BT-Drucksache 15/2704

Klagen über Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen Nicht-Eisen-Metallmärkten

Vom 9. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2704
15. Wahlperiode 09. 03. 2004

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Erich G. Fritz, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl,
Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Alexander Dobrindt, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Dr. Michael Fuchs,
Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken,
Robert Hochbaum, Volker Kauder, Gunther Krichbaum, Dr. Martina Krogmann,
Dr. Hermann Kues, Wolfgang Meckelburg, Friedrich Merz, Laurenz Meyer (Hamm),
Dr. Joachim Pfeiffer, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer,
Kurt J. Rossmanith, Hartmut Schauerte, Johannes Singhammer, Max Straubinger
und der Fraktion der CDU/CSU

Klagen über Wettbewerbsverzerrungen auf den internationalen
Nicht-Eisen-Metallmärkten

Chinesische Schrottverarbeiter haben durch staatlich gewährte Schutzmaßnah-
men wie etwa durch die Rückvergütung der Einfuhrumsatzsteuer von 17,5 %
beim Einkauf von Kupferkonzentraten und -schrotten, durch zinslose Kredite,
durch falsche Zolldeklarationen und durch Schmuggel am Weltmarkt wettbe-
werbsentscheidende Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten aus Deutschland,
der EU und den USA. Angesichts dieser Wettbewerbspraktiken sind in
Deutschland, Europa und den USA Verknappungen in der Versorgung mit Kon-
zentraten und Schrotten eingetreten, die bereits zu Kapazitätsabbau und
Arbeitsplatzverlusten geführt haben. Zum Beispiel musste in Deutschland im
vergangenen Jahr die Mansfelder Kupfer- und Messing GmbH ihren Recyc-
lingbereich mit 140 Mitarbeitern schließen. Die Hüttenwerke Kayser in Lünen
musste ihre Belegschaft um über 200 Mitarbeiter verringern. Beide Unterneh-
men sind in strukturschwachen Gebieten angesiedelt (vgl. WELT am SONN-
TAG vom 7. Dezember 2003).
Weltweit wird die Recyclingindustrie durch die Unterversorgung mit Kupfer-
schrotten gefährdet. Zudem wird in Deutschland die Kreislaufwirtschaft nach-
haltig geschädigt, wenn durch fehlenden Schrotteinsatz bestimmte Materialien
wie Aschen, Schlämme oder Stäube nicht mehr aufgearbeitet werden können.
Dies hat zur Folge, dass technologisch hochmoderne, wettbewerbsfähige und
umweltschonende Anlagen schließen müssen, während die Umweltverschmut-
zung in China aufgrund von veralteten Produktionsmethoden zunimmt.
Durch die von den Chinesen künstlich herbeigeführten Preisvorteile ist neben
Kupfer und Kupferlegierungsschrott auch die Versorgung mit sekundären Roh-
stoffen bei Aluminium, Blei und Zink gefährdet. Ferner schädigt die Schrott-
knappheit auch die Halbzeugindustrie, die auf den direkten Schrotteinsatz ver-
zichten und teures Primärmetall einsetzen muss. Während vor der chinesischen
Nachfrageoffensive der direkte Einsatz in bestimmten Kupferhalbzeugwerken
bis zu 80 % der Gesamtversorgung erreicht hatte, liegt dieser Wert heute zum

Drucksache 15/2704 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Teil nur noch bei 20 %. Auch der Ersatz mit Primärmetall wird immer schwie-
riger, weil auch dieses durch chinesische Aufkäufe verknappt wird.
Auch die USA sind von chinesischen Wettbewerbsverzerrungen im Schrottbe-
reich betroffen. China importierte im vergangenen Jahr für rund 1,4 Mrd. US-
Dollar Metallschrotte aus den USA – davon jeweils für 400 Mio. US-Dollar
Kupfer und Aluminium. Der Schrottabfluss bei Kupfer hat mittlerweile den
höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht. Wenn die US-Regierung Maßnah-
men gegen den Schrottabfluss einleitet, entsteht in Europa zusätzlicher Druck
auf das noch verfügbare Schrottvolumen, der für die europäische Nicht-Eisen-
Metallindustrie (NE-Metallindustrie) dann schnell existenzgefährdend werden
wird.
Zu den Wettbewerbsverzerrungen auf den NE-Metallmärkten gehören auch die
protektionistischen Maßnahmen Russlands, das auf die Ausfuhren von Kupfer-
und Aluminiumschrott Ausfuhrzölle von 50 % erhebt. Daher können auch
russische Lieferungen nicht mehr genutzt werden, um die durch China, Indien
und Korea hervorgerufenen Versorgungsengpässe am internationalen Markt
auszugleichen. Bevor die russische Regierung die Ausfuhrzölle 1998 ein-
geführt hat, wurden über 200 000 Tonnen Kupferschrott nach Deutschland ge-
liefert. Heute erreichen nur noch wenige 1 000 Tonnen unser Land.
Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass Russland von der EU-Kom-
mission in das Schema Allgemeiner Zollpräferenzen für Entwicklungsländer
aufgenommen wurde. Dies bedeutet, dass Lieferungen von Halbzeug in die EU
zollbegünstigt erfolgen können. Erste Beratungen über die vorgesehene Revi-
sion des Zollpräferenzschemas finden derzeit in Brüssel statt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was versteht die Bundesregierung unter einer standortbezogenen, wachs-

tums- und beschäftigungssichernden Industrie- und Rohstoffpolitik?
2. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die weltweiten chine-

sischen Einfuhren z. B. bei Kupferschrott von 1995 bis 2002 um über 150 %
auf über 3 Mio. Tonnen stiegen, die Importe von Kupferkonzentraten um
über 300 % auf rund 2,1 Mio. Tonnen zunahmen und sich die Einfuhren von
Zinkkonzentraten auf 800 000 Tonnen verachtfacht haben? Trifft es nach
Kenntnis der Bundesregierung zu, dass diese Entwicklung durch massive
Wettbewerbsverzerrungen möglich wurde, die von China verursacht wer-
den, und die für die deutsche NE-Metallindustrie die Sicherung ihrer Pri-
mär- und Sekundärrohstoffbezüge in Europa und darüber hinaus am Welt-
markt zunehmend erschweren und in Teilbereichen bereits existenziell
bedrohen?

3. Was unternimmt die Bundesregierung auf EU-Ebene und im Rahmen der
Welthandelsorganisation (WTO), um die Wettbewerbsverzerrungen im Han-
del mit China und Russland und die damit einhergehenden künstlich erzeug-
ten Materialverknappungen zu beseitigen?

4. Sieht auch die Bundesregierung die Dringlichkeit, die chinesische Regie-
rung aufzufordern, ihrer Verpflichtung aus dem WTO-Beitrittsprotokoll
nachzukommen und die Rückerstattung der Einfuhrumsatzsteuer auf chine-
sische Konzentrat- und Schrottimporte aufzuheben sowie auf WTO-widrige
Beihilfen zu verzichten, und wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung,
das WTO-Sekretariat und das Committee on Subsidies and Countervailing
Measures hierzu zu ersuchen?

5. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, die chinesische Seite dazu zu be-
wegen, energisch gegen Betrugsfälle wie Falschdeklarationen und Schmug-
gel vorzugehen, die in hohem Maße zu den Wettbewerbsverzerrungen bei-
tragen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2704

6. Inwieweit wird sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission für eine
Kontingentierung oder eine Belegung mit Exportzöllen der NE-Metall-
schrottausfuhren einsetzen, wenn Verhandlungen mit China über eine Ab-
schaffung der Rückerstattungen der Einfuhrumsatzsteuer auf Konzentrate
und Schrotte und der damit zusammenhängenden Praktiken der Falschde-
klarationen und des Schmuggels kurzfristig nicht zum Erfolg führen?

7. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung trotz des Umstands, dass
mangels eigener nennenswerter Exporte aus der EU bei Kupferkonzen-
traten keine zielführenden ausfuhrbeschränkenden Maßnahmen ergriffen
werden können, hier die Wettbewerbsverzerrungen zu beenden, wenn kei-
ne Verhandlungslösung gefunden wird?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die EU im Falle einer
Schrottausfuhrregelung in den USA, die in Washington bereits gefordert
wird, die Ausfuhren von Schrotten beschränken muss, um die existenziell
notwendige Versorgung ihrer NE-Metallindustrie zu sichern?

9. Welche Position bezieht die Bundesregierung im Rahmen der derzeit auf
EU-Ebene stattfindenden Beratungen über eine Revision des Zollpräfe-
renzschemas und welche Vorschläge unterbreitet die Bundesregierung, um
Produkte, deren Wettbewerb verzerrt ist, aus dem Kreis der innerhalb der
EU begünstigten Waren auszuschließen?

10. Welche Auswirkungen sind infolge der chinesischen wie russischen Prakti-
ken und der damit einhergehenden Rohstoffverknappung auf die deutsche
und europäische Industrie wie auch den deutschen und europäischen Han-
del zu erwarten und wie hoch sind die bislang erlittenen Nachteile?

11. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Branchen außer der NE-
Metallindustrie von chinesischen Wettbewerbsverzerrungen betroffen, und
wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung in diesen Fällen, um Abhil-
fe zu schaffen?

12. Mit welchen Auswirkungen auf andere Wirtschaftszweige rechnet die Bun-
desregierung angesichts der mittelfristigen Existenzbedrohung des Metall-
recyclings, das eine wichtige Basis für unsere Rohstoffversorgung dar-
stellt?

13. Wie hoch beziffert die Bundesregierung den infolge der Rohstoffverknap-
pung noch drohenden Arbeitsplatzabbau sowohl in der NE-Metallindustrie
selbst als auch in der mit ihr verbundenen Zuliefererindustrie?

14. Was unternimmt die Bundesregierung auf EU- bzw. WTO-Ebene, um den
deutschen bzw. europäischen Verarbeitungssektor (hier vor allem die Sani-
tärindustrie) vor der chinesischen Markenpiraterie zu schützen, und wie
hoch ist der Schaden, den der deutsche bzw. europäische Verarbeitungssek-
tor bislang durch die chinesische Markenpiraterie erfahren hat?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Recycling ein integraler
und unverzichtbarer Bestandteil unserer heutigen Industriestruktur ist, und
wenn ja, welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung, die in-
folge der mangelnden Versorgung mit Schrotten aus dem NE-Metallbe-
reich drohende Zerstörung des prozess- und umwelttechnisch hoch entwi-
ckelten Recyclings in Deutschland wie auch in Europa zu verhindern?

16. Teilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass die europäische Zink-
oxidindustrie unter chinesischen Billigimporten leidet, die EU-Kommissi-
on daraufhin am 6. März 2002 Antidumpingzölle auf Zinkoxid aus China
von 6,9 % bis 28 % verhängt hatte, und die Maßnahmen jedoch weitgehend
wirkungslos sind, da China die Zölle umgeht, die Auffassung, dass Umge-
hungspraktiken energisch entgegengetreten werden muss, soll nicht das be-

Drucksache 15/2704 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
rechtigte Schutzinteresse der betroffenen Industrie und letztlich die Durch-
setzungskraft des Antidumpinginstrumentariums Schaden erleiden?
Ist der Bundesregierung bekannt, welche Gegenmaßnahmen die EU-Kom-
mission eingeleitet hat, um die Wettbewerbswirkungen ihrer Antidumping-
beschlüsse bei Zinkoxid zu sichern?
Welche handelspolitischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die
Antidumpingbeschlüsse im Zinkoxidbereich vollständig durchzusetzen und
damit die unlauterenMethodenChinas zumSchaden der deutschen Industrie
zu beenden?

Berlin, den 9. März 2004
Erich G. Fritz
Karl-Josef Laumann
Dagmar Wöhrl
Veronika Bellmann
Dr. Rolf Bietmann
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Alexander Dobrindt
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Volker Kauder
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Wolfgang Meckelburg
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Joachim Pfeiffer
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Hartmut Schauerte
Johannes Singhammer
Max Straubinger
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.