BT-Drucksache 15/3757

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -15/2010- Entsorgung von Gewerbeabfall unbürokratisch und einfach gestalten

Vom 23. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3757
15. Wahlperiode 23. 09. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst,
Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/2010 –

Entsorgung von Gewerbeabfall unbürokratisch und einfach gestalten

A. Problem
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, die Gewerbe-
abfallverordnung abzuschaffen und eine Novelle des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes vorzulegen, wonach u. a. die Verwertung und Beseitigung
gewerblicher Abfälle unter Wahrung ökologischer Standards grundsätzlich dem
Verantwortungsbereich der Privatwirtschaft übertragen wird.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Die mit dem Antrag verbundenen Kosten sind Gegenstand der politischen
Diskussion (siehe Bericht).

Drucksache 15/3757 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/2010 – abzulehnen.

Berlin, den 30. Juni 2004

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Gerd Friedrich Bollmann
Berichterstatter

Werner Wittlich
Berichterstatter

Dr. Antje Vogel-Sperl
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3757

Bericht der Abgeordneten Gerd Friedrich Bollmann, Werner Wittlich,
Dr. Antje Vogel-Sperl und Birgit Homburger

I.
Der Antrag – Drucksache 15/2010 – wurde in der 105. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 29. April 2004 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie den Aus-
schuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen überwiesen.
DerAusschuss fürWirtschaft und Arbeit hat mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie eines Mitglieds der Fraktion der CDU/CSU gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der
übrigen Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU empfohlen,
den Antrag abzulehnen.
DerAusschuss fürVerkehr,Bau- undWohnungswesen hat
mit den Stimmen der Fraktionen SPDundBÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II.
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert
werden, die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) abzu-
schaffen und eine Novelle des Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) vorzulegen, wonach u. a. die
Verwertung und Beseitigung gewerblicher Abfälle unter
Wahrung ökologischer Standards grundsätzlich dem Verant-
wortungsbereich der Privatwirtschaft übertragen wird.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag – Drucksache 15/2010 – in seiner
Sitzung am 30. Juni 2004 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde ausgeführt, der
Antrag werde aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch
aufgrund der unklaren Formulierung seiner Forderung abge-
lehnt. In jedem Unternehmen entstünden u. a. Abfälle zur
Beseitigung, die dem zuständigen öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger zu überlassen seien. Der Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit habe Abstand davon genommen,
im Rahmen seiner Überlegungen zur Entbürokratisierung
die Abschaffung der Pflicht-Restmülltonne für gewerbliche
Abfälle vorzuschlagen und verfolge insofern einen nicht
wünschenswerten Ansatz nicht weiter. Ein genereller Ver-
zicht auf die Gewährleistungsfunktion der Kommunen bei
der Entsorgung von Gewerbeabfällen sei nicht akzeptabel,
allerdings könne man darüber diskutieren, die Zuständigkei-
ten in diesem Bereich klarer zu regeln und eine Aufteilung
zwischen kommunaler und privater Zuständigkeit und Ver-
antwortung vorzunehmen.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde auf die
erhebliche Belastung der kommunalen Haushalte durch
Defizite bei der Beseitigung gewerblicher Abfälle verwie-
sen. Die Gewerbebetriebe trügen nur noch teilweise zur
Deckung der entsprechenden Kosten bei; in zunehmendem
Maße würden von privatwirtschaftlicher Seite kaum mehr

als die Fixkosten getragen. Andererseits fielen für die vor-
geschriebene Restmülltonne in der Regel nur verhältnismä-
ßig niedrige Gebühren an, so dass deren Abschaffung die
Gewerbebetriebe kostenmäßig nur geringfügig entlaste.
Der vorliegende Antrag übe berechtigterweise Kritik an der
derzeitigen Fassung der Gewerbeabfallverordnung, deren
komplizierte Ausgestaltung die Bürokratiekosten erhöhe
und dem allgemeinen Ziel der Bundesregierung widerspre-
che, den Abbau der Bürokratie voranzutreiben. Die unzu-
reichende Praktikabilität der Verordnung zeige sich u. a.
darin, dass es sich als notwendig erwiesen habe, zu der
Verordnung eine Vollzugshilfe zu erarbeiten. Auf der ande-
ren Seite hätten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ-
ger aufgrund der Verordnung umfangreiche Investitionen
getätigt, die als Fehlinvestitionen zu verbuchen seien,
sofern der Forderung der Fraktion der FDP nach einer
Abschaffung der Verordnung entsprochen werde. Zudem
laufe ein solcher Schritt dem von der mit der Erarbeitung
der Vollzugshilfe betrauten Länderarbeitsgemeinschaft for-
mulierten Ziel zuwider, durch die Gewerbeabfallverord-
nung einen Beitrag zu mehr Planungs- und Rechtssicher-
heit für die betroffenen Abfallerzeuger zu leisten. § 7
Satz 4 GewAbfV verpflichte die Unternehmen, mindestens
einen Restabfallbehälter des öffentlich-rechtlichen Entsor-
gungsträgers oder eines von ihm beauftragten Dritten zu
nutzen. Diese Vorschrift beruhe auf der aus der allgemei-
nen Lebenserfahrung gewonnenen Überzeugung, dass in
Gewerbebetrieben auch bei vollständiger Erfüllung der
Verwertungspflichten Abfälle zur Beseitigung anfielen.
Aus Sicht der Gewerbebetriebe müsse jedoch geklärt wer-
den, ob der Pflicht-Restmüllbehälter generell oder nur in
solchen Betrieben aufzustellen sei, in denen tatsächlich
Abfälle zur Beseitigung anfielen. Es bleibe abzuwarten,
wie die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zu den in
dieser Angelegenheit anhängigen Klagen ausfielen. Die
Fraktion der CDU/CSU werde sich bei der Abstimmung
über den Antrag der Stimme enthalten.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde darauf hingewiesen, dass die Gewerbeabfallverord-
nung erst vor kurzer Zeit, zum 1. Januar 2003, in Kraft ge-
treten sei. Für eine abschließende Beurteilung der Verord-
nung sei es daher noch zu früh. Auch sei zu berücksichtigen,
dass die Pflicht zur Aufstellung einer Restmülltonne ent-
falle, wenn nachgewiesen werden könne, dass alle Abfälle
verwertet würden. Da dies aber nicht von vornherein unter-
stellt werden könne, sei es nur konsequent, die Betriebe
grundsätzlich zur Vorhaltung einer Restmülltonne zu ver-
pflichten. Wichtig sei, eine Scheinverwertung auf Kosten
der Umwelt zu verhindern. Dieses Ziel liege u. a. auch der
Gewerbeabfallverordnung zugrunde. Was die in dem Antrag
erwähnte Projektstudie der Umweltstiftung der ostwestfäli-
schen Wirtschaft anbelange, so seien angesichts des verhält-
nismäßig geringen Fragebogenrücklaufs Zweifel an einer
allgemeinen Gültigkeit der in den Antworten der Betriebe
vorgetragenen Kritik an der Gewerbeabfallverordnung an-
gebracht. Die wenigen dort konkret benannten Beispiele
könnten jedenfalls nicht als repräsentative Begründung die-

Drucksache 15/3757 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ser Kritik herangezogen werden. Auch richte sich die Kritik
nicht grundsätzlich gegen die Einführung einer Restmüll-
tonne, sondern gegen die auf Kreisebene verabschiedeten
Regelungen zur Gebührenberechnung. Im Übrigen habe der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden,
dass § 7 Satz 4 GewAbfV sowohl mit dem Kreislaufwirt-
schafts- und Abfallgesetz als auch mit dem EG-Recht ver-
einbar sei. Aus den genannten Gründen werde der Antrag
abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde ausgeführt, die
Gewerbeabfallverordnung habe die Anforderungen an die
Entsorgung betrieblicher Abfälle durch die Einführung
komplizierter und aufwändiger Getrennthaltungs-, Verwer-
tungs- und Dokumentationsvorschriften erheblich verschärft.
Hierdurch seien die Kosten für die Entsorgung von Gewerbe-
abfällen erhöht und die Effizienz der Abfalltrennung beein-
trächtigt worden. Im Ergebnis hätten sich die Bedenken als
zutreffend erwiesen, die man bereits im Rahmen der parla-
mentarischen Beratung der Gewerbeabfallverordnung vor-
getragen habe. Daher fordere der Antrag die Bundesregie-
rung auf, diese Verordnung abzuschaffen und eine Novelle
des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes mit der Ziel-
richtung vorzulegen, die Verwertung und Beseitigung ge-
werblicher Abfälle unter Wahrung ökologischer Standards
grundsätzlich dem Verantwortungsbereich der Privatwirt-
schaft zu übertragen. Besonders problematisch sei die Ver-
pflichtung nach § 7 Satz 4 GewAbfV, eine Restmülltonne
vorzuhalten, nicht zuletzt deswegen, weil nicht von vorn-
herein in jedem Gewerbebetrieb Abfall zur Beseitigung
anfalle. Eine Projektstudie der Umweltstiftung der ostwest-
fälischen Wirtschaft vom September 2003 habe deutlich
gemacht, dass diese Vorschrift die Kosten der Gewerbe-
betriebe unnötig in die Höhe treibe und zugleich die Um-
weltbelastung erhöhe, weil angesichts der Verpflichtung, die
Restmülltonne vorzuhalten, Gewerbeabfälle, die anderen-
falls der Verwertung zugeführt worden wären, als Restmüll
entsorgt würden. Insofern habe sich die Gewerbeabfallver-
ordnung nicht nur als kostensteigernd, sondern auch als
ökologisch nachteilig erwiesen. Dies werde durch die Er-

gebnisse der Untersuchungen zum Bürokratieabbau bestä-
tigt, die der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit in
bestimmten Testregionen habe durchführen lassen; aller-
dings sei er offensichtlich auf Druck des Bundesministers
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von seiner
ursprünglichen Forderung nach Abschaffung der Verpflich-
tung der Gewerbebetriebe zur Vorhaltung einer Rest-
mülltonne wieder abgerückt. Hervorzuheben sei darüber hi-
naus, dass die Gewerbeabfallverordnung in ihrer derzeitigen
Fassung wenig praktikabel sei. Ihre Umsetzung verursache
einen erheblichen Verwaltungsaufwand, was sich u. a. darin
zeige, dass zu der Verordnung eine Vollzugshilfe habe erar-
beitet werden müssen. Offensichtlich solle die Verordnung
primär dazu beitragen, die häufig nicht ausgelasteten kom-
munalen Entsorgungsanlagen mit zusätzlichen Abfällen zu
versorgen. Die grundlegende Kritik der Fraktion der FDP an
der Gewerbeabfallverordnung werde vom Rat von Sach-
verständigen für Umweltfragen (SRU) bestätigt. So werde
auf Seite 528 des Umweltgutachtens 2004 des SRU die Ge-
werbeabfallverordnung nicht nur als ein übermäßig voll-
zugsaufwändiges und die Abfallwirtschaftsverwaltungen
überforderndes Instrumentarium beurteilt, sondern auch als
ein grundsätzlich falscher Schritt in die Richtung eines hy-
perkomplexen, ökologisch weniger effektiven und weniger
effizienten Ansatzes der Verwertungspfad-Feinsteuerung
bewertet. Abgesehen davon deute auch die Rechtsprechung
darauf hin, dass die Gewerbeabfallverordnung in ihrer der-
zeitigen Fassung nicht haltbar sei. So seien das Verwal-
tungsgericht Stuttgart in einem Urteil vom 24. Oktober 2003
und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in
einem Urteil vom 2. März 2004 zu dem Ergebnis gelangt,
dass durch § 7 Satz 4 GewAbfV keine unbedingte Pflicht
zur Vorhaltung und Nutzung eines Restabfallbehälters sta-
tuiert werden könne.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der
CDU/CSU, dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den
Antrag – Drucksache 15/2010 – abzulehnen.

Berlin, den 22. September 2004
Gerd Friedrich Bollmann
Berichterstatter

Werner Wittlich
Berichterstatter

Dr. Antje Vogel-Sperl
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

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