnt und ge-
schützt werden vor Bedrohungen ihrer körperli-
chen und beruflichen Unversehrtheit;

vii. nachdrücklicher die bestehenden Gesetze zur Be-
kämpfung von Menschenhandel durchzusetzen
und sicherzustellen, dass die Opfer die notwen-
dige Unterstützung erhalten, einschließlich Zeu-
genschutz, wenn sie bereit sind, gegen die Men-
schenhändler auszusagen;

Gericht und über den Zeugenschutz unverzüglich
und in einer wirksamen und sachgerechten Art
und Weise umgesetzt werden.

15. In Bezug auf das Funktionieren demokratischer Insti-
tutionen fordert die Versammlung die albanischen
Behörden auf,
i. eine Überprüfung der kürzlich verabschiedeten

Gesetze durchzuführen, und, soweit dies noch
nicht erfolgt ist, die notwendigen Haushaltsmittel
sicherzustellen und alle weiteren Verwaltungs-
maßnahmen zu ergreifen, die für eine rasche und
wirksame Umsetzung erforderlich sind;

ii. die Geschäftsordnung des albanischen Parlamen-
tes dahin gehend zu überprüfen, dass seine Kon-
trollfunktion gegenüber der Regierungsarbeit ge-
stärkt wird, insbesondere wenn es sich um die
Ausarbeitung und Umsetzung von Gesetzen han-
delt;

iii. ohne weitere Verzögerung und vor der nächsten
Parlamentswahl ein verlässliches Standesamtre-
gister zu schaffen, das als Grundlage für die neue
Wählerliste dienen sollte. Zusätzlich zu der mit
Unterstützung der Staatengemeinschaft im Jahre
2003 durchgeführten Reform des Wahlgesetzes
ist es auch erforderlich, die derzeitige Organisa-
tion von Wahlen zu überprüfen, um die zu starke
Rolle der großen politischen Parteien bei den
Wahlverfahren zu begrenzen und alle weiteren
Gründe für das anhaltende Unvermögen auszu-
räumen, ordnungsgemäße Wahlen im Einklang
mit internationalen Normen durchzuführen.

16. In Bezug auf die Menschenrechte und Grundfreihei-
ten fordert die Versammlung die albanischen Behör-
den auf,
i. Verfahren vorzuschreiben für die Untersuchung

aller Beschwerden über Misshandlung oder
Folter durch die Polizei; die im Bericht des Euro-
päischen Ausschusses gegen Folter enthaltene
Empfehlung rasch umzusetzen, Menschenrechts-
ausbildung für die Polizei fortzusetzen und aus-
zuweiten und die Übertragung der Zuständigkeit
für die Justizanstalten auf das Justizministerium
auf effiziente Art und Weise zum Abschluss zu
bringen;

ii. alle Berichte über Fälle von Misshandlung von
Homosexuellen zu untersuchen und die Schuldi-
gen zu bestrafen;

iii. durch einen offenen Dialog mit den betroffenen
Minderheitengruppen sämtliche in der Stellung-
nahme aus dem Jahre 2002 des Beratenden Aus-
schusses des Rahmenübereinkommens zum
Schutz nationaler Minderheiten enthaltenen Vor-
schläge rasch umzusetzen;

iv. das Strafgesetz in Bezug auf Verleumdung auf-

viii. sicherzustellen, dass die jüngsten Gesetze in Be-

zug auf das für Gewaltverbrechen zuständige
zuheben oder grundlegend zu ändern und das
Zivilgesetz in Bezug auf Verleumdung zu

Drucksache 15/4082 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

reformieren, um jede missbräuchliche Anwen-
dung zu verhindern;

v. die Bestimmungen in Bezug auf den Erwerb und
die Finanzierung von Medien im Hinblick auf
verstärkte Transparenz zu verbessern und Miss-
brauch und unrechtmäßigen Einfluss auf die Me-
dien und durch die Medien durch diejenigen, die
die finanzielle Kontrolle über sie haben, zu ver-
hindern;

vi. die Umwandlung der albanischen Rundfunk- und
Fernsehanstalt von einer staatlichen Anstalt zu
einem neutralen öffentlichen Dienstleister abzu-
schließen.

17. In Bezug auf die mit dem Beitritt zum Europarat ein-
gegangenen offiziellen Verpflichtungen fordert die
Versammlung die albanischen Behörden auf, unver-
züglich die Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen zu unterzeichnen und zu ratifi-
zieren.

18. Die Versammlung ist der Auffassung, dass das Über-
wachungsverfahren so lange offen bleiben sollte, bis
die albanischen Behörden weitere Fortschritte bei der
Einhaltung der generellen Verpflichtungen und spe-
ziellen Verpflichtungen, die sich aus der Mitglied-
schaft beim Europarat ergeben, erzielt haben, insbe-
sondere bis zum Nachweis deutlicher Fortschritte bei
der Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption
und organisiertem Verbrechen, einer verbesserten Bi-
lanz bei der Umsetzung von Gesetzen und der Durch-
führung von Wahlen in völliger Übereinstimmung
mit den internationalen Normen. Die bevorstehenden
Parlamentswahlen in Albanien sollten frei und fair
und in völliger Übereinstimmung mit den vom Euro-
parat festgelegten Normen durchgeführt werden.
Sollte dies nicht der Fall sein, beschließt die Ver-
sammlung, die Beglaubigungsschreiben der albani-
schen Delegation erneut im Einklang mit der Ge-
schäftsordnung zu prüfen.

Emp f e h l u n g 1 6 5 5 ( 2 0 0 4 ) *

Eine europäische Beobachtungsstelle
für Migration

1. Seit ihrer Gründung hat die Parlamentarische Ver-
sammlung von Anfang an den verschiedenen Aspek-
ten von Migration, Flüchtlingen und Asyl besondere
Aufmerksamkeit gewidmet. Eines der zentralen An-
liegen war stets die Menschenrechte und die Würde
des einzelnen Migranten, Flüchtlings und Asyl-
suchenden. Ein anderes Anliegen war der Wunsch,
die Kontrolle und die Steuerung von Migrationsströ-

men zu verbessern und illegale Migration zu verrin-
gern und insbesondere die Bekämpfung krimineller,
damit in Verbindung stehender Aktivitäten.

2. Die Versammlung trägt zur Arbeit des Europarates
und seiner Mitgliedstaaten dadurch bei, dass sie be-
stehende Gesetze in Bezug auf Einwanderung, Asyl
und Integration von Migranten und Flüchtlingen ver-
gleicht und die Verbesserung und Harmonisierung
derartiger Gesetze fördert. Die Versammlung verfolgt
ferner die Entwicklung von Migrationsströmen und
die demografischen Merkmale von Einwanderungs-
bevölkerungen.

3. Sie ist der Auffassung, dass es zunehmend notwendi-
ger wird, eine engere Zusammenarbeit unter den Mit-
gliedstaaten des Europarates, mit der Europäischen
Union und mit wichtigen nicht europäischen Staaten,
aus denen die Einwanderer in Europa stammen oder
die als Transitstaaten dienen, herbeizuführen im Hin-
blick auf eine verbesserte Steuerung legaler Migrati-
onsströme, einschließlich der Integration von Mi-
granten sowie im Hinblick auf die Verringerung
illegaler Migration und krimineller, damit in Verbin-
dung stehender Aktivitäten. Die Versammlung för-
dert daher nachdrücklich parlamentarische und zwi-
schenstaatliche Aktivitäten mit diesem Ziel, auch
unter aktiver Einbeziehung kommunaler und regiona-
ler Behörden sowie von Nichtregierungsorganisatio-
nen. Sie begrüßt die Entscheidung des Ministerkomi-
tees, die Treffen des Europäischen Ausschusses für
Migration (CDMG) für derartige erweiterte geogra-
fische Konsultationen zu nutzen.

4. Die Versammlung stellt mit Befriedigung die Schaf-
fung des Netzwerkes der Europäischen Union der na-
tionalen Kontaktzentren fest zur Verbesserung der
Wissensvermittlung über Migration, welches für spe-
zielle Zwecke unter der Schirmherrschaft des Euro-
parates auch auf Nicht-EU-Mitglieder erweitert wer-
den könnte.

5. Sie ist der Auffassung, dass die Vermittlung genaue-
rer Informationen an potenzielle irreguläre Migranten
diese Art von Migration und auch das Leid irregulä-
rer Migranten und deren Familien möglicherweise er-
heblich verringern könnte. Eine solche Initiative
könnte zu besseren Ergebnissen führen, wenn sie ge-
meinsam von den europäischen Aufnahmestaaten
und den europäischen und nicht europäischen Tran-
sit- und Herkunftsstaaten durchgeführt wird.

6. Die Versammlung nimmt ferner Bezug auf die
7. Konferenz der für Migrationsfragen zuständigen
Minister der Mitgliedstaaten des Europarates (Sep-
tember 2002), auf der die mögliche Schaffung einer
Struktur erörtert wurde, die es ermöglicht, Migration
besser zu steuern, sowie auf den der Konferenz vor-
gelegten Vorschlag, eine europäische Beobachtungs-
stelle/Agentur für Migration einzurichten.

7. Sie nimmt Bezug auf das am 25. September 2003
* Debatte der Versammlung am 26. April 2004 (9. Sitzung). (Siehe

Dok. 10108, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen,
Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatter: Herr
stattgefundene Treffen zwischen dem Europäischen

Parlament und der Parlamentarischen VersammlungIwiński). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 26. April2004 (9. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/4082

des Europarates und nimmt Kenntnis von der Über-
einkunft, eine europäische Beobachtungsstelle oder
Agentur für Migration einzurichten, basierend auf
gemeinsamen Initiativen der Europäischen Union
und des Europarates, einschließlich deren parlamen-
tarischer Vertretungen, die auch für eine Mitwirkung
nicht europäischer Staaten offen steht. In diesem Zu-
sammenhang begrüßt die Versammlung die vom
Europäischen Ausschuss für Migration des Europara-
tes durchgeführte Machbarkeitsstudie in Bezug auf
die wesentlichen Parameter, die zu berücksichtigen
sind in Verbindung mit der Schaffung und der Arbeit
einer erweiterten europäischen Beobachtungsstelle
oder Agentur für Migration.

8. Daher empfiehlt die Versammlung dem Minister-
komitee,
i. in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen

Union und der internationalen Organisation für
Migration die Machbarkeitsstudie des Europäi-
schen Ausschusses für Migration (CDMG) in
Bezug auf die Schaffung einer Agentur für Mi-
gration zu evaluieren, die für eine Beteiligung
durch Nichtmitgliedstaaten offen steht, und dabei
besondere Aufmerksamkeit auf die Beschaffung,
Verarbeitung und Verbreitung von Informationen
zu legen;

ii. mit der Europäischen Kommission Verhandlun-
gen aufzunehmen, um unter der Schirmherr-
schaft des Europarates eine Form der Zusam-
menarbeit zwischen ihrem Netz der nationalen
Kontaktzentren für die Verbesserung der Infor-
mationen über Migration und ähnlichen Zentren
zu finden, die möglicherweise in Nichtmitglied-
staaten der EU errichtet oder erfasst werden
könnten;

iii. den Prozess der politischen Konsultationen unter
den Mitgliedstaaten, der Europäischen Union
und den nicht europäischen Staaten, die an einer
engeren Zusammenarbeit in Bezug auf Migra-
tionfragen interessiert sind, weiter auszubauen
mit dem Ziel, das politische Interesse im Hin-
blick auf die Schaffung eines neuen Instrumentes
einer erweiterten europäischen Zusammenarbeit
in diesem Bereich deutlich zu machen;

iv. zum Zweck der Schaffung einer Migrationsbeob-
achtungsstelle oder Agentur die Möglichkeit der
Ausarbeitung einer erweiterten Übereinkunft
oder eines erweiterten Teilabkommens zu prüfen,
wie in der satzungsgemäßen Resolution (93)28
des Ministerkomitees vorgesehen, im Hinblick
auf die Unterzeichnung durch die Mitgliedstaa-
ten des Europarates, die Europäische Union und
interessierte nicht europäische Staaten, oder zu
prüfen, ob ein bestehendes Übereinkommen so
angepasst werden kann, dass es die gleichen Auf-
gaben erfüllen kann;

Rolle für die Parlamentarische Versammlung und
das Europäische Parlament sowie für kommu-
nale und regionale Behörden, insbesondere für
den Kongress der Gemeinden und Regionen
Europas und die Nichtregierungsorganisationen,
vorzusehen;

vi. dieses Projekt gegebenenfalls dem dritten Gip-
feltreffen der Staats- und Regierungschefs der
Mitgliedstaaten des Europarates vorzulegen.

Emp f e h l u n g 1 6 5 6 ( 2 0 0 4 ) *

Die Situation in europäischen Gefängnissen
und Untersuchungshaftanstalten

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre
Empfehlung 1257 (1995) betreffend die Haftbedin-
gungen in Mitgliedstaaten des Europarates. Seit da-
mals hat sich die Situation in einigen Ländern, in
denen sie als besorgniserregend betrachtet wurde,
verbessert, jedoch bestehen in Europa weiterhin Pro-
bleme in Bezug auf Misshandlung, unzulängliche
Gefängniseinrichtungen, vorgesehene Aktivitäten
und Gesundheitsversorgung. In den meisten Mit-
gliedstaaten des Europarates ist auch eine Tendenz
der Überfüllung von Gefängnissen und Untersu-
chungshaftanstalten, einer übermäßigen Zunahme der
Zahl von Gefängnisinsassen und einer zunehmenden
Zahl ausländischer Häftlinge und von Häftlingen, die
auf einen abschließenden Urteilsspruch warten, fest-
zustellen.

2. Das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von
Folter und seine Kontrollmechanismen bilden zusam-
men mit den verschiedenen Rechtsinstrumenten des
Europarates in diesem Bereich, einschließlich der
Europäischen Gefängnisregeln aus dem Jahre 1987,
wertvolle Instrumente zur Gewährleistung der Be-
achtung der Menschenrechte in Haftanstalten. Der-
zeit findet eine Überprüfung dieser Regeln statt, und
die Versammlung fordert nachdrücklich, dass sie
rasch abgeschlossen wird.

3. Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen der Ver-
einten Nationen gegen Folter wurde am 1. Januar
2003 zur Unterzeichnung aufgelegt. Die Versamm-
lung bedauert, dass es nur von sieben Mitgliedstaaten
unterzeichnet wurde (Österreich, Dänemark, Finn-
land, Italien, Malta, Schweden und dem Vereinigten
Königreich) und dass nur zwei von ihnen ratifiziert
haben (Malta und das Vereinigte Königreich). Die im
Protokoll vorgesehene Schaffung nationaler Mecha-
nismen zur Verhütung von Folter ist ein Fortschritt.

4. Die Lebensbedingungen in vielen Gefängnissen und
Untersuchungshaftanstalten sind unvereinbar mit der

* Debatte der Versammlung am 27. April 2004 (11. Sitzung). (Siehe
Dok. 10097, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
v. bei den Lenkungs- und Programmorganen eines

solchen Übereinkommens eine hervorgehobene te, Berichterstatter: Herr Hunault). Von der Versammlung verab-schiedeter Text am 27. April 2004 (11. Sitzung).

Drucksache 15/4082 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Achtung der menschlichen Würde geworden. Es gibt
eine klare Notwendigkeit zur Harmonisierung der
Haftbedingungen und der Einführung ständiger ex-
terner Überwachung, was auch eine Harmonisierung
der Straftatbestände und Strafen beinhaltet. Ein gene-
reller Rahmen sollte erarbeitet werden, der für alle
Mitgliedstaaten des Europarates verbindlich ist und
sie auf die Rechte und Pflichten von Gefängnisinsas-
sen hinweist, die umfassend in einer „Europäischen
Gefängnischarta“ aufgeführt werden sollten.

5. In diesem Zusammenhang wird in dem Entschlie-
ßungsentwurf des Europäischen Parlamentes (2003/
2188(INI)) über die Rechte von Gefängnisinsassen in
der Europäischen Union ausdrücklich die Initiative
einer solchen vom Ausschuss für Recht und Men-
schenrechte eingebrachten Charta erwähnt.

6. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
daher,
i. eine Europäische Gefängnischarta in Zusammen-

arbeit mit der Europäischen Union auszuarbei-
ten;

ii. sicherzustellen, dass es der Aufgabenbereich des
für die Ausarbeitung der Charta zuständigen
Ausschusses vorsieht, dass die Charta genaue
Regelungen und Verpflichtungen enthält, die für
die Mitgliedstaaten verbindlich sind, und zwar in
Bezug auf
a) das Recht auf Zugang für einen Anwalt und

einen Arzt während der Untersuchungshaft
und das Recht für Personen in Untersu-
chungshaft, eine dritte Partei hierüber zu in-
formieren;

b) Regeln für die Haftbedingungen;
c) das Recht auf Zugang für interne und ex-

terne medizinische Dienste;
d) Aktivitäten in Bezug auf Umschulung, Bil-

dung und soziale und berufliche Reintegra-
tion;

e) Trennung von Häftlingen;
f) spezielle Maßnahmen für schutzbedürftige

Gruppen von Häftlingen;
g) Besuchsrechte;
h) das Recht von Häftlingen auf wirksame Ab-

hilfe zur Verteidigung ihrer Rechte gegen-
über willkürlichen Sanktionen oder willkür-
licher Behandlung;

i) spezielle Sicherheitsreglungen;
j) Förderung von alternativen Sanktionen zum

Freiheitsentzug und Aufklärung der Häft-
linge über ihre Rechte;

iii. sich bei der Ausarbeitung der Charta auf die

iv. der Parlamentarischen Versammlung den Ent-
wurf einer Europäischen Gefängnischarta zur
Stellungnahme vorzulegen;

v. die Mitgliedstaaten des Europarates einzuladen,
das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen der
Vereinten Nationen gegen Folter so schnell wie
möglich zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Emp f e h l u n g 1 6 5 7 ( 2 0 0 4 ) *

Verschwundene Personen in Belarus
1. Die Parlamentarische Versammlung nimmt Bezug

auf ihre Entschließung 1371 (2004) und empfiehlt
dem Ministerkomitee,
i. die zuständigen belarussischen Behörden aufzu-

fordern,
a) nach der Entlassung des derzeitigen Gene-

ralstaatsanwaltes, Herrn Sheyman, der be-
schuldigt wurde, in seinen vorherigen Funk-
tionen Drahtzieher dieser Fälle von
Verschwindenlassen gewesen zu sein, die
zuständigen staatlichen Behörden anzuwei-
sen, eine wirklich unabhängige Untersu-
chung über die zuvor erwähnten Fälle von
Verschwindenlassen einzuleiten und die Fa-
milien der vermissten Personen umfassend
über den Fortschritt und die Ergebnisse die-
ser Untersuchung zu informieren.

b) eine strafrechtliche Untersuchung einzulei-
ten mit dem Ziel der Untersuchung und ge-
gebenenfalls der Bestrafung,
– der mutmaßlichen Beteiligung des der-

zeitigen Generalstaatsanwaltes, Herrn
Scheyman, des derzeitigen Sportminis-
ters (früheren Innenministers), Herrn
Siwakow, und eines hochrangigen Offi-
ziers der Sonderstreitkräfte, Herrn
Pavlitchenko, an diesen Fällen von Ver-
schwindenlassen;

– des möglichen Straftatbestandes der Be-
hinderung der Gerichtstätigkeit, began-
gen durch bestimmte andere hochrangige
Funktionäre, die an den bislang durchge-
führten Untersuchungen beteiligt waren
und welche die in ihrem Besitz befind-
lichen Beweise gefälscht, unterschlagen
oder vernichtet haben, um die wahren
Urheber jener Verbrechen zu schützen.

ii. die Aussetzung der Beteiligung von Belarus an
verschiedenen Abkommen und Aktivitäten des

* Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe
Dok. 10062, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
Richtlinien zu stützen, die im Anhang zum Do-

kument 10097 aufgeführt sind; te, Berichterstatter: Herr Pourgourides). Von der Versammlung ver-abschiedeter Text am 28. April 2004 (12. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/4082

Europarates sowie jeglicher Kontakte zwischen
dem Europarat und der belarussischen Regierung
auf politischer Ebene so lange in Betracht zu zie-
hen, bis ausreichende Fortschritte in Bezug auf
die Forderung unter Absatz 1 oben erzielt wur-
den, und in der Zwischenzeit seine Zusammenar-
beit mit der Bürgergesellschaft in Belarus im
Hinblick auf die Förderung der Achtung der
Menschenrechte zu verstärken.

iii. seine Mitgliedstaaten und Beobachterstaaten auf-
zufordern,
a) politischen Druck (einschließlich Sank-

tionen) auf die belarussische Regierung aus-
zuüben, um ihr ein klares Signal zu geben,
dass die Staatengemeinschaft eine Straffrei-
heit für Fälle von Verschwindenlassen nicht
toleriert und

b) mit allen ihren Möglichkeiten weiterhin jene
Männer und Frauen in Belarus zu schützen,
die sich dafür einsetzen, die Wahrheit he-
rauszufinden.

2. Sie fordert die Mitgliedstaaten des Europarates und
die Staatengemeinschaft generell nachdrücklich auf,
ein Maximum an politischem Druck auf die derzei-
tige Führung von Belarus auszuüben, einschließlich
durch Sanktionen, und zwar so lange, bis eine glaub-
würdige unabhängige Untersuchung über die mut-
maßliche Beteiligung hochrangiger Vertreter an den
Fällen von Verschwindenlassen oder deren Verde-
ckung durchgeführt wurde.

3. Sie fordert insbesondere die Justizbehörden jener
Staaten auf, deren Gesetze eine internationale Recht-
sprechung ihrer nationalen Gerichte für Fälle schwer-
wiegender Menschenrechtsverletzungen vorsehen,
entweder generell oder aufgrund bestimmter territori-
aler Bindungen, Verfahren gegen bestimmte hochran-
gige belarussische Funktionäre wegen Tötung aus
politischen Gründen einer oder mehrerer der vier ver-
schwundenen Personen einzuleiten.

Emp f e h l u n g 1 6 5 8 ( 2 0 0 4 ) *

Die strafrechtliche Verfolgung der Presse
in der Republik Belarus

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates ver-
weist auf ihre Entschließung 1372 (2004) betr. die straf-
rechtliche Verfolgung der Presse in der Republik Belarus
und empfiehlt dem Ministerkomitee des Europarates,

i. diese Entschließung bei seinen Maßnahmen im
Hinblick auf Belarus zu berücksichtigen;

ii. diese Entschließung an die Regierungen der Mit-
glied- und Beobachterstaaten weiterzuleiten und
sie zu ersuchen, bei ihren bilateralen Beziehun-
gen zu Belarus die Erfüllung des in dieser Ent-
schließung enthaltenen Katalogs an Forderun-
gen im Hinblick auf die Medienfreiheit zu
unterstützen;

iii. die Mitgliedstaaten zu ermutigen, objektive und
unparteiische Rundfunkprogramme und Print-
und Internetveröffentlichungen, die sich gezielt
an die belarussische Öffentlichkeit richten, zur
Verfügung zu stellen.

Emp f e h l u n g 1 6 5 9 ( 2 0 0 4 ) **

Die Stärkung der Vereinten Nationen
1. Die Parlamentarische Versammlung nimmt Bezug

auf ihre Entschließung 1373 (2004) betr. die Stärkung
der Vereinten Nation.

2. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee,
i. sich aktiv einzubringen bei der Ausarbeitung ei-

ner gemeinsamen Stellungnahme des Europara-
tes in der Generalversammlung in Bezug auf Fra-
gen, die für den Europarat von unmittelbarem
Interesse sind;

ii. bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Parlamen-
tarische Versammlung über die Vorbereitung der
alle zwei Jahre stattfindenden Debatte in der Ge-
neralversammlung und über den Resolutionsent-
wurf über die Zusammenarbeit zwischen den
Vereinten Nationen und dem Europarat zu kon-
sultieren;

iii. die Bereitschaft des Europarates deutlich zu ma-
chen, aktiv zur Umsetzung der Programme und
Aktivitäten der Vereinten Nationen, bei denen er
über einen anerkannten Sachverstand verfügt,
beizutragen;

iv. die Regierungen der Mitglied- und Beobachter-
staaten des Europarates zu ermutigen, Mitglieder
der Parlamentarischen Versammlung in ihre De-
legationen bei der Generalversammlung aufzu-
nehmen mit dem Ziel einer Teilnahme an der alle
zwei Jahre stattfindenden Debatte über die Zu-
sammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen
und dem Europarat, um den Mitgliedern der Par-
lamentarischen Versammlung die Möglichkeit zu
geben, sich an dieser Debatte zu beteiligen;

* Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe
Dok. 10107, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Pourgourides, und Dok. 10165, Stellungnahme des Ausschusses
für Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatterin: Frau

** Debatte der Versammlung am 28. April 2004 (12. Sitzung). (Siehe
Dok. 10120, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatterin:
Muttonen). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 28. April
2004 (12. Sitzung).

Frau de Zulueta). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
28. April 2004 (12. Sitzung)

Drucksache 15/4082 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

v. konkrete Vorschläge vorzulegen in Bezug auf
eine permanente Präsenz des Europarates am
Sitz der Vereinten Nationen;

vi. den Vereinten Nationen den Sachverstand des
Europarates im Bereich der Umsetzung interna-
tionaler Rechtsinstrumente und deren Folgeme-
chanismen zur Verfügung zu stellen;

vii. ein Sondertreffen der Ministerstellvertreter dafür
vorzusehen, die Umsetzung der zuvor erwähnten
Vorstellungen unter Beteiligung der Vertreter der
Beobachterstaaten und der Parlamentarischen
Versammlung vorzubereiten.

Emp f e h l u n g 1 6 6 0 ( 2 0 0 4 ) *
Die Lage im Kosovo

1. Die Parlamentarische Versammlung nimmt Bezug
auf ihre Entschließung 1375 (2004) betr. die Lage im
Kosovo.

2. Die Versammlung stellt ferner das Engagement des
Europarates im Hinblick auf den Ausbau demokrati-
scher Werte, der Bürgergesellschaft und der intereth-
nischen Zusammenarbeit im Kosovo fest. Sie ermu-
tigt daher das Ministerkomitee, den Generalsekretär
rasch zu bevollmächtigen, Abkommen mit UNMIK
und KFOR abzuschließen auf der Grundlage der be-
stehenden Textentwürfe im Hinblick auf die uneinge-
schränkte Umsetzung des Übereinkommens über die
Verhütung von Folter und unmenschlicher oder er-
niedrigender Behandlung oder Strafe und des Rah-
menübereinkommens zum Schutze nationaler Min-
derheiten.

3. Die Versammlung stellt fest, dass die Übergangs-
verwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo
(UNMIK) den Europarat aufgefordert hat, die Zu-
ständigkeit für die internationale Beobachtung der
bevorstehenden Parlamentswahlen im Kosovo
(23. Oktober 2004) zu übernehmen. Dies werden die
ersten Wahlen sein, die weitgehend von den Kosova-
ren selbst verwaltet werden mit Unterstützung der
OSZE-Mission im Kosovo und UNMIK. Die Ver-
sammlung ist der Auffassung, dass es von allergröß-
ter Bedeutung ist, dass der Europarat diese Aufforde-
rung annimmt und die Objektivität der Beobachtung
sicherstellt.

4. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
daher,
i. wie vom Generalsekretär des Europarates vorge-

schlagen und bereits während der letzten drei
Wahlzyklen im Kosovo verwirklicht, positiv auf

die Aufforderung von UNMIK zu reagieren, die
Zuständigkeit für die internationale Wahlbe-
obachtung der Parlamentswahlen am 23. Okto-
ber 2004 im Kosovo zu übernehmen;

ii. die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, um
es dem Europarat zu ermöglichen, UNMIK und
den provisorischen Institutionen der Selbstver-
waltung seinen Sachverstand bei der Umsetzung
der Reform der kommunalen Selbstverwaltung
und der öffentlichen Verwaltung und dem Aus-
bau der Jugendbeteiligung zur Verfügung zu stel-
len.

Emp f e h l u n g 1 6 6 1 ( 2 0 0 4 ) **

Die Zukunft der sozialen Sicherheit
in Europa

1. Das wirtschaftliche Umfeld in Europa hat sich in den
letzten 30 Jahren beträchtlich verändert, und die
europäischen Volkswirtschaften haben sich zuneh-
mend der Weltwirtschaft geöffnet. Dementsprechend
entscheidet sich die Wettbewerbsfähigkeit dieser
Volkswirtschaften nicht nur bei den Produktionskos-
ten, sondern auch bei der Leistungsfähigkeit der die
künftige Sicherheit gewährleistenden sozialen Siche-
rungssysteme. Parallel dazu setzen die Umwandlung
der Produktionsweise und der Arbeitsorganisation,
die flexibler geworden sind und die weniger einheit-
lichen Berufslaufbahnen neue Standards der sozialen
Sicherung voraus.

2. In dieser Hinsicht bringt die Parlamentarische Ver-
sammlung ihre große Besorgnis über das Anhalten
einer Massenarbeitslosigkeit zum Ausdruck, aus der
sich für die Mitgliedstaaten des Europarates und ihre
sozialen Sicherungssysteme zahlreiche Probleme er-
geben. Sie betont ausdrücklich die Tatsache, dass
wirksam gesicherte soziale Rechte Faktoren des ge-
sellschaftlichen Zusammenhalts und der demokrati-
schen Stabilität darstellen. Soziale Sicherheit hat ih-
ren Preis, doch kann das Fehlen einer sozialen
Absicherung in wirtschaftlicher, sozialer und politi-
scher Hinsicht noch höhere Kosten nach sich ziehen.

3. Die Zukunft der Rentensysteme bedeutet eine große
Herausforderung, gerade auch angesichts der Überal-
terung der Bevölkerung wegen der höheren Lebens-
erwartung und der zurückgehenden Geburtenziffern.
In diesem Zusammenhang unterstreicht die Parla-
mentarische Versammlung vor allem den positiven
Aspekt des Anstiegs der Lebenserwartung, der oft als
Belastung dargestellt wird. Angesichts der Heraus-
forderung der künftigen Nachhaltigkeit der Renten-
systeme bekräftigt sie die Notwendigkeit, ein Ren-

* Debatte der Versammlung am 29. April 2004 (14. Sitzung). (Siehe
Dok. 10157, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Lloyd, und Dok. 10170, Stellungnahme des Ausschusses für
Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatter: Herr O’Hara).

** Debatte der Versammlung am 30. April 2004 (16. Sitzung). (Siehe
Dok. 10098, Bericht des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 29. April 2004
(14. Sitzung).

Familie, Berichterstatter: Herr Evin). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 30. April 2004 (16. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/4082

tensystem zu erhalten, das auf landesweiter
Solidarität und Solidarität zwischen den Generatio-
nen gründet, das richtige Gleichgewicht zwischen ge-
setzlichem und privatem System zu beachten und die
Rolle des Staates als Garant zu bewahren.

4. Die Versammlung ist im Einzelnen der Auffassung,
dass eine Sozialpolitik gerade dann am familien-
freundlichsten ist und am ehesten zu mehr Geburten
führt, wenn sie es den Eltern und vor allem den
Frauen ermöglicht, Beruf und Familienleben harmo-
nisch miteinander zu vereinbaren. Länder, die eine
derartige Politik entwickelt haben, weisen die höchs-
ten Geburtenraten auf, wenn man sie mit Ländern
vergleicht, die der ausschließlichen Förderung nicht
berufstätiger Mütter den Vorzug gegeben haben.

5. Die Parlamentarische Versammlung ist von der Not-
wendigkeit überzeugt, die Sozialpolitik zu ändern, da
die Gesellschaften seit der Zeit der Errichtung der
europäischen Sozialversicherungssysteme, die den
neuen Gegebenheiten nun nicht mehr wirklich ge-
recht werden, ein Wandlung erfahren haben. Die ge-
genwärtigen und künftigen Reformen sind von drei
Hauptzielen gekennzeichnet:
i. bessere Steuerung der Entwicklung der Sozial-

ausgaben, da zu deren Finanzierung weniger
Mittel als früher zur Verfügung stehen;

ii. bessere Berücksichtigung neuer Lebensstile und
der Veränderung der sozialen Risiken sowie
neuer sozialer Bedürfnisse: bessere Bildung und
lebenslanges Lernen, Dienstleistungen für be-
rufstätige Frauen und pflegebedürftige Senioren
sowie allmähliche Abschaffung sinkender Le-
bensstandards in den Haushalten nach der Geburt
von Kindern;

iii. Umbau der Systeme der sozialen Sicherheit im
Sinne besserer Beschäftigungsförderung, unter
anderem durch die Anerkennung der Arbeit, die
der Betreuung von Familienangehörigen gewid-
met ist.

6. Die Parlamentarische Versammlung hebt hervor, dass
es auf die Frage der Reform der sozialen Sicherheit
angesichts der unterschiedlichen Traditionen und
Zielsetzungen der jeweiligen europäischen Länder
nicht nur eine einzige, eindeutige und einheitliche
Antwort gibt. Wenn sich also für die Reformen der
sozialen Schutzmaßnahmen kein Königsweg ange-
ben lässt, ist doch an einige Grundsätze zu erinnern,
die zu beachten die Mitgliedstaaten sich schuldig
sind.

7. Die Versammlung spricht sich für die Anwendung
der Grundsätze der sozialen Sicherheit aus, wie sie in
den Rechtsinstrumenten des Europarates enthalten
sind: der Europäischen Sozialcharta und der überar-
beiteten Europäischen Sozialcharta, dem Europäi-
schen Kodex der Sozialen Sicherheit samt Protokoll

8. Die Rechtsinstrumente des Europarates im Sozialbe-
reich haben eine regelrechte europäische Normenset-
zung vollbracht und den sozialen Schutz zu einem
Grundrecht mit einem internationalen Kontrollsys-
tem gemacht. Die soziale Sicherheit nimmt auch in
der Europäischen Menschenrechtskonvention eine
bedeutsame Stellung ein, und in den letzten 15 Jahren
ist diese Frage in zahlreichen Urteilen behandelt wor-
den.

9. Mit der überarbeiteten Europäischen Sozialcharta ist
ein neues Recht eingeführt worden: das Recht auf
Schutz vor Armut und sozialer Ausgrenzung
(Artikel 30). In diesem Zusammenhang bedauert die
Parlamentarische Versammlung, dass nur acht Mit-
gliedstaaten des Europarates bereit gewesen sind,
sich auf Artikel 30 zu verpflichten. Sie hält es für er-
forderlich, auf europäischer Ebene den politischen
Willen zu bekunden, den Zugang zu den sozialen
Rechten zu erleichtern.

10. Im Hinblick auf die Reform der Gesundheitssysteme
erinnert die Parlamentarische Versammlung an ihre
Empfehlung 1626 (2003) zu dieser Frage, in der es
deutlich heißt, dass „zur Beurteilung des Erfolgs der
Reform der Gesundheitssysteme als Hauptkriterium
der unterschiedslose effektive Zugang aller zu Ge-
sundheitsleistungen als Grundrecht des Einzelnen
und somit die Verbesserung des allgemeinen Gesund-
heitsniveaus und des Wohlergehens der Gesamtbe-
völkerung dienen muss“.

11. Die Versammlung legt auch Wert darauf, die Rolle
des Staates als Garant der Stabilität des Systems der
sozialen Sicherheit zu unterstreichen, der einschrei-
ten sollte, sobald dessen Grundprinzipien verletzt
werden, ohne seine wesentlichen Aufgaben an pri-
vate Akteure abzutreten. Ebenso kommt der Verant-
wortung des Staates auch in Zeiten der Reformen und
des Übergangs besondere Bedeutung für die künftige
Entwicklung der sozialen Sicherheit zu.

12. Die Parlamentarische Versammlung ist überzeugt,
dass die Stärkung des sozialen Zusammenhalts dank
dauerhafter sozialer Absicherung eine wirksame vor-
beugende Strategie darstellt, um die Gefahr sozialer
Unruhen und politischer Verwerfungen in bestimm-
ten jungen Demokratien, die Mitglieder des Europa-
rates sind, zu verringern. In dieser Hinsicht erinnert
sie daran, dass der Zweite Gipfel der Staats- und
Regierungschefs des Europarates 1997 seine Ent-
schlossenheit bekundete, den sozialen Zusammenhalt
als „unverzichtbaren Bestandteil der Wahrung der
Menschenrechte und der Menschenwürde“ zu för-
dern.

13. Außerdem legt die Parlamentarische Versammlung
Wert darauf, in Erinnerung zu rufen, dass mehrere
Europaratstexte Ziele festlegen, die es ermöglichen
würden, die Rechtsansprüche auf soziale Absiche-
rung in sämtlichen Mitgliedstaaten zu erweitern. Das
und dem überarbeiteten Europäischen Kodex der So-
zialen Sicherheit.

gilt für die überarbeitete Sozialcharta, die in ihrem
Artikel 12 das Recht auf soziale Sicherheit, in

Drucksache 15/4082 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Artikel 13 das Recht auf Fürsorge und in Artikel 30
das Recht auf Schutz vor Armut und sozialer Aus-
grenzung bekräftigt. Im Übrigen legt der Europäische
Kodex für Soziale Sicherheit für die Gewährleistung
dieser Rechte nützliche Normen fest. Die Versamm-
lung erinnert an die Notwendigkeit einer möglichst
baldigen Ratifizierung dieser verschiedenen Rechts-
instrumente und ersucht das Ministerkomitee, seine
diesbezügliche Tätigkeit zu intensivieren.

14. In dieser Hinsicht begrüßt die Versammlung die Ar-
beiten des Europäischen Ausschusses für sozialen
Zusammenhalt auf dem Gebiet der sozialen Sicher-
heit, insbesondere die Überlegungen über die Folgen
der im Rentenbereich eingeleiteten Reformen für den
sozialen Zusammenhalt und die Gleichheit von
Frauen und Männern. Sie erinnert zugleich an die
Initiative, 2004 eine Euro-Mittelmeer-Konferenz ab-
zuhalten, die auch nicht dem Europarat angehören-
den Mittelmeerländern offen stehen soll.

15. Sie begrüßt darüber hinaus die laufenden Arbeiten
des Lenkungsausschusses für Menschenrechte
(Comité directeur des droits de l’homme) an der Ein-
beziehung der sozialen Rechte in die Europäische
Menschenrechtskonvention, was es insbesondere er-
möglichen würde, die Empfehlung Nr. R(2003)3 des
Ministerkomitees betreffend das Recht in größter Not
lebender Menschen auf Deckung ihrer elementaren
materiellen Bedürfnisse umzusetzen. Sie unterstützt
diese Arbeiten.

16. Die Versammlung begrüßt die Entscheidung des Eu-
ropäischen Rates von Brüssel vom Dezember 2003
über Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und
Verbraucherschutz mit dem Ziel, „den gegenwärtigen
Prozess der Koordinierung der Politiken der Mit-
gliedstaaten auf dem Gebiet des sozialen Schutzes zu
stärken, um zur notwendigen Modernisierung der
Gesundheitssysteme beizutragen“. In diesem Zusam-
menhang ist sie der Ansicht, dass der Bereich der so-
zialen Sicherheit vorrangig Gegenstand einer Koope-
ration zwischen dem Europarat und der Europäischen
Union mit einer besseren Planung der gemeinsamen
mittel- und langfristigen Aktivitäten sein muss.

17. Die Versammlung lädt die Parlamentarier der Mit-
gliedstaaten dazu ein, bei dieser Gelegenheit auf ein-
zelstaatlicher und auf europäischer Ebene eine Dis-
kussion einzuleiten und – auf nationaler Ebene – die
Rechtsinstrumente des Europarates zu fördern, um
für die komplexen Fragen der Reform im sozialen
Bereich tragfähige Lösungen zu finden. Die Parla-
mentarische Versammlung sollte nach Ablauf von
zwei Jahren einen Bericht mit den Schlussfolgerun-
gen aus diesen Diskussionen in jedem ihrer Mitglied-
staaten prüfen.

18. Demzufolge empfiehlt die Parlamentarische Ver-
sammlung dem Ministerkomitee,
i. die Frage der sozialen Sicherheit und der Ar-

Europarates zu setzen und sich für die Aufnahme
der fünf Grundsätze der Empfehlung
Nr. R(2003)3 des Ministerkomitees in das Sys-
tem der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion einzusetzen;

ii. die Kontrollmechanismen im sozialen Bereich zu
stärken und dabei die Einhaltung der entspre-
chenden Zusagen der Mitgliedstaaten als Prio-
rität zu betrachten;

iii. das Wissen um die Lage der verschiedenen Be-
völkerungsteile im Hinblick auf soziale Indikato-
ren in Mitgliedstaaten auszuweiten, in denen die
sozialen Probleme eine schwerwiegende Quelle
politischer Instabilität darstellen, um integrierte
regionale Themenprojekte zu erarbeiten und in
enger Zusammenarbeit mit der Europäischen
Union umzusetzen;

iv. die von dem Europäischen Komitee für sozialen
Zusammenhalt und dem Internationalen Arbeits-
amt durchgeführten Kooperationsmaßnahmen zu
unterstützen, um die soziale Sicherheit in den
verschiedenen Mitgliedstaaten zu verbessern.

2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier
Tätigkeitsbericht des Präsidiums und

des Ständigen Ausschusses
der Versammlung

Abg. Rudolf Bindig (SPD): Herr Präsident, verehrte
Kolleginnen und Kollegen, die Versammlung hat einen
Ad-hoc-Ausschuss zur Beobachtung der Präsidentenwah-
len in der Russischen Föderation eingerichtet. Acht Mit-
glieder haben sich an dieser Aktion beteiligt. Die Delega-
tion der Versammlung war Teil der internationalen
Wahlbeobachter-Mission, die eng mit der OSZE und
ODIHR zusammengearbeitet hat. Die Delegation hatte
die Gelegenheit, mit zwei der Kandidaten zusammen zu
treffen, und zwar mit Frau Khakamada und Herrn
Malischkin, und bei den anderen Kandidaten jeweils mit
den Wahlkampfleitern.
Was das Verfahren für die Nominierung der Kandidaten
angeht, so legt das Wahlgesetz für die Wahl des Präsiden-
ten der Russischen Föderation eindeutig die Bedingungen
dafür fest. Erforderlich für eine Kandidatur sind entweder
zwei Millionen Unterschriften oder aber die Nominierung
durch eine in der Duma vertretene Partei. Zwei der Kan-
didaten waren von Duma-Parteien vorgeschlagen worden.
Die anderen fünf Kandidaten hatten Unterschriften sam-
meln müssen – eine recht hohe Hürde, weil nicht mehr als
50 000 der zwei Millionen Stimmen in demselben Sub-
jekt der Föderation gesammelt werden dürfen. Man
braucht also mindestens aus 40 Föderationssubjekten je-
weils die Zahl von 50 000 Unterschriften. Bedeutsam ist
auch, dass es im ersten Wahlgang eine Wahlbeteiligung
von über 50 Prozent geben muss. Wenn dies nicht der Fall
mutsbekämpfung auf die Tagesordnung des Drit-
ten Gipfels der Staats- und Regierungschefs des

ist, muss das gesamte Nominierungsverfahren erneut vor-
genommen werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/4082

Die Wahlkampagne ist von geringer Intensität gewesen
und in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Es sind nur sehr
wenig Mittel für die Werbung ausgegeben worden. Bei
der Zusammentragung der Unterschriften hat es eine
Reihe von Beschwerden von Seiten der Mitbewerber um
das Amt des Präsidenten gegeben. Es hat Klagen darüber
gegeben, dass die Verwaltung sich bei einem der Kandi-
daten an der Zusammenstellung der Unterschriften betei-
ligt hatte, dass andere Schwierigkeiten hatten und bei ih-
rer Präsentation in den Föderationssubjekten behindert
wurden.
Was den Wahltag angeht, so ist festzustellen, dass die
Wahlen ausgesprochen professionell organisiert worden
sind. Dennoch sind Unregelmäßigkeiten vorgekommen,
insbesondere im Hinblick auf die geheime Wahl. So kam
es leider öfter vor, dass familienweise oder offen abge-
stimmt wurde, wogegen in den Wahllokalen nicht einge-
schritten wurde. Dennoch lässt sich sagen, dass die Wah-
len in ihrem Ergebnis davon wohl kaum beeinflusst
worden sind.Ein besonderes Problem ist die Rolle der
Medien gewesen. Schon bei den Parlamentswahlen hatten
die internationalen Beobachter festgestellt, dass die Me-
dien nicht unparteiisch waren. Ähnliches konnte jetzt bei
den Präsidentenwahlen festgestellt werden. Die staatlich
kontrollierten Medien haben sich ganz klar parteiisch für
den Amtsinhaber ausgesprochen. Unabhängige Medien-
beobachter haben gesagt, dass auf Putin etwa 50 Prozent
der Mediendarstellung entfallen sind. Dagegen haben die
privaten Fernsehanstalten eher die Balance gehalten; dort
hat es auch kritische Stimmen gegeben. Dennoch war es
auch hier so, dass die landesweit verbreiteten Medien den
Amtsinhaber bevorzugt haben.
Auffällig ist – und das möchte ich hier ausdrücklich her-
vorheben – dass es im Nordkaukasus ganz ungewöhnli-
che Wahlergebnisse gegeben hat. Während die Wahlbe-
teiligung landesweit bei rund 65 Prozent lag, betrug sie in
allen Nordkaukasusrepubliken angeblich über 90 Prozent.
Putin erhielt in Inguschetien angeblich 98,2 Prozent. In
den anderen Republiken der Region lagen die Ergebnisse
auch jeweils über 90 Prozent der Stimmen für den Kandi-
daten Putin.
Was sind die Feststellungen und Empfehlungen? Ein kur-
zer Hinweis. Nach unserer Auffassung sollte die hohe
Hürde von zwei Millionen Unterschriften geändert wer-
den. Bei der Organisation des Wahlprozesses muss darauf
geachtet werden, dass geheim abgestimmt wird. Außer-
dem müssen die Wahlergebnisse im Kaukasus noch ein-
mal überprüft werden. Vor allem aber ist es notwendig,
eine Art unabhängiges, öffentlich-rechtliches Rundfunk-
und Fernsehwesen zu schaffen, um in Zukunft eine bes-
sere und fairere Vertretung im Fernsehen zu erreichen.

Der Antrag des Fürstentums Monaco
auf Mitgliedschaft im Europarat

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU): Herr Präsident, hier
geht es eigentlich nur darum sicherzustellen, dass diese

werden. Wir verstehen unseren Änderungsantrag als eine
Hilfestellung für die bevorstehenden Gespräche zwischen
Monaco und Frankreich.

Sterbehilfe
Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Marty verurteilt in
seinem Bericht über Euthanasie die Kluft, die in vielen
Mitgliedstaaten zwischen Rechten einerseits und Praxis
andererseits liegt. Er fordert am Beispiel Hollands und
Belgiens Möglichkeiten ein, die, wie er sagt, „freiwillige
aktive Sterbehilfe“ und die „Beihilfe zum Selbstmord“
aus der gesetzlichen Grauzone holen und damit deren
„potenziellen Missbrauch“ angreifbar machen sollen. Er
wirft in seinem Bericht viele Fragen auf und fordert eine
breite europäische Diskussion dieser Thematik. Dagegen
wäre eigentlich nichts zu sagen.
Sein Bericht stellt jedoch nicht nur Fragen. Mehrfach
stellt er den Weg Hollands und Belgiens und damit die
Straffreiheit für Ärzte, die unter bestimmten Umständen
auch aktiv töten dürfen, bereits als Lösung dar. Diese
vorschnelle Zielvorgabe täuscht jedoch darüber hinweg,
dass gerade in Holland und später wohl auch in Belgien
die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zu deren nicht
hinnehmbarer Ausweitung führt. Der Remmelink-Be-
richt zeigt, dass 1991 bei etwa 15 Prozent der 130 000 in
Holland Verstorbenen, bei also etwa 20 000 Menschen,
Ärzte explizit oder implizit die Entscheidung getroffen
haben, das Leben ihrer Patienten zu beenden. Dabei darf
nicht vergessen werden, dass der Verzicht auf weitere
Behandlung und die Intensivierung der Schmerzbekämp-
fung bei gleichzeitiger Tötungsabsicht des Arztes nicht
als Euthanasie, sondern als normales ärztliches Handeln
verstanden wird. Euthanasie nach amtlichem niederlän-
dischem Verständnis war nur in 2 300 Fällen gegeben, in
denen noch ein Arzt oder eine Ärztin ein tödliches Mit-
tel auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten verabreicht
hatte. 1996 waren es schon 27 000 Patienten, deren Le-
ben durch ärztliche Entscheidung beendet wurde, davon
nur in 9 000 Fällen auf deren ausdrücklichen Wunsch.
Die Zahl der amtlichen Euthanasiefälle war inzwischen
auf 3 200 pro Jahr gestiegen, das bedeutet eine Steige-
rung von 30 Prozent. Man erkennt daran, dass von einer
wirksamen Bekämpfung der Grauzone durch die Legali-
sierung ärztlichen Tötens in Holland keine Rede sein
kann.
In der Heimat des Berichterstatters, der Schweiz, ist die
aktive Sterbehilfe durch Ärzte zwar immer noch verbo-
ten; hier wird jedoch die Beihilfe zum Suizid durch Laien
oder auch durch Ärzte nicht strafrechtlich verfolgt. In
Züricher Pflegeheimen dürfen Suizidhilfeorganisationen
wie EXIT oder DIGNITAS mit städtischer Genehmigung
den vom Sterbewunsch Erfüllten eine Infusion mit tödli-
chem Gift anlegen und so lange anwesend bleiben, bis der
Hilfesuchende tot ist. Dieser braucht nur noch den Hahn
Änderungen, die schon mehrfach angesprochen worden
sind, von Monaco und Frankreich zielstrebig angegangen

zu öffnen. Weitere Zeugen gibt es meistens nicht. In
Ontario in Kanada ist der assistierte Suizid ebenfalls

Drucksache 15/4082 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

erlaubt; dort lässt man den Patienten jedoch mit dem Gift
allein, was in 50 Prozent der Fälle dazu führt, dass dieser
sich doch nicht tötet. Dies zeigt, wie groß die psychische
Belastung ist, und wie sehr fachlich kompetenter Bei-
stand in die eine oder in die andere Richtung auf den Pati-
enten wirken kann. Weder die Urteilsfähigkeit noch die
genaue Krankengeschichte müssen oder können von den
Laienhelfern in der Schweiz geprüft werden. Es gibt viele
Fälle, wo gerade bei psychischen Erkrankungen oder psy-
chischen Ausnahmezuständen die nötige therapeutische
Erfahrung und die fachlichen Voraussetzungen fehlten.
Dies sind nicht tolerierbare Missstände.
Wer aktive Sterbehilfe in, wie es heißt, „ausweglosen“ Si-
tuationen legalisiert, der muss sich fragen lassen, ob er
angesichts einer hoch entwickelten Schmerztherapie und
der vielfältigen Möglichkeiten, Menschen in ihrer Not
beizustehen, wirklich alles versucht hat, um diesen Pati-
enten zu helfen. Als Arzt, der selbst oft für sterbens-
kranke und lebensmüde Menschen verantwortlich war,
will ich Folgendes fordern: Wir müssen die Sorge fürei-
nander besser organisieren; wir dürfen Menschen nicht in
Heime abschieben; wir müssen Demenzkranke und Irre
bei uns behalten und annehmen. Dafür sollten wir ge-
meinsam streiten. Auch aus ärztlicher Sicht kann ich sa-
gen: Die Debatte um aktive Sterbehilfe, wie sie Herr
Marty hier inszeniert hat, ist falsch und schädlich. Der
Bericht von Herrn Marty ist abzulehnen.

Abg. Helmut Rauber (CDU/CSU): Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keine
Fragestellung, die mehr betroffen macht als die, über die
wir heute diskutieren, nämlich die über Leben und Tod.
Wegen der extrem hohen Komplexität des Themas sind
einfache Lösungen nur schwer zu finden. Ungeachtet der
nationalen Kompetenz in dieser Frage muss es unsere
Aufgabe sein, einen möglichst breiten Konsens zu finden.
Wir als CDU/CSU lehnen die Diktion, die hinter diesem
Bericht von Herrn Marty steht, ab.
Wir müssen Antworten geben, wie Menschen geholfen
werden kann, die unter unerträglichen Schmerzen leiden
und für die es keine Hoffnung auf Gesundung mehr gibt.
Jeder Mensch hat einen Anspruch auf menschenwürdiges
Sterben, und das schließt das Recht ein, technische Mög-
lichkeiten zur Verlängerung eines qualvollen Todes aus-
zuschlagen. Töten aus Barmherzigkeit, aus Mitleid oder
weil man schlicht finanziell oder auch physisch überfor-
dert ist zu helfen, darf es aber nicht geben. Aktive Sterbe-
hilfe ist gezielte Tötung und deshalb ethisch nicht zu ver-
treten. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz
und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche
in Deutschland weisen zu Recht darauf hin, dass die ak-
tive Sterbehilfe eine Bankrotterklärung der Menschlich-
keit ist und dass Tod und Aussichtslosigkeit nicht die
Oberhand gewinnen dürfen. Im Vordergrund steht der

Die Deutsche Hospiz-Stiftung zeigt in einem Schreiben
vom 12. Januar diesen Jahres auf, dass bei einer legali-
sierten aktiven Sterbehilfe allein europaweit jedes Jahr
100 000 Menschen getötet würden. Werden die Miss-
brauchszahlen der Niederlande zugrunde gelegt, so wür-
den danach jährlich 24 000 Menschen ungefragt getötet.
Wer die Angst vieler Menschen vor einem qualvollen
und einsamen Sterben und vor einem wehrlosen Ausge-
liefertsein an sinnlos gewordene Maßnahmen der Le-
bensverlängerung ernst nimmt, der muss Anstrengungen
im Bereich der Palliativ-Medizin ebenso unterstützen
wie die Hospiz- oder sonstige Bewegungen, die den
Menschen im Sterben begleiten und ihn in Würde auf
sein Ende zugehen lassen. Wir verschließen nicht die
Augen davor, dass schmerzlindernde Mittel in hohen
Dosen lebensbeendend sein können. Solange der Tod
selbst nicht beabsichtigt ist, ist das tödliche Risiko einer
solchen Schmerzbehandlung als Nebenwirkung zu ak-
zeptieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es Situatio-
nen gibt, wo schwer zwischen aktiver und passiver Ster-
behilfe zu trennen ist. Deshalb muss auch unter
strafrechtlichen Gesichtspunkten geklärt werden, was er-
laubt ist und was nicht.
In einer Gesellschaft, die stark dem Jugendwahn huldigt,
haben der Tod und die Diskussion um den Tod wenig
Platz. Wir können Fragestellungen verdrängen, aber den
Tod nicht ungeschehen machen. Nur wenn wir uns diesen
Fragen von Leben und Tod stellen, können wir dem Tod
einiges an Schrecken und Angst nehmen und das realisie-
ren, was wir unter einem Sterben in Würde verstehen. Wir
als CDU/CSU stimmen dem Antrag zu, dieses Problem
nochmals in das Präsidium zurückzuverlagern.

Die Situation in europäischen Gefängnissen
und Untersuchungshaftanstalten

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU): Herr Präsident, nur
eine Reihe kurzer Bemerkungen. Zunächst einmal
möchte ich mich natürlich bei unserem Berichterstatter,
Herrn Hunault, sehr herzlich bedanken. Ich glaube, wir
sind alle beeindruckt von der bemerkenswerten und
gründlichen Arbeit, die hier geleistet worden ist. Ein ge-
wichtiges Argument für die Forderung nach der Einfüh-
rung einer entsprechenden Charta ist ja die über Jahre
hin durch Fakten belegte Feststellung, dass sich die Zu-
stände nicht verbessert, sondern eher verschlechtert ha-
ben. Diese Situation schreit geradezu danach, dass wir
uns um die Erarbeitung gewisser Mindeststandards küm-
mern. Ich glaube, die Form der Konvention ist das klas-
sische Mittel, um solche Mindeststandards und deren
Durchsetzung sicherzustellen. Dabei sind wir uns sicher
alle im Klaren darüber, dass es ein sehr weiter Weg sein
wird. Wir werden auch die Forderungen vielleicht nicht
überladen dürfen, um überhaupt zum Ziel kommen zu
können. Doch immerhin haben wir bereits einen Teil des
Weges durch die Vorarbeiten und den Bericht zurückge-
Grundsatz, Leiden zu lindern und nicht, sich der Leiden-
den auf die billigste Art zu entledigen.

legt. Ich möchte Sie alle herzlich bitten, durch Ihre künf-
tige tatkräftige Unterstützung diesen Weg weiter zu

nern betont worden. Die Behandlung der Betroffenen
kann nur als im höchsten Maße menschenverachtend und
skrupellos bezeichnet werden. Wer so handelt, schließt
sich selbst aus der Gemeinschaft der zivilisierten Staaten
aus. Unsere Feststellungen dazu sind deshalb nur die un-
vermeidliche, das heißt zwingende Folgerung daraus. Das
Regime hat die Brücken abgebrochen, nicht wir. Im Ge-
genteil: Unsere Berichterstatter und andere haben sich
immer wieder vergeblich um Vermittlung und gute Bera-
tung bemüht. Deshalb bleibt jetzt nur noch die Aufkündi-
gung der Kontakte. Ich möchte jedoch betonen, dass dies
den Ministerrat des Europarates nicht seiner Verpflich-
tung enthebt, jeden nur denkbaren Druck auf die Regie-
rung und von Regierung zu Regierung auszuüben, um
eine Änderung der Verhältnisse und der Verhaltensweisen
des Regimes in Weißrussland zu erzwingen. Dass wir da-
rüber hinaus natürlich weiterhin bemüht sind, all unsere
noch vorhandenen Möglichkeiten die oppositionellen und
die demokratischen Kräfte in Weißrussland zu unterstüt-
zen, wollen und werden wir nutzen. Dies sollte meines
Erachtens in diesem Falle auch zu der möglichst einstim-
migen Botschaft dieses hohen Hauses gehören.
Ich darf mich bei unserem Berichterstatter, Herrn
Pourgourides, für seinen Einsatz, seine Geduld, aber auch

und der Prozeduren, die dort gelten sollen, zu einem be-
sonderen Anliegen gemacht. Die Zeitspanne von zwei
Jahren Arbeit, die vorhin von unserem Berichterstatter,
Herrn McNamara, erwähnt wurde, ist Ausdruck dieses
sorgfältigen Umgangs. Ich darf mich deshalb herzlich bei
ihm und all jenen, die daran mitgewirkt haben, bedanken.
Ich glaube, dass das Ergebnis in der Tat geeignet ist, zu-
nächst einmal die ganz wichtigen Prinzipien und die ver-
lässlichen Säulen zu bewahren, die den Gerichtshof bis-
her getragen haben, sowie die Konvention. Dazu gehört,
dass wir wirksame Instrumente zur Durchsetzung der je-
weiligen Urteile und der Konvention insgesamt brauchen.
Andererseits müssen wir natürlich auch dafür sorgen,
dass nach wie vor möglichst jedermann mit möglichst je-
dem berechtigten Anliegen zum Gerichtshof durchdrin-
gen kann. Dieses Recht darf nicht dadurch ausgehebelt
werden, dass der Gerichtshof andererseits überlastet wird.
Mit dem Vorschlag, der jetzt gemacht wurde, ist es glaube
ich gelungen, diese Gratwanderung erfolgreich abzu-
schließen. Ich wünsche dem Ganzen einen schnellen Er-
folg, damit sich der Gerichtshof wieder mit voller Effekti-
vität um den Schutz der Menschenrechte kümmern kann.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/4082

beschreiten, um dann zu dem gewünschten Ergebnis
kommen zu können.
Vielen Dank.

Verschwundene Personen in Belarus
in verbundener Debatte mit

Die strafrechtliche Verfolgung der Presse
in der Republik Belarus

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU): Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen, die Taten des Regimes und seines
Präsidenten – das hat sich hier unisono so ergeben – ver-
dienen die schärfste Verurteilung und Reaktion. Dies ist
auch im Rechtsausschuss immer wieder von allen Red-

für seinen klaren Kurs recht herzlich bedanken. Dies ent-
spricht dem Geist des Europarates und der Bedeutung des
Anliegens, über das wir jetzt abzustimmen haben.

Protokollentwurf Nr. 14 (2004) zur Konvention
zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten über die Reform des
Kontrollsystems der Konvention

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU): Herr Vorsitzender, es
gehört selbstverständlich zu den vornehmsten Aufgaben
des Rechtsausschusses, gerade jene Institutionen zu be-
treuen und zu begleiten, die das weltweite Renommee des
Europarates ausmachen. Deshalb haben wir uns gerade
diese Aufgabe, nämlich die Reform des Gerichtshofes

Drucksache 15/4082 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Mitgliedsländer und Funktionsträger
Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (45)

Länder mit Sondergaststatus
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt
Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.
Beobachter (3)
Israel
Kanada
Mexiko

Albanien
Andorra
Armenien
Aserbaidschan
Belgien
Bosnien und Herzegowina
Bulgarien
Dänemark
Deutschland
Estland
Finnland
Frankreich
Georgien
Griechenland
Irland
Island
Italien
Kroatien
Lettland
Liechtenstein
Litauen
Luxemburg

Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien
Malta
Moldau
Niederlande
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Rumänien
Russland
San Marino
Schweden
Schweiz
Serbien und Montenegro
Slowakische Republik
Slowenien
Spanien
Tschechische Republik
Türkei
Ukraine
Ungarn
Vereinigtes Königreich
Zypern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/4082

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Präsident Peter Schieder (Österreich – SOC)
Vizepräsidenten 19, darunter Rudolf Bindig (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)
Generalsekretär Bruno Haller (Frankreich)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Roman Jakič (Slowenien – LDR)
Stv. Vorsitzende Mikhail Margelov (Russland – EDG)

Michael Spindelegger (Österreich – EVP)
Abdülkadir Ateş (Türkei – SOC)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
Vorsitzender Evgeni Kirilov (Bulgarien – SOC)
Stv. Vorsitzende Sigita Burbienè (Litauen – SOC)

Antigoni Pericleous Papadopoulos (Zypern – LDR)
Ján Figeľ (Slowakei – EVP)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzender Marcel Glesener (Luxemburg – EVP)
Stv. Vorsitzende László Surján (Ungarn – EVP)

Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)
Jiří Maštálka (Tschechische Republik – UEL)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Eduard Lintner (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU/EVP)
Stv. Vorsitzende Dick Marty (Schweiz – LDR)

Jerzy Jaskiernia (Polen – SOC)
Erik Jurgens (Niederlande – SOC)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Lluís Maria de Puig (Spanien – SOC)
Stv. Vorsitzende Baroness Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Ghiorghi Prisăcaru (Rumänien – SOC)
Jerzy Smorawiński (Polen – EVP)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
Vorsitzender Guillermo Martinez Casañ (Spanien – EVP)
Stv. Vorsitzende Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)
Renzo Gubert (Italien – EVP)
Walter Schmied (Schweiz – LDR)

Drucksache 15/4082 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender John Wilkinson (Vereinigtes Königreich – EDG)
Stv. Vorsitzende Tana de Zulueta (Italien – SOC)

Søren Søndergaard (Dänemark – UEL)
Jean-Guy Branger (Frankreich – EVP)

Geschäftsordnungsausschuss
Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – LDR)
Stv. Vorsitzende Göran Magnusson (Schweden – SOC)

Andrea Manzella (Italien – SOC)
Christos Pourgourides (Zypern – EVP)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoringausschuss)
Vorsitzende Josette Durrieu (Frankreich – SOC)
Stv. Vorsitzende György Frunda (Rumänien – EVP)

Elene Tevdoradze (Georgien – EDG)
Hanne Severinsen (Dänemark – LDR)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Minodora Cliveti (Rumänien – SOC)
Stv. Vorsitzende Rosmarie Zapfl-Helbling (Schweiz – EVP)

Per Dalgaard (Dänemark – EDG)
Anna Čurdová (Tschechische Republik – SOC)

SOC Sozialistische Gruppe
EVP Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
LDR Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344
Inhaltsverzeichnis
I. Teilnehmer
II. Zusammenfassung
III. Schwerpunkte der Beratungen
IV. Anlagen

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