BT-Drucksache 15/4018

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Cajus Caesar, Dr. Maria Flachsbarth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/2467- Naturschutz im Miteinander von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher Entwicklung

Vom 26. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4018
15. Wahlperiode 26. 10. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Cajus Caesar,
Dr. Maria Flachsbarth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/2467 –

Naturschutz im Miteinander von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher
Entwicklung

A. Problem
Unter Betonung der Notwendigkeit, im Rahmen eines den Grundsätzen der
Nachhaltigkeit verpflichteten Naturschutzes die Belange der jeweils vor Ort
lebenden und arbeitenden Menschen zu berücksichtigen und einen Ausgleich
namentlich mit den Interessen einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirt-
schaft und des Tourismus zu suchen, soll die Bundesregierung durch den
Antrag aufgefordert werden, einer Reihe von Einzelforderungen zur grundsätz-
lichen Ausgestaltung der Naturschutzpolitik, zu Einzelbereichen des Natur-
schutzes sowie zu einzelnen den Naturschutz berührenden Politikfeldern Rech-
nung zu tragen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Drucksache 15/4018 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/2467 – abzulehnen.

Berlin, den 22. September 2004

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Julius Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4018

Bericht der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Cajus Julius Caesar, Undine
Kurth (Quedlinburg) und Angelika Brunkhorst

I.
Der Antrag – Drucksache 15/2467 – wurde in der 109. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 7. Mai 2004 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den
Sportausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft, den Ausschuss für
Tourismus sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union überwiesen.
Der Sportausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Arbeit, der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, der Ausschuss für Tourismus
und der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union haben jeweils mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Rechtsausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
derFraktionderCDU/CSUbeiStimmenthaltungderFraktion
der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II.
Unter Betonung der Notwendigkeit, im Rahmen eines den
Grundsätzen der Nachhaltigkeit verpflichteten Naturschut-
zes die Belange der jeweils vor Ort lebenden und arbeiten-
den Menschen zu berücksichtigen und einen Ausgleich na-
mentlich mit den Interessen einer ordnungsgemäßen Land-
und Forstwirtschaft und des Tourismus zu suchen, soll die
Bundesregierung durch den Antrag aufgefordert werden, ei-
ner Reihe von Einzelforderungen zur grundsätzlichen Aus-
gestaltung der Naturschutzpolitik, zu Einzelbereichen des
Naturschutzes sowie zu einzelnen den Naturschutz berüh-
renden Politikfeldern Rechnung zu tragen.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag in seiner Sitzung am 22. Septem-
ber 2004 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde einleitend an den
in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages am 4. März
2004 angenommenen Antrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Naturschutz geht alle an –
Akzeptanz und Integration des Naturschutzes in andere
Politikfelder weiter stärken“ (Drucksache 15/1318) erinnert.
Dieser Antrag weise verschiedene Übereinstimmungen mit
dem vorliegenden Antrag auf, u. a. in der Einschätzung,
dass ein optimaler Naturschutz in Deutschland bisher nicht
erreicht worden sei. Allerdings gebe es eine Reihe von
Punkten, bei denen die Vorstellungen der Koalitionsfraktio-
nen von denen der Fraktion der CDU/CSU abwichen. So
erwecke die Forderung der Fraktion der CDU/CSU nach

Einbeziehung der Menschen vor Ort den Eindruck, eine sol-
che Einbeziehung finde bisher nicht statt. Dies treffe jedoch
angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten, gerade auch im
ländlichen Raum, keineswegs zu. Eine von der Position der
Fraktion der CDU/CSU abweichende Haltung nehme man
auch gegenüber dem Vertragsnaturschutz ein. Zwar befür-
worte man den Vertragsnaturschutz ebenfalls, messe ihm
jedoch keine prioritäre Bedeutung zu, sondern sehe ihn als
eines unter vielen Instrumenten des Naturschutzes. Für ein-
deutig falsch halte man die in der dritten Forderung des An-
trags vertretene Auffassung, die ökonomische Komponente
der Nachhaltigkeit sei im Rahmen der Novellierung des
Bundesnaturschutzgesetzes in den Hintergrund gerückt
worden. Auch die in Punkt 10 des Antrags implizierte Un-
terstellung, es gebe ein nicht mehr durchschaubares Bündel
unterschiedlicher Schutzgebietskategorien, sei unzutref-
fend. Die Anzahl der Schutzgebietskategorien sei durchaus
überschaubar, ihr Regelungsinhalt vergleichsweise transpa-
rent. Dies schließe nicht aus, dass in einzelnen Bereichen
weitere Vereinfachungen vorgenommen werden könnten.
Die eigentliche Problematik liege nicht in den Schutzge-
bietskategorien, sondern darin, dass einige Bundesländer ih-
ren Verpflichtungen auf Ausweisung der jeweiligen Schutz-
gebiete bisher nicht vollständig nachgekommen seien. Dies
treffe auch auf die Gebiete zu, die unter das „Grüne Band“
fielen; auch hier gebe es, gemessen an den Zielvorgaben,
Umsetzungsdefizite. Was die Zertifizierungsfrage anbe-
lange, so sehe man den Bund in der Verpflichtung, in den in
seinem Eigentum befindlichen Wäldern zügig mit gutem
Beispiel voranzugehen; schließlich könne man nur dann von
anderen verlangen, Zertifizierungen einzuführen, wenn man
sich selbst entsprechend verhalte. Im Übrigen seien einige
Überlegungen des Antrags inzwischen überholt. Dies treffe
angesichts des vom Deutschen Bundestag inzwischen ver-
abschiedeten Hochwasserschutzgesetzes beispielsweise auf
den Hochwasserschutz betreffende Forderungen zu. Ins-
gesamt betrachtet könne dem Antrag der Fraktion der CDU/
CSU daher nicht zugestimmt werden.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde vorgetra-
gen, man halte es für wichtig, in Naturschutzangelegenhei-
ten auf Kooperation statt auf Konfrontation zu setzen.
Naturschutz könne in der Praxis nur im Miteinander und
somit unter Einbeziehung der vor Ort lebenden Menschen
umgesetzt werden. Naturschutzpolitik dürfe sich nicht auf
den Erlass von Vorschriften beschränken, sondern benötige
konkrete Anreize, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Daher ordne man dem Vertragsnaturschutz eine prioritäre
Bedeutung zu; der vorrangige Einsatz vertraglicher Verein-
barungen eröffne die Möglichkeit, die ökologische, die öko-
nomische und die soziale Komponente einer nachhaltigen
Naturschutzpolitik miteinander zu vernetzen und im Mitein-
ander mit den vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen
umzusetzen. Was die im Antrag formulierten einzelnen Auf-
forderungen an die Bundesregierung anbelange, so sollten
die politischen Rahmenbedingungen in Fachgesetzen gere-
gelt werden, anstatt sie über wahllos herausgegriffene For-
mulierungen im Rahmen der so genannten guten fachlichen

Drucksache 15/4018 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Praxis zu definieren. Auch sei wieder stärker auf praktische
Umweltpolitik und Projektförderung statt auf ein Mehr an
Verwaltung und Personal und damit auf eine Rückführung
des Verwaltungshaushalts zugunsten der Projektförderung
zu setzen. Desweiteren gelte es, das Eigentum zu achten und
durch eine Einbeziehung der Interessen der Eigentümer Ver-
trauen zu schaffen. Dieses werde jedoch zerstört, wenn man
beispielsweise Ausgleichszahlungen für bestimmte unter
den Naturschutz fallende Gebiete verspreche, die Verspre-
chungen später jedoch relativiere bzw. den Eigentümern zu-
sätzliche Belastungen auferlege. Auch sei den nachwach-
senden Rohstoffen im Rahmen der Energieerzeugung mehr
Bedeutung zuzumessen und – gerade auch im Hinblick auf
Großschutzgebiete wie Nationalparke – ein sinnvolles Mit-
einander von Ökologie sowie sportlicher und touristischer
Betätigung sicherzustellen. Ferner sei die Bundesregierung
aufgefordert, sich international, insbesondere aber auf der
Ebene der Europäischen Union, zugunsten des Naturschut-
zes sowie der Erhaltung der biologischen Vielfalt und des
Tropenwaldes einzusetzen. Darüber hinaus führe der Antrag
eine Reihe weiterer Anforderungen an eine dem Miteinan-
der von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher Ent-
wicklung verpflichteten Naturschutzpolitik auf.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde betont, dem Naturschutz komme ein herausragender
Platz in der politischen Debatte zu; entsprechenden Feststel-
lungen des Antrags sei insofern zuzustimmen. Im Übrigen
sehe man jedoch kaumÜbereinstimmungenmit demAntrag.
Ärgerlich sei insbesondere, dass er eine Reihe gängiger Vor-
urteile bediene, statt für mehr Klarheit und Objektivität zu
sorgen. Dass man die betroffenenMenschen bei naturschutz-
politischen Entscheidungen mitnehmen müsse, sei unbestrit-
ten. Ebenso sei klar, dass weiterhin ein erheblicher Hand-
lungsbedarf im Hinblick auf den Naturschutz bestehe. Der
Antrag suggeriere, dass die Situation in Naturschutzangele-
genheiten hauptsächlich durch Konfrontation zwischen den
Beteiligten statt durch ein Bemühen um wechselseitige Ko-
operation gekennzeichnet sei. Dies entspreche jedoch kei-
neswegs der Realität. Ferner sei eine Reihe von Forderungen
unklar formuliert und bedürfte daher der Konkretisierung,
beispielsweise die unter den Nummern 8 und 9 aufgeführten
Forderungen. Für unzutreffend halte man die Forderung
Nummer 10; mit insgesamt sieben Schutzgebietskategorien
sei der Naturschutz sicherlich nicht überfordert. Was die im
vorliegenden Antrag unter Nummer 11 aufgeführte Forde-
rung anbelange, müsse man sich ehrlich mit den Gründen
auseinandersetzen, warum die Zielsetzungen bisher nicht in
vollem Umfang erreicht werden konnten. Im Hinblick auf
die zweite Tranche sei auf die Verantwortlichkeit der Bun-
desländer zu verweisen, hinsichtlich der ersten, unentgeltli-
chen Tranche habe sich im Verfahrensverlauf herausgestellt,

dass es mehr berechtigte Ansprüche von Alteigentümern
gebe, als dies vorher bekannt gewesen sei. Auch die unter
Nummer 21 aufgeführte Forderung stimme angesichts der
tatsächlichen Entwicklung in den Nationalparken und der in-
zwischen auf Seiten des Tourismus und des Sports gewach-
senen Einsicht, dass es im konkreten Fall jeweils einen Aus-
gleich mit den Interessen des Naturschutzes zu finden gelte,
mit der Realität nicht überein. Im Übrigen sei die Einrich-
tung von Nationalparken Ländersache. Insofern richte sich
diese Forderung an den falschen Adressaten. Der Antrag
werde dem Anliegen des Naturschutzes nicht wirklich ge-
recht, sondern bediene in erster Linie gängige Vorurteile; er
werde daher abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde erklärt, eine Reihe
der im Antrag formulierten Forderungen entsprächen den
eigenen Vorstellungen. Ein wesentlicher Schlüssel für einen
wirkungsvollen Naturschutz liege in der Zusammenarbeit
der beteiligten Akteure und ihrer Bereitschaft, gemeinsam
Verantwortung zu übernehmen. Auch müsse, um die Men-
schen stärker für den Naturschutz gewinnen zu können, sehr
viel mehr dafür getan werden, ihnen die Natur nahe zu brin-
gen, etwa durch bildungspolitische Maßnahmen sowie die
Eröffnung zusätzlicher Möglichkeiten, Natur direkt zu er-
fahren. Ein besonderer Stellenwert werde dem Vertrags-
naturschutz eingeräumt, gerade auch unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Daher trete man dafür ein, dieses Instru-
ment sehr viel stärker als bisher zur Anwendung zu bringen.
Nachdrücklich unterstütze man die im Antrag unter Num-
mer 18 aufgeführte Forderung; in der Frage der Zertifizie-
rung werde auf jeden Fall eine marktwirtschaftliche Lösung
bevorzugt, die Auswahl des Zertifizierungssystems müsse
den Waldbesitzern überlassen bleiben. Auch der unter Num-
mer 19 des Antrags formulierten Forderung stimme man
ausdrücklich zu; das Bundesjagdschutzgesetz habe sich be-
währt und brauche daher nicht novelliert zu werden. Im
Hinblick auf die unter Nummer 6 des Antrags aufgeführte
Forderung, die politischen Rahmenbedingungen in Fachge-
setzen zu regeln, statt sie im Rahmen der so genannten gu-
ten fachlichen Praxis zu definieren, gebe man zu bedenken,
dass die betreffenden Fachgesetze den Anwendern gewisse
Spielräume eröffnen sollten. Ferner sei mit Blick auf die un-
ter Nummer 15 formulierte Forderung darauf hinzuweisen,
dass der Nutzung nachwachsender Rohstoffe zwar eine be-
deutende Rolle für die künftige Energieversorgung zuge-
messen werde, sich deren Konkurrenzfähigkeit am Markt
jedoch erst noch erweisen müsse.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSUund FDP, demDeutschenBun-
destag zu empfehlen, denAntrag –Drucksache 15/2467 – ab-
zulehnen.

Berlin, den 22. September 2004
Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Julius Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

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