BT-Drucksache 15/2467

Naturschutz im Miteinander von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher Entwicklung

Vom 10. Februar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2467
15. Wahlperiode 10. 02. 2004

Antrag
der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Cajus Caesar, Dr. Maria Flachsbarth,
Klaus Brähmig, Peter Bleser, Albert Deß, Dr. Rolf Bietmann, Marie-Luise Dött,
Georg Girisch, Tanja Gönner, Josef Göppel, Holger Haibach, Doris Meyer
(Tapfheim), Franz Obermeier, Ulrich Petzold, Anita Schäfer (Saalstadt),
Werner Wittlich und der Fraktion der CDU/CSU

Naturschutz im Miteinander von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher
Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen stellt national und international
eine zentrale Aufgabe dar.
In den 90er Jahren konnten nennenswerte Erfolge, beispielsweise bei der Luft-
und Wasserreinhaltung, der Abfallwirtschaft, der Entwicklungshilfepolitik,
aber auch bei internationalen Abkommen, etwa im Bereich des Klimaschutzes,
erzielt werden. Auch eine Verdopplung der Naturschutzflächen sowie die Erho-
lung einzelner Ökosysteme und Arten in Bestand und Ansiedlung sind zu ver-
zeichnen. Seit 1998 ist die positive Entwicklung jedoch ins Stocken geraten.
Ziel muss es sein, die Umwelt zu erhalten, zu schützen, wiederherzustellen und
weiterzuentwickeln. Weiterhin gilt es, die heimischen Tier- und Pflanzenarten
in ihren natürlichen Lebensräumen als Teil unserer Heimat auch für zukünftige
Generationen zu erhalten. Dabei kommt der vertrauensvollen Zusammenarbeit
eine besondere Bedeutung zu. Die notwendigen Erfolge können nur im Mit-
einander mit der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft, dem Tourismus
und den vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen erzielt werden. Es gilt, ein
reiches Naturerbe zu sichern, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Im Sinne
einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft gilt es, die ländlichen Räume
wirtschaftlich weiterzuentwickeln und gleichzeitig der Ökologie Rechnung zu
tragen.
Wir erkennen unsere Verantwortung für unseren Planeten an und verpflichten
uns zum ökologischen Generationenvertrag. Eine wirkungsvolle Umweltpolitik
braucht überzeugende Strategien. Nur dann kann sie langfristig wirksame An-
reize zur Entwicklung und zum Einsatz umweltverträglicher Techniken geben
sowie Grundlage für Verhaltensänderungen des Einzelnen in der Gesellschaft
sein. Weniger Staat, weniger Bürokratie und mehr marktwirtschaftliche Instru-
mente werden sich positiv auf den Umweltschutz auswirken. Nicht immer neue
Gesetze, Verordnungen, Leitbilder, Richtlinien und Pläne werden zu einem er-
folgreichen Naturschutz führen, sondern durch im Wesentlichen vertragliche
Vereinbarungen im Miteinander mit den dort wirtschaftenden und lebenden
Menschen.

Drucksache 15/2467 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. klare Perspektiven für eine auf die Zukunft ausgerichtete Natur- und Um-

weltschutzpolitik aufzuzeigen;
2. die sich aus dem Antrag „Initiative für eine nationale Nachhaltigkeitsstrate-

gie“ (Bundestagsdrucksache 14/9024) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
ergebenden notwendigen Konsequenzen zu ziehen;

3. als Leitprinzip der Politik die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Sozi-
ales gleichwertig nebeneinander als Grundlage für die weitere Naturschutz-
politik zu betrachten. Die Ökonomie darf nicht, wie im Rahmen der Novel-
lierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) geschehen, in den
Hintergrund gerückt werden;

4. der Land- und Forstwirtschaft die Bedeutung beizumessen, die ihr bei einer
Bewirtschaftung von rund 80 Prozent der Fläche unseres Landes gebührt.
Dabei sind moderne Produktionsmethoden im Sinne einer naturnahen Be-
wirtschaftung zu unterstützen;

5. Forderungen, die über eine ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft
hinausgehen, durch verlässliche Ausgleichsregelungen mittels vertraglicher
Vereinbarungen zu regeln. Dabei gebührt dem Vertragsnaturschutz Vorrang
vor hoheitlichen Maßnahmen und kostenintensiven staatlichen Pflege- und
Erhaltungsmaßnahmen;

6. die politischen Rahmenbedingungen in Fachgesetzen zu regeln, statt wahl-
los herausgegriffene Formulierungen in der so genannten guten fachlichen
Praxis zu definieren;

7. die freiwillige Kooperation von Land- und Forstwirten, Naturschützern
und Kommunalpolitikern in Landschaftspflegeverbänden zu unterstützen
und Vertreter der Tourismusbranche und der Sportverbände mit einzubezie-
hen;

8. wieder mehr auf praktische Umweltpolitik und Projektförderung zu setzen
statt auf ein Mehr an Verwaltung und Personal. Deshalb gilt es, den Ver-
waltungshaushalt zugunsten von Projekten zurückzuführen;

9. im Umweltrecht wieder zu verständlichen, übersichtlichen und praxisna-
hen Formulierungen und Lösungen zurückzukehren;

10. das nahezu nicht mehr durchschaubare Bündel an unterschiedlichen
Schutzgebietskategorien zu entflechten und auf wenige klare Definitionen
zu reduzieren;

11. ihre Verantwortung bei naturschutzwürdigen Flächen von nationaler Be-
deutung stärker gerecht zu werden. Der Bund muss deshalb Flächen nicht
nur für Zwecke der naturverträglichen Erholung, sondern auch für Zwecke
des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereitstellen. So bietet bei-
spielsweise das „Grüne Band“ als rund 1 400 Kilometer langer ehemaliger
innerdeutscher Grenzstreifen die Möglichkeit zur Erhaltung und Schaffung
eines nationalen Biotopverbundes;

12. der Schaffung eines Biotopverbundes gerecht zu werden, indem dieser un-
ter Einbeziehung der vorhandenen Schutzgebiete durch langfristige ver-
tragliche Vereinbarungen in den fachlichen begründeten schützenswerten
Gebietskulissen geschaffen und weiterentwickelt wird;

13. eine ökologisch verschlechternde Flächeninanspruchnahme durch geeig-
nete Maßnahmen zu verringern, dies gilt auch für den Bau von Windkraft-
anlagen an windungünstigen Standorten im Binnenland;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2467

14. dem ländlichen Raum die Bedeutung beizumessen, die ihm gebührt. Dies
darf keine neuen, auch finanziellen Belastungen bedeuten, sondern muss
Chancen eröffnen. Dies gilt für den ländlichen Raum als Wirtschafts-, Na-
tur- und Kulturraum gleichermaßen;

15. den nachwachsenden Rohstoffen im Rahmen der Energieerzeugung mehr
Bedeutung beizumessen, als das derzeit der Fall ist. Dies ist im Sinne des
Klimaschutzes erforderlich, um das CO2-Reduzierungsziel zu erreichen.Darüber hinaus müssen bei der Energieerzeugung aus Biomasse keine Pa-
rallelkraftwerkskapazitäten vorgehalten werden, wie dies etwa bei Wind-
und Sonnenenergie der Fall ist;

16. die Forschung im Sinne des verstärkten Einsatzes nachwachsender Roh-
stoffe zu intensivieren;

17. dem Schutz des Bodens und des Wassers Rechnung zu tragen durch
– eine Reduzierung des Schadstoffausstoßes sowie
– die Förderung von Kalkungsmaßnahmen, die eine Bodenversauerung

abmindern und damit eine weitere Schwermetallanreicherung verhin-
dern;

18. die geplante Novellierung des Bundeswaldgesetzes zu überdenken und
weitere Einschnitte in das Eigentum zu verhindern. So sind rund 50 Pro-
zent des Waldes der Bundesrepublik Deutschland Privatwald in Kleinwald-
strukturen mit 1,3 Millionen Waldbesitzern und einer durchschnittlichen
Betriebsgröße von 3,6 Hektar. Sie erfüllen wertvolle Leistungen für unsere
Gesellschaft. Die Devise muss lauten:
– Eigenverantwortung statt Reglementierung,
– keine weiteren bürokratischen Hemmnisse,
– mehr Kompetenzen für das forstliche Personal, auch im Bereich des

Umwelt- und Naturschutzes,
– die einseitige Bevorzugung des FSC-Zertifizierungssystems (Forest Ste-

wardship Council) rückgängig machen und das praxisnähere PEFC-Zer-
tifizerungssystem (Pan European Forest Certification Scheme) ange-
messen berücksichtigen,

– die versprochenen Ausgleichszahlungen im Bereich der Auflagen von
FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat) endlich einlösen,

– eine standortgerechte Waldvermehrung in unterdurchschnittlich bewal-
deten Regionen Deutschlands fördern;

19. die Leistungen der Jäger wie vielerlei freiwillige Leistungen im Sinne des
Naturschutzes und der Artenvielfalt anzuerkennen und eine Novellierung
des Bundesjagdgesetzes mit gegenteiliger Wirkung zu unterlassen;

20. Verantwortung im Bereich des Hochwasserschutzes zu übernehmen. Dies
gilt sowohl für präventive Maßnahmen als auch für die Festsetzung von
Retentionsräumen durch die Länder die notwendigen Bewertungskriterien
festzulegen, Nutzungseinschränkungen mit den betroffenen Parteien abzu-
stimmen sowie Zuständigkeiten und Kriterien für notwendige Entschädi-
gungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einvernehmlich festzule-
gen;

21. ein sinnvolles Miteinander von Ökologie sowie sportlicher und touristi-
scher Betätigungsmöglichkeiten sicherzustellen. Dabei kommt dem Sport
die wichtige Bedeutung u. a. im Bereich der Jugendarbeit und der Gesund-
erhaltung unserer Gesellschaft zu. Die touristische Entwicklung in Groß-
schutzgebieten, wie etwa Nationalparken, muss gelenkt möglich sein. Die

Drucksache 15/2467 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
im novellierten BNatSchG für Nationalparke formulierte Voraussetzung,
dass sie „sich in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets in einem vom
Menschen nicht oder wenig beeinflussten Zustand befinden oder geeignet
sind, sich in einen Zustand zu entwickeln oder in einen Zustand entwickelt
zu werden, der einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in
ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet“ (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG),
darf nicht dazu führen, dass Sport und touristische Entwicklung chancenlos
sind;

22. sich international, insbesondere auf der Ebene der Europäischen Union,
dafür einzusetzen,
– Umweltstandards gleichermaßen zu formulieren und zu kontrollieren,
– schädliche Immissionen zu minimieren,
– die EU-Beitrittsländer rasch an die bestehenden Umweltstandards heran-

zuführen,
– das Thema Umwelt als Verhandlungsgegenstand bei den WTO-Ver-

handlungen aufzunehmen, die nachlassenden Bemühungen zur Erhal-
tung des Tropenwaldes wieder zu verstärken,

– konkret Programme zur Erhaltung und Entwicklung der biologischen
Vielfalt zu vereinbaren.

Berlin, den 10. Februar 2004
Dr. Peter Paziorek
Cajus Caesar
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus Brähmig
Peter Bleser
Albert Deß
Dr. Rolf Bietmann
Marie-Luise Dött
Georg Girisch
Tanja Gönner
Josef Göppel
Holger Haibach
Doris Meyer (Tapfheim)
Franz Obermeier
Ulrich Petzold
Anita Schäfer (Saalstadt)
Werner Wittlich
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.