BT-Drucksache 15/3709

Presse- und Meinungsfreiheit im Internet weltweit durchsetzen - Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und private Internetnutzer besser schützen

Vom 21. September 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3709
15. Wahlperiode 21. 09. 2004

Antrag
der Abgeordneten Holger Haibach, Dr. Martina Krogmann, Melanie Oßwald,
Hermann Gröhe, Dr. Norbert Lammert, Rainer Eppelmann, Dr. Egon Jüttner,
Irmgard Karwatzki, Daniela Raab, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg,
Hubert Hüppe, Volker Kauder, Julia Klöckner, Werner Lensing, Albert Rupprecht
(Weiden), Dr. Wolfgang Schäuble, Arnold Vaatz und der Fraktion der CDU/CSU

Presse- und Meinungsfreiheit im Internet weltweit durchsetzen – Journalisten,
Menschenrechtsverteidiger und private Internetnutzer besser schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Als weltweit verfügbares Medium der Massenkommunikation zur Verbreitung
von Nachrichten und Informationen hat das Internet in den vergangenen Jahren
stark an Bedeutung zugenommen. In vielen Ländern nutzen Menschen das In-
ternet zur Meinungsäußerung und zur politischen Arbeit; Journalisten veröf-
fentlichen Reportagen und Beiträge in Onlinemedien, um über die menschen-
rechtliche Situation in ihren Heimatländern zu berichten.
In den letzten Jahren hat jedoch auch die Zahl der verhafteten und verurteilten
Journalisten und Menschenrechtsverteidiger zugenommen, die das Internet und
E-Mails für die Veröffentlichung und Weitergabe von Informationen genutzt
haben. Viele Regierungen reagieren auf kritische Äußerungen in Onlinemedien,
Internetforen und Onlinetagebüchern, so genannten Weblogs, mit strafrecht-
lichen Sanktionen gegenüber den Betroffenen. Sie werden unter Anklage ge-
stellt, erhalten häufig keinen fairen Prozess. Die zunehmende Verschärfung der
Zugangskontrolle zum Internet in vielen Ländern, vielfach verbunden mit der
polizeilichen und elektronischen Überwachung von Internetcafés, stellt eine
Verletzung der Presse- und Meinungsfreiheit dar. Verstöße gegen die Nutzungs-
beschränkungen oder Zensurerlasse werden in der Regel mit teilweise lang-
jährigen Haftstrafen geahndet. Darüber hinaus wird die Presse- und Meinungs-
freiheit durch solche Regierungen und undemokratische Regime weitgehend
eingeschränkt oder gar ausgeschaltet. Häufig werden diese Zensurmaßnahmen
damit begründet, man wolle die Bevölkerung vor „schlechten und schädlichen
Informationen“ schützen und diese eindämmen. Nach Informationen der Nicht-
regierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ waren im Mai 2004 allein 74
so genannte Cyberdissidenten inhaftiert; die überwiegende Zahl der Verhaftun-
gen wurde aus China gemeldet.
Aber auch aus vielen anderen Ländern, insbesondere dem größeren Mittleren
Osten und in Afrika, werden strenge Zensurmaßnahmen und Zugangsbeschrän-
kungen berichtet. So ist nach einer neuen Studie des „Arabic Network for
Human Rights Information“ in vielen Ländern dieser Region kaum möglich,
Websites mit kritischen oder oppositionellen Meinungen zu verbreiten oder das
Internet ungehindert zu nutzen.

Drucksache 15/3709 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Allerdings dürfen Presse- und Meinungsfreiheit nicht dazu missbraucht werden,
die Würde des Menschen, wie etwa durch die Verbreitung von Kinderporno-
graphie, zu verletzen, politischen Extremismus zu verbreiten oder terroristische
Netzwerke aufzubauen. Daraus resultierende erforderliche Einschränkungen für
die Nutzung des Internets müssen so gestaltet sein, dass Journalisten und
Menschenrechtsverteidiger frei und ungehindert arbeiten können.
Jeder politisch motivierten Tendenz zur Einschränkung der Nutzung der neuen
Medien muss Einhalt geboten werden und ein besserer Schutz für die Arbeit
von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern, aber auch die Gewährung
der Freiheit privater Nutzer des Internets, erreicht werden. Deutschland, die Eu-
ropäische Union sowie die internationale Staatengemeinschaft sind daher dazu
aufgerufen, solche Verletzungen grundlegender Freiheitsrechte wiederholt in
ihren bi- und multilateralen Kontakten mit den betreffenden Regierungen anzu-
sprechen und auf die umfassende Verwirklichung dieser Rechte hinzuwirken.
Gerade das Internet als weltweites Kommunikationsmedium ist bestens geeig-
net, die Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen einer großen Öffentlichkeit
zugänglich zu machen und gleichzeitig den Schutz für Menschenrechtsvertei-
diger durch eine größere Öffentlichkeit zu verbessern.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
l sich zusammen mit den europäischen Partnern für eine effektive Bekämp-

fung der Zensur des Internets im politischen Bereich einzusetzen und allen
gegenteiligen Bestrebungen von Seiten anderer Regierungen entschieden
entgegenzutreten;

l dem Deutschen Bundestag jährlich über die Umsetzung der auf der Sitzung
der VN-Menschenrechtskommission 2004 angenommenen Resolution zum
Recht auf Meinungsfreiheit und Meinungsäußerung (The right to freedom of
opinion and expression, Nr. 2004/42) Bericht zu erstatten;

l die Unterzeichner der Resolution zum Recht auf Meinungsfreiheit und Mei-
nungsäußerung zu deren genauer und effektiver Einhaltung zu drängen so-
wie weitere Staaten zur Unterzeichnung dieser Resolution zu gewinnen;

l bei der Vorbereitung des nächsten Weltgipfels der Informationsgesellschaft
(WSIS) im November 2005 in Tunis darauf zu drängen, dass das Thema
Menschenrechte und Meinungs- und Pressefreiheit in digitalen Medien dis-
kutiert und ein klares Bekenntnis zum Verbot von politischer Zensur abge-
legt wird;

l sich aktiv für die Umsetzung der „Declaration of Principles“ des Weltgipfels
der Informationsgesellschaft vom 12. Dezember 2003 einzusetzen und einen
besonderen Schwerpunkt auf die Forderung nach freiem und ungehindertem
Zugang zu Informationen sowie die Einhaltung der Meinungsfreiheit auf der
Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu legen;

l mit dafür Sorge zu tragen, dass Journalisten weltweit ungehindert ihrer
Arbeit nachgehen und ihre Ergebnisse ungestraft publizieren und über das
Internet sowie andere elektronische Medien verbreiten können;

l sich für einen besseren Schutz von Menschenrechtsorganisationen und Men-
schenrechtsverteidigern einzusetzen, die das Internet weltweit als Plattform
für ihre Arbeit nutzen;

l in bi- und multilateralen Kontakten mit der chinesischen Regierung dringend
die Freilassung von derzeit über 60 verhafteten Cyberdissidenten zu fordern,
sich für faire Prozesse für die Betroffenen einzusetzen sowie gegen die Zen-
surmaßnahmen, zahllose Websites zu sperren, und gegen die Überwachung
von Usern in Internetcafés und sonstigen Einrichtungen zu protestieren;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3709

l die Regierung von Vietnam aufzufordern, die im Mai 2004 erlassenen Be-
stimmungen zur Beschränkung des Zugangs der Bevölkerung zum Internet
und die bereits früher erlassenen Zwangsregistrierungen beim Besuch von
Internetcafés aufzuheben, da die Bestimmungen dem alleinigen Zweck die-
nen, durch schärfere Kontrollen politische Dissidenten und Oppositionelle
am Informationsaustausch zu hindern;

l die Regierung von Nord-Korea darauf hinzuweisen, dass die Gewährung
von Presse- und Meinungsfreiheit sowie freier Zugang zum Internet grund-
legend für einen Dialog mit der internationalen Staatenwelt sind;

l auf die Regierung von Kuba einzuwirken, um der Bevölkerung einen freien
Zugang zu Computern und zum Internet zu ermöglichen, sowie darauf zu
drängen, die politische Zensur von Usern und des E-Mail-Verkehrs einzu-
stellen;

l auf die iranische Regierung einzuwirken, dass die von der Regierung ver-
hängten Einschränkungen, bestimmte politische Webseiten aufzusuchen,
aufgehoben werden;

l auf die iranische Regierung einzuwirken, dass Internetuser ohne Angst vor
staatlicher Verfolgung auch Weblogs zu freien Meinungsäußerungen nutzen
können;

l die Regierung von Saudi-Arabien aufzufordern, die Sperrung der nach eige-
nen Angaben beinahe 400 000 Internetseiten aufzuheben, unter denen sich
viele mit Menschen- und insbesondere mit Frauenrechten beschäftigen;

l auf die Regierung von Syrien einzuwirken, den Zugang zum Internet nicht
länger zu behindern und die Sperrung von Seiten sowie die Zensur von In-
halten aufzuheben;

l auf die tunesische Regierung einzuwirken, dass allen Menschenrechtsorga-
nisationen und sonstigen Nichtregierungsorganisationen eine ungehinderte
und unzensierte Teilnahme am Weltgipfel der Informationsgesellschaft nicht
verweigert wird;

l zusammen mit den europäischen Partnern der tunesischen Regierung klar zu
machen, dass langjährige Haftstrafen für Verurteilte aufgrund der Lektüre
ausländischer Internetseiten als Mittel der Zensur im Rahmen der Mittel-
meer-Partnerschaft keinesfalls akzeptiert werden können sowie sich gegen-
über der tunesischen Regierung gegen die langfristige Speicherung und
Überwachung von Kundendaten von Internetprovidern auszusprechen;

l zusammen mit den EU-Partnern der Regierung von Belarus deutlich zu
machen, dass sie die Sperrung von oppositionellen Websites, Überwachung
von Internetzugängen, Internetcafés sowie die Verhaftung von Journalisten
aufgrund von Onlinepublikationen strikt verurteilt und deren Rücknahme
erwartet;

l sich bei der türkischen Regierung dafür einzusetzen, Internetseiten nicht
mehr politisch zu zensieren oder zu blockieren sowie die Überwachungen
von Internetcafés einzustellen.

Berlin, den 21. September 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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