BT-Drucksache 15/3012

Ausgestaltung des Emissionshandelssystems in Deutschland

Vom 27. April 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3012
15. Wahlperiode 27. 04. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Dr. Rolf Bietmann, Cajus Julius Caesar, Dr. Maria Flachsbarth, Georg
Girisch, Kurt-Dieter Grill, Tanja Gönner, Josef Göppel, Holger Haibach, Volker
Kauder, Doris Meyer (Tapfheim), Franz Obermeier, Ulrich Petzold, Werner Wittlich,
Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Ausgestaltung des Emissionshandelssystems in Deutschland

Zum 1. Januar 2005 startet in der Europäischen Union (EU) der Handel mit
Emissionsrechten. Die erste Handelsperiode umfasst den Zeitraum von 2005
bis 2007, die zweite Handelsperiode den Zeitraum von 2008 bis 2012. Der
Emissionshandel ist auf die beiden Sektoren Energie und Industrie begrenzt,
die anderen Sektoren (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen; Verkehr; Haushalte)
sind davon ausgenommen.
Mit dem Gesetz über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emis-
sionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (NAPG), dem
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und dem Nationalen Alloka-
tionsplan (NAP) liegen endlich alle Regelwerke zur Umsetzung des Emissions-
handels in Deutschland vor. Erst jetzt ist eine vernünftige inhaltliche Auseinan-
dersetzung möglich.
Mit der Umsetzung des Emissionshandels in Deutschland steht eine der wich-
tigsten umwelt- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen in dieser Legisla-
turperiode an. Die Ausgestaltung des Emissionshandelssystems, insbesondere
die Zuteilung der Emissionsrechte, wird entscheidenden Einfluss auf die Wett-
bewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland und damit auch auf
zukünftige Investitionsentscheidungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen
haben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Rechtsqualität kommt dem NAP aus Sicht der Bundesregierung zu?

Werden damit gegenüber den für die Umsetzung zuständigen Stellen und
den Unternehmen rechtlich relevante Festlegungen getroffen?

2. Welche Emissionsminderungsziele sind jeweils in den NAP der anderen
EU-Mitgliedstaaten für die erste Handelsperiode vorgesehen (in Mio. Ton-
nen CO2 pro Jahr und in Prozent)?
Welcher Erfüllungsfaktor ergibt sich daraus jeweils für die anderen EU-Mit-
gliedstaaten?

3. Welches jährliche Wirtschaftswachstum für die erste Handelsperiode wird
dem NAP vom 31. März 2004 zu Grunde gelegt (in Prozent)?

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4. Wie groß ist nach Auffassung der Bundesregierung die Differenz des CO2-Emissionsbudgets für die erste Handelsperiode zwischen den Zielen der
Selbstverpflichtung der Industrie aus dem Jahr 2000 und der Zuteilung im
Rahmen des NAP vom 31. März 2004?
Was sind die Gründe für diese Differenz?

5. Welchen Beitrag leistet das im NAP vom 31. März 2004 vorgesehene Min-
derungsziel für die zweite Handelsperiode, das im Koalitionsvertrag vom
16. Oktober 2002 angestrebte Ziel einer 40-prozentigen Reduzierung der
Treibhausgase gegenüber 1990 bis 2020 zu erreichen?

6. Werden nach Auffassung der Bundesregierung durch die Regelungen des
NAP vom 31. März 2004 große Emittenten aus der Stromwirtschaft und
der Stahlindustrie gegenüber kleineren Emittenten bevorzugt?
Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

7. Auf Grundlage welcher Daten und Fakten wurde die im NAP vom
31. März 2004 vorgesehene Reserve für Neuanlagen von insgesamt 3 Mio.
Tonnen CO2 pro Jahr gebildet?

8. Welche Auswirkungen hat es nach Auffassung der Bundesregierung auf
die Investitionstätigkeit in Deutschland, dass Betreiber für Neuanlagen,
sollte die in § 6 Abs. 1 des NAPG vorgesehene Reserve erschöpft sein, ent-
sprechende Berechtigungen am Markt kaufen müssen?
Welche Regelungen sind hierfür jeweils in den anderen EU-Mitglied-
staaten vorgesehen?

9. Was geschieht mit der in § 6 Abs. 1 des NAPG vorgesehenen Reserve an
Emissionsrechten, wenn diese nicht vollkommen ausgeschöpft wird?

10. Wie viele Berechtigungen in Mio. Tonnen CO2 pro Jahr werden nachSchätzungen der Bundesregierung durch Stilllegungen etc. der Reserve
zufließen?

11. Was sind die Gründe dafür, dass dem NAP vom 31. März 2004 noch keine
aktualisierte Liste der am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen beige-
fügt ist?
Bis wann wird diese nachgereicht?

12. Was sind die Gründe dafür, dass im NAP vom 31. März 2004 der Erfül-
lungsfaktor für die erste Handelsperiode mit 0,9765 und in § 5 NAPG mit
0,9755 angegeben wird?
Wie kommt es zu diesen Unterschieden?
Welcher Erfüllungsfaktor gilt letztendlich?

13. Für wie viele der rund 2 400 am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen
wird der Erfüllungsfaktor von 0,9765 bzw. 0,9755 gelten?

14. Wie kommt es zu dem Unterschied, dass im NAP-Entwurf des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) vom
29. Januar 2004 für die Bereiche außerhalb des Emissionshandelssektors
für die erste Handelsperiode noch 363 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr und fürdie zweite Handelsperiode 366 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr veranschlagtwurden, während im NAP vom 31. März 2004 für die erste Handelsperiode
356 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr und für die zweite Handelsperiode351 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr vorgesehen sind?
Welche Erkenntnisse liegen dem zu Grunde?

15. Welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um
diese zusätzlichen Emissionsminderungen in den Sektoren zu erreichen,
die nicht am Emissionshandel teilnehmen?

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Wie viele Tonnen CO2 pro Jahr entfallen dabei auf die einzelnen Sektorenund die jeweiligen Maßnahmen?
16. Steht die Bundesregierung noch zu der im NAP-Entwurf des BMU vom

29. Januar 2004 getroffenen Aussage: „Die Stilllegung des KKW Stade
soll ausweislich der Stilllegungsankündigung am 9. Oktober 2000 sowie
wiederholter Unternehmenserklärungen unabhängig von der o. g. Verein-
barung aus rein betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsüberlegungen erfolgt
sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erklärungen zutreffen. Eine
die Stromwirtschaft begünstigende Berücksichtigung der CO2-Effekte istnach diesen Erklärungen jedenfalls nicht mehr darstellbar“?
Wenn ja, wie lässt sich diese Aussage mit der im NAP vom 31. März 2004
vorgesehenen Kompensationsmenge für die Stilllegung der KKW Stade
und Obrigheim von insgesamt 1,5 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr vereinbaren?
Wenn nein, warum nicht?

17. Auf Grundlage welcher Daten und Fakten wurde die im NAP vom
31. März 2004 vorgesehene Kompensationsmenge für die Stilllegung der
KKW Stade und Obrigheim von insgesamt 1,5 Mio. Tonnen CO2 pro Jahrgebildet?
Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass diese Menge ausreicht?
Wenn ja, warum?

18. Was sind die Gründe für die unterschiedlichen Regelungen bei Early
Action zwischen dem NAP vom 31. März 2004 und dem NAPG?
Wie kommt es zu den unterschiedlichen Stichtagen 1. Januar 1996 bzw.
1. Januar 1994?
Welche Regelung gilt letztendlich?

19. Was sind die Gründe dafür, dass Early Action Maßnahmen, die vor dem
1. Januar 1996 erfolgt sind, im NAP vom 31. März 2004 keine Berücksich-
tigung finden?

20. Was sind die Gründe dafür, dass die Bundesregierung die Benchmarks für
Prozessdampf, Zementklinker, Behälterglas, Flachglas, Mauerziegel und
Dachziegel sowie für Warmwasser im Rahmen einer Rechtsverordnung
festlegen will?
Welche Überlegungen fließen in die Festlegung dieser Benchmarks?
Bis wann wird die Bundesregierung diese Rechtsverordnung vorlegen?

21. Wie viele Kondensationskraftwerke auf Steinkohle- oder Braunkohlebasis
werden von den Bestimmungen des § 7 Abs. 7 des NAPG betroffen sein?
Um welche Kondensationskraftwerke an welchen Standorten wird es sich
dabei ganz konkret handeln?

22. Inwieweit ist es mit der energiepolitischen Zielsetzung der Bundesregie-
rung, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) am Energiemix aus-
zubauen, vereinbar, dass bei einem Anstieg der Fernwärmenetzeinspeisung
durch KWK gegenüber der Basisperiode Berechtigungen zugekauft wer-
den müssen, sollte die Sonderzuteilung für KWK nicht ausreichen?

23. Inwieweit wurde die Tatsache berücksichtigt, dass die Wärmeerzeugung
bei der KWK Emissionsreduktionen im Sektor Haushalt mit sich bringt?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung die projektbezogenen Mechanismen
Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI)?

25. Beabsichtigt die Bundesregierung für die Anrechnung der projektbezoge-
nen Mechanismen CDM und JI eine Obergrenze festzulegen?

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Wenn ja, in welcher Höhe (in Prozent)?
26. Beabsichtigt die Bundesregierung über die in der Verbindungsrichtlinie der

EU vorgesehenen Einschränkungen des CDM für die erste Handelsperiode
(Ausschluss forstlicher Senken, Kriterien für die große Wasserkraft) hinaus
spezielle Regeln für die Anerkennung von CDM-Projekten festzulegen?

27. Beabsichtigt die Bundesregierung den Ankauf von Emissionsgutschriften
aus CDM- und JI-Projekten aus staatlichen Mitteln, wenn sich am Ende der
Kyoto-Verpflichtungsperiode ein Emissionsüberhang abzeichnet?

28. Welchen CDM-Projekttypen wird die Bundesregierung in ihrer Genehmi-
gungspraxis unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten den Vorrang
geben?

29. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung den Import von Emis-
sionsrechten aus Überallokationen einschränken, um die Werthaltigkeit
klima- und entwicklungspolitisch nachhaltiger Projektzertifikate des CDM
sicherzustellen?

30. Plant die Bundesregierung für jede Handelsperiode ein neues NAPG (vgl.
§ 1 NAPG)?
Wenn ja, wie wird für die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen
hinsichtlich der Zuteilungskriterien Planungssicherheit geschaffen, wenn
für jede Handelsperiode ein neues Gesetz mit neuen Zuteilungskriterien
geschaffen werden soll?

31. Was wird die Grundlage für die Zuteilung von Emissionsrechten in der
zweiten und den folgenden Handelsperioden sein, soweit bis dahin für die
einzelnen Branchen noch keine Benchmarks festgelegt werden konnten?

32. Plant die Bundesregierung, bevor von der Übertragung von Aufgaben und
Befugnissen des Umweltbundesamts auf eine juristische Person nach den
Bestimmungen des TEHG Gebrauch gemacht wird, ein Bieterverfahren
entsprechend der §§ 97 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) durchzuführen?
Wenn nein, warum nicht?

33. Ist es mit dem Vergaberecht vereinbar, wenn keine Ausschreibung erfolgt?
Wenn ja, warum?

34. Ist ein zusätzlicher Vertrag mit der ins Auge gefassten Beliehenen neben
der Beleihungs-Verordnung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 TEHG geplant?

35. Was versteht die Bundesregierung unter den „geeigneten Maßnahmen“ im
Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 TEHG?

36. Wie viele Planstellen sind im Umweltbundesamt für die Vorortüberwa-
chung bei den Anlagenbetreibern nach § 21 Abs. 2 TEHG und § 9 Abs. 2
Satz 2 NAPG vorgesehen?

37. Nach welchen Kriterien plant die Bundesregierung den Begriff der „zu er-
wartenden durchschnittlichen jährlichen Kohlendioxid-Emissionen der An-
lage“ im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 4 NAPG zu bestimmen?

Berlin, den 27. April 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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