BT-Drucksache 15/2646

Verbesserung der Maßnahmen zum Schutze der Kinder und Jugendlichen vor Alkoholsucht

Vom 9. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2646
15. Wahlperiode 09. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Ursula Heinen, Gerlinde Kaupa, Maria Eichhorn, Georg
Fahrenschon, Julia Klöckner, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Helmut Heiderich,
Dr. Maria Böhmer, Gerda Hasselfeldt, Norbert Barthle, Peter Bleser, Albert Deß,
Ingrid Fischbach, Markus Grübel, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Jürgen
Klimke, Kristina Köhler (Wiesbaden), Walter Link (Diepholz), Marlene Mortler,
Michaela Noll, Hannelore Roedel, Andreas Scheuer, Bernhard Schulte-Drüggelte,
Kurt Segner, Jens Spahn, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Verbesserung der Maßnahmen zum Schutze der Kinder und Jugendlichen
vor Alkoholsucht

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach Jahren des stagnierenden Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen
drohen nun bei dieser Altersgruppe erhöhte Suchtgefahren durch die industriell
hergestellten alkoholischen Mischgetränke, den so genannten Alkopops. Unter
diesem Begriff werden Getränke auf der Basis fermentierten oder destillierten
Alkohols und Limonade zusammengefasst. Im Schnitt enthalten die in hand-
lichen 275-Milliliter-Flaschen abgefüllten Mischgetränke 5,5 Volumenprozent
Alkohol, das sind 12 bis 13 Gramm purer Alkohol – also ungefähr zwei
Schnäpse. Durch Süßungsmittel und intensive Aromen wird der für Kinder
sonst unangenehme bittere Alkoholgeschmack maskiert, so dass Kinder und Ju-
gendliche oft gar nicht merken, dass sie Alkohol zu sich nehmen.
Seit zwei Jahren gibt es bei diesen Getränkearten eine dramatische Konsum-
steigerung. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung liegen bei den alkoholischen Getränken die Alkopops auf der Beliebtheits-
skala der 14- bis 17-Jährigen ganz oben. Danach hat sich seit 2001 der Umsatz
der Spirituosen-Mischgetränke um rund 341 Prozent erhöht. In der Altersklasse
der 14- bis 15-Jährigen konsumieren 29 Prozent regelmäßig einmal im Monat
Alkopops, bei den 16- bis 17-Jährigen sind es sogar 53 Prozent. Dieses Ergeb-
nis steht im klaren Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben zum Kinder- und
Jugendschutz, wonach die Abgabe und der Verzehr branntweinhaltiger Ge-
tränke für Kinder und Jugendliche eindeutig laut § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Jugend-
schutzgesetzes untersagt ist. Bei Zuwiderhandlungen drohen gemäß § 29
Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr oder Geldstrafe und gemäß § 28 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes
die Verhängung von Bußgeldern.
Ein Grund für den unerlaubten Verkauf von alkoholischen Mixgetränken an
Kinder- und Jugendliche liegt in der mangelnden Erkennbarkeit des Alkoholge-
halts der Getränke. Bei 2 500 auf dem deutschen Markt im Angebot befind-
lichen Erfrischungsgetränken fällt es dem Handel zunehmend schwerer, die

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zum Teil in der Verkehrsbezeichnung nur als „Kohlensäurehaltige Mixge-
tränke“ gekennzeichneten Alkopops als solche zu erkennen und damit dem be-
stehenden Abgabe- und Verkaufsverbot nachzukommen. Dies zeigt sich auch in
den Fällen, in denen eine Positionierung der Alkopops direkt neben nichtalko-
holischen Getränken oder im Kassenbereich erfolgt. Alkopops gehören neben
die Spirituosen.
Jüngste Erfahrungen – wie bei der Großveranstaltung des Karnevals in Köln
2004 – haben gezeigt, dass eine verstärkte und konsequente Durchsetzung des
geltenden Kinder- und Jugendschutzes hinsichtlich des Verkaufsverbots von
Alkohol an Minderjährige durch die Ordnungsämter zu Konfiszierungen der
Alkoholflaschen bei Jugendlichen, zu Verwarnungen und sogar Schließungen
von Kiosken geführt haben, wenn sich diese nicht an das Abgabeverbot gehal-
ten hatten. Hierdurch wurde für andere Gaststätten und Kioske ein klares Signal
gesetzt.
Den vorliegenden Vorschlag der Bundesregierung, eine Sondersteuer auf alko-
holartige Süßgetränke zu erheben wie in Artikel 1 § 1 Abs. 2 des Gesetzent-
wurfs zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vorgesehen, lehnt die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab. Die besondere Problematik ist hierbei die
Begriffsdefinition von Alkopops. Mit der jetzt geplanten Definition werden
nicht nur die alkoholhaltigen Süßgetränke, die nur etwa 0,4 Prozent des Mix-
Getränke-Marktes ausmachen, erfasst, sondern auch andere geringfügige alko-
holartige Mischgetränke. Unser dringendes Ziel muss die Alkoholprävention
und Konsumreduzierung der Alkopops bei Kindern und Jugendlichen sein.
Sinnvoller ist es, auf die tatsächliche Einhaltung der bereits geltenden Bestim-
mungen im Kinder- und Jugendschutz hinzuwirken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
den Kinder- und Jugendschutz hinsichtlich der Alkoholprävention durch geeig-
nete Gesetzesmaßnahmen zu verbessern und zu stärken. Der Einstieg in den
Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen muss verhindert und erschwert
werden. Folgende wirksamkeitsüberprüfte Maßnahmen müssen berücksichtigt
werden, um ein vielschichtiges und effektives Präventionspaket zu gestalten:
1. Durchsetzung einer strengeren und klareren Anwendung der geltenden und

bestehenden Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes bezüglich der Abgabe
von so genannten Alkopops an Kinder und Jugendliche (gemäß § 9 Abs. 1).

2. Die verstärkte Durchsetzung der hierfür bestehenden Straf- (§ 27 Abs. 2 Nr. 1
und 2 JuSchG) und Bußgeldvorschriften (§ 28 Abs. 1 Nr. 10 und Abs. 4
JuSchG).

3. Aufnahme und Einführung einer deutlichen Warnhinweispflicht für die Aus-
zeichnung aller alkoholhaltigen Mixgetränke im Jugendschutzgesetz, welche
auf das eindeutige Verkaufsverbot an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre
in entsprechend deutlich lesbarer Schriftgröße hinweist.

4. Änderung des Lebensmittelkennzeichnungsrechts im Sinne eines größtmög-
lichen Kinder- und Jugendschutzes durch eine hervorgehobene Kennzeich-
nung des Alkoholgehaltes und durch eine Angabepflicht aller Inhaltsstoffe,
insbesondere von Farb- undKonservierungsstoffen, die zumTeil einAllergie-
risiko in sich bergen, und von Koffein, Zucker und Kohlesäure, die die Wir-
kung von Alkohol verstärken.

5. Verstärkte Durchführung effektiver und zielgerichteter Aufklärungs-, Schu-
lungs- und Präventionsmaßnahmen für das Verkaufspersonal in Kooperation
mit dem Getränkehandel und der Getränkeindustrie hinsichtlich des Gefah-
renpotentials von Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen. Dies gilt
insbesondere auch für die Präsentation der Alkopops im Handel.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2646

6. Einführung von zielgerichteten Alkoholpräventionsmaßnahmen für Kinder
und Jugendliche in Anlehnung an die Tabakpräventionsprogramme für diese
Altersgruppe an Schulen und in Jugendeinrichtungen.

Berlin, den 9. März 2004
Ursula Heinen
Gerlinde Kaupa
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Julia Klöckner
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Helmut Heiderich
Dr. Maria Böhmer
Gerda Hasselfeldt
Norbert Barthle
Peter Bleser
Albert Deß
Ingrid Fischbach
Markus Grübel
Uda Carmen Freia Heller
Dr. Peter Jahr
Jürgen Klimke
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Walter Link (Diepholz)
Marlene Mortler
Michaela Noll
Hannelore Roedel
Andreas Scheuer
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Jens Spahn
Willi Zylajew
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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