BT-Drucksache 15/2856

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -15/2553, 15/2770, 15/2843- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Vom 31. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2856
15. Wahlperiode 31. 03. 2004

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gerda Hasselfeldt, Albert
Deß, Peter Bleser, Gitta Connemann, Helmut Heiderich, Ursula Heinen, Uda
Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Volker Kauder, Julia Klöckner, Marlene Mortler,
Bernhard Schulte-Drüggelte, Kurt Segner, Jochen Borchert, Cajus Caesar, Hubert
Deittert, Thomas Dörflinger, Ralf Göbel, Ernst Hinsken, Susanne Jaffke, Dr. Georg
Nüßlein, Franz Obermeier, Dr. Klaus Rose, Albert Rupprecht (Weiden), Anita
Schäfer (Saalstadt), Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Thomas Silberhorn,
Max Straubinger, Volkmar Uwe Vogel und der Fraktion der CDU/CSU

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 15/2553, 15/2770, 15/2843 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen
Agrarpolitik

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung der
Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zeigt deutlich die Schwachstellen der
im Juni 2003 beschlossenen EU-Agrarreform. Aufgrund der Verhandlungsfüh-
rung der Bundesregierung, die die Interessen der deutschen Land- und Ernäh-
rungswirtschaft nicht angemessen berücksichtigt hat, besteht die Gefahr von
erheblichen Strukturbrüchen, Verlusten von Marktanteilen und Arbeitsplätzen
in der Landwirtschaft sowie im vor- und nachgelagertem Bereich. Dies gilt ins-
besondere für die Milch- und Rindfleischproduktion. Das neue Prämiensystem
begünstigt eher die Aufgabe der Agrarproduktion als die aktiv wirtschaftenden
Betriebe.
Statt die in den Luxemburger Beschlüssen enthaltenen Möglichkeiten zuguns-
ten der heimischen Land- und Ernährungswirtschaft zu nutzen, werden im vor-
liegenden Gesetzentwurf die jeweils schlechtesten Optionen gewählt. Insbeson-
dere die leistungsstarken viehhaltenden Betriebe, die hohe Investitionen in der
Vergangenheit getätigt haben und dementsprechend mit einem hohen Kapital-
dienst belastet sind bzw. sich weiterentwickeln wollen, werden einseitig be-
nachteiligt. Der deutsche Sonderweg einer überproportionalen Umverteilung
der Prämienmittel zwischen den Ländern und Betrieben führt zu Wettbewerbs-
nachteilen gegenüber den Landwirten in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Dar-
über hinaus ist zu befürchten, dass die Aufgabe der Landwirtschaft in benach-
teiligten Regionen beschleunigt wird.

Drucksache 15/2856 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Verteilung der Ackerbauprämien ab 2005 sowie der Milch- und Tier-
prämien ab 2007 auf die Fläche ist so nicht zu akzeptieren. Die Betriebe brau-
chen längere Übergangzeiten, ansonsten wird sich das Gesicht der deutschen
Landwirtschaft, des ländlichen Raumes und der Landschaft drastisch ändern.
Im Milchsektor, der durch die schlechte Verhandlungsführung der Bundes-
regierung im besonderen Maße erhebliche Belastungen bis zur Existenzgefähr-
dung erleiden wird, müssen die ohnehin zu geringen Ausgleichsprämien bis
2013 aus der Umverteilung herausgenommen werden.
Ebenso gilt es Brüche für die Ackerbaubetriebe zu vermeiden. Die Einbezie-
hung der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in die künftige Prämienge-
währung bei gleich bleibenden Prämienplafonds führt zu erheblichen Einkom-
mensverlusten bei den Ackerbauern. Auch extensiv wirtschaftende Betriebe,
wie z. B. Mutterkuhhalter, verlieren einen erheblichen Teil des ihnen bisher zu-
stehenden Prämienvolumens.
Die vorgesehene 1,5-prozentige Kürzung des Prämienvolumens zur Bildung
einer nationalen Reserve geht zu Lasten der wirtschaftenden Betriebe.
Die Problematik des Flächenerwerbs für gemeinnützige Siedlungsgesellschaf-
ten, deren Aktivitäten zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Grundstück-
verkehrs beitragen, ist im Gesetzentwurf in keiner Weise berücksichtigt.
Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen mit sachfremden Erwägungen
eine Verknüpfung der künftigen Direktzahlungen mit unangemessenen Bewirt-
schaftungsauflagen (Cross Compliance) mit initiiert. Dieses überbordende
bürokratische System führt zu einer Doppelbestrafung der Landwirte im Fall
der Zuwiderhandlung. Das vorhandene Fachrecht sieht bereits ausreichende
Ahndungsmöglichkeiten vor.
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen zu Cross Compliance enthal-
ten die Tendenz zu einer Verschärfung der nationalen Bestimmungen. Ein Bei-
spiel dafür ist das Umbruchverbot für Dauergrünland. Der Gesetzentwurf ent-
hält keine Aussagen zu den Grundanforderungen an die Bewirtschaftung,
sondern verweist auf eine noch zu erlassende nationale Rechtsverordnung.
Außerdem fehlen die entsprechenden Durchführungsverordnungen der EU. Ein
weiterer Wettbewerbsnachteil besteht darin, dass einige der EU-Bewirtschaf-
tungsvorschriften in Deutschland bereits verschärft umgesetzt sind. Dies birgt
auch die Gefahr in sich, dass bei solchen Verschärfungen die Voraussetzungen
für die Fortführung von Agrarumweltprogrammen und der Gewährung von
Ausgleichszulagen für benachteiligte Gebiete seitens der Länder entfallen. Die
Einvernehmensregelung zu Gunsten des Bundesministeriums für Umwelt
erschwert den Erlass der Durchführungsbestimmung und führt verstärkt zu
sachfremden Regelungen.
Die EU-Agrarreform von 2003 und die nationale Umsetzung mit dem vor-
liegenden Gesetzentwurf fordern Land- und Ernährungswirtschaft sowie der
Verwaltung seit Beginn der Gemeinsamen Agrarpolitik die größte Anstrengung
zur Anpassung ab. Außerdem fehlen derzeit noch entscheidende EU-Rechts-
akte und nationale Durchführungsbestimmungen. Der Deutsche Bundestag hat
damit noch keine ausreichende Grundlage für so eine weitreichende agrarpoliti-
sche Weichenstellung.
Vor diesem Hintergrund ist der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz-
entwurf zur Umsetzung der Reformbeschlüsse zur Gemeinsamen Agrarpolitik
abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2856

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
den Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten wie folgt zu ändern:
– Das vorgesehene Modell zur Prämiengewährung wie folgt zu gestalten:

l DieMilchprämie zu 100 Prozent betriebsindividuell bis 2013 zuzuweisen.
l Die übrigen Direktzahlungen ab 2005 zu 35 Prozent in einen einheit-

lichen Sockelbetrag für alle Acker- und Grünlandflächen zu überführen.
l 65 Prozent der Direktzahlungen – außer Milchprämie – ab 2005 betriebs-

individuell zu gewähren.
l Die betriebsindividuell zugewiesenen Direktzahlungen zur Vermeidung

von Strukturbrüchen möglichst spät bis 2013 in eine regionale Einheits-
prämie zu überführen.

– Die 1,5-prozentige Kürzung des Prämienvolumens zur Bildung einer
nationalen Reserve auf 1 Prozent zu ermäßigen.

– Die Einvernehmensregelung zu Gunsten des Bundesministeriums für Um-
welt zum Erlass von Durchführungsvorschriften im Gesetzentwurf zu strei-
chen.

– Die „Cross-Compliance-Vorschriften“ in nationales Recht eins zu eins um-
zusetzen.

– Das Umbruchverbot für Grünland in ein Erhaltungsgebot umzuwandeln und
flexibel zu gestalten.

– Die laufenden Agrarumweltprogramme sowie die Ausgleichszulage der
Länder weiter zu ermöglichen.

– Für die Siedlungsgesellschaften das Problem des Erwerbs von Prämienrech-
ten angemessen zu lösen.

– Die Kontrolle und Sanktionierung darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen
gegenüber anderen EU-Ländern führen.

– Die Bundesregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die
Modulationsmittel den wirtschaftenden Betrieben zugute kommen.

– Auf EU-Ebene muss die Bundesregierung sich dafür einsetzen, folgende
Systemwidersprüche zu beseitigen:
l Die Beibehaltung der Stilllegungsverpflichtung imEU-Recht widerspricht

dem System der Beihilfenentkopplung und muss deshalb gestrichen wer-
den.

l Die Flächenbeihilfe für Eiweiß- und Energiepflanzen muss in das künftige
Prämiensystem mit einbezogen werden.

Berlin, den 31. März 2004
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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