BT-Drucksache 15/3996

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/3673, 15/3977- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3996
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Entschließungsantrag
des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/3673, 15/3977 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung
des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Sozialhilfebedürftige Heimbewohner, denen zur täglichen Verfügung nur der
Barbetrag nach Bundessozialhilfegesetz bzw. nach dem 1. Januar 2005 nach
dem SGB XII verbleibt, müssen von diesem Barbetrag bis zur Befreiungsgrenze
die Zuzahlungen nach dem GKV-Modernisierungsgesetz leisten, etwa für anfal-
lende Fahrtkosten zum Arzt und Sehhilfen. Dies führt dazu, dass gerade zu An-
fang des Jahres den Betroffenen oft wenig Geld zur Verfügung übrig bleibt und
so Härtefälle eintreten können.
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass die Soziahilfe-
träger die von den Sozialhilfebedürftigen zu leistenden Zuzahlungen gegenüber
den Krankenkassen zunächst in Form eines ergänzenden Darlehens überneh-
men. Im Gegenzug soll die Krankenkasse die Bescheinigungen über mögliche
Befreiungen von Zuzahlungspflichten der Soziahilfeempfänger erstellen und
dem Soziahilfeträger mitteilen, bis zu welcher Höhe durch den Sozialhilfeemp-
fänger Zuzahlungen zu leisten sind.
Durch diese Regelungen entsteht unnötiger bürokratischer Aufwand, der durch
eine Streichung des Zuzahlungserfordernisses für Heimbewohner entfallen
würde. Die Gleichbehandlung von Krankenkassenversicherten und Sozialhilfe
empfangenden Heimbewohnern ist kein entscheidender Bestandteil der Moder-
nisierung des Gesundheitssystems. Die Befreiung der Heimbewohner von der
Zuzahlungspflicht würde vielmehr eine sachlich begründete Ausnahme von der
Gleichstellung aller Krankenkassenversicherten darstellen. Die durch die Be-
freiung von der Zuzahlungspflicht für sozialhilfebedürftige Heimbewohner ent-
stehenden Mehrkosten von ca. 8 bis 9 Mio. Euro sind nicht relevant für die Bei-
tragshöhe zur gesetzlichen Krankenkasse.
Auch der Grundsatz „ambulant vor stationär“ wird durch die Befreiung der
Heimbewohner von der Zuzahlungspflicht nicht in unsachgemäßer Weise ver-
letzt. Den Bedürftigen in stationären Einrichtungen bleibt in den meisten Fällen

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nur der Barbetrag zur täglichen Verfügung. Anders als ambulant versorgte Per-
sonen können Heimbewohner dabei nicht auf eine Vielzahl von Hilfsmitteln zu-
rückgreifen, die im eigenen Heim zur Verfügung stehen.
Der Gesetzentwurf sieht einen Bestandsschutz für den Zusatzbarbetrag für sozi-
alhilfebedürftige Personen vor, die bis zum 31. Dezember 2004 in Heimen le-
ben. Diese Regelung führt zu einer langanhaltenden Ungleichbehandlung von
Heimbewohnern. Insbesondere in Behinderteneinrichtungen, in denen die Be-
wohner in der Regel ihr Leben verbringen, würde eine unbegründete Ungleich-
behandlung über Jahrzehnte festgeschrieben. Der Zusatzbarbetrag ist daher
gleichartig für alle sozialhilfebedürftigen Heimbewohner abzuschaffen, wie das
im SGB XII auch bisher vorgesehen ist.
Im Sinne der bestehenden Regelung des Zusatzbarbetrages sollte weiterhin für
Personen, die einen Beitrag zu ihrer Unterbringung imHeim aus eigenenMitteln
leisten, ein Freibetrag bestehen, der ihnen einen kleinen Teil ihres Vermögens
oder Einkommens zur freien Verfügung belässt. Mit einem solchen Freibetrag
soll honoriert werden, dass die betroffenen Personen einen Teil ihrer Unterbrin-
gungskosten selber tragen. Eine solche Regelung belohnt die Menschen, die
durch eigene Leistung Vorsorge für Alter und Krankheit getroffen haben.
Die Grundsicherung nach demGrundsicherungsgesetz bzw. nach dem 4. Kapitel
des SGB XII ab dem 1. Januar 2005 für sozialhilfebedürftige Heimbewohner
muss ausgeschlossen werden. Die Grundsicherung für Menschen in stationären
Einrichtungen ist nicht bedarfsdeckend, da das Grundsicherungsgesetz generell
nur auf den für den Antragsberechtigten geltenden Regelsatz verweist. Nach
Berechnung aller Regelsätze sind aber in nahezu allen Fällen die tatsächlichen
Bedarfe in stationären Einrichtungen nicht gedeckt, so dass ergänzende Leistun-
gen fast immer erforderlich sind. Die Grundsicherung ist dann regelmäßig in
voller Höhe auf die ergänzenden Leistungen anzurechnen.
Problematisch an der bestehenden Regelung ist, dass das Verhältnis der statio-
nären Grundsicherung zu anderen Leistungen der Sozialhilfe nicht mit der erfor-
derlichen Klarheit ausgestaltet wurde. Stattdessen bleibt in der Praxis erheb-
licher Spielraum und Unsicherheit bei der Auslegung der einschlägigen Vor-
schriften (§§22, 76 bis 88 BSHG).
Die Einführung der Grundsicherung in stationären Einrichtungen hat lediglich
erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, ohne dass die Leistungsempfänger
davon maßgeblich profitiert hätten. Die Grundsicherung für Soziahilfebedürf-
tige in stationären Einrichtungen ist daher abzuschaffen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Punkte bei der Gewährung von
Sozialhilfe für Heimbewohner berücksichtigt:
1. Die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz eingeführte Zuzahlungspflicht

wird für sozialhilfebedürftige Heimbewohner aufgehoben.
2. Der Zusatzbarbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG wird für alle Heimbewohner

und nicht mit einer Stichtagsregelung nur für neue Heimbewohner ab dem
1. Januar 2005 abgeschafft.

3. Personen, die aus eigenem Vermögen oder Einkommen Zahlungen für ihre
Unterbringung leisten, erhalten statt eines Zusatzbarbetrages einen Freibe-
trag von 5 Prozent ihres Einkommens, maximal bis zu 14 Prozent des Regel-
satzes für Haushaltsführende monatlich, der nicht auf die Soziahilfe ange-
rechnet wird.

4. Die parallele Berechnung von Grundsicherung und Soziahilfe wird bei Heim-
bewohnern abgeschafft. Sozialhilfebedürftige in stationären Einrichtungen

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erhalten alleine Soziahilfe, da nur die Bedarfsorientierung der Soziahilfe
einen ausreichenden Maßstab für die Erbringung der Kosten bietet, die bei
einer Heimunterbringung zu zahlen sind.

Berlin, den 20. Oktober 2004
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Zu Nummer 1
Heimbewohner, denen zur täglichen Verfügung nur der Barbetrag nach § 21
Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz bzw. ab dem 1. Januar 2005 nach § 35 Abs. 2
SGB XII verbleibt, müssen von diesem Barbetrag nach dem GKV-Modernisie-
rungsgesetz auch die Zuzahlungen nach § 61 SGBV leisten. Der maximale jähr-
liche Zuzahlungsbetrag nach § 62 SGB V wird durch die Einbeziehung der ein-
maligen Leistungen in den Regelsatz noch ansteigen. Dies führt zu Belastungen,
die auch mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ nicht mehr gerechtfertigt
werden können.
Die im Gesetzentwurf unter Artikel 2 § 35 Abs. 3 und 4 SGB XII vorgeschla-
gene Regelung sieht vor, dass die Soziahilfeträger die zu leistenden Zuzahlun-
gen in Form eines ergänzenden Darlehens nach § 37 SGB XII übernehmen.
Diese Regelung und die daraus resultierenden Abrechnungen mit den Leistungs-
empfängern verursachen einen hohen bürokratischen Aufwand.
Zu Nummer 2
Der Gesetzentwurf sieht in § 133a einen Bestandsschutz für den Zusatzbarbetrag
für sozialhilfebedürftige Personen vor, die bis zum 31. Dezember 2004 in Hei-
men leben. Diese Regelung führt zu einer lang anhaltenden Ungleichbehandlung
von Heimbewohnern. Insbesondere in Behinderteneinrichtungen, in denen
die Bewohner in der Regel ihr Leben verbringen, würde eine unbegründete
Ungleichbehandlung über Jahrzehnte festgeschrieben. Der Zusatzbarbetrag ist
daher gleichartig für alle sozialhilfebedürftigen Heimbewohner abzuschaffen,
wie das im SGB XII auch bisher vorgesehen ist.
Zu Nummer 3
Im Sinne des § 25 Abs. 3 BSHG sollte weiterhin für Personen, die einen eigenen
Beitrag zur Sozialhilfe leisten, ein Freibetrag bestehen, der ihnen einen kleinen
Teil ihres Vermögens oder Einkommens zur freien Verfügung belässt. Mit einem
solchen Freibetrag soll honoriert werden, dass die betroffenen Personen einen
Teil ihrer Unterbringungskosten selber tragen. Die Höhe des Freibetrages von
5 Prozent des Einkommens, maximal aber 14 Prozent des Regelsatzes, ent-
spricht der bisherigen Regelung und maximalen Höhe des Zusatzbarbetrags von
15 Prozent des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes – derzeit 44 Euro. Diesen
Zusatzbarbetrag erhalten Heimbewohner, die monatlich mindestens 880 Euro
als eigenes Einkommen einsetzen.
Bereits vor einigen Jahren wurde eine entsprechende systematische Korrektur
im BSHG vorgenommen, durch die der Zuschlag für Erwerbstätige nicht mehr
als Mehrbedarf im Sinne von § 23 BSHG deklariert wurde, sondern als Einkom-
mensfreibetrag nach § 76 Abs. 2a BSHG. Die Umgestaltung des Zusatzbar-
betrags in einen Freibetrag ist die konsequente Fortsetzung dieses Ansatzes. Wer

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arbeitet, hat wegen § 76 Abs. 2a BSHGmehr für seinen Lebensunterhalt zur Ver-
fügung als derjenige, der nicht arbeitet. Wer gearbeitet und Vorsorge getroffen
hat, hat als Heimbewohner wegen § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG einen höheren Bar-
betrag zur persönlichen Verfügung.
Zu Nummer 4
Die Grundsicherung der sozialhilfebedürftigen Heimbewohner muss ausge-
schlossen werden. Sie führt zu einem doppelten Berechnungsaufwand. Für
Heimbewohner erfolgt die Bedarfsdeckung über die Sozialhilfe, da die Grund-
sicherung dazu meist nicht ausreicht. Durch die Beseitigung der Doppelberech-
nung entfallen auch die Schwierigkeiten, die durch das gesetzlich nicht hinrei-
chend geklärte Verhältnis von Grundsicherung und Sozialhilfe entstanden sind.

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