BT-Drucksache 15/3112

Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes für Tierärzte und Landwirte praxisgerecht und verbraucherfreundlich gestalten

Vom 6. Mai 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3112
15. Wahlperiode 06. 05. 2004

Antrag
der Abgeordneten Julia Klöckner, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert Deß,
Peter Bleser, Gitta Connemann, Helmut Heiderich, Ursula Heinen, Uda Carmen
Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Volker Kauder, Marlene Mortler, Bernhard Schulte-
Drüggelte, Kurt Segner, Jochen Borchert, Cajus Julius Caesar, Hubert Deittert,
ThomasDörflinger, GerdaHasselfeldt, Susanne Jaffke, Heinrich-WilhelmRonsöhr,
Dr. Klaus Rose, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Max Straubinger,
Volkmar Uwe Vogel, Laurenz Meyer (Hamm), Ernst Hinsken, Ralf Göbel und der
Fraktion der CDU/CSU

Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes für Tierärzte und
Landwirte praxisgerecht und verbraucherfreundlich gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die elfte Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) hat mit ihren tierarzneimit-
telrechtlichen Vorschriften die Anwender dieses Gesetzes, praktische Tierärzte,
Landwirte und andere Tierhalter, vor große Probleme gestellt. Die seit der
Novellierung geltenden Regelungen sind geprägt von großer Praxisferne, sie
sind technisch und organisatorisch nicht praktikabel, bürokratisch überzogen
und verursachen unnötige Kosten. Zudem sind manche Regelungen unklar, was
Rechtsunsicherheit zur Folge hat; zugunsten des Tierschutzes muss teilweise
bewusst gegen Vorschriften verstoßen werden.
Die bisherigen Erfahrungen mit den Vorschriften des Elften Gesetzes zur Ände-
rung des Arzneimittelgesetzes haben gezeigt, dass weitere Anpassungen des
Arzneimittelrechts insbesondere deshalb notwendig sind, um den Erfahrungen
mit der Anwendung und dem Vollzug des Elften Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes Rechnung zu tragen und letztlich eine praxisgerechte
arzneiliche Versorgung der Tierbestände sicherzustellen.
Zu diesem Zweck und um eine bundesweit einheitliche arzneimittelrechtliche
Situation zu erreichen, werden verschiedene Änderungen des bisherigen Arznei-
mittelgesetzes als notwendig erachtet.
Kernstück ist eine Überarbeitung der Vorschriften über Fütterungsarzneimittel
und die Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln durch Tier-
ärzte (§§ 56 und 56a AMG). Die Abgabe von Arzneimitteln stützt sich bislang
auf die nicht weiter zeitgemäß differenzierte tierärztliche Behandlung. Dies hat
in der Vergangenheit zu Problemen geführt, die zu Ausnahmen mit Rückausnah-
meregelungen im Gesetzestext führten. Deshalb gilt es, die §§ 56 und 56a hin-
sichtlich der Voraussetzungen für die Abgabe von Arzneimitteln völlig neu zu
strukturieren. Die bisher einheitlich als ordnungsgemäße Behandlung definierte
tierärztliche Tätigkeit als Voraussetzung für die Abgabe von Arzneimitteln muss

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den praktischen Bedürfnissen der unterschiedlich entwickelten landwirtschaft-
lichen Betriebsformen und den entsprechenden tierärztlichen Tätigkeiten ange-
passt werden.
Die Modernisierung des Behandlungsbegriffes ist dringend erforderlich, um den
tatsächlichen Gegebenheiten in landwirtschaftlichen Tierhaltungen Rechnung
zu tragen. Schon seit geraumer Zeit hat sich die tierärztliche Tätigkeit in diesen
Tierhaltungen von der Behandlung erkrankter Einzeltiere wegentwickelt. Statt-
dessen werden i. d. R. Tiergruppen oder die kompletten Bestände therapiert.
Vorrangiges Ziel muss allerdings die Gesunderhaltung der Tierbestände sein, an-
stelle einer auf Arzneimitteln basierenden Korrektur unzulänglicher Haltungs-
bedingungen oder Managementdefizite.
Die besonders sensible Herangehensweise an den Verkehr mit Tierarzneimitteln
ergibt sich aus dem Anspruch an den Verbraucherschutz und dem spezifischen
Spannungsfeld, in dem sich der Tierarzt befindet. Der Tierarzt, der einerseits
durch einen hohen Arzneimittelumsatz ein höheres Einkommen erwartet, muss
andererseits zur Minimierung des Arzneimitteleinsatzes beitragen. Insofern ist
es verhältnismäßig und erforderlich, die Arzneimittelabgabe durch rechtliche
Vorgaben zu beschränken und diese durch fachlich kompetente Vorgaben zu er-
gänzen.
Selbstverständlich bleibt die Zielsetzung der gesetzlichen Regelung, vor allem
die Reduzierung des Arzneimitteleinsatzes bei Tieren, die der Gewinnung von
Lebensmitteln dienen, auf das unerlässliche Maß zurückzuführen, bestehen.
Dazu müssen aber die tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften eine zeitgemäß
differenzierte tierärztliche Behandlung ermöglichen. Hervorzuheben ist, dass
die derzeit geltenden Regelungen vor allem in landwirtschaftlichen Betrieben
mit kleineren Tierbeständen eine praxisgerechte Durchführung bestimmter Be-
handlungskonzepte erheblich erschweren. Deshalb werden zusätzliche Wege
aufgezeigt, um die kontinuierliche tiermedizinische Betreuung von Tierbestän-
den zu fördern. Dies soll insbesondere der Gesunderhaltung der Tiere dienen
und auf diesem Weg eine weitere Verminderung der Verwendung von Arznei-
mitteln bewirken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf zur Novelle der tierarzneimittelrechtlichen Vorschriften
des Arzneimittelgesetzes vorzulegen, der folgende Punkte berücksichtigt:
1. Die in § 56 bzw. § 56a AMG festgelegte Sieben-Tage-Regelung geht an den

täglichen Bedürfnissen vorbei und ist daher zu ersetzen. Eine reine Verände-
rung der zeitlichen Anforderungen ist nicht akzeptabel, da keine starre Frist,
von welcher Länge auch immer, der Vielfalt der Tiererkrankungen und deren
Verläufen gerecht werden kann. Um einer etwaigen Vorratshaltung von Tier-
arzneien in den landwirtschaftlichen Betrieben vorbeugen und eine einfache,
aber effiziente Überwachung gewährleisten zu können, stellt die Einführung
von tierärztlichen Behandlungsplänen ein geeignetes Instrument dar.
Durch eine entsprechende Ergänzung des bisherigen Voraussetzungskatalogs
für die Abgabe von Tierarzneimitteln werden drei gleichrangigen Formen der
tierärztlichen Tätigkeit als Voraussetzung für die Arzneimittelabgabe gesetz-
lich normiert. Diese drei Formen – konventionelle Behandlung, Behand-
lungsplan und tierärztliche Bestandsbetreuung – basieren dabei auf einem
differenzierten und erweiterten Behandlungsbegriff.
DieMenge der an den Tierhalter abzugebenden Arzneimittel richtet sich nach
der in den Zulassungsbedingungen des Arzneimittels festgelegten Anwen-
dungsdauer für die zum Zeitpunkt der Untersuchung als behandlungswürdig
eingestuften Tiere und nach dem Stand der tierärztlichen Wissenschaft. Dar-

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über hinausgehende Arzneimittelabgaben für eine längere Behandlungsdauer
oder zur Anwendung bei noch nicht erkrankten Tieren setzen einen
Behandlungsplan oder eine Therapie im Rahmen einer Bestandsbetreuung
voraus. Diese Regelung führt dazu, dass für die klassischen Behandlungsfälle
Arzneimittel für eine Anwendungsdauer i. d. R. von weniger als 7 Tagen
abgegeben werden dürfen und führt gleichzeitig zu einer Vermeidung der
Abgabe von Arzneimitteln für noch nicht erkrankte Tiere, wie sie unter der
bestehenden 7-Tage-Regelung häufig praktiziert wird.
Der bereits in den bisherigen § 56 Abs. 5 Nr. 3 bzw. § 56a Abs. 1 Nr. 4 be-
stimmte Behandlungsbegriff rückt ins Zentrum der im Rahmen der TÄHAV
ausformulierten tierärztlichen Tätigkeit, wobei die Behandlung durch den
Tierarzt nach wie vor die Voraussetzung für die Abgabe von Arzneimitteln
darstellt. Analog dazu ist die Behandlungsanweisung durch den Tierarzt,
auch in einer modernisierten Formwie beispielsweise dem Behandlungsplan,
weiterhin die Voraussetzung für die Anwendung verschreibungspflichtiger
Arzneimittel bei lebensmittelliefernden Tieren durch den Tierhalter.

2. Die ebenfalls in § 56a AMG enthaltene fünfstufige Umwidmungskaskade für
lebensmittelliefernde Tiere ist durch die auf EU-Ebene gültige dreistufige
Kaskadenregelung zu ersetzen.

3. Unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes ist es notwendig, eine
klare Grenzziehung zwischen lebensmittelliefernden Tieren und reinen
Gesellschafts- und Sporttieren vorzunehmen. Eine Begriffbestimmung der
lebensmittelliefernden Tiere ist erforderlich, da sich in der Praxis die Zu-
ordnung bestimmter Tiere und die damit verbundene Arzneimittelabgabe für
diese Tiere als strittig erwiesen haben.

4. Jene Betriebe, die Fütterungsarzneimittel herstellen, werden nach § 13 AMG
im Grunde wie pharmazeutische Unternehmen behandelt. Ohne von strengen
Kriterien in der Frage der Rückstände anderer nicht verordneter Wirkstoffe
abzurücken, gilt es, hier Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen zu
schaffen.

5. Durch den Mangel an geeigneten zugelassenen Präparaten kommt es zu The-
rapielücken und Notständen im Bereich der minor species/minor uses. Es ist
nicht zu erwarten, dass die Zahl der zugelassenen Tierarzneien hier zuneh-
men wird, da für die Pharmaindustrie Zulassungsverfahren ökonomisch nicht
sinnvoll sind. Um die Lücke im Bereich minor species/minor uses bei der
Arzneimittelversorgung von Tieren zu schließen, ist eine Lösung auf euro-
päischer Ebene anzustreben.

6. Über den Verbleib von eventuellen Restmengen, sei es beim Tierarzt oder
beim Tierhalter, wird ein einfaches Überwachungs- und Kontrollinstrumen-
tarium installiert.

7. Um eine bedarfsgerechte Abgabe von Tierarzneimitteln zu gewährleisten, ist
zu prüfen, ob es den Tierärzten künftig ermöglicht werden kann, Arzneien
aus fertigen Gebinden umzufüllen, fachgerecht neu zu verpacken und an den
Tierhalter abzugeben. Hierbei sollte es dem Betreiber von tierärztlichen
Hausapotheken ermöglicht werden, nach klaren Vorgaben in Anlehnung an
die Betriebsordnung für pharmazeutische Unternehmer, Arzneien umzufül-
len und abzupacken. Durch die Einbeziehung hygienischer und dokumen-
tarischer Mindeststandards muss eine gleich bleibende Qualität der zu ver-
abreichenden Arzneimittel gewährleistet werden.

8. Die Vorschriften über die Apothekenpflicht werden durch eine Notfallklausel
erweitert, die den Bezug von Arzneimitteln durch Veterinärbehörden zur
Durchführung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen ermöglicht. Mit einer ent-
sprechenden Ergänzung des § 43 AMGwird dieMöglichkeit zur Abgabe die-

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ser Arzneimittel zur Durchführung öffentlich-rechtlicher, insbesondere tier-
seuchenrechtlicher Maßnahmen geschaffen, ohne dass für diese Tätigkeit
eine tierärztliche Hausapotheke geführt werden muss. Dies ist z. B. zur Be-
kämpfung der Varroatose nach der Bienenseuchen-Verordnung notwendig
und sinnvoll.

9. Die bislang in § 73 AMG vorgeschriebene Genehmigungspflicht für Arznei-
mittel, die zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren aus anderen
Mitgliedstaaten eingeführt werden, wird unterWahrung eines gleich bleibend
hohen Verbraucherschutzniveaus in eine Anzeigepflicht umgewandelt. Die
Anzeigepflicht erstreckt sich auch auf die Fälle, bei denen der Tierarzt das
entsprechende Arzneimittel nicht selbst einführt, sondern eine Apotheke
damit beauftragt oder dem Tierhalter eine Verschreibung aushändigt. Die
Bestimmungen des § 56a gelten uneingeschränkt auch für die nach § 73 ein-
geführten Arzneimittel.

Berlin, den 6. Mai 2004
Julia Klöckner
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Albert Deß
Peter Blese
Gitta Connemann
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Dr. Peter Jahr
Volker Kauder
Marlene Mortler
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Jochen Borchert
Cajus Julius Caesar
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Gerda Hasselfeldt
Susanne Jaffke
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
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Laurenz Meyer (Hamm)
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Ralf Göbel
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