BT-Drucksache 15/2208

Koordinierung und Intensivierung der Forschungen im Bereich der Bioenergie und Sicherung von Zunkunftsmärkten

Vom 9. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2208
15. Wahlperiode 09. 12. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Helmut Lamp, Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria
Böhmer, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner, Helge Braun,
Vera Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Volker Kauder, Michael
Kretschmer, Werner Lensing, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Uwe Schummer,
Marion Seib und der Fraktion der CDU/CSU

Koordinierung und Intensivierung der Forschung im Bereich der Bioenergie
und Sicherung von Zukunftsmärkten

Mit schwindenden fossilen Ressourcen und steigenden Umweltproblemen ge-
winnen die Märkte für regenerative Energien zunehmend an Bedeutung. Dies
trifft auf den vielfältigen Bioenergiemarkt in besonderer Weise zu. 1 600 Bio-
dieseltankstellen bedienen in Deutschland über 2 Millionen Kunden. Ca. 3 000
landwirtschaftliche und kommunale Biogasanlagen wandeln Gülle und Bioab-
fälle in Strom und Wärme. Fast 2 Mrd. Euro investierten in den letzten zwei
Jahren Energiekonzerne in die Verstromung von Altholz. Mit steigender Ten-
denz werden jährlich moderne Biomasse-Kleinfeuerungsanlagen mit einer
installierten Gesamtleistung von weit über 300 MW abgesetzt. Tausende von
Arbeitsplätzen wurden allein in diesem Bereich geschaffen oder gesichert.
Heizstoffhändler loten derzeit die Marktchancen für Holzpellets bundesweit
aus.
Unterschiedlichste Energieträger und Techniken – oft bereits in Marktnähe –
warten breit verteilt in allen Regionen auf ihre Erschließung. Dennoch wird nur
ein Bruchteil des heimischen Energiepotenzials ausgeschöpft. Wertschöpfung
und Arbeitsplätze im Energiesektor werden zu großen Teilen in ferne Erdteile
exportiert. Es ist unbedingt sicherzustellen, dass der sich abzeichnende Zu-
kunftsmarkt für Bioenergien frühzeitig von der deutschen Wirtschaft in ganzer
Breite angenommen wird.
Hierzu ist es unerlässlich, die Forschung und Entwicklung im Bereich der Bio-
energien zielgerichtet zu koordinieren und konzentriert zu fördern. Aussichts-
reiche Forschungsvorhaben wie die Gewinnung von biogenen Treibstoffen aus
Holz in Freiberg in Sachsen oder aus Klärschlamm, wie in Füssen im Allgäu,
sind voranzutreiben – viele weitere sinnvolle Forschungsansätze sind umge-
hend auf den Weg zu bringen.
Der wirtschaftliche Nutzen der Bioenergieforschung wird von der Bundesregie-
rung offensichtlich unterbewertet, es werden Fördermittel entzogen und die
bundesweite Forschung zum forcierten Einsatz heimischer, erneuerbarer Ener-
gieträger ist unübersichtlich und entspricht nur in Einzelbereichen international
führendem Standard.

Drucksache 15/2208 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Zielsetzung, Bedeutung, Chancen
1. Bekennt sich die Bundesregierung – wie ihre Vorgängerin unter Bundes-

kanzler Dr. Helmut Kohl – unverändert zu den Zielsetzungen des EU-Weiß-
buchs „Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger – Weißbuch für
eine Gemeinschaftsstrategie und Aktionsplan“ (Ratsdokument 5140/98) und
damit zur europaweiten Verdoppelung des Beitrags regenerativer Energien
am Gesamtprimärenergieverbrauch bis 2010 gegenüber dem europaweiten
Stand von 6 % des Jahres 1995?

2. Welche aktuelle Rangfolge bezüglich der Anteile regenerativer Energieträ-
ger am Gesamtprimärenergieverbrauch ergibt sich im Vergleich der EU-Mit-
gliedstaaten?

3. Welchen Zuwachs regenerativer Energieträger am Primärenergieverbrauch
bis 2010 strebt die Bundesregierung als angemessenen, solidarischen Bei-
trag der Bundesrepublik Deutschland zur Umsetzung der Zielsetzungen des
EU-Weißbuchs „Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger“ an?

4. Wie hoch sind gegenwärtig die einzelnen Anteile von Bioenergie, Wasser-
und Windkraft, Sonnenenergie und Geothermie (in GWh und %-Anteilen)
am Gesamtanteil der regenerativen Energien zur Primärenergiebereitstel-
lung, und mit welchen Anteilen der einzelnen regenerativen Energien rech-
net die Bundesregierung in 2010 (in GWh und %-Anteilen)?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die mittelfristigen Markt- und Export-
chancen für
a) biogene Brenn- und Kraftstoffe,
b) Bioenergien und
c) moderne Techniken zur Erzeugung, Aufbereitung und Verwertung für

feste, flüssige und gasförmige Bioenergieträger?
II. Forschungsbedarf
6. Welchen kurz- und mittelfristigen Forschungsbedarf im Bereich der Bio-

energie sieht die Bundesregierung mit Blick auf die energiepolitischen Ziel-
setzungen und die wirtschaftliche Bedeutung der Bioenergie bei
a) der Wärmenutzung,
b) der Treibstoffbereitstellung und
c) der Stromerzeugung?

7. Welche Priorität und welchen sich daraus ergebenden konkreten Handlungs-
bedarf erkennt die Bundesregierung nachfolgenden Forschungsfeldern zu:
a) Optimierung landbaulicher Methoden zur Erzeugung von Energiepflan-

zen,
b) Prüfung der Chancen und Risiken der Gentechnik beim Anbau von Ener-

giepflanzen,
c) Einbringung von Naturschutzinteressen bei der Produktion von Bio-

energieträgern,
d) Minderung der Methanemissionen durch verstärkte energetische Biogas-

nutzung,
e) Entwicklung eines standardisierten Biomasseheizstoffs für den Haus-

brand,
f) Produktion und Nutzung von Schwachgas aus fester Biomasse,
g) Bereitstellung biogener Treibstoffe,
h) Förderung dezentraler Energieversorgung über Kleinkraftwerke?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2208

8. Mit welchen Forschungsvorhaben wird die Bundesregierung die energe-
tische Verwertung des enormen Potenzials kommunaler, biogener Rest-
stoffe, das ab 2005 nicht mehr deponiert werden darf, unterstützen?

9. Wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode wissenschaft-
lich fundierte Untersuchungsergebnisse über volkswirtschaftlichen Nutzen
und reale Umsetzungschancen möglicher künftiger Förderinstrumente zur
breiten Markteinführung der Bioenergie (z. B. EE-Wärmegesetz, Treib-
stoffrichtlinie) vorlegen?

III. Forschungsförderung
10. Wie hoch ist der Gesamtmittelansatz der Bundesregierung im Haushalt

2004 zur Forschungsförderung im Bereich der Bioenergie, und auf welche
Bundesministerien in jeweils welchem Umfang verteilen sich diese For-
schungsgelder?

11. Welche Bioenergie-Forschungsvorhaben des Bundes im Jahr 2004 bewer-
tet die Bundesregierung als besonders wichtige Forschungsschwerpunkte?

12. Welche Bundesministerien finanzieren mit welchen Beträgen diese For-
schungsschwerpunkte?

13. Welche Kriterien sind für die Bundesregierung maßgebend zur Beurteilung
der Eignung einer Forschungseinrichtung für die Vergabe von Forschungs-
aufträgen?

14. In welchem Verhältnis steht die Bereitstellung von Förderungsmitteln für
die Grundlagenforschung zur finanziellen Förderung der projektbezogenen
Forschung bei Vorhaben im Bioenergiesektor?

15. Prüft und bewertet die Bundesregierung die praktische Umsetzung und den
realen Nutzen von Forschungsergebnissen, und stehen diese Erkenntnisse
Dritten zur Verfügung?

16. Wie hoch waren die Haushaltsansätze der Bundesregierung für die Bio-
energieforschung von 2000 bis 2004, und wie begründet die Bundesregie-
rung die Veränderungen?

17. Welchen finanziellen Förderungsrahmen für die Bioenergieforschung er-
wägt die Bundesregierung für die Jahre 2005 und 2006, und wie begründet
die Bundesregierung diese Planungen?

IV. Forschungskooperation und Ausbildung
18. An welchen laufenden Bioenergieforschungsvorhaben auf EU-Ebene

beteiligt sich die Bundesregierung, und welche weiteren EU-Forschungs-
vorhaben mit deutscher Beteiligung zur Förderung der Bioenergie sind
bis 2006 geplant?

19. Welche Forschungsvorhaben zur Förderung der Nutzung von Bioenergie
werden von Bund und Ländern gemeinsam getragen?

20. Hält die Bundesregierung – in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und
der Wirtschaft – die Einrichtung nationaler Zentren zur Registrierung, Be-
wertung und Vermittlung von Forschungsergebnissen aus den Bereichen
a) Wärmerzeugung und -nutzung aus heimischen, erneuerbaren Energie-

trägern,
b) Bereitstellung umweltfreundlicher, biogener Treibstoffe,
c) Produktion und Verteilung von Strom aus regenerativen Energiequellen
für sinnvoll?

Drucksache 15/2208 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
21. Welche Maßnahmen und Aktionen wird die Bundesregierung initiieren, um
folgende Defizite abzubauen:
– mangelnde Vernetzung der Bioenergieforschung zwischen Wirtschaft

und Wissenschaft,
– fehlende Lehrstühle für Bioenergiebereiche an Hochschulen,
– zögerliche Schaffung neuer, bioenergiebezogener Berufsbilder,
– ungenügende Aufklärung über Vorteile der regenerativen Energien in

Schulen,
– übermäßige Bürokratisierung im Vorfeld von Forschungsvorhaben,
– realitätsferne Vorbehalte gegenüber Bioenergien in Genehmigungsbe-

hörden?

Berlin, den 9. Dezember 2003
Helmut Lamp
Katherina Reiche
Thomas Rachel
Dr. Maria Böhmer
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Helge Braun
Vera Dominke
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Volker Kauder
Michael Kretschmer
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Uwe Schummer
Marion Seib
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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