BT-Drucksache 15/3739

Regeln und Grenzen für den Personalwechsel vom öffentlichen Dienst zur Wirtschaft

Vom 22. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3739
15. Wahlperiode 22. 09. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Rainer Funke, Ernst Burgbacher, Jürgen
Koppelin, Rainer Brüderle, Helga Daub, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Christel Happach-Kasan, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer,
Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Harald Leibrecht, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Dr. Rainer Stinner, Jürgen Türk, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Regeln und Grenzen für den Personalwechsel vom öffentlichen Dienst
zur Wirtschaft

Der Bundestag wolle beschießen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. DieMinistererlaubnis aus dem Jahre 2002 zur Übernahme von Ruhrgas durch
Eon prägt die deutsche Energielandschaft bis zum heutigen Tage. Die Minis-
tererlaubnis ist seinerzeit vom beamteten Wirtschaftsstaatssekretär Dr. Alfred
Tacke in Vertretung des damaligen, als befangen geltenden Bundesministers für
Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller, bearbeitet und ausgesprochen
worden. Der geplanteWechsel von Dr. Alfred Tacke in die Energiewirtschaft hat
die Frage aufgeworfen, welche Regeln und Grenzen für einen solchen Personal-
wechsel gelten sollen.
2. Der Deutsche Bundestag bekennt sich zur Berufsfreiheit. Auch Spitzen-
beamte und ehemalige Amtsträger müssen die Möglichkeit haben, in die Wirt-
schaft zu wechseln.
3. In beamtenrechtlicher Hinsicht stellt sich die Situation wie folgt dar:
a) Gemäß § 42a des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) bzw. § 69a des

Bundesbeamtengesetzes (BBG) müssen Ruhestandsbeamte und frühere Be-
amte mit Versorgungsbezügen die Aufnahme einer Beschäftigung oder Er-
werbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes der letzten obersten
Dienstbehörden anzeigen, wenn die Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit mit
der dienstlichen Tätigkeit in Zusammenhang steht. Der Zeitraum, in dem die
Anzeigeverpflichtung besteht, beträgt längstens fünf Jahre. Die Beschäfti-
gung oder Erwerbstätigkeit ist zu untersagen, wenn zu befürchten ist, dass
durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden.

b) Für entlassene Beamte ohne Versorgungsbezüge gelten die Einschränkungen
des § 42a BRRG und des § 69a BBG nicht. Das Beamtenrecht sieht in einem
solchen Fall keine Möglichkeit vor, eine Beschäftigung oder Erwerbstätig-
keit außerhalb des öffentlichen Dienstes zu untersagen.

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4. Die Wirklichkeit zeigt, dass diese Regelung zu kurz greift:
a) In der Praxis werden die Versorgungsansprüche des wechselnden Beamten

häufig vom neuen Arbeitgeber übernommen. Auf diese Weise kann sich ein
Beamter von den Beschränkungen des § 42a BRRG und des § 69a BBG „frei-
kaufen“ lassen. Ein Wechsel in die Privatwirtschaft ist dann selbst für den
Fall möglich, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessen
besteht. Diese Lücke gilt es zu schließen.

b) Tätigkeitsbeschränkungen nach Beendigung des Dienstverhältnisses sollen
das Ansehen und die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sowie das
Vertrauen der Allgemeinheit in dessen Integrität gewährleisten. Für die Ge-
fahr der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ist es ohne Belang, ob der
Beamte Versorgungsbezüge erhält oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob
die zukünftige Tätigkeit mit seiner dienstlichen Tätigkeit als Beamter in Zu-
sammenhang steht und durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden
können. Die Erweiterung des erfassten Personenkreises um entlassene Be-
amte ohne Versorgungsbezüge ist erforderlich, um einen Wechsel in einem
engen, genau definierten Bereich ausschließen zu können, z. B. wenn der
Beamte für ein Unternehmen tätig werden will, mit dessen Angelegenheiten,
Angeboten etc. er zuvor dienstlich befasst war.

c) Im Falle des Ausscheidens ohne Versorgungsbezüge müssen Tätigkeitsbe-
schränkungen wie folgt ausgestaltet werden:
aa) Zum einen ist im Hinblick darauf, dass die nachwirkenden Treuepflich-

ten im Falle der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis schwächer aus-
gestaltet sind, als im Falle fortbestehender Versorgungsansprüche, die
Frist, innerhalb derer dem Beamten eine Erwerbstätigkeit außerhalb des
öffentlichen Dienstes untersagt werden kann, kürzer zu bemessen als bei
Ruhestandsbeamten oder früheren Beamteten mit Versorgungsbezügen.
Es ist daher in Betracht zuziehen, das Verbot spätestens mit Ablauf von
zwei Jahren nach Entlassung aus dem Beamtenverhältnis enden zu las-
sen.

bb) Zum anderen ist einem Beamten, dem die Aufnahme einer Beschäfti-
gung oder Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes unter-
sagt wird, für die Dauer der Tätigkeitsbeschränkungen eine ausreichende
finanzielle Lebensgrundlage zu gewährleisten.

5. Bei Ministern und Parlamentarischen Staatssekretären ist die Interessenlage
vergleichbar:
a) Auch hier gilt es, das Ansehen staatlichen Handelns und das Vertrauen der

Allgemeinheit in dessen Integrität zu gewährleisten. Allerdings gilt für
Minister und Parlamentarische Staatssekretäre das Lebenszeitprinzip nicht.
Sie müssen sich der Wiederwahl stellen. Nicht nur für den Fall einer Wahl-
niederlage muss es ihnen möglich sein, sich außerhalb der Politik eine neue
Existenzgrundlage aufzubauen. Eine Regelung ist gleichwohl unverzichtbar,
um Interessenkonflikte zu vermeiden und die Unabhängigkeit staatlichen
Handelns zu sichern. Dem hat z. B. die EU-Kommission durch einen Verhal-
tenskodex für die Kommissionsmitglieder längst Rechnung getragen.

b) Für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre ist auf Grund einer neu zu
schaffenden gesetzlichen Verpflichtung ein Verhaltenskodex aufzustellen,
der eine § 42a BRRG und § 69a BBG inhaltlich gleiche Regelung vorsieht
und der für alle Regierungsmitglieder verbindlich ist. Danach haben Regie-
rungsmitglieder, die beabsichtigen, eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen,
die in den Anwendungsbereich des § 69a BBG fiele, also z. B. bei einem von
eigenem Amtshandeln betroffenen Unternehmen, dies der Bundesregierung
anzuzeigen, die sodann die Stellungnahme einer eigens zu diesem Zweck ein-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3739

gesetzten unabhängigen Kommission einholt. Die Kommission ist vom Bun-
despräsidenten einzusetzen und mit hochrangigen Vertretern aus Politik,
Wirtschaft und Wissenschaft zu besetzen. Entscheidet sich der Minister oder
Parlamentarische Staatssekretär entgegen einer negativen Stellungnahme der
Kommission gleichwohl für die Aufnahme der Tätigkeit, so ließe sich dies
zwar nicht im Rechtssinne sanktionieren. Gleichwohl dürfte es kaum zu Fäl-
len dieser Art kommen, da die Beschädigung der eigenen Person, aber auch
die Beschädigung des zukünftigen Arbeitgebers umso größer wäre und dem
geplanten Wechsel somit regelmäßig die wirtschaftliche Grundlage entzöge.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
1. Vorschläge zur Neuregelung der § 42a des Beamtenrechtsrahmengesetzes

(BRRG) und § 69a des Bundesbeamtengesetzes (BBG) mit dem Ziel vorzu-
legen, dass auch frühere Beamte ohne Versorgungsbezüge in den Anwen-
dungsbereich dieser Vorschriften fallen;

2. für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre einen Gesetzesvorschlag
für einen Verhaltenskodex vorzulegen, der eine § 42a BRRG und § 69a BBG
inhaltsgleiche Regelung vorsieht;

3. einen Vorschlag für die Ein- und Zusammensetzung einer unabhängigen
Kommission vorzulegen.

Berlin, den 22. September 2004
Dr. Max Stadler
Rainer Funke
Ernst Burgbacher
Jürgen Koppelin
Rainer Brüderle
Helga Daub
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Christel Happach-Kasan
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Harald Leibrecht
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Gisela Piltz
Dr. Rainer Stinner
Jürgen Türk
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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