BT-Drucksache 15/3478

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -15/1657, 15/1803, 15/3412- Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes

Vom 29. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3478
15. Wahlperiode 29. 06. 2004

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Georg Brunnhuber, Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Ralf Göbel, Peter Götz, Markus Grübel,
Bernd Heynemann, Klaus Hofbauer, Bernhard Kaster, Volker Kauder, Norbert
Königshofen, Werner Kuhn (Zingst), Ursula Lietz, Eduard Lintner, Klaus Minkel,
Henry Nitzsche, Günter Nooke, Anita Schäfer (Saalstadt), Wilhelm Josef
Sebastian, Marion Seib, Gero Storjohann, Thomas Strobl (Heilbronn), Lena
Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter und der Fraktion der CDU/CSU

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/1657, 15/1803, 15/3412 –

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Ausbau der Bundesfernstraßen
und Bundesschienenwege entsprechen nicht dem realen Bedarf. Sie sind teil-
weise auf Grundlage nicht zukunftsgerechter Annahmen und Vorgaben im Bun-
desverkehrswegeplan entwickelt worden. Mit ca. 500 Änderungsanträgen zu
den Gesetzentwürfen hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sachgerechte Anpassungen erreichen wol-
len. Deren prinzipielle Ablehnung dokumentiert die im Deutschen Bundestag
grundsätzlich bestehenden unterschiedlichen Vorstellungen über den künftigen
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.
Die Bedeutung von Mobilität für unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahren
weiter zugenommen.Mobilität ist unabdingbar für den einzelnen und die Gesell-
schaft in ihrer Gesamtheit. Arbeits- und Ausbildungsplätze müssen erreichbar
bleiben, Freizeitgestaltung, Tourismus und Konsum sind eng mit der Nutzung
von Verkehrsinfrastruktur verbunden. Um die internationale Wettbewerbsfähig-
keit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu sichern, muss auch für die Zu-
kunft Mobilität auf allen Verkehrsträgern gewährleistet sein. Die deutsche Wirt-
schaft in ihrer Rolle als Exportwirtschaft ist unmittelbar abhängig von den struk-
turellen Entscheidungen über die Verkehrsinfrastruktur. Sie sichert die Anbin-
dung an die nationalen und internationalen Märkte. Engpässe in der
Verkehrsinfrastruktur sind volkswirtschaftlich schädlich und verhindern ein
stärkeres wirtschaftliches Wachstum.

Drucksache 15/3478 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Bundesverkehrswegeplan ist eine volkswirtschaftlich orientierte Bedarfs-
planung für Investitionen des Bundes in die Bundesverkehrswege. Er muss
streng aus seiner Aufgabenstellung heraus aufgestellt werden. Sachfremde, also
nicht bedarfsorientierte Aspekte dürfen keinen entscheidenden Einfluss haben.
Der von der Bundesregierung im Jahr 2003 beschlossene Bundesverkehrswege-
plan wird diesem Anspruch nicht gerecht.
Die Verkehrsprognose, die den auf den Bundesverkehrswegeplan aufbauenden
Gesetzentwürfen zugrunde liegt, geht von unrealistischen Vorgaben aus. Die un-
terstellte Verdopplung des Schienengüterverkehrsaufkommens bis 2015 ist viel
zu optimistisch und die seit dem Verkehrsbericht 2000 zu verzeichnende Ent-
wicklung macht deutlich, dass das Ziel einer so erheblichen Verkehrsverlage-
rung auf die Schiene nicht erreicht werden wird. Die Bahn selbst geht von einer
maximal erreichbaren Steigerung des Schienengüterverkehrs von ca. 50 Prozent
aus. Tatsächlich stagniert die Entwicklung der Anteile des Schienenverkehrs am
Gesamtverkehrsmarkt seit vielen Jahren nahezu gleichbleibend auf niedrigem
Niveau bzw. verzeichnet sogar abnehmende Tendenzen. Inzwischen wird auch
von der Bundesregierung diese illusorische Zielstellung einer so hohen Ver-
kehrsverlagerung hin zur Schiene nicht mehr offensiv vertreten.
Die im Bundesverkehrswegeplan 2003 prognostizierte Verkehrsleistung für die
Schiene ist als wirklichkeitsfremdes Szenario keine geeignete Grundlage für die
Erstellung der Bedarfspläne zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für Straße
und Schiene. Darüber hinaus wurden aus dieser Verkehrsprognose auch die fal-
schen Schlussfolgerungen für die Bedarfsplanung gezogen. Die Straße muss
auch in Zukunft die Hauptlast der zusätzlichen Verkehrsnachfrage tragen. Die-
sem Trend muss in der Bedarfsplanung Rechnung getragen werden. Die prokla-
mierte investive Gleichbehandlung von Straße und Schiene ist somit eine fach-
lich nicht zu begründende Fehlsteuerung.
Die Bedeutung Deutschlands als Verkehrsdrehscheibe im geeinten Europa
wurde bei Erstellung der Bedarfsplanung nicht hinreichend berücksichtigt.
Deutschland wird bei Umsetzung des beschlossenen Bundesverkehrswegeplans
künftig seiner Funktion als wichtigstes Transitland in Europa bei weiterhin stei-
gendem Verkehrsaufkommen nur noch unzureichend gerecht werden können.
Infolge der EU-Osterweiterung wird ein Anstieg des grenzüberschreitenden
Straßengüterverkehrs von bis zu 200 Prozent prognostiziert, ebenso werden für
den Personenverkehr deutliche Anstiege erwartet. Die Struktur der Verkehrs-
märkte in Osteuropa wird sich an die der bisherigen EU-Länder anpassen. Eine
deutliche Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße muss be-
fürchtet werden. Deutschland steht in europäischer Verantwortung, zügig die
Engpässe der Ost-West-Verbindungen in der Verkehrsinfrastruktur zu beseiti-
gen. Hierbei bedarf es finanzieller Unterstützung durch die Europäische Union.
Die Finanzierung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist un-
zureichend. Die im Bundeshaushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung da-
für veranschlagten Ausgaben lassen nicht erkennen, dass die Bundesregierung
die Absicht hat, den im Bundesverkehrswegeplan unterstellten Finanzrahmen
einzuhalten. Die mit § 11 desMautgesetzes beabsichtigte Stärkung der Finanzen
für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wird von der Bundesregierung grob
missachtet. Stattdessen werden die Mauteinnahmen im Wesentlichen zur Kom-
pensation von Absenkungen der Verkehrsinvestitionen im Bundeshaushalt
genutzt.
Die Ausweisung von Planungsrechten für eine Vielzahl von Straßenverkehrs-
projekten im Weiteren Bedarf im Bundesfernstraßenausbaugesetz bindet um-
fangreich Planungsmittel und -kapazitäten der Länder, ohne die für die Realisie-
rung erforderlichen Mittel in der Finanzplanung des Bundes zu berücksichtigen.
Vollkommen offen bleibt, mit welcher Priorität die Projekte nach abgeschlosse-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3478

ner Planung bei der Entscheidung über die jährlich zu realisierenden Maßnah-
men versehen sind.
Mit der Entwicklung ökologischer Vorbehaltskategorien in der Bundesverkehrs-
wegeplanung für die Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen hat die Bundes-
regierung ein entbehrliches Instrument geschaffen, mit dem die notwendige
Entscheidung über die Bedarfsfeststellung lediglich hinausgeschoben wird. Die
erforderlichen Klärungsprozesse über die ökologischen Belange müssen den
ohnehin abzuarbeitenden Planungsschritten, insbesondere dem Raumordnungs-
verfahren und der Umweltverträglichkeitsprüfung, vorbehalten bleiben. Das
jetzt entwickelte Verfahren verzögert und erschwert den Beginn der eigentlichen
Projektentwicklung.
Die geplanten Investitionen im Bereich der Bundeswasserstraßen bleiben mit
unter 5 Mrd. Euro im Zeitraum vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2015 deutlich hinter
dem eigentlichen Ausbaubedarf zurück. Zur Untermauerung der Bedarfsfest-
stellung und zur Erreichung einer höheren Planungssicherheit für einen längeren
Zeitraum ist die Vorlage eines Gesetzes zum Aus- und Neubau von Bundeswas-
serstraßen erforderlich. Die gegenwärtige Verfahrensweise, bei der die Bundes-
regierung relativ unabhängig von den Vorstellungen des Deutschen Bundestages
die Planungen betreibt, hat zu erheblichen Unsicherheiten über die Zukunft der
Bundeswasserstraßen geführt.
Die Bedeutung der Bundeswasserstraßen muss wieder gestärkt werden. Hierzu
soll unter Beteiligung des Deutschen Bundestages ein zukunftsorientiertes Ge-
samtkonzept für die Bundeswasserstraßen entwickelt werden, das durch Geset-
zesstatus für das Handeln der Bundesregierung verbindlich wird.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. einen neuen Bundesverkehrswegeplan zu erarbeiten, der den Herausforde-

rungen der Zukunft gerecht wird und die Mobilität in Deutschland sichert.
Dazu gehört neben der konsequenten Ausrichtung auf die volkswirtschaft-
liche Bedarfsfeststellung und der Ermittlung des entsprechenden Investi-
tionsvolumens auch eine plausible Verteilung zukünftiger Mittel auf die Ver-
kehrsträger Straße und Schiene. Auf Kategorien mit besonderem natur-
schutzfachlichem Planungsauftrag und die Feststellung eines hohen ökologi-
schen Risikos ist auf Ebene der Bedarfsplanung zu verzichten;

2. sich auf europäischer Ebene für die Schaffung eines Sonderprogramms „Ver-
kehrsprojekte Europäische Einheit“ einzusetzen. Die besonderen zusätzli-
chen Verkehrsbelastungen der bisherigen EU-Länder, die unmittelbar an die
neuen EU-Länder grenzen, müssen gemeinschaftlich getragen werden;

3. bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Fünfjahresplan gemäß § 5
Abs. 1 FStrAusbauG künftig Straßenbauprojekte des Weiteren Bedarfs mit
Planungsrecht nach Erlangung der Baureife neben den Projekten des Vor-
dringlichen Bedarfs auf Wunsch und in Abstimmung mit den Ländern zu be-
rücksichtigen;

4. in ihrer Finanzplanung die bedarfsgerechte Bereitstellung von Mitteln zum
Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorzusehen und dabei die gesetzeskon-
forme Umsetzung des § 11 des Autobahnmautgesetzes zu gewährleisten.
Demnach sind die Mauteinnahmen abzüglich der Systemkosten zusätzlich
demVerkehrshaushalt zuzuführen und in vollemUmfang zweckgebunden für
die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Bundes-
fernstraßenbau, zu verwenden;

5. dem Verkehrs- und dem Haushaltsausschuss zu den jährlichen Haushalts-
beratungen eine Liste derjenigen noch nicht begonnenen Bundesfernstraßen-
projekte mit Baurecht nach rechtskräftiger Planfeststellung vorzulegen, für

Drucksache 15/3478 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
die der jeweilige Haushaltsentwurf jedoch nicht den Baubeginn für das zu be-
ratende Haushaltsjahr vorsieht;

6. einen Gesetzentwurf zum Aus- und Neubau von Bundeswasserstraßen auf
Grundlage eines zukunftsorientierten Gesamtkonzeptes für die Bundeswas-
serstraßen vorzulegen.

Berlin, den 29. Juni 2004
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Georg Brunnhuber
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Hubert Deittert
Enak Ferlemann
Ralf Göbel
Peter Götz
Markus Grübel
Bernd Heynemann
Klaus Hofbauer
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Werner Kuhn (Zingst)
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Klaus Minkel
Henry Nitzsche
Günter Nooke
Anita Schäfer (Saalstadt)
Wilhelm Josef Sebastian
Marion Seib
Gero Storjohann
Thomas Strobl (Heilbronn)
Lena Strothmann
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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