BT-Drucksache 15/2574

Eine neue Politik für Afrika südlich der Sahara - Afrika fordern und fördern

Vom 2. März 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2574
15. Wahlperiode 02. 03. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert Pflüger, Hermann Gröhe,
Arnold Vaatz, Dr. Ralf Brauksiepe, Hartwig Fischer (Göttingen), Karl-Theodor
Freiherr von und zu Guttenberg, Klaus-Jürgen Hedrich, Siegfried Helias, Rudolf
Kraus, Conny Mayer (Baiersbronn), Sibylle Pfeiffer, Christa Reichard (Dresden),
Peter Weiß (Emmendingen), Rainer Eppelmann, Norbert Geis, Dr. Egon Jüttner,
Jürgen Klimke und der Fraktion der CDU/CSU

Eine neue Politik für Afrika südlich der Sahara – Afrika fordern und fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Entwicklung mit Licht und Schatten
Mit der ersten Afrikareise des Bundeskanzlers Gerhard Schröder in seinem
sechsten Regierungsjahr stand der afrikanische Kontinent seit langem wieder
im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass diese
dem Kontinent gebührende Aufmerksamkeit nur von kurzer Dauer ist. Dabei
steht Afrika vor gewaltigen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen
Herausforderungen, welche erhebliche Auswirkungen auch auf Europa und
Deutschland haben können. Diesen Herausforderungen mit Weitsicht zu begeg-
nen erfordert ein Umdenken in der deutschen und europäischen Politik gegen-
über Sub-Sahara-Afrika.
Vordergründig dominieren oft Negativschlagzeilen das Bild des Kontinents.
Armut, die verheerende HIV/Aids-Pandemie und weiter zunehmende Bevölke-
rungszahlen bei gleichzeitig stagnierendem Wirtschaftswachstum führen zu so-
zialer und ökologischer Destabilisierung. Bis auf wenige Ausnahmen, wie z. B.
Botswana und Südafrika, fällt die wirtschaftliche Bilanz ernüchternd aus. Das
Bruttosozialprodukt Afrikas ist seit vier Jahrzehnten um jährlich 0,2 Prozent
gesunken. Hinzu kommt, dass laut einer Studie der Boston University nur 14
der 53 afrikanischen Staaten als wirklich demokratisch einzustufen sind. In vie-
len Ländern ist die staatliche Ordnung zerfallen. Millionen von Menschen sind
in den letzten Jahren in Bürgerkriegen umgekommen und ebenso viele Flücht-
linge haben ihre Heimat verloren. Gewaltsame Konflikte, kriminelle Eliten,
illegale Ressourcenausbeutung und Korruption kennzeichnen das Bild vieler
Staaten. Präsident Robert Gabriel Mugabes Simbabwe mag hier als besonders
abschreckendes Beispiel dienen.
Gute Regierungsführung ist eine unabdingbare Voraussetzung für nachhaltige
Entwicklung. Sub-Sahara-Afrika ist die Entwicklungsregion mit den meisten
Negativbeispielen für Staaten mit schlechter Regierungsführung. Gerade auch
deswegen ist es dort bis auf wenige Ausnahmen bisher nicht zu einer selbsttra-
genden und selbstverantworteten Entwicklung gekommen.

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Aber ein sich veränderndes afrikanisches Selbstverständnis gibt auch durchaus
Anlaß zur Hoffnung für die Zukunft. Ursache hierfür ist eine zunehmende men-
tale Lösung von der kolonialen Vergangenheit und eine zunehmend selbst-
bewusste Zivilgesellschaft. Starke zivilgesellschaftliche Strukturen haben sich
inzwischen u. a. in Kenia, Senegal und Ghana als wichtige Stütze der Demokra-
tie etabliert. Die geradezu formelhafte Schuldzuweisung an die erste Welt, für
alle Probleme Afrikas verantwortlich zu sein, ist einer wachsenden Anerken-
nung und Bereitschaft zur Wahrnehmung von Eigenverantwortung gewichen.
Zudem akzeptieren afrikanische Regierungen, wie es auch in der Zielsetzung der
NEPAD-Initiative (NEPAD = New Partnership for Africa’s Development) zum
Ausdruck kommt, in zunehmendem Maße demokratische Strukturen, eine stär-
kere Partizipation der Bevölkerung und die Prinzipien der „Guten Regierungs-
führung“. Auch ein wachsendes Interesse an der Durchsetzung von Menschen-
rechten, der Presse- und Meinungsfreiheit sowie einer Öffnung und Liberali-
sierung der Wirtschaftssysteme ist zu verzeichnen. All dies führt zu einer gra-
duellen Veränderung der politischen Kultur, die optimistisch stimmen lässt.
Klimatische Faktoren und Naturkatastrophen, wie z. B. Dürre und Flut, werden
oft als Entwicklungshemmnis angeführt. Dem gegenüber stehen die unglaub-
lichen Rohstoffreserven des Kontinents, die für eine nachhaltige Entwicklung
des Kontinents herangezogen werden können. Zu nennen sind das Potenzial der
Wasserenergie, die Potenziale in der Tourismuswirtschaft und die großen
Bodenschätze. Afrika könnte in einigen Jahren den arabischen Raum als wich-
tigster Öllieferant der Vereinigten Staaten ablösen und auch für die Ölversor-
gung Deutschlands und Europas eine zunehmend wichtigere Rolle spielen.
Aber leider gereicht der Reichtum Afrikas selten der Bevölkerung oder dem
Nationalstaat zum Wohle, sondern dient als Quelle der schamlosen Bereiche-
rung krimineller Elitenetzwerke und terroristischer Strukturen und ist oft die
eigentliche Ursache für Konflikte und Bürgerkriege.

Die Politik der Bundesregierung wird unseren Interessen nicht gerecht
In Deutschland und Europa setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass
auch wir ureigene Interessen haben an:
– einem Vorgehen gegen Zonen der Instabilität und Ordnungslosigkeit in

Afrika. Sie stellen eine sicherheitspolitische Gefahr dar, weil sie Opera-
tions-, Rückzugsraum bzw. Rekrutierungs- und Finanzierungsquelle für
internationalen Terrorismus bzw. der internationalen Kriminalität sind;

– der Eindämmung in Afrika entspringender länder- und kontinentübergrei-
fender Migrationsströme;

– der Stärkung einer selbst tragenden wirtschaftlichen Entwicklung der afrika-
nischen Völker und insbesondere dem Aufbau eines soliden Mittelstandes in
afrikanischen Staaten, um gleichwertige Wirtschaftspartner und zukünftige
Absatzmärkte für unsere Wirtschaft zu entwickeln;

– der Unterstützung deutscher Außenwirtschaftsinteressen vor allem im süd-
lichen Afrika einschließlich einer Hilfestellung für die deutsche Wirtschaft
bei der vernünftigen und fairen Nutzung afrikanischer Rohstoffressourcen;

– dem Schutz der Ökosysteme und der Artenvielfalt Afrikas.
Dieser Interessenlage wird die deutsche und europäische Afrikapolitik nicht
gerecht. Denn
1. die deutsche und europäische Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik

gegenüber Sub-Sahara-Afrika ist immer noch ungenügend miteinander ver-
zahnt. Auf deutscher Ebene ziehen vor allem das Auswärtige Amt und das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2574

nicht an einem Strang. Dies wird u. a. am Beispiel Ruanda deutlich. Mit über
10 Mio. Euro hat sich die Bundesregierung im Rahmen der europäischen
Mission ARTEMIS für die Befriedung des Ostkongo eingesetzt. Der deut-
sche Anteil an den Kosten der Friedensmission der Vereinten Nationen (VN)
in der Demokratischen Republik (DR) Kongo überschreitet diese Summe
noch bei weitem. Aber bedauerlicherweise hat die Bundesregierung bei den
im November 2003 abgeschlossenen Regierungsverhandlungen mit Ruanda
offenbar keinen Druck dahin gehend ausgeübt, die destabilisierende Einmi-
schung der Regierung Ruandas in der DRKongo zu unterlassen. Die Bundes-
regierung plant jedenfalls, die Entwicklungszusammenarbeit mit Ruanda in
bisheriger Höhe fortzusetzen. Beobachter im In- und Ausland werten dies als
ein falsches Signal für den Friedensprozess in der DR Kongo;

2. die deutsche Entwicklungszusammenarbeit setzt im Hinblick auf die gesell-
schaftlichen und ökonomischen Entwicklungen und Interessen Afrikas fal-
sche Prioritäten und unrealistische Ziele. Die starke Ausrichtung der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit an den zweifellos wichtigen Millen-
niumszielen, droht die Entwicklungspolitik als Element einer gestaltenden
Afrikapolitik zu marginalisieren. Deshalb sollte Entwicklungspolitik die Ar-
mutsbekämpfung zwar als bedeutendes, aber nicht alleiniges Element kon-
zeptionell weiterentwickeln, und zugleich versuchen, eine über Transferleis-
tungen hinausgehende impulsgebende Rolle in der internationalen Afrika-
politik spielen;

3. trotz gegenteiliger wortreicher Bekundungen hat es die Bundesregierung
immer noch versäumt, auf internationaler Ebene eine längst überfällige Ini-
tiative zur strafferen Geberkoordinierung zu ergreifen. In einer Großzahl
der afrikanischen Staaten tummelt sich eine mittlerweile kaum überschau-
bare Anzahl multilateraler, bilateraler und nichtstaatlicher Geber ohne
durchgreifende gegenseitige Koordinierung ihrer jeweiligen Projekte und
Programme. Die Absorptionsfähigkeit und die Kapazitäten zur Administra-
tion dieser vielfältigen Geberaktivitäten sind hierdurch auf Seiten der afri-
kanischen Partner oft überfordert. Dies lähmt nicht nur den Selbsthilfewil-
len in den Empfängerländern, sondern trägt zur Ineffizienz bei der Mittel-
vergabe bei;

4. die häufige Entkopplung der Debatte über Armutsbekämpfung einerseits
und wirtschaftlicher Entwicklung, Weltmarktintegration und Wettbewerbs-
fähigkeit andererseits blockiert die entwicklungspolitische Arbeit der
Bundesregierung. Die Diskussion über den Armutsabbau wird oft auf die so-
zialpolitische Dimension reduziert und die ökonomischen Grundlagen ge-
sellschaftlicher Entwicklung werden ausgeblendet. Ein Minimum an selbst-
tragender wirtschaftlicher Dynamik und struktureller Rahmenbedingungen
ist Grundvoraussetzung für die nachhaltige Bekämpfung von Armut;

5. die Ansprüche und Ressourcen der deutschen Afrikapolitik fallen eklatant
auseinander. Dies wird u. a. an dem von der Bundesregierung häufig zitier-
ten Millenniumsziel, die Anzahl in absoluter Armut lebender Menschen bis
2015 zu halbieren, deutlich. Ohne erheblich mehr Mittel ist dieses Ziel laut
UNDP (UNDP = United Nations Development Programme) erst im Jahre
2147 zu erreichen (Human Development Report 2003). Der Umfang der
deutschen bilateralen technischen und finanziellen Zusammenarbeit mit
Sub-Sahara-Afrika ist jedoch seit 1998 um 19 Mio. Euro auf insgesamt 418
Mio. Euro im Jahr 2004 zurückgegangen. Afrika als einen Partner auf
gleicher Augenhöhe zu betrachten erfordert realistische und nüchterne
Konzepte. Andernfalls erscheint die deutsche Entwicklungspolitik unglaub-
würdig.

Weiterhin finden die folgenden afrikaspezifischen Aspekte und Trends nur un-
genügend Berücksichtigung in der Politik der Bundesregierung:

Drucksache 15/2574 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

l Von Armut, Staatszerfall, politischer und rechtstaatlicher Instabilität sowie
Korruption gezeichnete Länder dienen als Nährboden und Unterschlupf für
terroristische Gruppierungen. Die zunehmende Ausbreitung international
agierender terroristischer Strukturen in Afrika und deren Bereicherung
durch illegale Ressourcenausbeutung stellt eine sicherheitspolitische Gefahr
dar, der im Rahmen der Terrorismusbekämpfung stärker begegnet werden
muss. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die extern finanzierte
Ausbreitung islamistischen Gedankengutes dar.

l Die Globalisierung und die damit zunehmende internationale Vernetzung
bieten Chancen und Herausforderungen zugleich – sowohl für die arme als
auch für die reiche Welt. Die Vorzüge der Globalisierung haben die meisten
afrikanischen Staaten bisher kaum genutzt. Dies liegt sowohl an innerafrika-
nischen Faktoren als auch am anhaltenden Protektionismus im Welthandels-
system. Deutschland und Europa sind gefordert, einen konstruktiven Beitrag
zu leisten, um Afrika stärker in die Weltwirtschaft zu integrieren.

l In Folge der zunehmenden Europäisierung der Außen-, Sicherheits- und
Entwicklungspolitik wird auch die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik
zwangsläufig eine ausgeprägte afrikanische Dimension erhalten. Frankreich
und Großbritannien sowie andere EU-Partner haben mit Blick auf Afrika
klare eigene Interessen und Konzepte, die sie deutlich in der Europäischen
Union vertreten. Umso schmerzlicher macht sich bemerkbar, dass es an ei-
ner klaren Definition deutscher Interessen in Afrika fehlt. Auch hat die Bun-
desregierung es bislang nicht für nötig erachtet, die notwendigen Konse-
quenzen aus der europäischen Sicherheitsstrategie für ihre Afrikapolitik zu
ziehen. Die Bundesregierung wird ihrem Auftrag nur gerecht, wenn sie die-
ses Versäumnis korrigiert, ihre eigenen Interessen schärfer definiert und sich
mit den französischen und britischen Afrikainteressen besser abstimmt.

l Angesichts des Verlustes von Staatlichkeit in einigen Ländern Sub-Sahara-
Afrikas – Somalia ist nur das prominenteste Beispiel – und den immer wie-
der aufflammenden Grenzkonflikten muss die Frage gestellt werden, welche
Formen der staatlichen Verwaltung am besten den Interessen und Problemen
Afrikas gerecht werden und die Sprengkraft der einst von den Kolonial-
mächten gezogenen Grenzen entschärfen helfen. Nicht zu unterschätzen ist
dabei auch die Macht und Gewalt von so genannten Warlords, die mitunter
über Staatsgrenzen hinweg wie z. B. zwischen Norduganda und Südsudan
gegen die Zivilbevölkerung vorgehen. Einige Regionen Afrikas durchleben
eine Transformation von Staatlichkeit in der Gestalt, dass die Prägekraft
staatlicher Zentralgewalt abnimmt und zunehmend durch Strukturen tradi-
tioneller, lokaler und überregionaler Selbstverwaltung ergänzt oder ersetzt
wird – oft auch jenseits von Staatsgrenzen. Zwei weitere Phänomene sind
die zunehmende Bedeutung von quasi Mandatsgebieten, wie derzeit in
Sierra Leone, der Elfenbeinküste und in Liberia zu erleben, in denen zur
Beilegung von Konflikten, lokale Partner gemeinsam mit den Vereinten Na-
tionen oder einem anderen Staat die Staatsgeschäfte leiten. Demgegenüber
steht die zunehmende Bereitschaft afrikanischer Staaten zur überstaatlichen,
regionalen Zusammenarbeit. All diese Entwicklungen haben eine Verände-
rung oder Einschränkung der Souveränität afrikanischer Nationalstaaten zur
Folge, mit deutlichen Konsequenzen für die deutsche und europäische
Außen- und Entwicklungspolitik. Das Spannungsverhältnis zwischen inter-
nationaler Verantwortung und lokaler Souveränität ist ein Thema der
Zukunft. Nationalstaaten werden weiterhin als wichtige Handlungsgröße
ihre Bedeutung haben, ihre Schwäche tritt jedoch in Afrika offen zu Tage.
Systeme geteilter Souveränitäten mit unterschiedlichen Formen und Ebenen
der internationalen Koordination und Kooperation werden an Bedeutung
gewinnen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2574

Angesichts der nicht von der Hand zu weisenden Defizite fordern wir ein deut-
liches Umdenken in der Afrikapolitik. Nur eine konsequente und kohärente
Politik der internationalen Gemeinschaft kann dazu beitragen, Afrika den Weg
zu bereiten zu dauerhaftem Frieden, nachhaltiger Entwicklung und stabilem
Wohlstand.
Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. eine Kehrtwende in der deutschen Afrikapolitik einzuläuten. Deutschland

muss mehr Realismus, eine klare Strategie und das nötige Engagement für
den Umgang mit den sich rapide verändernden gesellschaftlichen und poli-
tischen Rahmenbedingungen in Afrika präsentieren;

2. unter besonderer Berücksichtigung unserer außenwirtschaftlichen und
energiepolitischen Anliegen die deutschen Interessen in Sub-Sahara-Afrika
deutlich zu benennen und sich dafür einzusetzen, dass diese ein stärkeres
Gewicht in der Afrikapolitik der Europäischen Union erhalten;

3. durch eine bessere Koordination und Kohärenz der deutschen und euro-
päischen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik einen Politikansatz
aus einem Guss gegenüber Sub-Sahara-Afrika zu erwirken;

4. eine größere Flexibilität in der Außen- und Entwicklungspolitik zu erwir-
ken. Deutschland und Europa müssen in der Lage sein, schneller auf sich
verändernde Situationen zu reagieren, sei es bei der Vergabe von Entwick-
lungsunterstützung oder bei der Verhängung von Sanktionen. Hierzu ge-
hört vor allem, konsequenter als bisher Friedensprozesse in Afrika ent-
wicklungs-, außen- und sicherheitspolitisch zu unterstützen;

5. die sicherheitspolitische Kooperation mit der Afrikanischen Union, den
Regionalorganisationen und so genannten Ankerstaaten wie Südafrika zu
intensivieren. Der Aufbau regionaler afrikanischer Kapazitäten zur Kon-
fliktbeilegung und Konfliktprävention muss konsequent unterstützt werden
– insbesondere durch die Ausbildung von Personal in Luftlande- und Fern-
meldeverbänden;

6. zu prüfen, ob und unterwelchenVoraussetzungenbei zeitlich befristetenEU-
Militäroperationen in Afrika (Schutz und Evakuierung deutscher und euro-
päischer Staatsbürger) auch deutsche Einsatzverbände vorzusehen sind;

7. die NEPAD-Initiative weiter konstruktiv zu begleiten und zugleich bei den
Initiatoren und Partnern von NEPAD die konsequente Einhaltung und Um-
setzung der gemeinsamen Ziele einzufordern;

8. der politischen Herausforderung in Sub-Sahara-Afrika durch eine Stärkung
der diplomatischen Präsenz gerade auch zur besseren Vertretung deutscher
Interessen gerecht zu werden. Dazu gehört eine Aufstockung des Personals
der deutschen diplomatischen Vertretungen insbesondere durch Militär-
attaches wie auch die verstärkte Entsendung deutschen Personals in Stabs-
stellen der VN-Missionen;

9. die gesellschaftlichen, akademischen und kulturellen Kontakte zwischen
Deutschland und seinen afrikanischen Partnern zu intensivieren. Hierzu ge-
hört eine bessere finanzielle Ausstattung politischer Stiftungen, deutscher
Schulen in Afrika, der Goethe-Institute, der Deutschen Afrika Stiftung
e. V. und der universitären und außeruniversitären gegenwartsbezogenen
Afrikaforschung in Deutschland;

10. im Zuge des zunehmenden Verlusts von Staatlichkeit in Sub-Sahara-Af-
rika, auch alternative Strukturen der Selbstverwaltung politisch stärker
wahrzunehmen und zu stärken. Dies bedeutet sowohl die Förderung von
lokalen und regionalen Strukturen der Zivilverwaltung (vor allem auch im
Hinblick auf die zunehmende Verstädterung in Afrika) als auch die Förde-
rung der überstaatlichen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit;

Drucksache 15/2574 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

11. die Entwicklungszusammenarbeit mit Sub-Sahara-Afrika zu reorientieren.
Dazu gehört:
l den Umfang der bilateralen Arbeit den Herausforderungen des afrika-

nischen Kontinents qualitativ und quantitativ so anzupassen, dass die
afrikanischen Partner die Vorteile der Globalisierung stärker nutzen und
die Nachteile abmildern können. Dies hätte u. a. zur Folge, den Koope-
rationssektoren Aufbau bzw. Stärkung staatlicher Institutionen und
„Gute Regierungsführung“, Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaftsreformen,
Förderung kleiner und mittlerer Wirtschaftsunternehmen, HIV/Aids-
Prävention, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie Konfliktmanagment
mehr Bedeutung zukommen zu lassen;

l die Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit mit Sub-Sahara-Afrika
zu steigern. Hierzu gehört vor allem eine Verbesserung der internatio-
nalen Arbeitsteilung und Koordinierung. Weiterhin muss die Effizienz
bilateraler, multilateraler und nichtstaatlicher Akteure überprüft werden.
Ziel muss es sein, die effizientesten Strukturen zu nutzen sowie über-
flüssige Bürokratie und hemmende Verfahren zu beseitigen;

l alternative Ansätze für eine sinnvolle Kooperation mit „failing/failed
states“ und sonstigen Nichtempfängerländern der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit zu entwickeln und hierbei besonders auf die be-
währte Entwicklungsarbeit der deutschen Kirchen, politischen Stiftun-
gen und Nichtregierungsorganisationen zurückzugreifen;

12. sich in den afrikanischen Partnerländern nachdrücklich für vernünftige
Agrar- und Landreformen unter gleichzeitiger rechtlicher Absicherung von
Besitz- und Nutzungsrechten an Grund und Boden einzusetzen;

13. sich außen- und entwicklungspolitisch stärker für den Schutz und die nach-
haltige Nutzung natürlicher Ressourcen in Afrika einzusetzen. Der Erhalt
von Ökosystemen und der Artenvielfalt ist Grundvoraussetzung für eine
nachhaltige Entwicklung. Dabei müssen die afrikarelevanten wissenschaft-
lichen Leistungen und Erfahrungen der deutschen Forst- und Agrarwissen-
schaft stärker als bisher für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit
nutzbar gemacht werden.

Berlin, den 2. März 2004
Dr. Christian Ruck
Dr. Friedbert Pflüger
Hermann Gröhe
Arnold Vaatz
Dr. Ralf Brauksiepe
Hartwig Fischer (Göttingen)
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Klaus-Jürgen Hedrich
Siegfried Helias
Rudolf Kraus
Conny Mayer (Baiersbronn)
Sibylle Pfeiffer
Christa Reichard (Dresden)
Peter Weiß (Emmendingen)
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