BT-Drucksache 15/325

Auswirkungen der geplanten Besteuererung grenzüberschreitender Flüge auf die Tourismuswirtschaft

Vom 14. Januar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/325
15. Wahlperiode 14. 01. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, Edeltraud Töpfer, Ulrich Adam,
Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Georg Brunnhuber, Cajus Caesar,
Hubert Deittert, Dr. Hans Georg Faust, Albrecht Feibel, Enak Ferlemann,
Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Michael Fuchs, Peter Götz, Gerda Hasselfeldt,
Klaus Hofbauer, Jürgen Klimke, Norbert Königshofen, Werner Kuhn (Zingst),
Eduard Lintner, Klaus Minkel, Henry Nitzsche, Eduard Oswald, Anita Schäfer
(Saalstadt), Bernhard Schulte-Drüggelte, Wilhelm Josef Sebastian, Kurt Segner,
Johannes Singhammer, Gero Storjohann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter,
Klaus-Peter Willsch und der Fraktion der CDU/CSU

Auswirkungen der geplanten Besteuerung grenzüberschreitender Flüge
auf die Tourismuswirtschaft

Laut der Koalitionsvereinbarung und des Gesetzentwurfs zum Abbau von
Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsab-
baugesetz) plant die Bundesregierung, die bisherige Mehrwertsteuerbefreiung
für grenzüberschreitende Personenbeförderungen im Luftverkehr aufzuheben.
Ein Besteuerungsrecht Deutschlands besteht dabei nur für den inländischen
Streckenanteil. Flüge innerhalb Deutschlands unterliegen bereits heute der
Mehrwertsteuer.
Die deutsche Tourismuswirtschaft, die gegenwärtig bereits deutliche Nach-
frage- und Umsatzrückgänge aufgrund der allgemeinen Konsumzurückhaltung
der Bevölkerung verkraften muss, befürchtet erhebliche Belastungen dieser
Besteuerung. Von den Auswirkungen wären insbesondere Linien- und Charter-
fluggesellschaften, Flughäfen, Reiseveranstalter und Reisebüros betroffen. Für
Verunsicherung sorgen seit Monaten eine Reihe offener Fragen zur konkreten
Ausgestaltung dieser Besteuerung, die auch eine Beurteilung erschweren,
inwieweit Wettbewerbsverzerrungen gegenüber ausländischen Unternehmen zu
erwarten sind.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist eine Besteuerung sämtlicher grenzüberschreitender Flüge geplant oder

soll sie auf Flüge innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
beschränkt sein?

2. Trifft es zu, dass diese Besteuerung innerhalb der EU einen Alleingang be-
deuten würde, da alle anderen EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern –
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemes-
sungsgrundlage (6. EU-Richtlinie) bisher keine Besteuerung der grenzüber-
schreitenden Personenbeförderung im Luftverkehr vornehmen?

Drucksache 15/325 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Sind der Bundesregierung andere Staaten bekannt, die eine solche Mehr-
wertsteuer erheben, und wenn ja, welche sind dies und sind davon auch
deutsche Fluggesellschaften betroffen?

4. Kann aufgrund internationaler Verträge und Vereinbarungen eine solche
Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Flüge europaweit und weltweit
erhoben werden, und wenn nein, welche Verträge und Vereinbarungen mit
welchen Staaten lassen dies nicht zu?

5. Betrifft die angestrebte Gesetzesänderung alle internationalen Fluggesell-
schaften, die in Deutschland starten und landen, oder soll sie nur für deut-
sche oder Fluggesellschaften anderer EU-Staaten gelten?

6. Wie ist die Besteuerung für Flüge von einem ausländischen Flughafen zu
einem ausländischen Flughafen über das Inland, die laut Aussage der Bun-
desregierung in ihrem Bericht im Ausschuss für Tourismus des Deutschen
Bundestages am 18. Dezember 2002 auch in Betracht kommt, mit interna-
tionalen Verträgen – insbesondere dem Chicagoer Abkommen und dem
Transitabkommen der ICAO (Convention on International Civil Aviation)
– vereinbar?

7. Sollen nur in Deutschland verkaufte Flugtickets der Mehrwertsteuer unter-
liegen oder auch im Ausland erworbene?

8. Wie soll konkret die Besteuerung ausländischer Fluggesellschaften erfol-
gen, die über keine Firmenvertretung in Deutschland verfügen?

9. Plant die Bundesregierung aufgrund der Tatsache, dass gegenwärtig nur die
innerdeutschen Flugstreckenanteile der Mehrwertsteuer unterworfen wer-
den können, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen ein einheitli-
ches Vorgehen innerhalb der EU, etwa durch eine Änderung der 6. EU-
Richtlinie?
Wenn ja, welche konkreten Schritte hat sie dazu eingeleitet und wie bewer-
tet sie deren Erfolgsaussichten?

10. Trifft es zu, dass die Bundesregierung aus dieser Maßnahme zusätzliche
Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 500 Mio. Euro pro Jahr erwartet?
Wenn ja, wie berechnet sich diese Summe im Einzelnen, wenn nein, von
welchen Einnahmen geht die Bundesregierung in den nächsten Jahren aus?

11. Auf welche Höhe wird der anfallende zusätzliche Verwaltungsaufwand
dieser Steuererhebung geschätzt?

12. Trifft es zu, dass in der Vergangenheit deutsche Pläne für ein solches Be-
steuerungsvorhaben bereits verworfen wurden, weil der Verwaltungsauf-
wand höher wäre als die zu erzielenden Steuermehreinnahmen?

13. Trifft es zu, dass in der Vergangenheit bereits Pläne für die Umsatzbesteue-
rung des Luftverkehrs innerhalb der EU von der Europäischen Kommis-
sion verworfen wurden, weil eine solche Steuer EU-Fluggesellschaften ge-
genüber ihren außerhalb der EU ansässigen Wettbewerbern benachteiligen
würde?

14. Wie soll aufgrund der Tatsache, dass praktisch erst nach Überfliegen der
Grenze die Inlandsanteile bei Flügen feststehen und sie – abhängig von
Routenplanung, Flugsicherung, Verkehrssituation und Wetter – sehr stark
variieren, eine gerechte Besteuerung des innerdeutschen Flugstreckenan-
teils erfolgen, und wie will die Bundesregierung einen damit verbundenen
erheblichen bürokratischen Mehraufwand vermeiden?

15. Wie können Reisebüros, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften ihren
Kunden unter diesen Bedingungen vor Abflug noch Endpreise nennen und
den tatsächlichen Mehrwertsteueranteil in Flugtickets korrekt ausweisen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/325

16. Sieht die Bundesregierung – wie der Bundesverband der Deutschen Touris-
muswirtschaft (BTW), der Deutsche Reisebüro und Reiseveranstalter
Verband (DRV), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen (ADL), die Ar-
beitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) und das Board of
Airline Representatives in Germany (BARIG) – die Gefahr, dass diese
zusätzliche Kostenbelastung zu einer Abwanderung von Verkehr auf Flug-
häfen in europäischen Nachbarländern führt, was den Verlust von Arbeits-
plätzen und einen Rückgang des allgemeinen Steueraufkommens zur Folge
hätte?

17. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass bei grenzüberschreitenden Flü-
gen aus steuerlichen Gründen dann jeweils der kürzeste Weg zur Grenze
gewählt wird und in der Folge Sicherheitsprobleme bei der europäischen
Flugsicherung entstehen können?

18. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass künftig Flugrouten zur Mini-
mierung oder Vermeidung der Mehrwertsteuerzahlung so gestaltet werden,
dass jeweils der kürzeste Weg zur Grenze gewählt oder Deutschland ganz
umflogen wird bzw. Zwischenlandungen auf deutschen Flughäfen vermie-
den werden und durch diese Umwege zusätzliche Umweltbelastungen
durch einen erhöhten Kerosinverbrauch entstehen?

19. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass als Reaktion auf die ein-
seitige Aufhebung der Mehrwertsteuerbefreiung in Deutschland andere
Staaten deutsche Fluggesellschaften für in ihrem Luftraum zurückgelegte
Flugstrecken besteuern könnten, was massive Wettbewerbsnachteile für
deutsche Unternehmen gegenüber ausländischen Konkurrenten bedeuten
würde?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die Benachteiligung von Charterfliegern
gegenüber Linienfluggesellschaften, die sich daraus ergibt, dass sie bei den
der Margenbesteuerung unterworfenen Reiseveranstaltern keinen Vorsteu-
erabzug vornehmen können?

21. Erwartet die Bundesregierung eine Stärkung der deutschen Tourismuswirt-
schaft durch diese Gesetzgebungsänderung oder teilt sie die Befürchtungen
der Branche, dass die Verteuerung von Flügen und Pauschalreisen durch
diese zusätzlichen finanziellen und bürokratischen Belastungen weitere
Buchungs- und Umsatzrückgänge bewirkt mit der Folge von Arbeitsplatz-
verlusten und Steuerausfällen?

22. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die den deutschen
Fluggesellschaften, Verkehrsflughäfen, Reiseveranstaltern und Reisebüros
möglicherweise entstehenden Wettbewerbsnachteile auszugleichen?

Berlin, den 14. Januar 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.