BT-Drucksache 15/2619

Besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch von Alcopops und anderen alkoholischen Ready-To-Drink-Getränken

Vom 4. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2619
15. Wahlperiode 04. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Klaus Haupt, Detlef Parr, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Dr. Christel Happach-Kasan, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Dieter Thomae und der Fraktion der FDP

Besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch von Alcopops
und anderen alkoholischen Ready-To-Drink-Getränken

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Sowohl europäische Vergleichsstudien als auch deutsche Untersuchungen zei-
gen, dass die legale Droge Alkohol zu den größten Gesundheitsgefährdungen
für Kinder und Jugendliche gehört. Die besorgniserregende Zunahme des Alko-
holkonsums bei immer jüngeren Minderjährigen erfordert dringende Maßnah-
men. Gerade die Alcopops genannten spirituosenhaltigen Mixgetränke und an-
dere alkoholhaltige so genannte Ready-To-Drink-Getränke auf Basis von Wein
oder Bier stellen offensichtlich eine starke Verlockung für Kinder und Jugendli-
che dar.
Repräsentativerhebungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA), die Ende 2003 durchgeführt wurden, zeigen eine dramatische Ent-
wicklung beim Alcopops-Konsum von Jugendlichen. Im Vergleich zu 1998
wurden im Jahr 2003 vier Mal so viel Alcopops in der Gesamtbevölkerung ge-
kauft (12,5 gegenüber 3 Prozent), bei den Käufern bis 29 Jahren liegt eine Ver-
sechsfachung vor. Im Jahr 2003 tranken 42 Prozent der 14 bis 29-Jährigen min-
destens einmal im Monat Alcopops, bei den 14- bis 17-Jährigen sind es 48 Pro-
zent. In dieser Altersgruppe sind Alcopops die beliebtesten alkoholischen Ge-
tränke überhaupt. Die Direktorin der BZgA fasst die Problematik zusammen:
„Die breite Verfügbarkeit, der süße Fruchtgeschmack, der den Alkoholgehalt
und -geschmack überdeckt und das positive Image bei Jugendlichen machen
Alcopops bei immer mehr und vor allem immer jüngeren Jugendlichen zu einer
süßen Verführung mit der Konsequenz, dass junge Menschen immer früher ei-
nen regelmäßigen Alkoholkonsum entwickeln.“
Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) regelt, dass in Gaststätten, Verkaufsstellen
oder sonst in der Öffentlichkeit Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder
Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren weder abgegeben werden dürfen, noch
darf ihnen der Verzehr gestattet werden. Für andere alkoholische Getränke gilt,
dass sie in Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit an Kin-
der und Jugendliche unter 16 Jahren weder abgegeben werden dürfen, noch
darf ihnen der Verzehr gestattet werden (§ 9 JuschG). Wer gegen diese Vor-
schriften verstößt, begeht nach § 28 des Jugendschutzgesetzes eine Ordnungs-
widrigkeit. Die mögliche maximale Geldbuße für solche Ordnungswidrigkeiten

Drucksache 15/2619 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

wurde mit dem Inkrafttreten des neuen Jugendschutzgesetzes im vergangenen
Jahr von bis dahin 30 000 DM auf neu 50 000 Euro erhöht. Verbote und Buß-
gelder sind somit im Jugendschutzrecht hinreichend geregelt. Allerdings
werden die Verbote nur unzureichend kontrolliert. Problematisch ist, dass die
unterschiedlichen Altersgrenzen für Branntwein und sonstige Alkoholika die
Problematik der süßen Mixgetränke nicht wirklich treffen: Der Alkoholgehalt
von Alcopops und bier-/weinbasierten Fertigmixgetränken (bis zu 5,9 Volum-
prozent) unterscheidet sich kaum. Der Geschmack ist bei bierbasierten Mix-
getränken nach dem Kindergeschmack nicht etwa weniger wohlschmeckend.
Damit dürfte die drogen- bzw. jugendschutzpolitische Problematik bei alkoho-
lischen Ready-To-Drink-Getränken gleich gefährlich sein, egal ob diese auf
Branntwein oder sonstiger alkoholischer Basis beruhen. Durch den Genuss von
Alcopops und anderen alkoholischen Ready-To-Drink-Getränken können Kin-
der und Jugendliche an den Alkoholkonsum herangeführt werden, ohne dass sie
sich der Gefahren der Entwicklung eines dauerhaften Suchtverhaltens bewusst
sind. Hier können Weichen für ein späteres Konsumverhalten gestellt werden,
das nur schwer wieder zu korrigieren ist. Kinder- und Jugendliche sind generell
durch den Alkoholkonsum in besonderem Maße gefährdet. Im Wachstumsalter
ist die Gefahr chronischer Schäden der Organe (u. a. Herz, Leber, Bauchspei-
cheldrüse) aber auch der Skelettmuskulatur und des Gehirns besonders groß.
Dieser Alkoholmissbrauch muss durch eine verbesserte Aufklärung, die Ein-
haltung von Verboten und eine Kombination von Maßnahmen in freiwilliger
Mitwirkung der Industrie wirkungsvoll bekämpft werden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l eine umfassende Präventionsstrategie zum Schutz der Kinder und Jugend-

lichen vor dem Missbrauch von Alkohol, insbesondere von alkoholischen
Ready-To-Drink-Getränken, zu entwickeln und umzusetzen. Dazu gehören
zusätzliche Informationskampagnen bei Gastronomie, Einzelhandel, Konsu-
menten und Erziehungspersonen. Eine Präventionsstrategie muss vor allem
in Familien, Schulen und Freizeit greifen. Eltern kommt eine zentrale Ver-
antwortung zu, weil nachweislich der Umgang der Eltern mit Alkohol, ins-
besondere deren eigener Missbrauch, das Verhalten der Kinder prägt. Maß-
nahmen im schulischen Bereich bieten Chancen, junge Menschen über die
Risiken des Genusses legaler Drogen, wie Alkohol und Zigaretten ohne er-
hebliche Zusatzkosten aufzuklären. Da Kinder und Jugendliche sich beson-
ders bei diesen Themen an Gleichaltrigen, ihren so genannten Peer-groups
orientieren, sind Präventionskampagnen nach dem Modell der Peer Educa-
tion, der Aufklärung und Bildung durch andere junge Menschen, besonders
Erfolg versprechend;

l spezielle Strategien zur Information der Eltern zu entwickeln, die es ihnen
ermöglichen, ein etwaiges Risikoverhalten und Frühphasen des Drogenkon-
sums bei Jugendlichen rechtzeitig zu entdecken, und die darauf abzielen, die
Toleranz für den Drogenmissbrauch im Elternhaus zu verringern;

l die Schulen und die lokalen Institutionen dafür zu sensibilisieren, auf Prä-
ventionsprogramme hinzuarbeiten, in die die Familie – und insbesondere die
Risikofamilie – einbezogen wird und die darauf abzielen, die Schutzfaktoren
in der Kindheit und der frühen Jugend, die Anteilnahme der Eltern am Le-
ben ihrer Kinder, eine angemessene Erfolgskontrolle, klare Verhaltensnor-
men innerhalb der Familie und positive Elternmodelle zu fördern;

l die Kampagnen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Kinder
stark machen“ und „Bist du stärker als Alkohol“ fortzusetzen und zu intensi-
vieren.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2619

Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den
Bundesländern auf die zuständigen Stellen einzuwirken im Hinblick auf,
l eine konsequente Durchsetzung des Jugendschutzgesetzes im Hinblick auf

§ 9 JuSchG. Dazu gehören verbesserte Kontrollen durch die zuständigen
Aufsichtsbehörden. Würden die Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten regel-
mäßig in angemessener Höhe verhängt, hätte dies nicht nur abschreckenden
Charakter, sondern würde vermutlich zumindest derzeit die Tätigkeit der
Kontrolleure sogar zu einem guten Teil refinanzieren;

l eine konsequente Umsetzung von § 6 Gaststättengesetz, wonach mindestens
ein alkoholfreies Getränk nicht teurer zu verabreichen ist als das billigste al-
koholische Getränk (berechnet nach dem hochgerechneten Literpreis).

Die Bundesregierung wird schließlich aufgefordert, in Zusammenarbeit mit
Herstellern von Alcopops und anderen alkoholischen Ready-To-Drink-Geträn-
ken sowie Handel und Gastronomie darauf hinzuwirken, dass diese sich zu fol-
genden Maßnahmen selbst verpflichten:
l Einführung von deutlich sichtbaren Hinweisen auf die Abgabeverbote von

Alcopops an Jugendliche unter 18 Jahren bzw. für andere alkoholische
Ready-To-Drink-Getränke an Jugendliche unter 16 Jahren auf den Getränke-
flaschen/-dosen und an Verkaufsregalen.

l Strikte räumliche Trennung von Fruchtsäften und Alcopops und anderen al-
koholischen Ready-To-Drink-Getränken in den Einzelhandelsgeschäften.
Alcopops sind verdünnte hochprozentige Spirituosen und gehören in die
Spirituosen-Regale. Auch die anderen alkoholischen Ready-To-Drink-Ge-
tränke gehören im Einzelhandel zu den entsprechenden Alkoholika und
nicht zu den alkoholfreien Getränken.

l Die Kassensysteme im Einzelhandel sollen, soweit technisch realisierbar, so
ergänzt bzw. geändert werden, dass Warnhinweise über Abgabeverbote beim
Verkauf gegenüber der Kassenanzeige bestätigt werden müssen. So wird das
Personal an diese Abgabeverbote jedes Mal aktuell erinnert.

l Das Personal im Einzelhandel und Gastronomie wird konsequent zu ein-
schlägigen Regelungen des Jugendschutzes geschult.

l Die Auflistung der Alkopops und anderen alkoholischen Ready-To-Drink-
Getränken in der Gastronomie, in Speisekarten und dergleichen, erfolgt un-
ter Spirituosen/alkoholische Getränke mit Angabe des Alkoholgehaltes.

l Ein freiwilliger finanzieller Beitrag der Industrie für Aufklärungskampag-
nen über die schädliche Wirkung von Alkohol auf Jugendliche.

l Eine Weiterentwicklung und Befolgung der bestehenden Verhaltensmaß-
regeln für die Werbung mit alkoholischen Getränken erfolgt dahin gehend,
dass Werbung für die alkoholischen Ready-To-Drink-Getränke nicht auf
Kinder und Jugendliche zielt. Der Deutsche Werberat hat bei Verstößen
seine Eingriffsmöglichkeiten wahrzunehmen.

Berlin, den 3. März 2004
Klaus Haupt
Detlef Parr
Daniel Bahr (Münster)
Rainer Brüderle
Dr. Christel Happach-Kasan
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb

Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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