BT-Drucksache 15/3973

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/3443- Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

Vom 20. Oktober 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3973
15. Wahlperiode 20. 10. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/3443 –

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch

A. Problem
Am 1. Januar 2004 ist das Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung
und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften in Kraft getreten (große Hand-
werksnovelle), mit dem insbesondere zwei wesentliche Änderungen erfolgt
sind: Zum einen ist für die Führung einer Reihe von Handwerksgewerben das
Erfordernis des Nachweises besonderer Qualifikationen (insbesondere Meister-
prüfung) aufgegeben worden. Inhaber solcher Betriebe sind demzufolge nicht
mehr in die Handwerksrolle einzutragen, sondern in ein neues Verzeichnis so
genannter zulassungsfreier Handwerksgewerbe. Zum anderen wurde mit der
großen Handwerksnovelle das bisherige so genannte Inhaberprinzip aufgege-
ben, wonach der Inhaber eines Handwerksbetriebs auch die erforderlichen
handwerksrechtlichen Qualifikationen erfüllen musste. Nunmehr kann ein zu-
lassungspflichtiges Handwerksgewerbe auch dann geführt werden, wenn zwar
nicht der Inhaber des Handwerksgewerbes die erforderlichen Qualifikationen
besitzt, aber zumindest ein im Betrieb beschäftigter Betriebsleiter.
Mit der großen Handwerksnovelle wurde auch die Vorschrift zur Rentenver-
sicherungspflicht selbständiger Handwerker geändert. Im Ergebnis wurde hier-
durch insbesondere die Versicherungspflicht von Gesellschaftern einer Perso-
nengesellschaft, die ein – nach neuem Recht – zulassungsfreies Handwerksge-
werbe betreibt, ausgeweitet. Zudem ist die derzeitige versicherungsrechtliche
Ungleichbehandlung von Selbständigen, die ein zulassungsfreies Handwerks-
gewerbe ausüben, und Selbständigen, die ein handwerksähnliches Gewerbe be-
treiben, unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten problematisch.

B. Lösung
Zur Aufrechterhaltung des Status quo werden unter konsequenter Umsetzung
der handwerksrechtlichen Änderungen nur solche Inhaber von zulassungs-
pflichtigen Handwerksbetrieben der Rentenversicherungspflicht unterworfen,
die zugleich die erforderlichen Qualifikationsanforderungen in ihrer Person er-
füllen.

Drucksache 15/3973 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die zum 31. Dezember 2003 versicherungspflichtigen Handwerker bleiben
nach Maßgabe des bis 31. Dezember 2003 geltenden Rechts ohne besonderes
Befreiungsrecht weiterhin rentenversicherungspflichtig.
Einvernehmliche Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung

C. Alternativen
Ablehnung des Gesetzentwurfs.

D. Kosten
Etwas über 10 Prozent der bisherigen zulassungspflichtigen Handwerksgewer-
bebetriebe sind durch die große Handwerksnovelle zum 1. Januar 2004 zulas-
sungsfrei geworden. Bezogen auf den Bestand der am 31. Dezember 2003 ver-
sicherungspflichtigen Inhaber von Handwerksbetrieben werden nach diesem
Gesetzentwurf rund 10 000 der bisher der Rentenversicherungspflicht unterfal-
lenden Handwerker künftig nicht mehr der Rentenversicherungspflicht unter-
liegen. Unter der Annahme eines durchschnittlichen Monatsbeitrags von
300 Euro ergibt sich danach ein Beitragsausfall von rund 36 Mio. Euro jährlich.
Da die zum 31. Dezember 2003 versicherungspflichtigen Handwerker ohne
besonderes Befreiungsrecht weiterhin versicherungspflichtig bleiben, stellt sich
der Beitragsausfall erst über einen längeren Zeitraum ein. Dieser Beitrags-
ausfall ist für die gesetzliche Rentenversicherung nicht beitragssatzrelevant.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3973

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/3443 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:
1. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 3 Buchstabe b werden die Wörter „Absatz 7 Satz 3“ durch
die Wörter „Absatz 7 Satz 2“ ersetzt.

b) Nach Nummer 6 werden folgende Nummern 6a und 6b eingefügt:
‚6a. In § 236 Abs. 2 Satz 2 werden die Wörter „oder Arbeitslosenhilfe“

durch die Wörter „, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II“ er-
setzt.

6b. In § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 werden die Wörter „oder Arbeitslosen-
hilfe“ durch die Wörter „, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosen-
geld II“ ersetzt.‘

2. Artikel 3 wird wie folgt geändert:
In Absatz 3 werden die Wörter „Nr. 4 tritt“ durch die Wörter „Nr. 4, 6a und
6b treten“ ersetzt.

Berlin, den 20. Oktober 2004

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Klaus Kirschner
Vorsitzender

Birgitt Bender
Berichterstatterin

Drucksache 15/3973 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Birgitt Bender

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck-
sache 15/3443 in seiner 118. Sitzung am 1. Juli 2004 in ers-
ter Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung überwie-
sen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
Am 1. Januar 2004 ist das Dritte Gesetz zur Änderung der
Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vor-
schriften in Kraft getreten (große Handwerksnovelle), mit
dem insbesondere zwei wesentliche Änderungen erfolgt
sind: Zum einen ist für die Führung einer Reihe von Hand-
werksgewerben das Erfordernis des Nachweises besonderer
Qualifikationen (insbesondere Meisterprüfung) aufgegeben
worden. Inhaber solcher Betriebe sind demzufolge nicht
mehr in die Handwerksrolle einzutragen, sondern in ein
neues Verzeichnis so genannter zulassungsfreier Hand-
werksgewerbe. Zum anderen wurde mit der großen Hand-
werksnovelle das bisherige so genannte Inhaberprinzip auf-
gegeben, wonach der Inhaber eines Handwerksbetriebs
auch die erforderlichen handwerksrechtlichen Qualifikatio-
nen erfüllen musste. Nunmehr kann ein zulassungspflichti-
ges Handwerksgewerbe auch dann geführt werden, wenn
zwar nicht der Inhaber des Handwerksgewerbes die erfor-
derlichen Qualifikationen besitzt, aber zumindest ein im Be-
trieb beschäftigter Betriebsleiter.
Mit der großen Handwerksnovelle wurde auch die Vor-
schrift zur Rentenversicherungspflicht selbständiger Hand-
werker geändert. Im Ergebnis wurde hierdurch insbeson-
dere die Versicherungspflicht von Gesellschaftern einer Per-
sonengesellschaft, die ein – nach neuem Recht – zulas-
sungsfreies Handwerksgewerbe betreibt, ausgeweitet.
Zudem ist die derzeitige versicherungsrechtliche Ungleich-
behandlung von Selbständigen, die ein zulassungsfreies
Handwerksgewerbe ausüben, und Selbständigen, die ein
handwerksähnliches Gewerbe betreiben, unter Gleichbe-
handlungsgesichtspunkten problematisch.
Zur Aufrechterhaltung des Status quo werden unter konse-
quenter Umsetzung der handwerksrechtlichen Änderungen
nur solche Inhaber von zulassungspflichtigen Handwerks-
betrieben der Rentenversicherungspflicht unterworfen, die
zugleich die erforderlichen Qualifikationsanforderungen in
ihrer Person erfüllen. Die zum 31. Dezember 2003 versiche-
rungspflichtigen Handwerker bleiben nach Maßgabe des bis
31. Dezember 2003 geltenden Rechts ohne besonderes Be-
freiungsrecht weiterhin rentenversicherungspflichtig.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisseim Ausschuss für Gesundheit und SozialeSicherung
A. Allgemeiner Teil

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hat
seine Beratungen in der 67. Sitzung am 2. Juli 2004 aufge-
nommen und in der 71. Sitzung am 22. September 2004 und

der 76. Sitzung am 29. September 2004 fortgesetzt. In sei-
ner 79. Sitzung am 20. Oktober 2004 hat der Ausschuss
seine Beratung abgeschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen empfiehlt er einvernehm-
lich, den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/3443 in der vom
Ausschuss geänderten Fassung anzunehmen.
In der Beratung erklärten die Mitglieder der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit dem Gesetz-
entwurf solle der bisherige Status quo der Rentenversiche-
rungspflicht wieder hergestellt werden, da die durch die
große Handwerksnovelle infolge der Veränderungen der
Qualifikationsanforderungen eingetretene – und nicht beab-
sichtigte – Ausweitung der Rentenversicherungspflicht als
nicht sachgerecht bewertet worden sei. Rückwirkend zum
1. Januar 2004 sollten entsprechend der bisherigen Rege-
lungssystematik ausschließlich solche Inhaber von zulas-
sungspflichtigen Handwerksgewerben rentenversicherungs-
pflichtig sein, die die Qualifikationsanforderungen – wie
z. B. den Meisterbrief – in ihrer (eigenen) Person erfüllten.
Dies solle gleichermaßen für Einzelunternehmer wie Perso-
nengesellschaften gelten. Auf diese Weise würden wie bis-
her nur selbständige Handwerker in der Rentenversicherung
pflichtversichert und nicht gegebenenfalls reine Kapitalge-
ber. Handwerker, die am 31. Dezember 2003 nach dem zu
diesem Zeitpunkt geltenden Recht in der Rentenversiche-
rung versicherungspflichtig gewesen seien, sollten nach
Maßgabe dieses Rechts – welches eine Befreiungsmöglich-
keit nach Zurücklegung einer 18-jährigen Pflichtbeitragszeit
vorsehe – weiterhin versicherungspflichtig bleiben. Der Ge-
setzentwurf sei mit allen Betroffenen, insbesondere dem
Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Ver-
band Deutscher Rentenversicherungsträger, abgestimmt.
Perspektivisch könne eine Diskussion darüber, wie die Al-
terssicherung geregelt werden solle, sinnvoll sein, doch zum
jetzigen Zeitpunkt und im konkret vorliegenden Fall sei die
mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Wiederherstellung der
vor der Novellierung der Handwerksordnung geltenden
Rechtslage der richtige Weg.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU stimmten dem
Gesetzentwurf inhaltlich voll zu, rügten allerdings, dass ein
entsprechender Gesetzentwurf nicht bereits zu einem frühe-
ren Zeitpunkt eingebracht worden sei. Vertreter des Hand-
werks hätten die Ausweitung der Versicherungspflicht im
Zuge der großen Handwerksnovelle bereits in der Anhörung
zum Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz abgelehnt
und vor deren Folgen gewarnt. Es habe sich um eine will-
kürliche und rechtlich strittige Erweiterung des beitrags-
pflichtigen Personenkreises gehandelt. Es sei auch schon im
vergangenen Jahr angemahnt worden, dass Übergangsrege-
lungen fehlten, was zu einer Belastung der Selbstständigen
geführt habe. So hätten Selbstständige, die zudem eine pri-
vate Altersvorsorge abgeschlossen hätten, doppelt Beiträge
für die Alterssicherung gezahlt. Die Fraktion der CDU/CSU
und auch das Handwerk hätten im Rahmen des Gesetzge-
bungsverfahrens zum Rentenversicherungsnachhaltigkeits-
gesetz im Februar dieses Jahres erneut gefordert, diese un-
sinnige Ausweitung des beitragspflichtigen Personenkreises

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/3973

rückwirkend wieder aufzuheben. Dieser Bitte sei aber da-
mals nicht nachgekommen worden, so dass wertvolle Zeit
verloren worden sei. Es stelle sich auch die Frage, ob auf-
grund der Novellierung der Handwerksordnung überhaupt
noch eine Legitimation für die Handwerkerversicherungs-
pflicht bestehe, zumal es nach geltendem Recht für Selbst-
ständige bereits möglich sei, sich in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung zu versichern.
Auch die Mitglieder der Fraktion der FDP begrüßten die
Wiederherstellung der bis Ende 2003 geltendenGesetzeslage
durch den vorliegenden Gesetzentwurf und den Einklang,
den das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung darüber mit dem Zentralverband des Deutschen
Handwerks erzielen konnte. Durch die Rücknahme der Aus-
weitung der Versicherungspflicht bei selbständig tätigen
Handwerkern werde wieder stärker die Möglichkeit eröffnet,
eine private, kapitalgedeckte Altersversorgung aufzubauen.
Dies entspreche den Zielen der Fraktion der FDP. In diesem
Zusammenhang sollten über die Befreiung selbständiger
Handwerker hinaus umfassende Maßnahmen diskutiert wer-
den, um insgesamt auf dem Weg zu einer kapitalgedeckten
Altersversorgung voranzukommen.

B. Besonderer Teil
Soweit die Bestimmungen des Gesetzentwurfs unverändert
übernommen wurden, wird auf deren Begründung verwie-
sen.
Zu den vom Ausschuss vorgenommenen Änderungen ist
Folgendes zu bemerken:

Zu Artikel 1
Zu Nummer 3 Buchstabe b
Der Austausch der Wörter „Absatz 2 Satz 3“ durch die
Wörter „Absatz 2 Satz 2“ erfolgt in Absatz 7 Satz 2 und
nicht in Absatz 7 Satz 3.

Zu den Nummern 6a und 6b
Es handelt sich um Folgeänderungen zur Einführung des
Arbeitslosengeldes II durch das Vierte Gesetz für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt.
Bei der Anhebung der Altersgrenzen durch das Wachstums-
und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) von 1996 be-
steht Vertrauensschutz für vor 1942 geborene Versicherte,
die 45 Pflichtbeitragsjahre haben. Ausdrücklich ausgenom-
men bei den erforderlichen Pflichtbeitragsjahren sind nach
geltendem Recht Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld
und Arbeitslosenhilfe. Mit der rentenrechtlichen Anpassung
an das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Ar-
beitsmarkt wird sichergestellt, dass künftig auch Zeiten des
Bezuges von Arbeitslosengeld II nicht zur Erreichung der
45 Pflichtbeitragsjahre hinzugerechnet werden.

Zu Artikel 3 Abs. 3
Die Folgeregelungen zur Einführung des Arbeitslosengel-
des II sollen zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, in dem das
Arbeitslosengeld II eingeführt wird; das ist der 1. Januar
2005.

Berlin, den 20. Oktober 2004
Birgitt Bender
Berichterstatterin

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