BT-Drucksache 15/2085

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/1206, 15/2083- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer hand-werksrechtlicher Vorschriften

Vom 25. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2085
15. Wahlperiode 25. 11. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dirk Niebel, Dr. Hermann Otto Solms,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/1206, 15/2083 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung
und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die FDP-Bundestagsfraktion will einen Durchbruch zu einer moderneren,
durchlässigeren und dynamischeren Handwerksordnung. Existenzgründungen
müssen erleichtert, die Ausbildungsleistung gestärkt und Bürokratie abgebaut
werden. Hemmnisse und starre Vorgaben müssen im Interesse eines dynami-
schen und wettbewerbsfähigen Sektors beseitigt bzw. flexibilisiert werden.
Die FDP-Bundestagsfraktion will die mittelständischen Strukturen in der deut-
schen Wirtschaft zukunftsfest machen. Für uns ist der Mittelstand nämlich
mehr als eine betriebswirtschaftliche Organisationsform. Mittelstand ist eine
Geisteshaltung, die Freiheit und Eigenverantwortung verkörpert. Deshalb wol-
len wir das Handwerk als leistungsfähigen Wirtschaftsbereich im Interesse
eines lebendigen deutschen Mittelstandes stärken.
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine andere Gesellschaft. Den
Regierungsparteien geht es weniger um eine Modernisierung der Handwerks-
ordnung als um eine Zerstörung der mittelständischen Strukturen. Doch die
Unternehmenslandschaft der Zukunft darf nicht allein durch subventionierte
„Ich-AGs“ auf der einen Seite und mächtige Konzerne auf der anderen Seite ge-
prägt werden. Bei beiden ist der Staatseinfluss größer als bei mittelständischen
Betrieben. Eine Ausdehnung des Zugriffs durch Staat und Gewerkschaften auf
die Unternehmen kann nicht das Ziel liberaler Politik sein. Eine Handwerksord-
nung für die Zukunft ist eine Handwerksordnung für stabile wirtschaftliche
Strukturen, insbesondere mit Blick auf Ausbildung und Arbeitsplätze.

Drucksache 15/2085 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir wollen die Handwerksordnung reformieren.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l die Durchlässigkeit zwischen Handwerksberufen mit obligatorischem Meis-

terbrief (sog. Anlage A) und handwerksähnlichen Berufen (sog. Anlage B)
in beide Richtungen zu erhöhen;

l als Kriterium für eine Zuordnung von Handwerksberufen in die Anlage A
neben der Gefahrgeneigtheit die Ausbildungsleistung zu berücksichtigen.
Eine moderne Gesetzgebung sollte eine Zweckbestimmung haben. Zweck
einer Novelle der Handwerksordnung sollte es auch sein, die gesamtwirt-
schaftliche Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften zu unterstützen
und ein hohes Qualifikationsniveau als gesamtgesellschaftliche Herausfor-
derung zu definieren. Um eine entsprechende Ausbildungsleistung nachzu-
weisen, sollte die Ausbildungsquote des Gewerbes 50 Prozent höher liegen
als die Durchschnittsquote in der Gesamtwirtschaft. Das muss für einen
bestimmten Zeitraum gelten, zum Beispiel zwei oder drei aufeinander fol-
gende Jahre;

l das Inhaberprinzip abzuschaffen. Die Diskriminierung der Personengesell-
schaften muss beendet werden. Mit der Aufhebung des Inhaberprinzips wird
Rechtsformneutralität gewährleistet. Gleichzeitig wird die Existenzgrün-
dung ohne Meisterbrief erleichtert;

l gleichwertige Qualifikationen erleichtert anzuerkennen. Fachabschlüsse aus
anderen Bereichen, wie Techniker, Industriemeister und Ingenieure müssen
auch ohne großen Prüfungsaufwand als Voraussetzung für Existenzgründun-
gen in zulassungsbeschränkten Berufsfeldern gültig sein. Das darf allerdings
keine Einbahnstraße sein. Auch der Meisterabschluss muss deshalb stärker
als Zugangsweg in andere Wirtschaftsbereiche anerkannt werden. Das würde
die Attraktivität dieser Qualifikation noch einmal erhöhen;

l für eine großzügigere Anerkennung der Ausnahmeregelungen von der
Handwerksordnung (§ 8 Abs. 1) unter Beachtung von Qualifikationen zu
sorgen. Hier ist aber auch die Flexibilität der Handwerkskammern vor Ort
gefragt, die letztlich die Zustimmung zur Anerkennung geben müssen. Im
eignen Interesse scheint eine weniger restriktive Auslegung der Ausnahmen
angebracht;

l den kostengünstigeren und unbürokratischeren Erwerb des Meisterbriefs zu
ermöglichen. Für Unternehmen der Anlage B sollte ein (freiwilliger) kleiner
Befähigungsnachweis eingeführt werden, der auf Teil 4 der Meisterprüfung
(Ausbildung) beschränkt ist. Das ermöglicht den Betrieben, vereinfacht
Lehrlinge einzustellen und stärkt somit die Ausbildungsbereitschaft des
Handwerks. Daneben sollten Wartefristen für Gesellen komplett gestrichen
werden. Wenn ein Geselle direkt nach Ablegung seiner Gesellenprüfung den
Meisterbrief als Zusatzqualifikation erlangen möchte, muss dies grundsätz-
lich möglich werden. Darüber hinaus sind aber auch Wartezeiten zwischen
Anmeldung und Meisterprüfung selbst sowie die Gebührensätze so zu ge-
stalten, dass diese kein Hemmnis mehr für die Erlangung des Meisterbriefs
darstellen. Zum einen brauchen wir daher eine Vereinfachung und Beschleu-
nigung verschiedener Verwaltungsverfahren. Zum anderen kann eine Bün-
delung von Zuständigkeiten zur Erreichung dieses Ziels beitragen;

l eine qualifizierte Altgesellenregelung zu schaffen. Altgesellen mit sieben-
jähriger Berufserfahrung sollte bei entsprechender Qualifikation die Grün-
dung einer selbständigen Existenz ermöglicht werden. Dazu müssen sie die
notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem einfachen, unbürokra-
tischen Verfahren nachweisen. Vor allem Fähigkeiten, die in aller Regel in
der Berufspraxis erworben werden, wie besondere oder übliche praktische

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2085

Fertigkeiten, sind dabei als selbstverständlich vorauszusetzen. Die betriebs-
wirtschaftliche Qualifikation kann unbürokratisch nachgewiesen werden.
Bei der Fähigkeit zur Ausbildung und deren theoretische Grundlagen ist
großzügig im Einzelfall darüber zu befinden, ob Ersatzqualifikationen, wie
die Ausbildereignerprüfung, anerkannt werden können. Mit einer solchen
Altgesellenregelung ist auch das Thema „Inländerdiskriminierung“ erledigt;

l die Unabhängigkeit der Prüfungskommissionen zu stärken. Die Zusammen-
setzung der Prüfungskommission im Meisterprüfungsausschuss kann dazu
führen, dass Handwerksmeister als Beisitzer benannt werden, die unmittel-
bar über die Zulassung eines potentiellen Konkurrenten der gleichen Bran-
che entscheiden. Deshalb sollte in § 48 HWO sichergestellt werden, dass die
Mitglieder der Prüfungskommission nicht in einem Betrieb tätig sein dürfen,
der näher als 100 km zum Arbeitsort oder dem Ort der zukünftigen Selbstän-
digkeit des Kandidaten liegt;

l auf eine nachhaltige Wettbewerbspolitik zu setzen. Eine nachhaltige Wettbe-
werbspolitik stellt auch in Umbruchphasen oder Krisenzeiten die Pluralität
von Strukturen sicher. Sie verhindert, dass notwendige Modernisierungs-
ansätze am Ende allein zu einer größeren Machtkonzentration führen. Nach-
haltige Wettbewerbspolitik gibt auch mittelständischen Strukturen, die Ga-
rant für einen wirksamen Wettbewerb sind, die Chance, sich im Wandel zu
finden und nötige Anpassungsprozesse nachzuvollziehen. Sie wirkt einer
drohenden Vermachtung von Märkten und Konzentrationsprozessen in
Folge überstürzter Anpassungsgeschwindigkeiten entgegen. So muss die
Übernahme von handwerklichen Tätigkeiten durch große Einzelhandels-
ketten oder marktstarke Hersteller aufgrund eines gesetzlich unnötig ver-
schärften Anpassungsdrucks verhindert werden. Die Unternehmensland-
schaft der Zukunft darf nicht nur durch „Ich-AGs“ auf der einen Seite und
mächtige Konzerne auf der anderen Seite geprägt werden.

Berlin, den 25. November 2003
Rainer Brüderle
Dirk Niebel
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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