BT-Drucksache 15/4002

Zweisprachige Beschilderung von Autobahnen im deutsch-sorbischen Siedlungsgebiet der Lausitz

Vom 19. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4002
15. Wahlperiode 19. 10. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Michalk, Henry Nitzsche, Michael Stübgen, Dirk Fischer
(Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Georg Brunnhuber,
KlausBrähmig, Renate Blank,WolfgangBörnsen (Bönstrup), Hubert Deittert, Enak
Ferlemann, Peter Götz, Bernd Heynemann, Klaus Hofbauer, Norbert Königshofen,
Werner Kuhn (Zingst), Eduard Lintner, Klaus Minkel, Marlene Mortler, Günter
Nooke, Anita Schäfer (Saalstadt), Wilhelm Josef Sebastian, Matthias Sehling,
Gero Storjohann, Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter
und der Fraktion der CDU/CSU

Zweisprachige Beschilderung von Autobahnen im deutsch-sorbischen
Siedlungsgebiet der Lausitz

Regional- oderMinderheitensprachen sind Ausdruck des kulturellen Reichtums.
Für Minderheiten und Volksgruppen ist es unerlässlich, den Erhalt und die Wei-
terentwicklung ihrer Sprache im täglichen Gebrauch zu sichern.
Seit über 1000 Jahren haben sich die Sorben als nur in der Lausitz lebendes Volk
ihre Sprache und Kultur bewahrt. Sorbisch ist nach den Verfassungen des Lan-
des Brandenburg und des Freistaates Sachsen eine geschützte Sprache, was sich
unter anderem in der zweisprachigen Beschilderung öffentlicher Einrichtungen,
Straßen- und Flussbezeichnungen darstellt. In Schulen, in der Verwaltung oder
in Kultureinrichtungen wird neben Deutsch auch Sorbisch gesprochen.
Die Sprache ist nicht nur identitätsstiftend für die Sorben. Sie ist gleichzeitig
ein Beitrag zur kulturellen Vielfalt in Deutschland. Sie strahlt weit über die
Region der Lausitz selbst hinaus und macht diese in wirtschaftlicher und tou-
ristischer Hinsicht interessant. Seit langem werden im deutsch-sorbischen
Siedlungsgebiet der Lausitz Ortseingangsschilder und Vorwegweiser auf Bun-
desstraßen sowohl in Deutsch als auch in Sorbisch ausgewiesen. Seit kurzem ist
die zweisprachige Ausschilderung von Tourismushinweisschildern im Gange.
Aber eine Ausschilderung der Autobahnen A4 und A13 im Siedlungsgebiet der
Sorben in sorbischer Sprache erfolgt bislang nicht. In einer Antwort der Parla-
mentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen, Iris Gleicke, vom 17. Juli 2003 auf die schriftliche Frage 50
der Abgeordneten Maria Michalk in der Bundestagsdrucksache 15/1436 hat die
Bundesregierung eine deutsch-sorbische Beschilderung der Bundesautobahnen
in der Lausitz abgelehnt. Eine Begründung war, die Sicherheit und die Leichtig-
keit des Verkehrs sei beeinträchtigt. Der Hinweis, die sorbische Minderheit ver-
füge zudem über Kenntnisse der deutschen Amtssprache, ist zutreffend, recht-
fertigt jedoch nicht die Ablehnung der Forderung nach zweisprachiger Aus-
schilderung der Autobahnen. Zudem ist die Herstellung dieses Zusammenhangs
diskriminierend. Es muss festgestellt werden, dass z. B. in Cottbus oder Baut-
zen, also genau im beschriebenen Bereich der Bundesautobahnen, die Ausschil-
derung in polnischer Sprache stattfindet.

Drucksache 15/4002 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Straßenarten gibt es bislang eine deutsch-sorbische Beschilde-

rung und aufgrund welcher Rechtsgrundlagen erfolgt diese Beschilderung?
2. Welche gesetzlichen Regelungen gibt es in Deutschland über die Bezeich-

nung von ausländischen Orten im Grenzgebiet auf Hinweisschildern deut-
scher Straßen?

3. In welchen anderen Ländern der Europäischen Union gibt es eine zweispra-
chige Beschilderung von Autobahnen, insbesondere auch in einer Regional-
oder Minderheitensprache, und wie wird die Beschilderung dort realisiert?

4. Sieht die Bundesregierung einen gesetzlichen Änderungsbedarf für
Deutschland?

5. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse hinsichtlich der Akzeptanz dieser
zweisprachigen Beschilderung durch Verkehrsteilnehmer, die angestammte
Bevölkerung und Ortsfremde, und wenn ja, welche?

6. Welche Erfahrungen mit der zwei- bzw. fremdsprachigen Ausschilderung
von Autobahnen hat die Bundesregierung im deutschen Grenzgebiet ge-
macht, wo oftmals Orte der Nachbarländer in der jeweiligen Landessprache
und in Deutsch aufgeführt sind?

7. Wie bewertet die Bundesregierung nach der Unterzeichnung der Europäi-
schen Charta der Regional- und Minderheitensprachen die Tatsache, dass
bei der Beschilderung von Bundesautobahnen in Grenzgebieten die Sprache
anderer europäischer Länder in die Beschilderung Eingang findet, jedoch
nicht die sorbische Sprache als Regional- und Minderheitensprache?

8. Verstößt die Behauptung, dass die Sorben imGegensatz zu fremdsprachigen
Verkehrsteilnehmern der deutschen Sprache mächtig sind und deshalb keine
zweisprachige Ausschilderung auf den Autobahnen notwendig sei, gegen
das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot, und wenn nein, aus wel-
chen Gründen nicht?

9. Welche rechtlichen Verpflichtungen leitet die Bundesregierung hinsichtlich
der öffentlichen Gleichbehandlung von Minderheiten im Bereich des Ver-
kehrswesens aus dem Rahmenübereinkommen des Europarates ab?

10. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es auf den zweisprachig ausgeschilder-
ten Bundesstraßen aufgrund der Beschilderung zu einer Zunahme von Ver-
kehrsunfällen oder Beschwerden von Verkehrsteilnehmern gekommen ist,
und wenn nein, wie kommt die Bundesregierung zu der Aussage, dass eine
zweisprachige Beschilderung von Autobahnen die Sicherheit des Verkehrs
beeinträchtigt?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es aufgrund einer zwei-
sprachigen Beschilderung der Autobahnen zu einer zusätzlichen Erhöhung
der touristischen Attraktivität der ansonsten strukturschwachen Region in
der Lausitz kommen kann, und wie will die Bundesregierung diesen Aspekt
fördern?

12. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass sich nach dem Auf-
stellen zweisprachiger touristischer Hinweisschilder an den Autobahnen
(z. B. Spreewald – Bundesautobahn A13 und Kloster Marienstern – A4)
die Besucherfrequenz der Region erhöht hat?

13. Wie hoch waren die einmaligen Kosten der deutsch-sorbischen Beschilde-
rung der Bundesstraßen in der Lausitz?

14. Welche Kosten sind für eine zweisprachige Beschilderung der zwei durch
die Lausitz führenden Autobahnen im Siedlungsgebiet der Sorben zu veran-
schlagen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4002

15. Welche technischen Maßnahmen sind für die Nachrüstung der zweisprachi-
gen Beschilderung einzuleiten?

16. Welche organisatorischen Maßnahmen sind für die Realisierung der Nach-
rüstung erforderlich?

17. Welche Ämter sind für die Nachrüstung zuständig?
18. Wie viele Schilder wären an den Autobahnen A4 und A13 im Bereich der

Lausitz insgesamt von Änderungen durch die zusätzlichen sorbischen
Ortsangaben betroffen, wie viele könnten durch Aufbringen von Folien und
wie viele müssten durch den Austausch von Schildern und den Austausch
von Trägervorrichtungen geändert werden (jeweils nach Arten)?

19. In welchem Zeitraum könnte die deutsch-sorbische Beschilderung der be-
troffenen Autobahnen realisiert werden?

Berlin, den 19. Oktober 2004
Maria Michalk
Henry Nitzsche
Michael Stübgen
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Georg Brunnhuber
Klaus Brähmig
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Hubert Deittert
Enak Ferlemann
Peter Götz
Bernd Heynemann
Klaus Hofbauer
Norbert Königshofen
Werner Kuhn (Zingst)
Eduard Lintner
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Günter Nooke
Anita Schäfer (Saalstadt)
Wilhelm Josef Sebastian
Matthias Sehling
Gero Storjohann
Lena Strothmann
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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