BT-Drucksache 15/2822

Grüne Gentechnik in Deutschland nutzen - Verlässliche Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Einsatz in der Landwirtschaft schaffen

Vom 30. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2822
15. Wahlperiode 30. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Helmut Heiderich, Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen
(Nordstrand), Albert Deß, Dr. Maria Böhmer, Katherina Reiche, Peter Bleser,
Gitta Connemann, Ursula Heinen, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Volker
Kauder, Julia Klöckner, MarleneMortler, Bernhard Schulte-Drüggelte, Kurt Segner,
Jochen Borchert, Cajus Caesar, Hubert Deittert, Thomas Dörflinger, Dr. Maria
Flachsbarth, Susanne Jaffke, Werner Lensing, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr,
Dr. Klaus Rose, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Max Straubinger,
Volkmar Uwe Vogel, Ernst Hinsken, Franz Obermeier, Anita Schäfer (Saalstadt),
Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther und der Fraktion der CDU/CSU

Grüne Gentechnik in Deutschland nutzen – Verlässliche Rahmenbedingungen
für einen verantwortungsvollen Einsatz in der Landwirtschaft schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Europäische Union hat durch Aufhebung des De-facto-Moratoriums zum
April 2004 für die Grüne Gentechnik und durch Verabschiedung der Frei-
setzungsrichtlinie und anderer Rechtsverordnungen neue Rahmenbedingungen
für den Einsatz der Grünen Gentechnik in Europa geschaffen.
Die Grüne Gentechnologie ist eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhun-
derts. Ihre Potentiale in den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung, natürliche
Rohstoffversorgung und Umweltentlastung sind vielfältig.
Damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, müssen auch in Deutschland die
Voraussetzungen für den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft geschaf-
fen werden. Nur wenn wir ausreichend Freiräume für Wissenschaft und Praxis,
für Forschung und Anbauprogramme gewährleisten, kann Deutschland eigene
Erfahrungen im Umgang mit der Grünen Gentechnik sammeln. Auf einen eige-
nen Erfahrungsschatz haben nicht nur Landwirte und Verbraucher einen An-
spruch, sondern er ist auch Voraussetzung dafür, dass Deutschland auch künftig
die Richtung neuer Technologien wie der Grünen Gentechnik auf internationa-
ler Ebene aktiv mitbestimmen und gestalten kann.
Die Freisetzungsrichtlinie, deren Umsetzung schon seit Oktober 2002 überfäl-
lig ist, ist daher so in deutsches Recht umzusetzen, dass verlässliche Rahmen-
bedingungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Grünen Gen-
technik entstehen.
Die Neuordnung des Gentechnikrechts muss für Verbraucher und Landwirte
vor allem echte Wahlfreiheit gewährleisten und Koexistenz aller Anbauformen
ermöglichen. Für die Verbraucher muss die Umsetzung der Richtlinie darüber
hinaus den Zugang zu qualitativ hochwertigen und preisgünstigen Produkten
sowie – gemeinsam mit den EU-Verordnungen zur Kennzeichnung – Verbesse-

Drucksache 15/2822 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

rungen bei der Kontrolle und ein Mehr an Transparenz bringen. Für Landwirte
und Pflanzenzüchter muss die Umsetzung einen verlässlichen Rahmen für In-
vestitionen in die Grüne Gentechnik und deren Einsatz in der Landwirtschaft
schaffen sowie vor allem Rechtssicherheit gewährleisten.
Bei der Neuordnung des Gentechnikrechts ist die Entstehung überflüssiger
bürokratischer Hemmnisse zu vermeiden, ohne das hohe Schutzniveau für
Mensch und Umwelt preiszugeben. Nur so können die Potentiale der Grünen
Gentechnik genutzt und Vorteile für Verbraucher, Landwirte und Wirtschaft
erreicht werden.
Voraussetzung für ein tatsächliches Nebeneinander aller Anbauformen und für
den Einsatz der Grünen Gentechnik in der Landwirtschaft sind vor allem prak-
tikable Haftungsregelungen: Sind die Haftungsregelungen so ausgestaltet, dass
sie zu Rechtsunsicherheit führen, hätte dies gleichzeitig eine Verhinderung der
Grünen Gentechnik in Deutschland zur Folge. Eine solche Konsequenz wäre
nicht nur für den Standort Deutschland und unsere Wettbewerbsfähigkeit
schädlich, sondern stünde auch im Widerspruch zu der Grundentscheidung der
Europäischen Union, den Einsatz der Grünen Gentechnik zu ermöglichen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
1. umgehend – unter Nutzung der vom Bundessortenamt gegenwärtig zu-

gelassenen sieben Sorten BT-Mais – großflächige Erprobungsanbauten in
Deutschland zu starten und entsprechende Initiativen der Bundesländer zu
unterstützen, um
– die notwendigen Erfahrungen im praktischen Umgang mit der Grünen

Gentechnik zu erlangen und daraus die entscheidenden sortenspezifi-
schen Vorgaben zur Ergänzung der guten fachlichen Praxis um die Erfor-
dernisse der Koexistenz hier in Deutschland zu entwickeln,

– den im Gentechnikgesetz verankerten Zweck, die Gentechnik zu nutzen
und zu fördern, zu erreichen,

– die Erwartungen und Befürchtungen der Landwirte und Verbraucher in
Bezug auf ungewollte Auskreuzungen auf ein realistisches Maß zurück-
zuführen;

2. darüber hinaus die EU-Freisetzungsrichtlinie unter Berücksichtigung der
folgenden Gesichtspunkte in deutsches Recht umzusetzen:
– Für Landwirte und Verbraucher muss echte Wahlfreiheit bezüglich der

Nutzung der Grünen Gentechnik gewährleistet sein.
– Derjenige Landwirt, der sich für den Anbau gentechnisch veränderter

Organismen entscheidet, soll nur dann im Falle von Auskreuzungen auf
eine Nachbarfläche haften, wenn er die Anforderungen an die gute fach-
liche Praxis nicht eingehalten hat.

– Sofern ein Nachbar wirtschaftliche Einbußen beim Verkauf seiner Pro-
dukte durch Auskreuzungen erleidet, begründen diese nur dann einen
Anspruch auf Ausgleich, wenn der EU-Schwellenwert von 0,9 Prozent
überschritten ist.

– Für Ausgleichsansprüche, die entstehen, obwohl der Pflanzengentechnik
nutzende Landwirt die Anforderungen an die gute fachliche Praxis einge-
halten hat, ist eine ausgewogene Regelung zu schaffen, die die Interessen
aller Beteiligten berücksichtigt.

– Eine Gesamtschuldregelung unter Verzicht auf das Kausalitätserfordernis
darf nicht eingeführt werden, da dies mit erheblicher Rechtsunsicherheit
verbunden wäre und so zur Verhinderung der Gentechnik in der Land-
wirtschaft führen könnte.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2822

– Sortenspezifische Abstandsregeln flankiert von langfristiger Begleit-
forschung sind einer gesonderten Verordnung zur Regelung der Anforde-
rungen an die gute fachliche Praxis vorzuziehen.

– Das Bundesstandortregister und die diesbezüglichen Einsichtsrechte sind
so auszugestalten, dass Übergriffe von Gentechnikgegnern auf Landwirte
und deren Felder nicht möglich sind. Die Einrichtung von Landesstand-
ortregistern neben dem Bundesregister ist nicht erforderlich.

– Für Anbauten in „ökologisch sensiblen Gebieten“ dürfen keine Sonder-
regeln gelten.

– Das Entstehen von unnötigem Bürokratie- und Kostenaufwand z. B.
durch praxisfremde lange Anzeigefristen vor der Aussaat von gentech-
nisch verändertem Saatgut, durch Einsetzung einer neuen Kommission
zur Beurteilung der Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen
und der Arbeit mit ihnen, durch die Einführung von Zuverlässigkeits-
anforderungen an den Landwirt oder durch Erweiterung der einzu-
reichenden Freisetzungsunterlagen ist zu vermeiden.

Berlin, den 30. März 2004
Helmut Heiderich
Gerda Hasselfeldt
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Albert Deß
Dr. Maria Böhmer
Katherina Reiche
Peter Bleser
Gitta Connemann
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Dr. Peter Jahr
Volker Kauder
Julia Klöckner
Marlene Mortler
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Jochen Borchert
Cajus Caesar
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Dr. Maria Flachsbarth
Susanne Jaffke
Werner Lensing
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Max Straubinger
Volkmar Uwe Vogel
Ernst Hinsken
Franz Obermeier
Anita Schäfer (Saalstadt)
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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