BT-Drucksache 15/3011

Bekämpfung der Zensur im Internet

Vom 27. April 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/3011
15. Wahlperiode 27. 04. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Holger Haibach, Melanie Oßwald, Dr. Martina Krogmann,
Hermann Gröhe, Rainer Eppelmann, Dr. Egon Jüttner, Irmgard Karwatzki, Daniela
Raab, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Hubert Hüppe, Julia
Klöckner, Werner Lensing, Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Wolfgang Schäuble,
Arnold Vaatz und der Fraktion der CDU/CSU

Bekämpfung der Zensur im Internet

Die Nutzung von Internet und E-Mails als moderne und schnelle Informations-
und Kommunikationsmittel hat in den letzten Jahren weltweit stark zugenom-
men.
Die Potentiale dieser Medien entfalten sich in der Informations- und Wissens-
gesellschaft auf Grund der globalen Struktur der neuen Kommunikationstech-
nologien nicht mehr allein national, sondern weltweit. Der von staatlichen
Maßnahmen unbehinderte Zugang der Bürger zur globalen Informations- und
Kommunikationsgesellschaft ist dabei ein entscheidender Indikator für die
Achtung und Wahrung der Menschenrechte in den einzelnen Ländern.
Das Internet wird weltweit auch als Medium für den Meinungsaustausch und
zur Darstellung politischer und menschenrechtlicher Standpunkte genutzt. Auf
Grund seiner globalen Struktur bietet es den Nutzern Zugang zu weltweiten,
vielfältigen, nicht mehr zensierbaren Informationen. Grundsätzlich können
Informationen durch E-Mails oder Websites ungefiltert in jedes Land gelangen
bzw. es auch wieder verlassen. Informationen, die Unrechtsregime in der Zeit
vor der Existenz des weltweiten Netzes auf eine bestimmte Region oder auch
nur auf einen bestimmten Personenkreis begrenzen konnten, finden sich heute
auf Websites, die im Ausland betreut (gehostet) werden und damit dem Zugriff
dieser Regierungen entzogen sind. Dadurch sind wesentlich mehr Informa-
tionen aus den betreffenden Ländern bzw. über die jeweils dort herrschende
politische Lage weltweit zugänglich. Für die Arbeit von nationalen wie inter-
nationalen Menschenrechtsorganisationen, Menschenrechtsverteidigern, Men-
schenrechtspolitikern und Journalisten sind diese Informationen von heraus-
ragender Bedeutung.
Durch die Existenz des Internets fühlen sich Vertreter undemokratischer Staa-
ten in dem nach ihrer Auffassung nur ihnen zustehenden Informationsmonopol
bedroht. Viele Regime haben daher in den vergangenen Jahren damit begonnen,
den Zugang zum Internet für die Bevölkerung zu reglementieren, um Kontakte
ins Ausland zu unterbinden und die Kommunikation innerhalb des Landes
unmöglich zu machen, sobald sie in den Verdacht von Oppositionsarbeit gerät.
Die Meinungsfreiheit wird auch dadurch eingeschränkt, dass der Zugriff auf
Server behindert sowie einzelne Websites in- oder ausländischer Anbieter für
die heimische Bevölkerung gesperrt werden. Insbesondere Oppositionspolitiker

Drucksache 15/3011 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und Menschenrechtsverteidiger sind von solchen staatlichen Maßnahmen
betroffen. Je nach politischer Ausrichtung der Regime unterliegen auch andere
Inhalte staatlichen Restriktionen.
Diese Staaten behindern nicht nur durch technische Maßnahmen den freien
Austausch von Meinungen und Informationen. Wiederholt berichteten Men-
schenrechtsorganisationen wie amnesty international oder Human Rights
Watch über die Verfolgung und Verhaftung von Dissidenten und Regimekriti-
kern sowie Verurteilungen zu langen Haftstrafen. Auch Journalisten sind von
Pressezensur und polizeilicher Verfolgung bedroht, wie die Organisation Re-
porter ohne Grenzen in ihrem zweiten Internet-Bericht „The Internet under sur-
veillance“ 2003 ausführt. Weltweit sind diesem Bericht zufolge fast 50 Jou rna-
listen in Haft, weil sie im Internet ihre Meinung äußerten. Es muss jedoch von
einer deutlich höheren Zahl verhafteter und inhaftierter Oppositioneller und
Cyberdissidenten ausgegangen werden. Nach Angaben von Reporter ohne
Grenzen ist die Zahl bis April 2004 auf 72 Cyberdissidenten angestiegen.
Doch das Internet darf auch kein rechtsfreier Raum sein. Websites mit extre-
mistischem oder strafrechtlichem Inhalt (z. B. Kinderpornographie, Aufruf
zum Rassenhass) sollten grundsätzlich gesperrt werden können. Websites, die
zu Gewalt und Menschenrechtsverletzungen aufrufen, sind nicht zu dulden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welchen Ländern wird – im Widerspruch zu den von ihnen eingegange-

nen Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen – nach
Kenntnis der Bundesregierung die Nutzung des Internets überwacht und der
Zugang zu dem Informations- und Kommunikationsmedium kontrolliert und
eingeschränkt?

2. Wie erfolgen nach Wissen der Bundesregierung die Kontrolle und die Be-
schränkung des Internet-Verkehrs in diesen Ländern?

3. In welchen Ländern werden Menschenrechtsorganisationen und Menschen-
rechtsverteidiger sowie Journalisten für Publikationen im Internet verfolgt,
und welcher strafrechtlichen Verfolgung sind sie ausgesetzt?
Wie viele Personen sind deswegen nach Kenntnis der Bundesregierung von
Haft bedroht bzw. bereits verurteilt?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, im bi- und multilateralen
Dialog mit anderen Staaten gegen Internet-Zensur vorzugehen bzw. Locke-
rungen zu erreichen?

5. Hat sich die Bundesregierung in den vergangenen Jahren auf europäischer
und internationaler Ebene für eine freie Nutzung des Internets als Basis poli-
tischer Arbeit eingesetzt, und wenn ja, in welcher Form und mit welchen Er-
gebnissen? Wenn nein, warum nicht?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zukunft des Internets als Informa-
tions- und Kommunikationsmittel für die Arbeit von Menschenrechtsorgani-
sationen und Menschenrechtsverteidigern unter dem Eindruck der wachsen-
den Kontrolle und Zensur der Online-Publikationen und des E-Mail-
Austausches?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den von der US-Regierung initiierten
„Global Internet Freedom Act“, und unterstützt sie die ihm zugrunde liegen-
de Idee, von anderen Ländern gesperrte Seiten von Menschenrechtsverteidi-
gern und -organisationen zugänglich zu machen?

8. Wird die Bundesregierung sich für die Umsetzung des „Global Internet
Freedom Act“ einsetzen, und wenn ja, welche Möglichkeiten der Umset-
zung sieht sie?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3011

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des iranischen Präsiden-
ten Mohammad Khatami, dass die Filterung bestimmter politischer Inter-
net-Seiten keinen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstelle (heise online
vom 12. Dezember 2003)?
Spricht sie diesen Sachverhalt in den bi- und multilateralen Kontakten zur
iranischen Regierung an, und wenn nein, warum nicht?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis der chinesischen Behörden,
Cyberdissidenten zu Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren zu verurteilen?

11. In welcher Weise bemüht sich die Bundesregierung um die Freilassung der
chinesischen Cyberdissidenten, die aufgrund von „Internet-Vergehen“
(Vorwurf der „Subversion“) inhaftiert wurden?
Welche Möglichkeiten sieht sie, sich für einen freien und ungehinderten
Zugang der Bevölkerung Chinas zum Internet einzusetzen?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Zusage der tunesischen Regierung,
beim nächsten Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) im Novem-
ber 2005 auch kritisch eingestellte Nichtregierungsorganisationen zuzulas-
sen vor dem Hintergrund, dass auch in diesem Land der Internet-Verkehr
überwacht und eingeschränkt wird?

13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Websites mit internatio-
nal strafrechtlichem Inhalt aufzudecken und diese zu sperren, ohne dass es
zu einer Zensur anderer Inhalte kommt?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chance, globale Lösungen im
Kampf gegen die Kinderpornographie und deren Verbreitung durch das In-
ternet zu realisieren?
Welche Maßnahmen hat sie bisher dazu ergriffen?

Berlin, den 19. April 2004
Holger Haibach
Melanie Oßwald
Dr. Martina Krogmann
Hermann Gröhe
Rainer Eppelmann
Dr. Egon Jüttner
Irmgard Karwatzki
Daniela Raab
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Hubert Hüppe
Julia Klöckner
Werner Lensing
Albert Rupprecht (Weiden)
Dr. Wolfgang Schäuble
Arnold Vaatz
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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