BT-Drucksache 15/236

Missbrauch von Mehrwertdiensterufnummern

Vom 17. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/236
15. Wahlperiode 17. 12. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen, Gerda Hasselfeldt,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Gitta Connemann, Albert Deß, Alexander Dobrindt, Dr. Reinhard Göhner,
Helmut Heiderich, Uda Carmen Freia Heller, Robert Hochbaum, Dr. Peter Jahr,
Julia Klöckner, Dr. Hermann Kues, Karl-Josef Laumann, Wolfgang Meckelburg,
Laurenz Meyer (Hamm), Marlene Mortler, Dr. Joachim Pfeiffer, Hans-Peter Repnik,
Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Hartmut Schauerte, Bernhard
Schulte-Drüggelte, Kurt Segner, Johannes Singhammer, Max Straubinger,
Dagmar Wöhrl und der Fraktion der CDU/CSU

Missbrauch von Mehrwertdiensterufnummern

Telefonmehrwertdienste, die neben Telekommunikationsdienstleistungen auch
weitere Dienstleistungen anbieten, sind durch die einfache Abrechnung über
die Telefonrechnung zu einem attraktiven Angebot für die Nutzer geworden.
Dieses funktionierende Micro-payment-System wird derzeit über 0190er/
0900er- und mutatis mutandis auch über 0136er-, 0137er-, 0138er- und 118er-
Nummern abgewickelt.
Einige unseriöse Anbieter nutzen diese für Verbraucher und Wirtschaft günstige
Form der Abrechnung zum Missbrauch, beispielsweise im Wege getarnter, teil-
weise automatischer Internet-Anwahlprogramme (dialer) oder durch die Irre-
führung der Nutzer über die Art der Gegenleistung, die Höhe der für eine Mehr-
wertverbindung anfallenden Kosten etc. Unter anderem werden teilweise ohne
Wissen des Nutzers nicht nur kostenpflichtige zeitabhängige Verbindungen her-
gestellt, sondern auch zeitunabhängig abgerechnete Verbindungen ausgelöst.
Pro Anwahl einer bestimmten Rufnummer können Kosten von mehr als 1000
Euro entstehen.
In jüngster Zeit mehren sich Berichte über eine neuere Variante: Verbraucher
rufen kostenfreie 0800er-Nummern an und geben ihre Telefonnummer für
einen Rückruf an. Dieser erfolgt dann zu den Tarifen der o. a. Nummern, wobei
nicht in jedem Einzelfall klar ist, ob der Anbieter auf die entstehenden Kosten
hinweist.
Die Rechtslage ist derzeit unübersichtlich: Einige Obergerichte stellen auf die
technisch einwandfreie Herstellung einer Verbindung ab und legen dem Nutzer
die Last für den Beweis fehlenden Einverständnisses, fehlender Aufklärung etc.
auf; erstinstanzliche Gerichte werten abweichendes Konsumverhalten zu Guns-
ten des Nutzers.
Diese Situation hat für die seriösen Anbieter von Telefonmehrwertdiensten
durch die Diskreditierung dieses Micro-payment-Systems extrem geschäfts-
schädigende Auswirkungen. Ebenso werden die Verbraucher erheblich geschä-

Drucksache 15/236 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

digt, indem sie unversehens mit teilweise horrenden, existenzbedrohenden For-
derungen konfrontiert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was sind aus Sicht der Bundesregierung Mehrwertdienste, und wo sieht

sie, gerade im Hinblick auf die Abrechnung auf der Telefonrechnung für
andere mittels eines Mehrwertdienstes erhaltene Gegenstände wie Theater-
karten oder Bücher, Grenzen?

2. Sieht die Bundesregierung in solchen Fällen Schwierigkeiten für die Ver-
braucher, ihre Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die erhaltene Sach-
leistung geltend zu machen, und wenn ja, wie gedenkt sie diese Schwierig-
keiten zu beheben?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl der Betrugs-
fälle im Bereich der Mehrwertdiensteproblematik, z. B. die vom Verbrau-
cher unbemerkte Installation von dialern?

4. Sind insbesondere die Zahlen erfolgreich abgeschlossener Strafverfahren
bzw. gescheiterter Strafverfolgung bekannt?

5. Woran ist gegebenenfalls die Strafverfolgung gescheitert?
6. Welche finanziellen Schäden sind bisher durch dialer, die ohne Einwilli-

gung der Nutzer installiert worden sind, bei den Verbrauchern verursacht
worden?

7. Welche Möglichkeiten der Abschöpfung der illegal von unseriösen Mehr-
wertdiensteanbietern erlangten Gewinne sieht die Bundesregierung unter
strafrechtlichen Aspekten?

8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Anzahl der erfolg-
reich gerichtlich durchgesetzten Ansprüche auf Unterlassung des Verstoßes
gegen verbraucherschützende Vorschriften oder wettbewerbswidriger Prak-
tiken im Rahmen der Verwendung von Mehrwertdiensterufnummern nach
dem Unterlassungsklagegesetz bzw. dem Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb?

9. Sind insbesondere Verwender der dialer im Internet bereits erfolgreich auf
Unterlassung von Verstößen gegen Informationsangaben nach den Vor-
schriften über Fernabsatzverträge sowie der BGB-Informationspflichten-
verordnung, insbesondere über die Identitäts- und Preisangabepflichten in
Anspruch genommen worden?

10. Wie viele Mehrwertdiensterufnummern sind aufgrund nachgewiesener
Rechtswidrigkeit gesperrt worden?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung eine „Opt-in“-Lösung speziell im Off-
line-Bereich, bei der der Verbraucher gegenüber dem Netzbetreiber sein
Einverständnis vor einer Freischaltung der Nummern erklären muss,
grundsätzlich Telefonmehrwertdienste bzw. bestimmte Gruppen von Tele-
fonmehrwertdiensten in Anspruch nehmen zu wollen?

12. Wird die Bundesregierung Verbrauchern gesetzliche Beweiserleichterun-
gen bei Einwendungen gegen unberechtigte Zahlungsansprüche des Con-
tent-Providers einräumen, und wenn ja, wie?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, dialer durch eine unab-
hängige Stelle nach verbraucherfreundlichen Kriterien zertifizieren zu las-
sen und welche Pläne hat sie diesbezüglich?

14. Wird die Bundesregierung den Aufbau einer Datenbank für Mehrwertdiens-
teanbieter unterstützen, damit „schwarze Schafe“ unter den Anbietern er-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/236

kannt und von einer künftigen Zuteilung von 0190er-Nummern ausge-
schlossen werden können?

15. Hat die Bundesregierung vor, das bereits im Rahmen der 2. Verordnung zur
Änderung der Telekommunikationskundenschutzverordnung geplante In-
kassoverbot des Rechnungsstellers bei Einwendungserhebung oder Zah-
lungsverweigerung durch den Rechnungsempfänger erneut vorzuschlagen,
und wenn nein, mit welcher Begründung?

16. Welchen Erfolg verspricht sich die Bundesregierung von der Einführung
einer Pflichtansage über das Entgelt für die Nutzung von Mehrwertdienste-
rufnummern vor dem Hintergrund, dass sich bereits aus dem Fernabsatzge-
setz sowie der BGB-Informationspflichtenverordnung eine solche Informa-
tionsverpflichtung ergibt?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die Vereinbarkeit des Erfordernisses der
„Rechtzeitigkeit vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages“ in § 312c Abs. 1
BGB mit bestehenden Aufklärungspraktiken von Telekommehrwertdiens-
teanbietern, nach denen die erforderlichen Informationen zum Teil erst un-
mittelbar vor, bei bzw. nach Vertragsschluss gegeben werden?

18. Hält die Bundesregierung insbesondere eine Vorab-Bandansage bei der An-
wahl einer Mehrwertrufnummer für ausreichend rechtzeitig?

19. Wie beurteilt sie die Möglichkeit, eine Vorab-Bandansage für die Verbrau-
cher verbindlich kostenlos einzuführen?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung die bestehende rechtliche Verpflichtung
von Mehrwertdiensteanbietern zur Information der Verbraucher über das
Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach § 312d Abs. 3 BGB vor dem
Hintergrund, dass das Widerrufsrecht bei der Inanspruchnahme von Mehr-
wertdiensten allenfalls für eine „rechtliche Sekunde“, faktisch jedoch nicht
bestehen kann?

21. Inwieweit entsprechen die für zeitunabhängige Nutzungen verlangten Ent-
gelte, die Beträge von mehr als 1000 Euro erreichen können, nach Auffas-
sung der Bundesregierung dem Gedanken des Micro-payment-Systems?

22. Für welche Dienstleistungen werden nach Erkenntnissen der Bundesregie-
rung zeitunabhängige Entgelte von mehr als 20 Euro gefordert?

23. Bei welcher Kostenhöhe sollte aus Sicht der Bundesregierung aus welchen
Gründen die Grenze für zeitunabhängige Entgelte liegen, die im Rahmen
und nach dem Gedanken des Micro-payment-Systems erhoben werden
können?

24. Auf welche Erwägungen stützt die Bundesregierung daher ihre Über-
legung, die Kosten pro Stunde auf 120 Euro zu begrenzen?

25. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wahrscheinlichkeit, dass unseriöse
Anbieter versuchen könnten, die Höchstgrenzenregelung zu umgehen,
sowie die rechtlichen und technischen Möglichkeiten, eine derartige Um-
gehung zu verhindern?

26. Auf welche Erwägungen stützt die Bundesregierung die Überlegung, eine
Verpflichtung zur Zwangstrennung der Verbindungen zu Telefonmehrwert-
diensten nach einer Stunde Nutzungszeit einzuführen?

27. Welche Möglichkeiten, amtsbekannte natürliche oder juristische Personen,
die Telefonmehrwertdienste zu betrügerischen oder zu verbraucherbenach-
teiligenden Zwecken missbraucht haben, von einer Zuteilung von Telefon-
mehrwertdienstnummern auszuschließen, hat die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) derzeit?

Drucksache 15/236 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
28. Soll die nach Auffassung der Bundesregierung für die Fälle des Miss-
brauchs der Telefonmehrwertdienstenummern mehr Überwachungs- und
Sanktionskompetenzen erhalten, und wenn ja, in welcher Form und in wel-
chem Umfang?

29. Sind solche Möglichkeiten nach Auffassung der Bundesregierung – gerade
unter Berücksichtigung der Betreibersituation bei abgeleiteter Zuteilung –
insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Verbraucherschut-
zes ausreichend oder müsste hier eine der ordnungsrechtlichen Zuverlässig-
keitsprüfung entsprechende Kontrolle stattfinden?

30. Sollen bei der Neuordnung der Nummern für Telefonmehrwertdienste im
Rahmen der Einführung der 0900er-Nummern die Kosten anhand der Ruf-
nummer erkannt werden können?

31. Werden auch weiterhin Kombinationen aus den Rufnummern für Telefon-
mehrwertdienste und Verbindungsnetzkennzahlen, die die Nutzer über die
anfallenden Kosten täuschen können, möglich sein?

32. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zulässigkeit von kostenpflichtigen
Rückrufen und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung gegen die
bei der Einführung dieses Micro-payment-Systems nicht intendierten kos-
tenpflichtigen Rückrufe von Telefonmehrwertdiensten ergreifen?

Berlin, den 17. Dezember 2002
Dr. Martina Krogmann
Ursula Heinen
Gerda Hasselfeldt
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Gitta Connemann
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Dr. Reinhard Göhner
Helmut Heiderich
Uda Carmen Freia Heller
Robert Hochbaum
Dr. Peter Jahr
Julia Klöckner
Dr. Hermann Kues

Karl-Josef Laumann
Wolfgang Meckelburg
Laurenz Meyer (Hamm)
Marlene Mortler
Dr. Joachim Pfeiffer
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hartmut Schauerte
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Johannes Singhammer
Max Straubinger
Dagmar Wöhrl

Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.