BT-Drucksache 15/2053

zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, Petra Bierwirth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Volker Beck (Köln), Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/1318- Naturschutz geht alle an - Akzeptanz und Integration des Naturschutzes in andere Politikfelder weiter stärken

Vom 19. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2053
15. Wahlperiode 19. 11. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl,
Petra Bierwirth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Volker Beck (Köln),
Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/1318 –

Naturschutz geht alle an – Akzeptanz und Integration des Naturschutzes
in andere Politikfelder weiter stärken

A. Problem
In den letzten Jahren konnte hinsichtlich des Natur- und Biotopschutzes in
Deutschland eine Reihe bedeutender Teilerfolge erzielt werden. Dennoch be-
darf es weiterer intensiver Bemühungen, um die Leistungsfähigkeit des Natur-
haushalts insgesamt zu verbessern, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen
und die Erholungsqualität der Landschaft zu erhalten.
Daher soll die Bundesregierung durch den vorliegenden Antrag u. a. aufgefor-
dert werden, auf der Grundlage der im Sondergutachten „Für eine Stärkung und
Neuorientierung des Naturschutzes“ des Rates von Sachverständigen für Um-
weltfragen (SRU) unterbreiteten Vorschläge die Entwicklung einer sich in die
nationale Nachhaltigkeitsstrategie einfügenden nationalen Naturschutzstrate-
gie zu prüfen, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass das im Bundesnaturschutz-
gesetz eingeführte Verbandsklagerecht keine abweichenden landesrechtlichen
Regelungen erfährt, die Instrumente, die die Agrarpolitik zur Förderung des
Naturschutzes bietet (Agrarumweltmaßnahmen, Vertragsnaturschutz), in dem
Sinne weiter auszubauen, dass Subventionen verstärkt an ökologische Leistun-
gen geknüpft werden, bei der anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Ener-
gien-Gesetzes darauf zu achten, dass bei der Förderung erneuerbarer Energien
auch Kriterien einer natur- und umweltverträglichen Realisierung berücksich-
tigt werden, Natur- und Tierschutzaspekte stärker in die Jagdregelungen zu in-
tegrieren, zur Förderung der biologischen Vielfalt der Wälder eine naturnahe
Waldbewirtschaftung entschieden voranzutreiben sowie bei der Novellierung
des Gentechnikgesetzes auch darauf zu achten, dass das Ausbringen von gen-
technisch veränderten Organismen in Nationalparks und Biosphärenreservaten
untersagt wird und Maßnahmen gegen einen potenziellen Eintrag genetisch
veränderten Materials durch Verwehung oder Verschleppung getroffen werden.

Drucksache 15/2053 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

B. Lösung
AnnahmedesAntragsmit denStimmenderFraktionenSPDundBÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2053

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/1318 – anzunehmen.

Berlin, den 22. Oktober 2003

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

Drucksache 15/2053 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Cajus Caesar, Undine Kurth
(Quedlinburg) und Angelika Brunkhorst

I.
Der Antrag – Drucksache 15/1318 – wurde in der 56. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 3. Juli 2003 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den
Sportausschuss, den Ausschuss für Verbraucherschutz, Er-
nährung und Landwirtschaft, den Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen und den Ausschuss für Touris-
mus überwiesen.
Der Sportausschuss hat in seiner Sitzung am 24. September
2003 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU empfoh-
len, dem Antrag zuzustimmen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat in seiner Sitzung am 15. Oktober 2003
mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/
CSU und eine Stimme aus der Fraktion der FDP bei Stimm-
enthaltung eines Mitglieds der Fraktion der FDP empfohlen,
den Antrag anzunehmen.
Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
hat in seiner Sitzung am 15. Oktober 2003 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
empfohlen, den Antrag anzunehmen.
Der Ausschuss für Tourismus hat in seiner Sitzung am
24. September 2003 mit den Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag
anzunehmen.

II.
In den letzten Jahren konnten hinsichtlich des Natur- und
Biotopschutzes in Deutschland eine Reihe bedeutender Teil-
erfolge erzielt werden. Dennoch bedarf es weiterer inten-
siver Bemühungen, um die Leistungsfähigkeit des Natur-
haushalts insgesamt zu verbessern, den Rückgang der
Artenvielfalt zu stoppen und die Erholungsqualität der
Landschaft zu erhalten.
Daher soll die Bundesregierung durch den vorliegenden An-
trag u. a. aufgefordert werden, auf der Grundlage der im
Sondergutachten „Für eine Stärkung und Neuorientierung
des Naturschutzes“ des Rates von Sachverständigen für
Umweltfragen unterbreiteten Vorschläge die Entwicklung
einer sich in die nationale Nachhaltigkeitsstrategie einfü-
genden nationalen Naturschutzstrategie zu prüfen, sich wei-
terhin dafür einzusetzen, dass das im Bundesnaturschutzge-
setz eingeführte Verbandsklagerecht keine abweichenden
landesrechtlichen Regelungen erfährt, die Instrumente, die
die Agrarpolitik zur Förderung des Naturschutzes bietet
(Agrarumweltmaßnahmen, Vertragsnaturschutz), in dem
Sinne weiter auszubauen, dass Subventionen verstärkt an
ökologische Leistungen geknüpft werden, bei der anstehen-

den Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dar-
auf zu achten, dass bei der Förderung erneuerbarer Energien
auch Kriterien einer natur- und umweltverträglichen Reali-
sierung berücksichtigt werden, Natur- und Tierschutzas-
pekte stärker in die Jagdregelungen zu integrieren, zur För-
derung der biologischen Vielfalt der Wälder eine naturnahe
Waldbewirtschaftung entschieden voranzutreiben sowie bei
der Novellierung des Gentechnikgesetzes auch darauf zu
achten, dass das Ausbringen von gentechnisch veränderten
Organismen in Nationalparks und Biosphärenreservaten un-
tersagt wird und Maßnahmen gegen einen potenziellen Ein-
trag genetisch veränderten Materials durch Verwehung oder
Verschleppung getroffen werden.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat den Antrag – Drucksache 15/1318 – in seiner Sit-
zung am 22. Oktober 2003 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde darauf hingewiesen,
dass der Antrag wesentliche Schlussfolgerungen der Be-
standsaufnahme zum Naturschutz aufgreife, die der Rat von
Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Sondergut-
achten „Für eine Stärkung und Neuorientierung des Natur-
schutzes“ vorgelegt habe. Ein Hauptanliegen des Antrags
sei es, den fortschreitenden Verlust an biologischer Vielfalt
zu stoppen. Hierzu würden eine Reihe von Einzelforderun-
gen formuliert, etwa die Aufforderung an die Bundesregie-
rung, in die zu entwickelnde nationale Naturschutzstrategie
das im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
entwickelte Konzept zur Verminderung der Flächenin-
anspruchnahme zu integrieren. Ein weiteres wichtiges
Anliegen des Antrags sei es, eine höhere Akzeptanz des Na-
turschutzes in der Gesellschaft herbeizuführen. Die Bundes-
regierung sei daher aufgefordert, geeignete Kommunika-
tionsstrategien zur Förderung des Naturschutzes und dessen
Verankerung im Bewusstsein der Bevölkerung zu entwi-
ckeln, denn wenn es nicht gelingen werde, die Menschen
davon zu überzeugen, dass eine intakte Natur ein hohes Gut
darstelle, werde dem Naturschutz lediglich ein Teilerfolg
beschieden sein. Zu den weiteren wichtigen Aspekten des
Antrags zählten u.a. die Aufforderungen an die Bundesre-
gierung, bei der Novelle des Gentechnikgesetzes auf den
Schutz der Nationalparks und Biosphärenreservate vor einer
Beeinträchtigung durch gentechnisch veränderte Organis-
men zu achten sowie sich weiterhin für einen unveränderten
Erhalt des im Bundesnaturschutzgesetz eingeführten Ver-
bandsklagerechts einzusetzen.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde betont, dass
man sich die gleichrangige Berücksichtigung der drei
Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und
soziale Komponente – zum Ziel gesetzt habe. Dies gelte ge-
rade auch im Hinblick auf den Naturschutz, dem man eine
besondere Bedeutung für die künftigen Generationen zu-
messe. Allerdings setze man beim Naturschutz andere
Schwerpunkte als die Regierungskoalition. Anstatt die Rolle
des Staates wolle man die Eigenverantwortung stärken, bei-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2053

spielsweise durch eine Ausweitung vertraglicher Vereinba-
rungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Auch ein un-
systematisches Nebeneinander von Fachgesetzen und guter
fachlicher Praxis lehne man ab, weil es hierdurch zu Kom-
petenzüberschneidungen und Rechtsunsicherheiten komme.
Ferner vermisse man, dass der Bund bei der Umsetzung von
Naturschutzmaßnahmen zu seiner finanziellen Verantwor-
tung stehe, etwa im Hinblick auf das Projekt „Grünes Band“
sowie bei der Realisierung von Umweltpatenschaften. Auch
müsse der Bund die Eigentümerrechte stärker als bisher be-
rücksichtigen; dies gelte gerade auch für den Hochwasser-
schutz. Ein Defizit des vorliegenden Antrags sei die unzu-
reichende Berücksichtigung der nachwachsenden Roh-
stoffe, denen auch im Rahmen des Erneuerbare-Energien-
Gesetzes eine stärkere Beachtung geschenkt werden sollte.
Die Förderung nachwachsender Rohstoffe diene dem Kli-
maschutz, unterstütze eine umweltfreundliche landwirt-
schaftliche Bewirtschaftungsweise und fördere das Mitein-
ander von Landwirtschaft und Naturschutz im ländlichen
Raum. Gerade auf dieses Miteinander, auf die Einbeziehung
der Eigentümer und der vor Ort lebenden und arbeitenden
Menschen komme es beim Naturschutz an, anderenfalls
werde Vertrauen zerstört und dem Naturschutz geschadet.
Dem vorliegenden Antrag könne man nicht zustimmen.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde die Auffassung vertreten, dass dem Naturschutz trotz
vielfältiger Einzelerfolge bisher kein nachhaltiger Erfolg
beschieden gewesen sei. Wie das dem Antrag der Koaliti-
onsfraktionen zugrunde liegende Sondergutachten des Rates
von Sachverständigen für Umweltfragen deutlich gemacht
habe, gebe es beim Naturschutz erhebliche Defizite, na-
mentlich im Hinblick auf die Entwicklung der Biodiversität,
die durch einen dramatischen Rückgang gekennzeichnet sei.
Daher gelte es, von dem falschen Umgang mit der Natur ab-
zurücken, den Naturschutz stärker in der öffentlichen Wahr-
nehmung zu verankern und ihm in der Öffentlichkeit eine
größere Bedeutung als bisher zuzumessen. Was die Waldbe-
wirtschaftung anbelange, so strebe man keine reinen Öko-
wälder an. Allerdings sei zu konstatieren, dass der mit den
bisherigen Maßnahmen bzw. auf der Grundlage freiwilliger
Vereinbarungen erreichte Zustand der Wälder keineswegs
als befriedigend bewertet werden könne. Auch hinsichtlich
des Umgangs mit der Gentechnik werde in dem Antrag
keine Grundsatzentscheidung sondern lediglich gefordert,

Nationalparks und Biosphärenreservate vor einer Beein-
trächtigung durch gentechnisch veränderte Organismen zu
schützen. Angesichts der sich im Bundesrat artikulierenden
Bestrebungen unionsgeführter Bundesländer, das im Bun-
desnaturschutzgesetz eingeführte Verbandsklagerecht abzu-
ändern, wolle man ferner explizit auf die im Antrag formu-
lierte Aufforderung an die Bundesregierung hinweisen, sich
weiterhin dafür einzusetzen, dass dieses wichtige Instru-
ment der Bürgerbeteiligung keine abweichenden landes-
rechtlichen Regelungen erfahren werde.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde dargelegt, dass man
für einen Naturschutz ohne Bevormundung der Bürger ein-
trete. Demgegenüber werde der Naturschutz heute immer
stärker als ein fremdbestimmter Eingriff, als eine Nutzungs-
beschränkung und eine Beschränkung der Eigentumsrechte
empfunden. Trotz einer positiven Bewertung einzelner For-
derungen des Antrags könne man diesem in wesentlichen
Bereichen nicht zustimmen. Nicht nachzuvollziehen sei
u. a. die Skepsis gegenüber den Bundesländern hinsichtlich
des Verbandsklagerechts in Naturschutzangelegenheiten.
Die FDP habe das Verbandsklagerecht nachdrücklich unter-
stützt. Die Erfahrungen in den Bundesländern zeige, dass
dieses nicht zu Verfahrensverzögerungen sondern zu einer
besseren Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes
im Planungsvorfeld führe. Die Skepsis gegenüber den Bun-
desländern sei daher unbegründet. Nicht akzeptabel seien
auch die im Antrag anklingenden Vorstellungen der Koaliti-
onsfraktionen zu einer naturnahen Waldbewirtschaftung.
Den Ansatz einer allgemeinen Öko-Waldwirtschaft lehne
man ab. Dies bedeute jedoch keineswegs, dass man sich ge-
gen eine ökologische Umwandlung einzelner Wälder und
Waldabschnitte zur Stärkung der biologischen Vielfalt
wende. Es gebe eine Reihe entsprechender Projekte auf
Landesebene, teilweise mit Mitteln der EU gefördert, die
man nachdrücklich unterstütze. Der sehr kritischen Haltung
der Koalitionsfraktionen zur grünen Gentechnik stimme
man ebenfalls nicht zu, vielmehr sehe man in der grünen
Gentechnik erheblich mehr Chancen als Risiken.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, dem Deutschen
Bundestag zu empfehlen, den Antrag – Drucksache 15/1318
– anzunehmen.

Berlin, den 19. November 2003

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Cajus Caesar
Berichterstatter

Undine Kurth (Quedlinburg)
Berichterstatterin

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

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