BT-Drucksache 15/3248

Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen statt als Alternative zu interventionistischer Industriepolitik

Vom 25. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3248
15. Wahlperiode 25. 05. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Johannes Singhammer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann,
Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Alexander
Dobrindt, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs,
Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Ursula Heinen,
Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Volker Kauder, Dr. Martina Krogmann,
Dr. Hermann Kues, Wolfgang Meckelburg, Friedrich Merz, Laurenz Meyer (Hamm),
Dr. Joachim Pfeiffer, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer,
Kurt J. Rossmanith, Hartmut Schauerte, Max Straubinger und der Fraktion der
CDU/CSU

Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Alternative zu
interventionistischer Industriepolitik

Deutschland profitiert vom freien Welthandel und international ungehindert
fließenden Investitionsströmen. Ein neuer Protektionismus kann daher kein
Lösungsansatz für die im weltweiten Wettbewerb stehende deutsche Wirtschaft
sein.
Trotz ständiger Beteuerung vom freien Handel sind jedoch in mehreren Indus-
trieländern, darunter auch bei Mitgliedern der Europäischen Union, zunehmend
deutliche Grundzüge einer neuen, national orientierten Industriepolitik zu be-
obachten. Jüngstes Beispiel ist die Übernahme von Aventis durch das Konkur-
renzunternehmen Sanofi-Synthelabo, welche entgegen der klaren Positionie-
rung der Unternehmensführung Aventis von der französischen Regierung
durchgesetzt wurde. Obwohl die deutsche und die französische Regierung
öffentlich Neutralität in diesem Vorgang vereinbart hatten, stellte der franzö-
sische Wirtschaftsminister mehrfach klar, dass das Alternativangebot der
Schweizer Firma Novartis für Frankreich nicht in Frage käme.
Angesichts dieses unkoordinierten Vorgehens bereits innerhalb der EU und der
angekündigten engeren Zusammenarbeit in der Industriepolitik zwischen
Deutschland und Frankreich muss die Bundesregierung ihr Konzept klarstellen,
wie freier Wettbewerb sichergestellt werden kann. Die Verfolgung ordnungs-
politischer Ziele darf nicht mit der medienwirksamen Förderung meist wenig
konkurrenz- bzw. überlebensfähiger Prestigeprojekte verwechselt werden.
Hauptziel muss die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in
Deutschland sein.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung, wenn sie die Schaffung wett-

bewerbsfähiger Wirtschaftseinheiten durch europaweite Unternehmens-
zusammenschlüsse fordert?

Drucksache 15/3248 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Welche deutschen Interessen sind dabei zu beachten und zu wahren?
3. Was verspricht sich die Bundesregierung von einer besseren Koordinie-

rung der Industriepolitik Deutschlands und Frankreichs?
4. Versucht die Bundesregierung, eine Verbesserung der Koordination der In-

dustriepolitik aller Mitgliedstaaten der EU zu erreichen, und wenn nein,
warum nicht?

5. Mit welchen Maßnahmen plant die Bundesregierung, deutsche industrie-
politische Interessen durchsetzen und die einseitig politische Einfluss-
nahme anderer Staaten verhindern zu können?

6. Wie reagiert die Bundesregierung auf die Begrenzung ausländischer Direkt-
investitionen bzw. den staatlichen Vorbehalt bei ausländischen Unterneh-
mensübernahmen in anderen Staaten?

7. Für welche Großgeräte der Forschung, die für die kommenden Jahre in
Europa und weltweit geplant sind, bewirbt sich Deutschland?
Welche Bewerbungen Deutschlands waren in den vergangenen Jahren
erfolgreich, welche insbesondere im Vergleich zum europäischen Ausland
nicht?

8. In welchen Hochtechnologiebereichen ist Deutschland – insbesondere im
EU-Vergleich – in den vergangenen Jahren zurückgefallen?
In welchen Bereichen konnte Deutschland seine Kompetenz entsprechend
ausbauen?

9. Welche Konsequenzen für die Verbesserung der politischen Rahmenbedin-
gungen zieht die Bundesregierung daraus?

10. Welche nationalen Schlüsselindustrien, die beispielsweise wegen ihrer
Innovationstätigkeit oder als Kristallisationspunkt für Technologiecluster,
für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. Versorgungssicherheit, für
die nationale Wehrfähigkeit oder den Kampf gegen den Terrorismus von
strategischer Bedeutung für Deutschland sind, bestehen nach Einschätzung
der Bundesregierung in Deutschland?
Aus welchen wichtigsten Unternehmen und Branchen setzen sich diese
zusammen?

11. In welchen wirtschaftlichen Bereichen hat Deutschland in den letzten Jahren
eine führende Rolle – auch bezogen auf unternehmerische Einflussmög-
lichkeiten – verloren und muss sich mit der Rolle eines Juniorpartners, bei-
spielsweise in europäischen Gemeinschaftsunternehmen, begnügen?
Sieht die Bundesregierung insbesondere im Bereich der Luft- und Raum-
fahrtindustrie eine Dominanz europäischer Partner durch gemeinsames und
abgestimmtes Vorgehen von Wirtschaft und Politik in diesen Ländern?

12. Welche generellen Bestrebungen verfolgt die Bundesregierung darüber
hinaus, der Erosion des deutschen Einflusses in europäischen Gemein-
schaftsunternehmen wie Airbus SAS entgegenzuwirken und ggf. durch mit
der Wirtschaft strategisch abgestimmte Positionen das Ziel zu erreichen,
angemessene Teile unternehmerischer und technologischer Kompetenz in
Deutschland zu erhalten bzw. hierher zurückzuverlagern?

13. Wie erklärt die Bundesregierung bezüglich der von der französischen
Regierung betriebenen Übernahme von Aventis durch Sanofi, dass sie trotz
entsprechender öffentlicher Bekundungen beider Seiten die Neutralität der
französischen Regierung nicht erwirken und damit die deutschen Interes-
sen eines freien Wettbewerbs nicht durchsetzen konnte?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3248

14. Wie wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass für den diskutier-
ten Zusammenschluss der Siemens AG mit Teilen des französischen Unter-
nehmens Alstom ein faires Verfahren ohne einseitige politische Einfluss-
nahme gesichert ist?

15. Welche Verkäufe bedeutender deutscher Industrieunternehmen ins Ausland
(auch innerhalb der EU) sind in den letzten 10 Jahren erfolgt bzw. zeichnen
sich nach Kenntnis der Bundesregierung für die absehbare Zukunft ab?

16. Welche rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten bestehen in Deutschland,
insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sowie Nord-
amerika, nationale Interessen durch die Sicherung von technologischer
Kompetenz durchzusetzen?

17. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf für rechtliche Anpassungs-
maßnahmen?

18. Sieht die Bundesregierung die Verpflichtung, Deutsch als Arbeitssprache
in staatlichen Entwicklungszentren einzuführen, als einen möglichen
Standortvorteil?

19. Mit welchen konkreten Schritten beabsichtigt die Bundesregierung, die
Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland im weltweiten
Wettbewerb zu verbessern und dazu die Ansätze von Reformen in der
Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt entschieden weiter voranzutreiben?

20. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass europäische oder nationale
Regelungen zur Übernahme von Unternehmen verändert werden müssen?
Wenn ja, welche und warum?

21. Welche Position vertritt die Bundesregierung zum Zusammenschluss deut-
scher Werften mit Werften aus EU-Mitgliedstaaten?

22. Welche Zielvorstellungen verfolgt die Bundesregierung bei den Über-
legungen, zu einem europäischen Werftenverband zu kommen?

23. Welchen Stellenwert nimmt im Rahmen der angestrebten Werftenfusion
Frankreich für die Bundesregierung ein?

Berlin, den 25. Mai 2004
Johannes Singhammer
Dagmar Wöhrl
Karl-Josef Laumann
Veronika Bellmann
Dr. Rolf Bietmann
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Alexander Dobrindt
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Ursula Heinen
Ernst Hinsken

Robert Hochbaum
Volker Kauder
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Wolfgang Meckelburg
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Joachim Pfeiffer
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Hartmut Schauerte
Max Straubinger
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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