BT-Drucksache 15/2647

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken

Vom 9. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2647
15. Wahlperiode 09. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Günter Nooke, Dr. Friedbert Pflüger, Bernd Neumann
(Bremen), Renate Blank, Gitta Connemann, Dr. Peter Gauweiler, Dr. Günter Krings,
Dr. Martina Krogmann, Dr. Norbert Lammert, Vera Lengsfeld, Dorothee Mantel,
Melanie Oßwald, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Dr. Klaus Rose, Erika Steinbach,
Christian Freiherr von Stetten, Edeltraut Töpfer, Wolfgang Zeitlmann
und der Fraktion der CDU/CSU

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist die „dritte Säule“ der auswär-
tigen Politik. Sie dient über die Stärkung der Kulturbeziehungen und den Dia-
log der Kulturen hinaus der Förderung ureigenster politischer und außenwirt-
schaftlicher Interessen. Die Bedeutung der Kulturpolitik ist nicht zuletzt durch
die geistige Auseinandersetzung mit der islamistischen Herausforderung und
durch die Initiativen für den weiteren Nahen und Mittleren Osten unterstrichen
worden.
Die Ziele, die mit Hilfe der Mittlerorganisationen und anderer Akteure der
deutschen Kultur- und Bildungspolitik erreicht werden sollen, sind vor allem:
l Interesse an Deutschland, seiner Geschichte, Kultur und Politik zu wecken

und damit die Voraussetzungen für enge und vertrauensvolle Beziehungen
zwischen Deutschland und seinen Partnern zu schaffen,

l die Aufgeschlossenheit für die kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen
Deutschlands zu fördern,

l ein realistisches, facettenreiches, positives Bild Deutschlands als Kulturna-
tion zu vermitteln,

l die Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie der Achtung
von Menschen- und Minderheitenrechten und kultureller Vielfalt zu vermit-
teln,

l den Dialog der Kulturen zu stärken bzw. dort zu öffnen, wo bislang Sprach-
losigkeit geherrscht hat,

l die deutsche Sprache im Ausland zu vermitteln und zu fördern,
l Bildungs- und Aufstiegschancen insbesondere von Kindern und Jugend-

lichen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbessern,
l Orte der Begegnung, des kulturellen Austausches und der Vermittlung deut-

scher Kultur zu schaffen,
l die Wissenschaftskooperation auszubauen,

Drucksache 15/2647 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

l unter anderem durch erfolgreiche Bildungsarbeit für den Studien- und Wis-
senschaftsstandort Deutschland zu werben.

Der Deutsche Bundestag versteht auswärtige Kulturpolitik dabei nicht als Ein-
bahn-, sondern als Zweibahnstraße. Sie dient auch dazu, unsere Aufmerksam-
keit Kulturen anderer Länder zu schenken. Er verkennt nicht, dass auf dem Feld
der Kultur, Bildung und Wissenschaft der Erfolg der auswärtigen Politik von
der Attraktivität des Standorts Deutschland abhängt und hier die Bundesregie-
rung mit gefordert ist.
Trotz der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik für Deutschland und den
Standort Deutschland ist kein Bereich der auswärtigen Politik in den vergange-
nen Jahren so vernachlässigt worden wie der der auswärtigen Kultur- und Bil-
dungspolitik. Im Zuge der Haushaltseinsparungen hat die auswärtige Kultur-
und Bildungspolitik in den letzten Jahren fast ein Drittel ihres Wertes – gemes-
sen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt und am Bundeshaushalt – verloren. Das
Engagement des Bundes für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist un-
ter den Stand der alten Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung gefallen.
Im Jahr 2004 erreicht der relative Anteil der auswärtigen Kulturpolitik am
Gesamthaushalt des Bundes mit derzeit 0,22 Prozent seinen Tiefststand. Es ist
bezeichnend, dass von den 1,5 Mrd. Euro aus dem „Anti-Terror-Paket“ nur
5,1 Mio. Euro für die auswärtige Kulturpolitik zur Verfügung gestellt wurden,
mithin weniger als ein halbes Prozent, obwohl die Bedeutung des Ausbaus des
Dialogs mit dem Islam immer wieder betont wird. Eine Folge der bisherigen,
kontinuierlichen Kürzungen ist, dass sich die Mittel für die Sprachförderung
von 51,1 Mio. Euro auf 24,3 Mio. Euro halbiert haben. Eine weitere Folge ist,
dass die Mittel für die allgemeine Programmarbeit, die das kulturelle Deutsch-
landbild im Ausland prägen soll, von 118,2 Mio. Euro (1993) auf nun 51 Mio.
Euro reduziert sind.
Diese Zahlen beziffern jedoch nur einen vorläufigen Tiefstand. Anfang März
2004 hat der Bundesminister des Auswärtigen Joseph Fischer schmerzhafte
Einschnitte „ins Mark“ der auswärtigen Kulturpolitik angekündigt. Standen bis
vor kurzem noch Neueröffnungen von Goethe-Instituten in Shanghai, Teheran
und Algier im Vordergrund, werden nun durch die weiteren umfangreichen
Sparmaßnahmen Schließungen von Goethe-Instituten und deutschen Schulen
im Ausland unabwendbar. Diese Entwicklung beeinträchtigt das Ansehen
Deutschlands in der Welt, und sie schadet mittel- und langfristig den deutschen
Interessen.
Anders als vom Bundesminister des Auswärtigen dargestellt, ist nicht der deut-
sche Föderalismus Grund für die Haushaltslage des Auswärtigen Amts und
auch kein Wettbewerbsnachteil gegenüber Staaten, in denen die Kultur eine
nationale Aufgabe darstellt. auswärtige Kulturpolitik ist auch in Deutschland
eine Angelegenheit des Bundes. Damit liegen die Verantwortung für den Haus-
halt und dessen Prioritäten beim deutschen Bundesminister des Auswärtigen.
Die „Konzeption 2000“, die der Bundesminister des Auswärtigen nach seinem
Amtsantritt zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorgelegt hat, ist in
weiten Teilen aufgrund der bereits erfolgten erheblichen finanziellen Ein-
schnitte als Grundlage für die künftige Entwicklung der auswärtigen Kultur-
und Bildungspolitik nicht mehr tragfähig. Die Kürzungen beeinträchtigen
schon jetzt die Erfüllung der Aufgaben der Auslandsschulen und der Mittler-
organisationen erheblich. Um ihre Arbeit langfristig sicherzustellen und zu
stärken, müssen neue Grundlagen formuliert werden. Dazu gehört es auch, eine
strategische Planung zu erarbeiten, mit welchen Instrumenten und Einrichtun-
gen in welchen Regionen und Orten der Welt welche Ziele erreicht werden
sollen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2647

Erfolgreiche neue Modelle wie beispielsweise das Hochschulmarketing deut-
scher Universitäten sind zu unterstützen. Einzelne deutsche Universitäten ge-
nießen im Ausland einen ausgezeichneten Ruf und haben dort Ableger gegrün-
det. Den positiven Effekt dieser Wissenschaftskooperation im Ausland wie
auch in Deutschland gilt es herauszustellen.
Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands muss in ihrer Bedeu-
tung erkannt und gestärkt werden sowie entsprechend ihrer Aufgaben ausge-
stattet sein.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Auswärtigen Amt und im

Rahmen der auswärtigen Politik zu stärken;
– eine aufgabengerechte Ausstattung der Mittler und anderen Akteure der aus-

wärtigen Kultur- und Bildungspolitik langfristig sicherzustellen;
– darzustellen, mit welchen Maßnahmen ein effizienter Einsatz der Mittel

langfristig sichergestellt werden kann;
– die über verschiedene Bundesbehörden verstreuten Elemente der auswärti-

gen Kulturpolitik und Haushaltstitel konsequenter in wenigen Ressorts zu
bündeln, um der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik mehr Schlagkraft
zu geben sowie eine bessere Kohärenz der Politik und einen effektiven Res-
sourceneinsatz zu erzielen;

– die Struktur und Aufstellung der Mittlerorganisationen und ihre Einbindung
in die Arbeit der Träger der deutschen auswärtigen Politik zu überprüfen,
gegebenenfalls, wo geboten, eine Neustrukturierung bzw. bessere Vernet-
zung herbeizuführen;

– die Fusionierung einzelner Mittlerorganisationen, die bereits begonnen
wurde, konsequent zu Ende führen;

– die Vernetzung von Mittlerorganisationen, Trägern weiterer Kultureinrich-
tungen und -angebote und Deutscher Welle voranzutreiben, auf mögliche
Effizienzsteigerungen zu überprüfen und die Rolle der Einrichtungen zu
stärken;

– nach der Evaluierung langfristig eine der Bedeutung der auswärtigen Kultur-
und Bildungspolitik entsprechende und angemessene Ausstattung der Mitt-
ler sicherzustellen;

– die Mittlerorganisationen aufzufordern, kontinuierlich die Zielgruppen ihrer
Projekte zu überprüfen und ihre Arbeit gemäß der Analyse entsprechend zu
optimieren;

– im Zusammenhang mit der Zielgruppenanalyse eine differenzierte Angebots-
politik sicherzustellen, die auch in schwierigenMärkten, wie z. B. in den Ver-
einigten Staaten von Amerika, mit einem Spitzenangebot an Kultur langfris-
tig nachhaltige Resultate erzielen kann;

– Modelle zu entwickeln und zu erproben, die qualifizierte private Initiativen
im Bereich der Kultur und der Bildung jenseits der Mittlerstruktur unterstüt-
zen helfen;

– die Ausstrahlung und Nachhaltigkeit der auswärtigen Kultur- und Bildungs-
politik durch Anpassung der Angebotspalette zu optimieren und dabei ver-
stärkt auf „Marken“ und Wiedererkennung zu setzen, wie z. B. das Hoch-
schulmarketing. Diese Initiativen gilt es zu unterstützen;

Drucksache 15/2647 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
– die Wissenschaftskooperation zu stärken und dabei verstärkt auf öffentlich-
private Partnerschaften zu setzten wie z. B. beim chinesisch-deutschen
Hochschulkolleg in Jongji/China;

– ein Konzept vorzulegen, in dem Rolle und Aufgaben, Ziele und Möglich-
keiten der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und ihrer Mittler im
Rahmen der Krisenprävention beschrieben werden;

– nach der Evaluierung langfristig eine der Bedeutung der auswärtige Kultur-
und Bildungspolitik entsprechende und angemessene Ausstattung der Mitt-
ler sicherzustellen;

– die vom Deutschen Bundestag beschlossene Verwendung der Fusionsrendite
für die Programmarbeit der Goethe-Institute sicherzustellen;

– ein Konzept für die Entwicklung der Goethe-Institute im Ausland sowie
ihrer Verzahnung mit der Arbeit deutscher Auslandsvertretungen vorzule-
gen, aus dem auch hervorgeht, welchen Grad von Eigenständigkeit und
Eigenverantwortlichkeit für ihre Haushalte und ihre inhaltliche Arbeit die
Institute in Zukunft haben sollen;

– ein Konzept für die Entwicklung der Auslandsschulen und insbesondere der
Verbreitung der deutschen Sprache vorzulegen, aus dem hervorgeht, welche
Rolle sie in der auswärtigen Kulturpolitik in Zukunft spielen sollen;

– eine Strategie für die Entwicklung der Wissenschafts- und Stipendienpro-
gramme, der Förderung der deutschen Sprache im Ausland, der weiteren
Programmaktivitäten und Förderungen vorzulegen;

– ein Konzept für Bauvorhaben vorzulegen, in dem auch mögliche Koopera-
tionsmodelle mit Bauvorhaben anderer EU-Länder, anderer Kultur- und
Sporteinrichtungen sowie anderer Bildungseinrichtungen des jeweiligen
Gastlandes Berücksichtigung finden.

Berlin, den 9. März 2004
Günter Nooke
Dr. Friedbert Pflüger
Bernd Neumann (Bremen)
Renate Blank
Gitta Connemann
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Norbert Lammert
Vera Lengsfeld
Dorothee Mantel
Melanie Oßwald
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Edeltraut Töpfer
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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