BT-Drucksache 15/2096

Äußerungen der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu den Kosten der gentechnisch veränderten Reissorte "Golden Rice"

Vom 25. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2096
15. Wahlperiode 25. 11. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Helga Daub, Ulrike Flach, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit Homburger,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Eberhard Otto (Godern), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Carl-Ludwig
Thiele, Jürgen Türk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Äußerungen der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft zu den Kosten der gentechnisch veränderten Reissorte
„Golden Rice“

In der Debatte des Deutschen Bundestages zum Antrag der Fraktion der CDU/
CSU „Verantwortung für die Sicherung der Welternährung übernehmen –
Chancen der grünen Gentechnik nutzen“ (Bundestagsdrucksache 15/1216) am
23. Oktober 2003 wurde der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, Renate Künast, die Frage aus dem Plenum gestellt:
„Ist der [Vitamin-A-haltige Reis] teurer?“ Die für die grüne Gentechnik feder-
führend zuständige Bundesministerin antwortete: „Er ist teurer, weil man das
dazu passende Herbizid braucht und weil die Menschen dort kein Nachbaurecht
haben.“ Auf den Einwurf des Abgeordneten Peter H. Carstensen, dass diese
Aussage falsch sei, hat die Bundesministerin ihre Aussage zweimal wiederholt
(Plenarprotokoll 15/69, S. 5907 bis 5911).
Im Widerspruch zu diesen Äußerungen der Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, stehen verschiedene
Berichte. Bereits seit mehreren Jahren wird in der Fachpresse und wurde zu
Beginn des Jahres 2001 auch in überregionalen deutschen Zeitungen ausführ-
lich über die Entwicklung einer Vitamin-A-haltigen Reissorte unter dem Stich-
wort „Golden Rice“ berichtet. Der Biologe Prof. Ingo Potrykus und sein Kol-
lege Prof. Peter Beyer haben diese transgene Reissorte entwickelt, die Beta-
carotin, eine Vorstufe von Vitamin A, produziert. Diese Sorte wurde Anfang
2001 dem gemeinnützig arbeitenden International Rice Research Institute
(IRRI) zur weiteren Entwicklung übergeben. Zuvor haben zahlreiche Unter-
nehmen und Wissenschaftler, die an der Entwicklung der Sorte beteiligt waren,
auf ihre Patentrechte verzichtet. Beyer und Potrykus haben inzwischen den
Golden Rice an weitere öffentliche Forschungsinstitutionen in China, Vietnam,
Indien, Indonesien und Südafrika übergeben. Dort sollen die Gene, die für die
Produktion von Betacarotin verantwortlich sind, in Reissorten eingekreuzt wer-
den, die in Afrika und Asien angebaut werden.
Nach jetzigem Kenntnisstand könnte der „Golden Rice“ in etwa 3 bis 4 Jahren
für den Anbau in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen.

Drucksache 15/2096 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Die Mitglieder des „Humanitarian Golden Rice Board“, unter der Präsident-
schaft von Prof. Dr. Ingo Potrykus, haben sich seit Beginn der Forschungsar-
beiten dafür eingesetzt, dass die Technologie für den „Golden Rice“ Landwir-
ten in den Entwicklungsländern, die weniger als 10 000 Dollar im Jahr verdie-
nen, kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Bereits vor der Übergabe der Reis-
sorte an das IRRI haben die beteiligten Firmen ihre Ansprüche aufgegeben und
damit den lizenzfreien Nachbau ermöglicht. Für den Anbau von „Golden Rice“
ist kein spezielles Herbizid erforderlich.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf Grund welcher wissenschaftlich abgesicherten Informationen soll für

den Anbau von „Golden Rice“ die Verwendung spezieller Herbizide er-
forderlich sein, obwohl der „Golden Rice“ keine Herbizidtoleranz gegen-
über einem Herbizid besitzt?

2. Welche Unternehmen und Wissenschaftler beabsichtigen nach Kenntnis der
Bundesregierung Gebühren für den Nachbau des „Golden Rice“ zu ver-
langen, so wie dies die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft, Renate Künast, in der Plenardebatte vom 23. Oktober
2003 behauptet hat (Plenarprotokoll 15/69, S. 5909 B)?

3. Auf Grund welcher Informationen widerspricht die Bundesregierung den
Aussagen beteiligter Wissenschaftler wie auch zahlreichen Medienberich-
ten, wonach die beteiligten Patente freigegeben wurden und keine Lizenz-
gebühren gezahlt werden müssen?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Übergabe des von
den beiden Professoren Ingo Potrykus und Peter Beyer entwickelten
„Golden Rice“ an öffentliche Forschungsinstitute in Entwicklungsländern
Möglichkeiten eröffnet, dass Menschen in diesen Ländern sich und ihre
Kinder durch den Anbau dieser Sorten, deren Nachbau kostenfrei ist, vor
Erblindung und Vitamin-A-Mangelerkrankungen schützen, und wenn nein,
warum nicht?

5. Wie bewertet die Bundesregierung das Engagement der Wissenschaftler
Peter Beyer und Ingo Potrykus für die Verbesserung der Ernährungssituation
armer Menschen in den Entwicklungsländern?

6. Wie bewertet die Bundesregierung das freiwillige Engagement der Wirt-
schaft im Zusammenhang mit dem „Golden Rice“ und den damit verbunde-
nen möglichen Beitrag zur Verbesserung der Ernährungssicherung in Ent-
wicklungsländern?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Dr. Patrick Moore, dem
ehemaligen Direktor von Greenpeace International, dass transgene Pflanzen
im Vergleich zu den weitgehend hypothetischen Risiken sehr viele reale
Vorteile bieten wie die Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmit-
teln und die Verminderung der Landmenge, die für die Nahrungsmittelpro-
duktion erforderlich ist, und dass es dumm wäre, sie vom Acker zu verban-
nen, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 25. November 2003
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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