BT-Drucksache 15/2234

1 zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Sören Bartol, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/1316- Verbesserung der Welternährungssituation und Verwirklichung des Rechts auf Nahrung 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Dr. Christian Ruck, Christa Reichard (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/1216- Verantwortung für die Sicherung der Welternährung übernehmen - Chancen der grünen Gentechnik nutzen

Vom 12. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2234
15. Wahlperiode 12. 12. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
(10. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Sören Bartol, Dr. Herta
Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), Katrin Göring-Eckardt,
Krista Sager und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/1316 –
Verbesserung der Welternährungssituation und Verwirklichung des Rechts
auf Nahrung

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Dr. Christian Ruck, Christa Reichard (Dresden), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/1216 –
Verantwortung für die Sicherung der Welternährung übernehmen –
Chancen der grünen Gentechnik nutzen

A. Problem
Zu Nummer 1
Angesichts der Hindernisse bei den internationalen Bemühungen, den Hunger
in den Entwicklungsländern spürbar zu reduzieren, fordern die Antragsteller,
die Ernährungssicherung zu einem vordringlichen Ziel der internationalen Zu-
sammenarbeit zu machen und die internationalen Aktivitäten zur Realisierung
des Rechts auf Nahrung zu verstärken sowie nationale Strategien zur Verwirk-
lichung dieses Ziels zu entwickeln.
Zu Nummer 2
Die Antragsteller fordern, das Engagement zur Bekämpfung des Hungers und
der Unterernährung betroffener Menschen zu verstärken, um eine Verbesserung
der Welternährungssituation zu erreichen.
Obwohl sich die Versorgung mit Nahrungsmitteln in den letzten Jahren ver-
bessert habe, seien noch viele Menschen vom sog. versteckten Hunger betrof-
fen. Zur Sicherung der Welternährung seien deshalb die Potenziale der grünen

Drucksache 15/2234 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Gentechnik zu nutzen, die daher zu einem Schwerpunkt der Agrarforschung
und -entwicklung werden müsse.

B. Lösung
Zu Nummer 1
Annahme des Antrags auf Drucksache 15/1316 in geänderter Fassung mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion
der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU
Zu Nummer 2
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 15/1216 mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 15/1316 und Annahme des Antrags auf
Drucksache 15/1216.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2234

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag – Drucksache 15/1316 – mit folgender Maßgabe, im Übrigen

unverändert anzunehmen:
In der Nummer II des Antrags ist der 10. Spiegelstrich wie folgt zu ergänzen:
nach dem Wort „Agrarsektor“ sind die Wörter „ausnahmsweise bei Dum-
pingimporten“ einzufügen.

2. den Antrag – Drucksache 15/1216 – abzulehnen.

Berlin, den 12. November 2003

DerAusschuss fürVerbraucherschutz,ErnährungundLandwirtschaft
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Vorsitzende

Reinhold Hemker
Berichterstatter

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Drucksache 15/2234 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Reinhold Hemker, Helmut Heiderich, Ulrike Höfken und
Dr. Christel Happach-Kasan

I. Überweisung
– Drucksache 15/1316 –
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 56. Sitzung am 3. Juli
2003 den Antrag auf Drucksache 15/1316 zur federführen-
den Beratung an den Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft sowie zur Mitberatung an
den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung und den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe überwiesen.
– Drucksache 15/1216 –
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 69. Sitzung am
23. Oktober 2003 den Antrag auf Drucksache 15/1216 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie zur Mit-
beratung an den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für Gesundheit und
Soziale Sicherung, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, den Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung und den Ausschuss
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
– Drucksache 15/1316 –
Die Antragsteller stellen angesichts der alarmierenden neu-
esten Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisa-
tion der Vereinten Nationen (FAO) fest, dass eine Verbesse-
rung der Welternährungssituation zwingend geboten er-
scheint und Reformen auf der internationalen Ebene erfor-
derlich sind, um auch durch gerechtereWeltwirtschaftsstruk-
turen dem Recht auf Nahrung Geltung zu verschaffen. Dazu
sei auch die Kooperation mit relevanten internationalen Or-
ganisationen, privaten Akteuren und Nichtregierungsorgani-
sationen erforderlich.
Die Bundesregierung wird u. a. aufgefordert,
die Entwicklung und Verwirklichung internationaler Leit-
linien zum Recht auf Nahrung entsprechend der Resolution
„Welternährungsgipfel – Fünf Jahre danach“ weiterhin mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern und sich
für eine inhaltliche Ausgestaltung der Leitlinien einzusetzen.
Darüber hinaus solle die Regierung ihr Engagement in die-
semBereich in dieser Legislaturperiode weiter ausbauen, um
Synergien zu nutzen und einen bestmöglichen Beitrag zur
Verwirklichung der Ziele des Welternährungsgipfels zu leis-
ten. Außerdem wird die Regierung aufgefordert, sich dafür
einzusetzen, dass im Rahmen des geplanten WTO-Agrar-
abkommens die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung als
Zielvorgabe in die Präambel sowie eine klar definierte „de-
velopment box“ aufgenommen wird. Diese solle dazu die-
nen, die Ernährungsbasis in Entwicklungsländern zu stärken
und die Bedingungen für die Entwicklung des ländlichen
Raumes zu verbessern. Dazu zähle auch, den Entwicklungs-
ländern das Recht zuzugestehen, ihren eigenen Agrarsektor
durch Außenschutz und interne Stützung schützen und för-

dern zu können, sofern diese Maßnahmen transparent und
nachvollziehbar seien. Schließlich wird die Bundesregierung
aufgefordert, ihren Einfluss dahin gehend geltend zumachen,
dass Aktivitäten der internatonalen Agrarforschung dem Ziel
einer nachhaltigen Nahrungsmittelsicherung entsprechen.
– Drucksache 15/1216 –
Die Antragsteller verweisen auf die Armutsstatistik und die
aktuellen Schätzungen der FAO, nach der 826 Millionen
Menschen weltweit unter Hunger und weitere 1,5 Milliar-
den Menschen vom so genannten versteckten Hunger in
Form der Mangelernährung mit Mikronährstoffen betroffen
seien. Die Nachfrage nach Lebensmitteln werde bis zum
Jahr 2030 um 60 Prozent größer sein als heute, was den
Druck auf die landwirtschaftliche Produktion deshalb in Zu-
kunft erhöhen werde. Deutschland habe daher mit einer
hochentwickelten Landwirtschaft in diesem Zusammenhang
eine besondere internationale Bedeutung und Aufgabe. An-
gesichts der Potentiale der grünen Gentechnik für die Welt-
ernährung sei eine Politik, die Forschung, Entwicklung und
Anwendung der grünen Gentechnik hemme, verantwor-
tungslos.
Die Bundesregierung wird u. a. aufgefordert,
die Erforschung der Potentiale der grünen Gentechnik für
die groß- und kleinbäuerliche Agrarentwicklung und Steige-
rung der Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungs-
ländern durch deutsche und internationale Forschungsein-
richtungen zu forcieren und verstärkt zu unterstützen. In den
Verhandlungen über die Kennzeichnung und Rückverfolg-
barkeit von gentechnisch veränderten Lebens- und Futter-
mitteln solle sie sich auf europäischer Ebene für eine ge-
rechte und praktikable Lösung einsetzen und den internatio-
nalen Verpflichtungen aus dem Cartagena-Protokoll nach-
kommen. Darüber hinaus solle sie sich auf internationaler
Ebene dafür einsetzen, dass auch kleinbäuerlichen Betrie-
ben der Zugang zu gentechnisch verbesserten Pflanzensor-
ten nicht verwehrt bleibe, und bei der Neugestaltung der
Gemeinsamen Agrarpolitik darauf hinwirken, dass Rah-
menbedingungen geschaffen werden, die es den europäi-
schen Landwirten ermöglichen, Investitionen zur Steige-
rung der landwirtschaftlichen Produktivität langfristig pla-
nen und durchführen zu können.

III. Stellungnahmen der mitberatendenAusschüsse
– Drucksache 15/1316 –
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 27. Sitzung am 12. November
2003 den Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
angenommen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 23. Sitzung am 15. Oktober 2003 mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU empfoh-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2234

len, den Antrag mit folgendem Zusatz in Nummer II, 10.
Spiegelstrich anzunehmen: Einfügen der Wörter „aus-
nahmsweise bei Dumpingimporten“ nach demWort „Agrar-
sektor“.
– Drucksache 15/1216 –
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 27. Sitzung, der
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit in seiner 40. Sit-
zung, der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Siche-
rung in seiner 45. Sitzung, der Ausschuss für Umwelt, Na-
turschutz und Reaktorsicherheit in seiner 25. Sitzung, der
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung in seiner 22. Sitzung und der Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in
seiner 27. Sitzung jeweils am 12. November 2003 den An-
trag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abgelehnt.

IV. Beratungsverlauf im federführendenAusschuss
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat seine abschließende Beratung der Vorla-
gen in der 24. Sitzung am 12. November 2003 vorgenom-
men.
Seitens der Koalitionsfraktionen wurde hervorgehoben,
dass Armutsbekämpfung auch dadurch vorangetrieben wer-
den müsse, dass Fördermittel und sonstige Mittel aus Ge-
berstaaten an Armutsreduktionskriterien und die Vorlegung
konkreter Armutsreduktionsprogramme geknüpft werden
müssten. Zur Bekämpfung des Hungers gehörten nicht nur
Fragen der Produktionsmengen von Lebensmitteln, sondern
auch der Zugang zu Bildung, der Gesundheitsbereich u. a.
Zum Einsatz grüner Gentechnik zur Bekämpfung des Hun-
gers in Entwicklungs- und Schwellenländern wurde ausge-
führt, dass ihre Auswirkungen nicht abgeschätzt werden
könnten. Der politische Schwerpunkt dürfe deshalb nicht
beim Einsatz grüner Gentechnik gesetzt werden. Es sei
nicht zu verantworten, dass die Menschen in den hungern-
den Ländern durch eine Überführung von noch nicht ausrei-
chend erforschten Techniken aus Industriestaaten zu Ver-
suchskaninchen gemacht werden würden.
Erfolgreicher Technologietransfer könne nur in Abstim-
mung mit den Wünschen und Bedürfnissen der betroffenen
Länder erfolgen.
Darüber hinaus könne man das Welthungerproblem auch
deshalb nicht mit grüner Gentechnik lösen, weil genetisch
verändertes Saatgut für die, die es wirklich benötigen, viel
zu teuer sei.
Zur Frage der „development boxes“ wurde abschließend be-
tont, dass es sich hierbei um ein wichtiges Instrument für
die Entwicklungsländer handele, ihren Agrarsektor zu
schützen.

Von der Fraktion der CDU/CSU wurde darauf hingewie-
sen, dass in einigen Ländern ungeachtet ihrer erheblichen
Agrarexporte Menschen Hunger leiden müssten. Der Hun-
ger werde in diesen Ländern nicht dadurch geringer, dass
der Marktzugang zu uns vergrößert und die Liberalisierung
vorangetrieben werde. Dies alles verstärke das Hungerprob-
lem nur.
Was den Einsatz der grünen Gentechnik betreffe, so könne
man nicht allein wegen dieses Reizwortes die Augen vor
deren Möglichkeiten zur Welternährungssicherung ver-
schließen. Es könne nicht pauschal gesagt werden, man
wisse nichts über diese Technik, denn es gebe wissenschaft-
liche Untersuchungen, insbesondere im Bereich des Baum-
wollanbaus, die Fortschritte für Kleinbauern feststellten.
Die gewonnenen Ergebnisse fänden jedoch keinen Nieder-
schlag bei den Großkonzernen, da diese daran nicht interes-
siert seien. Dennoch liege gerade darin für Armutsregionen
eine Chance.
Zur Lösung des Welthungerproblems müsse ein pragmati-
scher Ansatz verfolgt werden, der die Weitergabe von Tech-
niken zur Bekämpfung des Hungers integriere.
Von der Fraktion der FDP wurde die grüne Gentechnik
ebenfalls als eine Chance für die sich entwickelnden Länder
bezeichnet. Die Nutzung dieser Techniken dürfe den Län-
dern mit Hungerproblemen nicht verwehrt werden. Die
Frage des Einsatzes grüner Gentechnik dürfe nicht aus der
Sicht des reichen Deutschlands beurteilt werden. Aus einem
Gutachten des Büros für Technikfolgenabschätzung des
Deutschen Bundestags ergebe sich, dass bisher kein eindeu-
tig negativer Einfluss der grünen Gentechnik habe festge-
stellt werden können. Dies bestätigten auch englische Stu-
dien. Die Methodik, Biodiversität zu beurteilen, sei vorhan-
den und werde auch angewandt. Wenn jedoch Freisetzung-
versuche verhindert würden, verhindere man damit auch
Versuche im Bereich der Biodiversität.
Zwar dürfe es keine Zwangsbeglückung der betroffenen Re-
gionen geben, wohl aber müssten diesen Ländern die in den
Industriestaaten gewonnenen Ergebnisse zur Verfügung ge-
stellt werden.
Der vom mitberatenden Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe empfohlene Zusatz zur Drucksache
15/1316 in der Nummer II, 10. Spiegelstrich wurde ein-
stimmig angenommen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat die Vorlage auf Drucksache 15/1316 in
geänderter Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimment-
haltung der Fraktion der CDU/CSU angenommen.
Der Antrag auf Drucksache 15/1216 wurde mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Berlin, den 12. November 2003
Reinhold Hemker
Berichterstatter

Helmut Heiderich
Berichterstatter

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

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