BT-Drucksache 15/2201

EU-Emissionshandel

Vom 9. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2201
15. Wahlperiode 09. 12. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, Veronika Bellmann, Dr. Rolf
Bietmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Cajus Caesar, Albert Deß, Alexander
Dobrindt, Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Dr. Michael Fuchs,
Georg Girisch, Dr. Reinhard Göhner, Tanja Gönner, Josef Göppel, Kurt-Dieter Grill,
Robert Hochbaum, Ernst Hinsken, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues,
Doris Meyer (Tapfheim), Wolfgang Meckelburg, Friedrich Merz, Laurenz Meyer
(Hamm), Franz Obermeier, Dr. Joachim Pfeiffer, Ulrich Petzold, Hans-Peter Repnik,
Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Hartmut Schauerte, Johannes Singhammer,
Max Straubinger, Werner Wittlich und der Fraktion der CDU/CSU

EU-Emissionshandel

Im Kyoto-Protokoll hat sich die Europäische Union dazu verpflichtet, ihre
Treibhausgasemissionen bezogen auf das Basisjahr 1990 um 8 Prozent bis
2012 zu senken. Deutschland allein hat sich dazu verpflichtet, eine Reduktion
von 21 Prozent zwischen 1990 und 2012 vorzunehmen.
Mit der Einführung des Emissionshandels unternimmt die Europäische Union
den Versuch, im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen, ihre Verpflichtun-
gen aus dem Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz gerecht zu werden. Grundidee
des Emissionshandels ist es, dass jeder Verursacher von Emissionen nur die
Menge an Schadstoffen in einer Periode freisetzen darf, wie er dafür an Emis-
sionsrechten besitzt. Dem Emittenten steht es nun frei, ob er die maximale
Menge an Schadstoffen freisetzt oder aber versucht die Schadstoffmenge zu
verringern. Dies kann durch Einsparungen oder technische Innovationen ge-
schehen, wie zum Beispiel durch eine Veränderung der Einsatzstoffe, die Instal-
lation von Filtern oder eine Verbesserung der Produktionsverfahren. Gelingt
ihm eine Reduzierung der Emissionen, besitzt er überschüssige Emissions-
rechte. Diese kann er nun an andere Emittenten weiterverkaufen, für die eine
Verhaltensänderung höhere Kosten verursacht als der Erwerb zusätzlicher
Emissionsrechte. Es bildet sich ein Markt, auf dem die Emissionsrechte gehan-
delt werden können.
Der Emissionshandel soll zum 1. Januar 2005 starten. Die erste Phase umfasst
den Zeitraum von 2005 bis 2007, die zweite Phase den Zeitraum von 2008 bis
2012. Die Umsetzung des Emissionshandels auf nationaler Ebene erfolgt im
Wesentlichen im Rahmen des Nationalen Allokationsplans, der die Alloka-
tionsregeln und -kriterien für die Emissionsrechte festlegt. Der Nationale Allo-
kationsplan ist bereits bis zum 31. März 2004 der Europäischen Kommission
vorzulegen.

Drucksache 15/2201 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was genau versteht die Bundesregierung unter der Aussage des Bundesmi-

nisters für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, „dass
der Gesetzgeber über die wesentlichen Regeln […] bei der Verteilung der
Emissionsrechte entscheidet […]“, die er am 13. November 2003 bei seiner
Kurzintervention im Rahmen der ersten Lesung des Antrages der Fraktion
der CDU/CSU „Nationalen Allokationsplan als Parlamentsgesetz gestalten“
(Bundestagsdrucksache 15/1791), gemacht hat (Plenarprotokoll 15/75,
S. 6429 A)?

2. Wie ist der Stand bei der Erhebung der für den Emissionshandel relevanten
Daten?
Welcher Zeitraum steht den betroffenen Unternehmen zur Datenerhebung
zur Verfügung?
Ist es aus Sicht der Bundesregierung notwendig, diese Fristen gegebenen-
falls zu verlängern?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die erhobenen Daten?
Bilden diese aus Sicht der Bundesregierung eine ausreichende Basis für die
Zuteilung der Emissionsrechte?
Wenn ja, warum?

4. Wird der Nationale Allokationsplan für den Teil, der die Regeln der Alloka-
tion festlegt, zustimmungsbedürftig durch den Deutschen Bundestag?
Wenn ja, in welchem Rahmen wird dies erfolgen?

5. Wird die Bundesregierung bis zum 31. März 2004 trotz des sehr engen Zeit-
rahmens endgültige Daten für den Nationalen Allokationsplan nach Brüssel
senden können?
Wie wird mit nachträglichen Änderungen der Datenbasis durch zu spät ein-
gehende Datenmeldungen der Betreiber umgegangen?

6. Ist eine gleichförmige Datenerhebung bezüglich aller betroffenen Anlagen-
typen durch die Bundesländer gewährleistet?
Wenn nein, welche Unterschiede gibt es im Vollzug der einzelnen Bundes-
länder?
Wie will die Bundesregierung diesem Problem angesichts des sehr engen
Zeitrahmens für die Erstellung des Nationalen Allokationsplans abhelfen?

7. Welcher Rechtsschutz wird gegen Entscheidungen, die auf dem Nationalen
Allokationsplan beruhen, gegeben sein?
Sieht die Bundesregierung ein rechtsstaatliches Defizit darin, dass die Daten-
erhebung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem es keine Rechtsgrundlage gibt?

8. Stimmt es, dass die Bundesregierung mit der Europäischen Kommission
Verhandlungen über den Anlagenbegriff nach der Richtlinie 2003/87/EG
führt? Weicht der gegenwärtig von der Bundesregierung verwendete Anla-
genbegriff von dem Anlagenbegriff der Europäischen Kommission ab?
Wenn ja, welche Unterschiede gibt es?
Wie will die Bundesregierung zu einer Einigung mit der Europäischen Kom-
mission über den Anlagenbegriff kommen?

9. Welcher Rechtsschutz wird gegen Entscheidungen, die auf dem Nationalen
Allokationsplan beruhen, gegeben sein?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2201

10. Wie wird die Kompatibilität des Emissionshandels zur nationalen Gesetz-
gebung gewährleistet?

11. Sind die nationalen Gesetze, wie das Erneubare-Energien-Gesetz (EEG),
das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG), das Bundes-Immissions-
schutzgesetz (BImSchG) und die Ökosteuer mit dem Emissionshandelssys-
tem vereinbar?
Wenn ja, warum und in welcher Form?

12. Ergeben sich dadurch Deregulierungspotenziale?
Wenn ja, inwieweit werden diese genutzt?

13. Ist die erste Phase von 2005 bis 2007 als Testphase vorgesehen?
Wenn ja, mit welchen Konsequenzen wäre das verbunden?

14. Welche Vorstellungen zum Emissionshandel hat die Bundesregierung für
die Zeit nach 2012?

15. Kann die Bundesregierung garantieren, dass es verlässliche Regeln sowohl
in der Einführungsphase als auch nach 2012 gibt, um die Planungssicher-
heit der Wirtschaft sicherzustellen?

16. Inwieweit wirkt sich ein CO2-Anstieg in den Makro-Sektoren Verkehr undHaushalt auf die Menge der zu verteilenden Emissionsrechte aus?
Welche Auswirkungen hätte dieser Anstieg insbesondere für die am Emis-
sionshandel beteiligten Unternehmen?

17. Mit welchem bürokratischen Mehraufwand und mit welchen Mehrkosten
rechnet die Bundesregierung für die am Emissionshandel teilnehmenden
Unternehmen?

18. Welcher bürokratische Mehraufwand und welche Mehrkosten entstehen
durch den Emissionshandel für die Bundesrepublik Deutschland?

19. Wie bereitet die Bundesregierung Unternehmen auf den Emissionshandel
vor?

20. Werden für kleine und mittelständische Unternehmen Hilfestellungen ge-
geben?
Wenn ja, wie?

21. Wie wird sichergestellt, dass durch den Emissionshandel Wirtschafts-
wachstum nicht behindert wird?

22. Wie werden durch mögliches Wirtschaftswachstum zusätzlich entstehende
Emissionen berücksichtigt, und ist dafür ein Rechtepool oder eine Reserve
vorgesehen?
Wie groß soll die Reserve schätzungsweise werden?

23. Wie werden durch den geplanten Ausstieg aus der Kernenergie zusätzlich
entstehende Emissionen berücksichtigt, und ist dafür ein Rechtepool oder
eine Reserve vorgesehen?
Wie groß soll die Reserve schätzungsweise werden?

24. Welche Behörde ist als zuständige Behörde im Sinne des Referentenent-
wurfs des Treibhausgas-Emissionshandelgesetzes (TEHG) vorgesehen?
Welcher Personalbedarf wird für diese veranschlagt?
Sind die voraussichtlichen Kosten hierfür bereits in die Haushaltspläne ein-
gestellt?

Drucksache 15/2201 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
25. Werden Rechtepool oder Reserve aus dem nationalen Budget gespeist oder
plant die Bundesregierung den Zukauf weiterer Emissionsrechte?

26. Wie und wo sollen die Emissionsrechte gehandelt werden?
27. Werden die Emissionsrechte als Wertpapiere deklariert?

Wenn ja, welche Auswirkungen hat dies auf die rechtliche Ausgestaltung
des Handelssystems?

28. Auf welchen Erwägungen beruht die Zuteilungsentscheidung der Emis-
sionsrechte?

29. Ist eine Überführung von Emissionsrechten von der ersten in die zweite
Phase des Emissionshandels möglich?
Wenn ja, welche Auswirkungen wird dies auf die Menge der zu verteilen-
den Emissionsrechte in der zweiten Phase haben?

30. Wird es möglich sein, dass Anlagenbetreiber ihre Emissionsrechte gemein-
sam einem Treuhänder übergeben?

31. Wie werden die Emissionsrechte bei Anlagenzusammenführungen behan-
delt?

32. Welche Regelung ist für Ersatzinvestitionen vorgesehen?
33. Was geschieht mit den Emissionsrechten stillgelegter Anlagen?
34. Wie beurteilt die Bundesregierung die projektbezogenen Mechanismen

Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI)?
35. Wie beurteilt die Bundesregierung die quantitative Begrenzung bis zu einer

Höchstgrenze von 6 Prozent – nach einer Prüfung bis maximal 8 Prozent –
beim Umtausch der aus CDM und JI gewonnenen Emissionseinsparungen
in Emissionsrechte nach dem Emissionshandelssystem?

36. Welche Auswirkungen hat es auf den Emissionshandel, wenn Russland,
wie es der Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Andrej
Illarionow, am 2. Dezember 2003 angekündigt hat, das Kyoto-Protokoll
nicht ratifiziert, und es damit nicht in Kraft treten kann?

37. Welche Auswirkungen hat die EU-Osterweiterung auf den Emissionshan-
del, auch vor dem Hintergrund des möglichen Scheiterns des Kyoto-Proto-
kolls?

38. Welche Auswirkungen wird der Emissionshandel, nach Einschätzung der
Bundesregierung, auf den Strompreis für welche Verbraucher (in absoluten
bzw. relativen Zahlen) im Jahr 2005, 2008 und nach 2012 haben, und aus
welchen rechtlichen und volkswirtschaftlichen Zusammenhängen resultie-
ren diese Auswirkungen (auch ungeachtet genauer finanzieller Schätzun-
gen)?

Berlin, den 8. Dezember 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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