BT-Drucksache 15/2956

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -15/776- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Vom 26. April 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2956
15. Wahlperiode 26. 04. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 15/776 –

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

A. Problem
Gemäß § 61 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bun-
desnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) kann
ein anerkannter Verein, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe
nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen dort genannte Verwal-
tungsakte einlegen, u. a. gegen Befreiungen von Verboten und Geboten zum
Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparken und sonstigen Schutzgebieten
sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorgaben, die mit Eingriffen in
Natur und Landschaft verbunden sind. Damit entfällt nach Auffassung des Bun-
desrates die Möglichkeit, im Interesse einer Beschleunigung der Genehmi-
gungsverfahren Einschränkungen des Vereinsklagerechts nach dem Bundes-
naturschutzgesetz durch landesrechtliche Regelungen vorzunehmen. Besonders
nachteilig wirke sich dies auf die zügige Durchführung von Infrastrukturmaß-
nahmen auf der Grundlage des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes
aus. Daher beabsichtigt der Bundesrat, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den
Bundesländern die Möglichkeit zu eröffnen, für den räumlichen und sachlichen
Anwendungsbereich und die zeitliche Geltungsdauer des Verkehrswegepla-
nungsbeschleunigungsgesetzes vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zu-
letzt geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2659), von
§ 61 Abs. 1 bis 4 BNatSchG abweichende Regelungen zu treffen.

B. Lösung
Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU bei Stimmenthaltung von zwei Mitgliedern der Fraktion
der CDU/CSU

Drucksache 15/2956 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. Alternativen
Beibehaltung der nach dem Bundesnaturschutzgesetz geltenden gesetzlichen
Regelung.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2956

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 15/776 – abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2004

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

Drucksache 15/2956 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Cajus Caesar,
Undine Kurth (Quedlinburg) und Angelika Brunkhorst

I.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates – Drucksache 15/776 –
wurde in der 56. Sitzung des Deutschen Bundestages am
3. Juli 2003 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur
Mitberatung an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, den
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und den
Ausschuss für Tourismus überwiesen.
Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Tourismus
haben dem federführenden Ausschuss mit den Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzentwurf
abzulehnen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft und derAusschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen haben dem federführenden Ausschuss mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

II.
Gemäß § 61 Abs. 1 des Gesetzes über Naturschutz und
Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG)
vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) kann ein anerkannter
Verein, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechts-
behelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung
gegen dort genannte Verwaltungsakte einlegen, u. a. gegen
Befreiungen von Verboten und Geboten zum Schutz von
Naturschutzgebieten, Nationalparken und sonstigen Schutz-
gebieten sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vor-
gaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbun-
den sind. Damit entfällt nach Auffassung des Bundesrates
die Möglichkeit, im Interesse einer Beschleunigung der Ge-
nehmigungsverfahren Einschränkungen des Vereinsklage-
rechts nach dem Bundesnaturschutzgesetz durch landes-
rechtliche Regelungen vorzunehmen. Besonders nachteilig
wirke sich dies auf die zügige Durchführung von Infrastruk-
turmaßnahmen auf der Grundlage des Verkehrswegepla-
nungsbeschleunigungsgesetzes aus. Daher beabsichtigt der
Bundesrat, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Bun-
desländern die Möglichkeit zu eröffnen, für den räumlichen
und sachlichen Anwendungsbereich und die zeitliche Gel-
tungsdauer des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsge-
setzes vom 16. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2174), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I
S. 2659), von § 61 Abs. 1 bis 4 BNatSchG abweichende
Regelungen zu treffen.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/776 in
seiner Sitzung am 11. Februar 2004 beraten.

Von Seiten der Fraktion der SPD wurde unterstrichen, der
Gesetzentwurf konterkariere die nach langwierigen und
schwierigen Verhandlungen gefundene Kompromisslösung
zum Verbandsklagerecht im Rahmen des Bundesnatur-
schutzgesetzes. Er ziele auf eine Einschränkung von Beteili-
gungsrechten der Bürgerinnen und Bürger mit der Begrün-
dung ab, hierdurch die Realisierung von Verkehrsprojekten
im Geltungsbereich des Verkehrswegeplanungsbeschleuni-
gungsgesetzes beschleunigen zu können. Wissenschaftliche
Untersuchungen hätten jedoch gezeigt, dass es infolge des
Verbandsklagerechts keine signifikanten Verfahrensverzö-
gerungen gegeben habe. Gegen den Gesetzentwurf sprächen
darüber hinaus bereits jetzt absehbare bzw. zu berücksichti-
gende EU-rechtliche Verpflichtungen im Zusammenhang
mit der Umsetzung des Århus-Übereinkommens über den
Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an
Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in
Umweltangelegenheiten. Ferner widerspreche der Gesetz-
entwurf der Intention des Bundesnaturschutzgesetzes, die
Position der Verbände im Rahmen des Naturschutzes zu
stärken, einer Intention, die bei der Verabschiedung dieses
Gesetzes im Deutschen Bundestag auf breite Zustimmung
gestoßen sei. Im Grundsatz ziele die derzeitige Regelung
darauf ab, durch die Einbringung des Sachverstands der
Naturschutzverbände in das Planungsverfahren zu einem
zügigen Verfahrensablauf und einer sachgerechten Lösung
beizutragen. In diesem Zusammenhang gelte es zu berück-
sichtigen, dass das Verbandsklagerecht nach dem Bundes-
naturschutzgesetz eine vorangehende Verfahrensbeteiligung
voraussetze. Insgesamt weise der Gesetzentwurf in eine völ-
lig falsche Richtung, er werde daher abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde darauf hin-
gewiesen, dass der Gesetzentwurf darauf abziele, Infra-
strukturinvestitionen im räumlichen, sachlichen und zeitli-
chen Geltungsbereich des Verkehrswegeplanungsbeschleu-
nigungsgesetzes zu forcieren und damit in den neuen Bun-
desländern Strukturschwächen zu beseitigen. Man beziehe
sich auf einen Teilaspekt der Überlegungen, die die eigene
Fraktion zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ent-
wickelt habe. Bekannt sei, dass die Umsetzung des Århus-
Übereinkommens neue, EU-weit verbindliche Standards
zum Verbandsklagerecht mit sich bringen werde. Den Ge-
setzentwurf werde man unterstützen.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde der Gesetzentwurf nachdrücklich kritisiert. Bereits
im Vorblatt des Gesetzentwurfs werde unzutreffenderweise
argumentiert, das Vereinsklagerecht führe zu Verfahrens-
verzögerungen infolge eines erhöhten Zeitbedarfs für ge-
richtliche Auseinandersetzungen. Eine allgemeine Verfah-
rensverzögerung lasse sich demgegenüber in der Realität
nicht nachweisen. Auch das Argument, es bestehe die Ge-
fahr, dass die Verwaltung allein durch eine Klageandrohung
oder Klageerhebung zu fachlich nicht notwendigen und
nicht gewollten Kompromisslösungen verleitet werde, sei
als Rechtfertigung für eine Einschränkung des Vereinskla-
gerechts nicht akzeptabel. Festzuhalten bleibe darüber hi-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2956

naus, dass der Gesetzentwurf im Grundsatz von vier fal-
schen Positionen ausgehe:
Er beinhalte erstens ein nicht akzeptables Verständnis von
Bürgerbeteiligung; diese werde tendenziell als ein Hinder-
nis, nicht aber als ein Instrument zur Einbringung vorhan-
denen Sachverstands aufgefasst. Zweitens liege dem Ge-
setzentwurf ein falsches Verständnis von Rechtssicherheit
zugrunde; Rechtssicherheit werde nicht durch die Beseiti-
gung eines bestehenden Klagerechts, sondern durch rechts-
konformes Verhalten hergestellt. Falsch aufgefasst werde
ferner die Rolle der Verbände. Ihre Klagefähigkeit sei durch
das Bundesnaturschutzgesetz an die Erfüllung bestimmter
Voraussetzungen geknüpft, insbesondere auch, was die vor-
angehende Verfahrensbeteiligung anbelange. Durch eine
rechtzeitige Einbeziehung einschlägiger Verbände könne
man bereits im Rahmen des Planungsverfahrens zu tragfähi-
gen Problemlösungen gelangen. Die Auffassung, dass ein
Verzicht auf deren einschlägigen Sachverstand zu besseren
Lösungen führen könne, sei daher nicht nachvollziehbar.
Schließlich gelte es, EU-rechtliche Vorgaben zu einem um-
fassenden Verbandsklagerecht im Zusammenhang mit der
anstehenden Umsetzung der aus dem Århus-Übereinkom-
men resultierenden Verpflichtungen zu beachten. Vor die-
sem Hintergrund lehne man den Gesetzentwurf ab.

Von Seiten der Fraktion der FDP wurde betont, eine Ver-
eins- bzw. Verbandsklage nach dem Bundesnaturschutzge-
setz setze eine vorangehende Verfahrensbeteiligung voraus.
Das Verbandsklagerecht biete die Chance, die jeweils ein-
schlägigen Verbände von vornherein in das Planungsverfah-
ren einzubeziehen und sich frühzeitig mit ihnen abzustim-
men. Dies könne dazu beitragen, Gerichtsverfahren zu ver-
meiden und das Verwaltungsverfahren insgesamt zu be-
schleunigen. Nach den vorliegenden Erfahrungen seien die
Verbände in der Vergangenheit in der Regel sehr verantwor-
tungsvoll mit dem Verbandsklagerecht umgegangen. Wie
ein unabhängiges Umweltforschungsinstitut ermittelt habe,
hätten nach der Novellierung des Bundesnaturschutzgeset-
zes lediglich 30 von insgesamt 30 000 Verwaltungsgerichts-
verfahren Naturschutzbelange zum Inhalt gehabt. Dies ma-
che deutlich, dass die nach der Verankerung des Verbands-
klagerechts im Bundesnaturschutzgesetz von mancher Seite
befürchtete Klageflut ausgeblieben sei. Der Gesetzentwurf
werde abgelehnt.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung
von zwei Mitgliedern der Fraktion der CDU/CSU, dem
Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Gesetzentwurf
– Drucksache 15/776 – abzulehnen.

Berlin, den 26. April 2004
Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

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