BT-Drucksache 15/2803

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/1690- Mehr Kosteneffizienz im Klimaschutz durch verstärkte Nutzung der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen

Vom 26. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2803
15. Wahlperiode 26. 03. 2004

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Kristina Köhler (Wiesbaden),
Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/1690 –

Mehr Kosteneffizienz im Klimaschutz durch verstärkte Nutzung
der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen

A. Problem
Das Kyoto-Protokoll eröffnet die Möglichkeit, zur Reduktion der Emission von
Treibhausgasen sog. flexible Mechanismen einzusetzen. Diese umfassen neben
dem Handel mit Emissionsrechten die projektbezogenen Instrumente Joint Im-
plementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM). Im Rahmen von
Joint Implementation können sich Annex-B-Staaten (Industriestaaten mit quan-
tifizierter Emissionsbegrenzungs- oder -reduktionsverpflichtung) für Investitio-
nen in emissionsmindernde Projekte in anderen Annex-B-Staaten zertifizierte
Emissionsminderungseinheiten (ERU) übertragen bzw. gutschreiben lassen.
Der Clean Development Mechanism ermöglicht dagegen Annex-B-Staaten, für
Investitionen in emissionsmindernde Projekte in Nicht-Annex-B-Staaten (im
Wesentlichen Entwicklungsländer) zertifizierte Emissionsgutschriften (CER)
zu erwerben. Am 23. Juli 2003 hat die Europäische Kommission einen Richt-
linienvorschlag zur Änderung der Richtlinie über ein System für den Handel
mit Treibhausgasemissionsberechtigungen in der Gemeinschaft im Sinne der
projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls vorgelegt (KOM (2003)
403 endg.). Er zielt darauf ab, die projektbezogenen Kyoto-Mechanismen ein-
schließlich der hieraus resultierenden Emissionszertifikate in das Emissions-
handelssystem der Europäischen Union zu integrieren. Aus Sicht der Antrag-
steller weist der Richtlinienvorschlag Defizite auf, die das Potenzial der
projektbezogenen Kyoto-Mechanismen zur kosteneffizienten Minderung der
Treibhausgasemissionen beeinträchtigen. Ferner sehen sie in der Politik der
Bundesregierung gegenüber den projektbezogenen Kyoto-Mechanismen Unzu-
länglichkeiten, die einer flexiblen und kosteneffizienten Klimaschutzpolitik im
Wege stehen. Daher soll die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag
aufgefordert werden, sich im Sinne eines flexibleren und kosteneffizienteren
Klimaschutzes für eine Reihe von Maßnahmen zugunsten einer stärkeren Ein-
beziehung der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen in den EU-Emissions-
handel und in die nationalen Klimaschutzbemühungen, einschließlich bestimm-
ter Modifikationen des o.g. Richtlinienvorschlags, einzusetzen.

Drucksache 15/2803 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Die Kosten sind Gegenstand der politischen Diskussion (siehe Bericht).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2803

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/1690 – abzulehnen.

Berlin, den 14. Januar 2004

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Ulrich Kelber
Berichterstatter

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Drucksache 15/2803 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Ulrich Kelber, Marie-Luise Dött, Dr. Reinhard Loske
und Birgit Homburger

I.
Der Antrag – Drucksache 15/1690 – wurde in der 72. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 6. November 2003 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union überwiesen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie der Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
haben mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II.
Das Kyoto-Protokoll eröffnet die Möglichkeit, zur Reduk-
tion der Emission von Treibhausgasen sog. flexible Mecha-
nismen einzusetzen. Diese umfassen neben dem Handel mit
Emissionsrechten die projektbezogenen Instrumente Joint
Implementation (JI) und Clean Development Mechanism
(CDM). Im Rahmen von Joint Implementation können sich
Annex-B-Staaten (Industriestaaten mit quantifizierter Emis-
sionsbegrenzungs- oder -reduktionsverpflichtung) für In-
vestitionen in emissionsmindernde Projekte in anderen An-
nex-B-Staaten zertifizierte Emissionsminderungseinheiten
(ERU) übertragen bzw. gutschreiben lassen. Der Clean De-
velopment Mechanism ermöglicht dagegen Annex-B-Staa-
ten, für Investitionen in emissionsmindernde Projekte in
Nicht-Annex-B-Staaten (im Wesentlichen Entwicklungslän-
der) zertifizierte Emissionsgutschriften (CER) zu erwerben.
Am 23. Juli 2003 hat die Europäische Kommission einen
Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie über ein
System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberech-
tigungen in der Gemeinschaft im Sinne der projektbezoge-
nen Mechanismen des Kyoto-Protokolls vorgelegt (KOM
(2003) 403 endg.). Er zielt darauf ab, die projektbezogenen
Kyoto-Mechanismen einschließlich der hieraus resultieren-
den Emissionszertifikate in das Emissionshandelssystem
der Europäischen Union zu integrieren. Aus Sicht der An-
tragsteller weist der Richtlinienvorschlag Defizite auf, die
das Potenzial der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen
zur kosteneffizienten Minderung der Treibhausgasemissio-
nen beeinträchtigen. Ferner sehen sie in der Politik der Bun-
desregierung gegenüber den projektbezogenen Kyoto-
Mechanismen Unzulänglichkeiten, die einer flexiblen und
kosteneffizienten Klimaschutzpolitik im Wege stehen. Da-
her soll die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag
aufgefordert werden, sich im Sinne eines flexibleren und
kosteneffizienteren Klimaschutzes für eine Reihe von Maß-
nahmen zugunsten einer stärkeren Einbeziehung der

projektbezogenen Kyoto-Mechanismen in den EU-Emissi-
onshandel und in die nationalen Klimaschutzbemühungen,
einschließlich bestimmter Modifikationen des o. g. Richt-
linienvorschlags, einzusetzen.
Hierzu zählen u. a. die Aufforderungen an die Bundesregie-
rung, sich bei den Beratungen auf europäischer Ebene ge-
gen die Einführung einer Obergrenze für die Inanspruch-
nahme der projektbezogenen Mechanismen im Emissions-
handel auszusprechen, bei den Beratungen auf europäischer
Ebene darauf zu dringen, dass zertifizierte Gutschriften aus
den projektbezogenen Mechanismen bereits in der ersten
Verpflichtungsperiode des Emissionshandelssystems (2005
bis 2007) anerkannt werden, sich auf europäischer Ebene
dafür einzusetzen, dass den am Emissionshandel beteiligten
Staaten Emissionsreduktionen im Ausland auf ihre nationa-
len Emissionsverpflichtungen gutgeschrieben werden, sich
für den Schutz der Naturwälder, insbesondere der Tropen-
wälder, als CO2-Senken einzusetzen und bei den Verhand-lungen auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass
auch Gutschriften aus CDM- und JI-Projekten im Forst-
sektor anerkannt werden, den CDM stärker in die Entwick-
lungshilfeaktivitäten der Bundesregierung einzubinden so-
wie sich dafür einzusetzen, dass bürokratischer Aufwand,
Risiken und Transaktionskosten bei der Umwandlung von
CER und ERU in handelbare Zertifikate durch effiziente
Monitoring-, Berichterstattungs- und Prüfverfahren be-
grenzt werden, um CDM- und JI-Projekte vor allem für den
privaten Sektor attraktiver zu machen.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag – Drucksache 15/1690 – in seiner
Sitzung am 14. Januar 2004 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde darauf hingewie-
sen, dass der Antrag in der 72. Sitzung des Deutschen Bun-
destages am 6. November 2003 ausführlich beraten worden
sei (Plenarprotokoll 15/72 S. 6248). Wie die Debatte im
Plenum gezeigt habe, fordere der Antrag einen so breiten
und weit reichenden Einsatz der projektbezogenen Kyoto-
Mechanismen, dass die Notwendigkeit, energieeffiziente
emissionssenkende Technologien im Inland zu entwickeln
und einzusetzen, weitgehend entfalle. Eine derartige Politik
könne man nicht mittragen, vielmehr komme es darauf an,
insbesondere auch die Emissionsminderung im Inland zu
forcieren. Der Antrag werde daher abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde ein frak-
tionsübergreifendes Einvernehmen dahin gehend konsta-
tiert, dass der Klimaschutz keine an den nationalen Grenzen
endende, sondern eine weltumspannende Aufgabe sei. Dem
werde durch die Instrumente JI und CDM Rechnung getra-
gen. Mit ihnen würden Klimaschutzprojekte auch in ande-
ren Industrieländern und in Entwicklungsländern gefördert,
gleichzeitig werde die Chance des Technologietransfers er-
öffnet. Auch seien beide Instrumente ökonomisch sinnvoll
und zugleich effizient. Daher bestehe Anlass, sie zu fördern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2803

und ihre Einsetzbarkeit möglichst zu beschleunigen. Mit
dem Vorschlag zur sog. Verbindungsrichtlinie (KOM (2003)
403 endg.) habe die EU-Kommission einen Entwurf für die
Gestaltung der rechtlichen Grundlagen zur Einbeziehung
von Gutschriften aus JI- und CDM-Projekten in den euro-
päischen Emissionshandel vorgelegt, dieser sei am 22. De-
zember 2003 im EU-Ministerrat (Umwelt) erörtert worden.
Offen sei, inwieweit der Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit im Ministerrat (Umwelt) für
die Einbeziehung der flexiblen Mechanismen in die erste
Emissionshandelsperiode eingetreten sei und das Problem
der überbordenden Bürokratie bei der Umwandlung der
Gutschriften in Emissionshandelszertifikate aufgegriffen
habe. Mit der im Rahmen der Neunten Vertragsstaatenkon-
ferenz zur Klimarahmenkonvention in Mailand erzielten
Einigung zur Problematik der Senken sei eine wichtige
Hürde zur Einsetzbarkeit von CDM genommen worden.
Nun komme es darauf an, die Anwendung der flexiblen
Mechanismen voranzutreiben und zu fördern. Hierbei gelte
es, die Effizienz zu betonen und bürokratische Regelungen
zu vermeiden. Trotz teilweise kontroverser Diskussion im
Plenum hinsichtlich der Haltung des Bundesrates halte man
an dem vorliegenden Antrag fest.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde unterstrichen, Priorität genieße die Emissionsminde-
rung im Inland. Eine Politik, die dem gerecht werde, fördere
die Entwicklung und Exportfähigkeit energieeffizienter

emissionsmindernder Technologien. Gleichwohl stehe man
der Nutzung der projektbezogenen flexiblen Kyoto-Mecha-
nismen aufgeschlossen gegenüber. Allerdings gelte es, hier-
bei bestimmte qualitative Anforderungen zu beachten, hier-
unter die Bedingungen, Kernkraftprojekte auszuschließen
und Senkenprojekte in nur sehr begrenztem Maße zuzulas-
sen. Ferner fordere man, Projekte zur Nutzung der „Großen
Wasserkraft“ an qualitative, von der World Commission on
Dams entwickelte Kriterien zu knüpfen. Der vorliegende
Antrag werde abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde daran erinnert,
dass man zu dem Antrag bereits im Plenum ausführlich
Stellung genommen habe (Plenarprotokoll 15/72 S. 6248).
Selbstverständlich müssten im Inland Anstrengungen unter-
nommen werden, die Emission von Treibhausgasen einzu-
schränken. In dem Antrag erkenne man vor allem das Be-
mühen, die flexiblen Kyoto-Mechanismen verstärkt für die
inländische Emissionsminderung zu nutzen und hierdurch
die Flexibilität und die Effizienz des inländischen Klima-
schutzes zu erhöhen. Eine einseitige Betonung auslandsbe-
zogener Projekte zur Emissionsminderung sehe man dage-
gen nicht. Der Antrag werde unterstützt.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSUund FDP, demDeutschenBun-
destag zu empfehlen, den Antrag – Drucksache 15/1690 –
abzulehnen.

Berlin, den 26. März 2004
Ulrich Kelber
Berichterstatter

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

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