BT-Drucksache 15/3450

Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten durch sachgerechte Fallpauschalen

Vom 29. Juni 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3450
15. Wahlperiode 29. 06. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust, Horst Seehofer, Andreas Storm,
Annette Widmann-Mauz, Dr. Wolf Bauer, Monika Brüning, Verena Butalikakis,
Michael Hennrich, Hubert Hüppe, Barbara Lanzinger, Maria Michalk, Hildegard
Müller, Matthias Sehling, Jens Spahn, Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau),
Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Versorgungssicherheit für Patientinnen und Patienten durch sachgerechte
Fallpauschalen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die bisherigen Erfahrungen mit der schrittweisen Einführung eines diagnose-
bezogenen Fallpauschalensystems (Diagnosis Related Groups – DRG) für die
Vergütung von Krankenhausleistungen haben die immer wieder geäußerten
Warnungen und Befürchtungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eindrucks-
voll bestätigt (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/7843 und 15/1012). So richtig es
ist, den Anteil von Fallpauschalen an der Finanzierung stationärer Leistungen
deutlich auszuweiten, so falsch war von Anfang an die Absicht der Regierungs-
koalition, in Deutschland ein durchgängiges Fallpauschalensystem einzuführen,
mit dem nahezu 100 Prozent der Krankenhausleistungen vergütet werden sollen.
Deutschland ist weltweit das einzige Land, in dem ein solches System derart um-
fassend implementiert werden soll.
Dieser 100-Prozent-Ansatz stellt einen folgenschweren und grundlegenden
Strukturfehler der DRG-Einführung dar. Er verkennt, dass rund 20 bis 30 Pro-
zent der Krankenhausleistungen nicht sachgerecht mit einem pauschalierten
Vergütungssystem abgebildet und finanziert werden können, wie z. B. Inten-
sivmedizin, neurologische Frührehabilitation, Neurologie, Onkologie, Kinder-
und Jugendmedizin, Transplantationsmedizin, Unfallchirurgie, Rheumatologie,
Schmerztherapie, Behandlung Schwerbehinderter und die Behandlung von
Schwerstbrandverletzten. In diesen Versorgungsbereichen drohen mit der
finanzwirksamen Einführung des DRG-Systems ab dem Jahre 2005 erhebliche
finanzielle Unterdeckungen und eine massive Einschränkung der medizinischen
Versorgung für Patientinnen und Patienten.
Betroffen davon sind insbesondere Krankenhäuser der Maximalversorgung und
Universitätsklinika. Ihre Leistungsfähigkeit im Bereich von Forschung, Spitzen-
medizin und der Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses am Patienten droht
durch finanzielle Einbußen von durchschnittlich 20 Prozent erheblich gefährdet
zu werden. Auch der Aufwand für die ärztliche Fort- und Weiterbildung wird
bisher nur unzureichend berücksichtigt.

Drucksache 15/3450 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Diese gravierenden strukturellen Mängel des Fallpauschalensystems konnten
auch nicht durch das Fallpauschalen-Änderungsgesetz vom 17. Juli 2003 beho-
ben werden. Die vorgenommen Änderungen waren nicht weitreichend genug,
um die Gefahr einer nicht sachgerechten Abbildung und nachfolgender gravie-
render Finanzierungslücken für zahlreiche spezialisierte Bereiche der Kranken-
hausversorgung zu bannen. Das zweimalige Scheitern der Verhandlungen inner-
halb der Selbstverwaltung über die Einführung undWeiterentwicklung des Fall-
pauschalenkataloges in den Jahren 2002 und 2003 zeigt, dass weiterhin erheb-
licher Korrekturbedarf besteht.
Vor diesem Hintergrund wäre es kontraproduktiv, die dreijährige Konvergenz-
phase für die finanzwirksame Einführung des DRG-Systems zu verlängern und
den Einstiegswinkel für die Budgetanpassung abzuflachen. Dadurch würden die
grundlegenden strukturellen Probleme des neuen Vergütungssystems nicht be-
hoben, sondern ihr vollständiges Wirksamwerden lediglich zeitlich verschoben.
Zudem drohen bei einer Verlängerung der Budgetierung im stationären Bereich
über den 1. Januar 2007 hinaus erhebliche Verwerfungen im Bereich der ambu-
lanten ärztlichen Behandlung, für den die Budgets zu diesem Zeitpunkt verbind-
lich abgeschafft werden. Die notwendige bessere Verzahnung von ambulantem
und stationärem Sektor würde so zusätzlich erschwert. Statt die Einführungs-
phase zu verlängern, müssen deshalb die Strukturfehler behoben werden, an de-
nen das Fallpauschalensystem nach wie vor krankt und die ab dem Jahre 2005
für zahlreiche Krankenhäuser und Fachabteilungen massive finanzielle Einbu-
ßen hervorrufen sowie die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten
gefährden werden.
Notwendig ist daher einerseits eine Herausnahme bestimmter Leistungsbereiche
aus dem Fallpauschalensystem und ihre Vergütung durch krankenhausindividu-
elle Entgelte sowie andererseits eine sachgerechte Abbildung der Indikationen
und der damit verbundenen medizinischen und pflegerischen Leistungen in den
Fallpauschalen, die der Besonderheit dieser Leistungen Rechnung trägt. So ist
etwa im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin eine deutliche Erhöhung der
Zahl der Alterssplits anzustreben, mit denen der besondere medizinische und
pflegerische Aufwand bei der stationären Behandlung von Kindern und Jugend-
lichen besser als bisher berücksichtigt wird.
Zudem muss den besonderen Anforderungen und Aufgaben von Krankenhäu-
sern der Maximalversorgung und Universitätsklinika durch geeignete Maßnah-
men Rechnung getragen werden.
Schließlich muss der Aufwand für ärztliche Weiterbildung und Fortbildung an-
gemessen berücksichtigt werden, um die Grundlage für eine zeitgemäße medi-
zinische Versorgung der Bevölkerung durch qualifizierte Ärzte sicherzustellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
das Fallpauschalensystem grundlegend zu überarbeiten und dabei insbesondere
1. für eine sachgerechte Abbildung der Indikationen und der damit verbundenen

medizinischen und pflegerischen Leistungen in den Fallpauschalen Sorge zu
tragen; erforderlichenfalls ist eine leistungsgerechte Vergütung besonderer
Versorgungsbereiche außerhalb des Fallpauschalenkataloges sicherzustellen;

2. im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin eine deutliche Ausweitung von
Alterssplits anzustreben;

3. die Konvergenzphase nicht zu verlängern und die Budgetierung von Kran-
kenhausleistungen wie geplant Ende 2006 zu beenden;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3450

4. den besonderen Anforderungen und Aufgaben von Krankenhäusern der Ma-
ximalversorgung und Universitätsklinika Rechnung zu tragen;

5. den Aufwand für ärztliche Weiterbildung und Fortbildung im Fallpauscha-
lensystem angemessen zusätzlich zu berücksichtigen.

Berlin, den 29. Juni 2004
Dr. Hans Georg Faust
Horst Seehofer
Andreas Storm
Annette Widmann-Mauz
Dr. Wolf Bauer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Michael Hennrich
Hubert Hüppe
Barbara Lanzinger
Maria Michalk
Hildegard Müller
Matthias Sehling
Jens Spahn
Matthäus Strebl
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Wolfgang Zöller
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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