BT-Drucksache 15/2161

Perspektiven schaffen für das Jahr der Technik 2004

Vom 9. Dezember 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2161
15. Wahlperiode 09. 12. 2003

Antrag
der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer,
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner, Helge Braun, Vera
Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Helmut Heiderich, Volker Kauder,
Michael Kretschmer, Helmut Lamp, Werner Lensing, Dr. Martin Mayer
(Siegertsbrunn), Laurenz Meyer (Hamm), Uwe Schummer, Marion Seib und
der Fraktion der CDU/CSU

Perspektiven schaffen für das Jahr der Technik 2004

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Forschungsstandort Deutschland braucht eine neue Initialzündung für
mehr Innovation. Deshalb ist jede Maßnahme zu begrüßen, die dazu beiträgt,
ein technik- und forschungsfreundliches Klima in Deutschland zu fördern. Das
Jahr der Technik 2004 bietet hervorragende Chancen, um die Akzeptanz von
Forschung und Technik in Deutschland zu stärken. Gefragt ist allerdings in ers-
ter Linie eine aktive Förderpolitik der Bundesregierung mit Substanz. Für den
Technik- und Forschungsstandort Deutschland ist es kontraproduktiv, wenn die
Vermarktung einer Idee wichtiger als die Inhalte selbst ist.
Seit Ende der 90er Jahre ist Deutschland in Forschung und Entwicklung im in-
ternationalen Vergleich zurückgefallen. Heute setzen andere Länder die Maß-
stäbe. So hat etwa Schweden seine Forschungsausgaben von 2000 bis 2002 um
30 Prozent erhöht. Mit 2,5 Prozent Anteil der Forschungsausgaben am Brutto-
inlandsprodukt (BIP) lag Deutschland 2002 weltweit auf Platz sieben, Schwe-
den mit 3,9 Prozent auf Platz eins.
Deutschland besitzt nach wie vor ein großes, aber von der Bundesregierung un-
genutztes, Innovationspotential. Nötig ist ein Dreiklang, der eine Anhebung der
staatlichen Forschungsausgaben, die Erhöhung der Anreize für die Wissen-
schaft zur Kooperation mit der Wirtschaft und schließlich eine Verbesserung
der Fähigkeit der Unternehmen für Innovationen einschließt. Nur so kann
Deutschland seinen Beitrag dazu leisten, Europa bis zum Jahr 2010 zum dyna-
mischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.
Mindestens 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU sollen dann in For-
schung und Entwicklung fließen.
Der Forschungsstandort Deutschland braucht mehr Freiheit, großzügigere Rah-
menbedingungen und weniger Hemmnisse. Zur Stärkung von Unternehmen,
die in Forschung und Entwicklung investieren, brauchen wir eine neue Innova-
tionskultur. Langfristig erfolgreich sein können nur die Unternehmen, die ihr
Produktspektrum schneller erneuern als andere. Nicht allein durch verbesserte,
sondern durch neuartige Produkte eröffnet man neue Märkte. Für ein
Hochlohnland wie Deutschland gibt es dazu keine Alternative.

Drucksache 15/2161 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zum Teil werden Forschergeist und Forscherelan jedoch geradezu gehindert,
sich zu entfalten. Das de facto Moratorium der grünen Gentechnik oder die
Blockade bei der Umsetzung der Biopatentrichtlinie wirken sich ebenso
lähmend auf die bio- und gentechnologische Forschung aus wie der ungelöste
Streit zwischen dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft auf der einen Seite und dem Forschungs- und dem Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung über das vorgelegte Gentechnikgesetz
auf der anderen Seite. Die Fusionsforschung und die Luft- und Raumfahrt-
forschung wird aus ideologischen Gründen ausgebremst.
Die Bundesregierung hat für ein erfolgreiches Jahr der Technik 2004 die fal-
schen Weichen gestellt. Die Ausgaben des Einzelplans 30 „Bildung und For-
schung“ sinken im Haushaltsjahr 2004 um mehr als 100 Mio. Euro gegenüber
2003. Vom auf dem EU-Gipfel von Barcelona im Jahre 2002 formulierten Ziel,
den Anteil von FuE (Forschung und Entwicklung) am Inlandsprodukt bis zum
Jahr 2010 auf 3 Prozent zu heben, entfernt sich Deutschland von Jahr zu Jahr.
Die Forschungspolitik wird vernachlässigt. Darunter hat insbesondere die Pro-
jektforschung zu leiden. Kürzungen bei der Projektforschung sind auch deshalb
problematisch, weil gerade die projektbezogene Förderung eine bestmögliche
Kostenkontrolle garantiert und es der Wirtschaft überhaupt erst ermöglicht, an
der Forschungsförderung teilzunehmen. Die Zusammenarbeit von Wissen-
schaft und Industrie ist notwendig wegen der Optimierung späterer Anwendun-
gen.
Besonderes Augenmerk muss der Stärkung der kleinen und mittelständischen
Unternehmen (KMU) gelten. Durch im Wettbewerb vergebene Projektförde-
rung wirken gerade diese Unternehmen als Innovationstreiber. Tatsache ist je-
doch, dass von 2002 auf 2003 die Projektforschung um 4,3 Prozent und von
2003 auf 2004 nochmals um 8,2 Prozent gekürzt wurde. Die nationale Genom-
forschung, Nanoelektronik, Nanomaterialien, optische Technologien, Produk-
tionssysteme und Produktionstechnologien werden mit empfindlichen Kürzun-
gen überzogen.
Negativ wirken sich auf den Technik- und Forschungsstandort Deutschland
auch die Kürzungen der Bundesregierung beim Hochschulbau aus. Mit 135
Mio. Euro erfährt der Hochschulbau im Jahre 2004 einen besonders drastischen
Rückgang. Es droht die Gefahr des Stillstands. Die Drittmittelfähigkeit insbe-
sondere der Hochschulen in den neuen Ländern gerät in Gefahr.
Diese von der Bundesregierung zu verantwortenden Fakten passen nicht mit
dem Regierungsvorhaben Jahr der Technik 2004 zusammen. Die Perspektive
für das kommende Jahr muss mehr sein als gefällige Internetauftritte der Bun-
desregierung, rollende Technik-Trucks und öffentlichkeitswirksame Zentral-
veranstaltungen. Gefragt sind Maßnahmen mit Substanz, um die richtige Wei-
chenstellung für das Jahr der Technik 2004 zu treffen.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
l Abschluss einer Allianz zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft mit

dem Ziel, die Ausgaben in der Bundesrepublik Deutschland für Forschung
und Entwicklung bis zum Jahr 2010 an 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes
anzunähern.

l Umorientierung der Haushaltspolitik hin zu einer stärkeren Technik- und
Innovationsfreundlichkeit.

l Die Mittel für den Hochschulbau dürfen nicht weiter gekürzt werden.
l Eine nationale Biotechnologiestrategie für den Zeitraum bis 2010 ist vorzu-

legen, wie sie von den EU-Regierungschefs 2002 in Barcelona beschlossen
wurde.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2161

l Die Forschung in besonders relevanten, strategisch wichtigen Forschungs-
feldern ist zu verstärken. Schlüssel- und Querschnittstechnologien sind kon-
sequent zu fördern, wie Biotechnologie, Nanotechnologie, optische Techno-
logien, Elektronik und Chiptechnologien, neue Materialien und Werkstoffe
und technologieorientierte, moderne Dienstleistungen und Produktionssys-
teme. Auch hierzu sind nationale Strategien vorzulegen.

l Innovationspolitische Leitvisionen und Innovationsstrategien sind im Dialog
von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu entwickeln. So können Zu-
kunftsthemen gesellschaftlich verankert und die Handlungsbereitschaft der
einzelnen Akteure erhöht werden.

l Die Grundlagenforschung ist zu stärken. Zukünftige Innovationen brauchen
exzellente Basiswissenschaften.

l Es müssen mehr private Mittel für die Forschung mobilisiert werden. Wir
brauchen in Zukunft deutlich mehr Public-Private Partnership in Wissen-
schaft und Forschung.

l Die Forschungseinrichtungen müssen beim Personalmanagement und bei
Investitionsentscheidungen durch Flexibilisierung der haushalts- und perso-
nalrechtlichen Instrumente mehr Autonomie erhalten.

l Die Ressortforschung des Bundes muss stärkeren Wettbewerbselementen
unterzogen werden.

l Die Forschungslandschaft muss stärker themenbezogen vernetzt werden und
der Aufbau von Kompetenznetzwerken muss stärker gefördert werden durch
mehr Anreize zur Zusammenarbeit unter den Hochschulen und mit der Wirt-
schaft.

l Stärkung der internationalen Zusammenarbeit. Ausgestaltung des europäi-
schen Forschungsraumes und Abbau von innereuropäischen Kooperations-
und Mobilitätshemmnissen.

l Die Gesetzgebung in Bezug auf Technologien (z. B. Gentechnik, EU-Che-
mikalienpolitik) muss innovationsfreundlich ausgestaltet werden. Überholte
Regulierungen müssen fallen. Voraussetzung für Innovationen ist Rechts-
sicherheit.

l Bei der Weiterentwicklung des Patentrechts steht insbesondere die Umset-
zung der EU-Biopatentrichtlinie an.

l Die Situation für technologieorientierte Unternehmensgründungen ist zu
verbessern und die Innovationskraft des Mittelstandes ist zu stärken. Dabei
geht es vor allem um die Ausräumung von Finanzierungsproblemen, Ver-
besserung der Bedingungen für Beteiligungskapital, breitenwirksame staat-
liche Förderprogramme, engere Anbindung der kleineren und mittleren Un-
ternehmen an die Hochschulen und Vermittlung von Grundkenntnissen des
gewerblichen Rechtsschutzes, der Mechanismen des Technologietransfers
und der Unternehmensleitung.

Berlin, den 9. Dezember 2003
Katherina Reiche
Thomas Rachel
Dr. Maria Böhmer
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Helge Braun
Vera Dominke
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Helmut Heiderich

Volker Kauder
Michael Kretschmer
Helmut Lamp
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Laurenz Meyer (Hamm)
Uwe Schummer
Marion Seib
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.