BT-Drucksache 15/1981

Ressortforschung des Bundes effizienter gestalten und evaluieren

Vom 11. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1981
15. Wahlperiode 11. 11. 2003

Antrag
der Abgeordneten Helge Braun, Dr. Maria Böhmer, Katherina Reiche, Thomas
Rachel, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner, Vera Dominke,
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Helmut Heiderich, Volker Kauder, Michael
Kretschmer, Helmut Lamp, Werner Lensing, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn),
Uwe Schummer, Marion Seib und der Fraktion der CDU/CSU

Ressortforschung des Bundes effizienter gestalten und evaluieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
In der deutschen Forschungslandschaft nehmen die 50 Bundeseinrichtungen
mit Forschungsaufgaben eine besondere Stellung ein, da sie Aufgaben in For-
schung und Entwicklung (FuE) in Verbindung mit hoheitlichen Tätigkeiten
ausüben. Zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages gewinnen diese Bundes-
einrichtungen in dem entsprechenden Fachbereich wissenschaftliche Erkennt-
nisse durch Forschung und Entwicklung („Ressortforschung“). Der Aufga-
benkanon der jeweiligen Einrichtung richtet sich nach den Aufgaben des Bun-
desministeriums, in dessen Geschäftsbereich die Bundeseinrichtung angesie-
delt ist. Ein Großteil der außeruniversitären Forschung wird durch diese 50
Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben durchgeführt. Diese Bundes-
einrichtungen werden weitgehend mit Bundesmitteln finanziert. Die Gesamt-
ausgaben der Bundeseinrichtungen für Forschung und Entwicklung liegen bei
ca. 650 Mio. Euro jährlich. Damit beträgt der FuE-Anteil der Ausgaben der
Ressortforschungseinrichtungen ca. 43 Prozent.
Kennzeichnend für die Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben ist eine
enge Verknüpfung von Forschung, Erfüllung amtlicher Aufgaben, Politikbera-
tung und Dienstleistungsauftrag. Diese Tätigkeiten müssen effizient und trans-
parent ineinander greifen und der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen.
Die institutionelle Ressortforschung muss auf den Bereich, der für die Erfül-
lung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben erforderlich ist, beschränkt
sein. Da die Einrichtungen Forschung und Entwicklung betreiben, stehen sie im
Wettbewerb mit den Hochschulen, den staatlich finanzierten außeruniversitären
Forschungseinrichtungen und den privatwirtschaftlichen Forschungseinrich-
tungen. Zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung muss die Ressortfor-
schung auf die wissenschaftliche Betätigung begrenzt bleiben, die für die Erfül-
lung der hoheitlichen und regulatorischen Aufgaben der Einrichtung unerläss-
lich ist. Darüber hinaus ist jedoch zur Steigerung des Wettbewerbs in der For-
schung zu überprüfen, inwieweit einzelne hoheitliche oder regulatorische
Aufgaben von beliehenen Unternehmern übernommen werden können.
Das Zusammenwachsen des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes und
die Ausweitung der Kompetenzen der Europäischen Union führt zu einem er-

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höhten Wettbewerb von Ressortforschungseinrichtungen in Europa. Beispiels-
weise wurde von der EU die Möglichkeit der zentralisierten Zulassung von
Arzneimitteln geschaffen. Seit dem Jahr 1998 ist das Zulassungsverfahren der
gegenseitigen Anerkennung verbindlich.
Nun stehen die nationalen Ressortforschungseinrichtungen, die mit der Zu-
lassung von Arzneimitteln betraut sind, in einem Wettbewerb. Dabei werden
sich deutsche Bundesressortforschungseinrichtungen nur dann eine anerkannte
Position erarbeiten können, wenn die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben den
hohen qualitativen und wissenschaftlichen Anforderungen im internationalen
Vergleich genügt.
Höchste wissenschaftliche Qualität der Bundesressortforschungseinrichtungen
ist zur Aufgabenerfüllung der Einrichtungen im internationalen Wettbewerb
unabdingbar. Denn nur wenn die bundeseigenen Ressortforschungseinrichtun-
gen wissenschaftlich hochwertige Befunde erbringen, werden sie international
akzepiert und gefragt sein. Mit den Ressortforschungseinrichtungen präsentiert
Deutschland auf der administrativen Ebene sein wissenschaftliches Niveau.
Die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und das Ansehen der Ressortfor-
schungseinrichtungen hängt entscheidend von der Leitung der Einrichtungen
ab. Der Verantwortungsbereich, die Kapazitäten und der Aufgabenkanon der
Ressortforschungseinrichtungen erfordern an deren Spitze wissenschaftliche
Persönlichkeiten von international anerkanntem Rang. Die leitenden wissen-
schaftlichen Positionen der Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben soll-
ten daher im Wege der öffentlichen Ausschreibung besetzt werden, soweit nicht
besondere Gründe, beispielsweise der Geheimhaltung, entgegenstehen. Um die
benötigten Wissenschaftler mit Führungskompetenzen zu gewinnen, bedarf es
einer entsprechenden Dotierung der Leitungsstellen.
Wissenschaftlich qualitative, hochwertige Politikberatung ist nur durch eine
Institution möglich, die selbst wissenschaftlich arbeitet. Um der Politik den
aktuellen wissenschaftlichen Stand darbieten zu können, ist das Vorhalten eigener
wissenschaftlicher Kompetenz unausweichlich. Daher ist die ständige Steige-
rung der wissenschaftlichen Exzellenz an den Bundeseinrichtungen notwendig,
um die Qualität der Arbeit der Einrichtungen, der Politikberatung, der Erfül-
lung der hoheitlichen Aufgaben noch weiter zu steigern.
Die wissenschaftlichen Tätigkeiten der Bundeseinrichtungen mit Forschungs-
aufgaben sind in die Forschungslandschaft einzubinden. Hier bedarf es der ver-
stärkten Abstimmung der verschiedenen forschenden Institutionen in Deutsch-
land.
Zur Erfüllung der Ansprüche einer hohen qualitativen wissenschaftlichen Ar-
beit an die Ressortforschung ist es notwendig, stets den aktuellen wissenschaft-
lichen Stand zu verfolgen und an dessen Weiterentwicklung mitzuwirken.
Die Zuschnitte der Zuständigkeiten der Ressorteinrichtungen erfordern eine
klare Abtrennung zwischen den Ressorts mittels einer stringenten Koordination
durch eine Stelle. Es ist daher für jede Bundeseinrichtung ein genaues kohären-
tes Gesamtkonzept notwendig, das Auftrag und Aufgabenkanon klar definiert
und die Schwerpunkte umreißt.
Die Koordination der Ressortforschungseinrichtungen durch eine Stelle dient
der einfacheren Erlangung fachübergreifender Ergebnisse und der Vermeidung
doppelter Forschungen. Als Koordinierungsstelle ist das Bundesministerium
für Bildung und Forschung prädestiniert, weil es die Abstimmung mit Hoch-
schulforschung und außeruniversitärer staatlich finanzierter Forschung ermög-
licht.
Im Rahmen der Koordination der Ressortforschung sollte auch die Möglichkeit
überprüft werden, weitere Ressourcen in der Ressortforschung für grundle-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1981

gende Forschung zur Erfüllung der allgemeinen hoheitlichen Aufgabe der Ein-
richtung und für Projektarbeit zu gewinnen. Dies könnte erfolgen durch den
Abbau von Aufgabenstellungen in Randbereichen und durch die Verlagerung
von Teilgebieten an andere universitäre oder außeruniversitäre Forschungsein-
richtungen, die bereits schwerpunktmäßig die Gebiete wissenschaftlich bear-
beiten. Die Ausschreibung nationaler Referenzzentren durch das Bundesminis-
terium für Gesundheit und deren befristete Ansiedlung an den Universitäten
oder auch an Einrichtungen der Blauen Liste oder der Helmhotz-Gemeinschaft
Deutscher Forschungszentren ist als positiver Ansatz zu begrüßen.
Die Ressortforschungseinrichtungen sollten nach einer Struktur aufgebaut sein,
die eine effiziente und wirtschaftliche Aufgabenerfüllung ermöglicht. Da Res-
sortforschungeinrichtungen eine Doppelrolle als Behörde mit Aufgaben im Ge-
setzesvollzug und Forschungsreinrichtung zur Erarbeitung wissenschaftlicher
Beratungsgrundlagen haben, hat es sich gezeigt, dass der Aufbau der Einrich-
tungen nach Fachbereichen, Fachgebieten und Fachgruppen nicht sachdienlich
ist, weil dadurch die Entwicklung fachbereichsübergreifender Kommunika-
tionsstrukturen und Zusammenarbeit sowie die gemeinsame Nutzung hochwer-
tiger wissenschaftlicher Ausstattungen deutlich erschwert wird. Vielmehr soll-
ten die Ressortforschungseinrichtungen nach inhaltlichen und funktionalen Ge-
sichtspunkten und nach Aufgabenschwerpunkten gegliedert aufgebaut werden.
Zur Ermöglichung einer stärkeren inhaltlichen Schwerpunktsetzung und einer
Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen einer Ressortforschungseinrich-
tung sollten zusätzlich flexible, interdisziplinäre Arbeitsgruppen auf Projekt-
basis eingerichtet werden, die nicht in die hierarchische Struktur der Fach-
abteilungen eingebunden sind.
Die Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben verfügen über einen enor-
men Personalbestand. Die Personalbewirtschaftung für neue wissenschaftliche
Projekte erweist sich als schwierig, da der größte Teil der Planstellen im wis-
senschafttlichen Bereich unbefristet besetzt ist und innerhalb der Stellenpläne
nur wenig Flexibiltät besteht. Mindestens 30 Prozent der Personalmittel sollten
künftig flexibel bewirtschaftet werden, um auf den geänderten Bedarf an
wissenschaftlichen Humanressourcen aufgrund fortschreitender Wissenschaft
geeignet reagieren zu können.
Derzeit lässt sich die Effizienz der Ressortforschungseinrichtungen kaum be-
werten, da die jeweiligen Kosten für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, der
Beratungsleistungen und der Forschung nur sehr schwer berechnet werden kön-
nen. Die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes bedürfen daher einer um-
fassenden Kosten- und Leistungsrechnung, um die Leistungsfähigkeit der Auf-
gabenbereiche amtliche Aufgaben, Politikberatung und Forschung beurteilen
zu können.
Um im internationalen Wettbewerb als Forschungseinrichtung die geforderte
Qualität zu gewährleisten und um im Wettbewerb um die besten Wissenschaft-
ler bestehen zu können, müssen alle Ressortforschungseinrichtungen einer
Qualitätssicherung unterzogen werden. Kernstück der wissenschaftlichen Qua-
litätssicherung ist die Evaluation. Die bereits durchgeführten Evaluationen von
Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben haben zum Teil gute Ergebnisse
erbracht, zum Teil aber auch gezeigt, dass bei Ressortforschungseinrichtungen
Verbesserungspotentiale hinsichtlich der Struktur, des Aufbaus, der Flexibilität
von Personal und Haushaltsmitteln sowie der Qualitätssicherung der Forschung
bestehen. Die Qualität und Leistungsfähigkeit von Forschung sowie von wis-
senschaftlichen Dienstleistungen und Politikberatung konnte an Hand der Eva-
luationsergebnisse verbessert werden. Die Evaluation von Ressortforschungs-
einrichtungen muss daher unverzüglich bei sämtlichen Einrichtungen, die noch
nicht evaluiert wurden, systematisch durchgeführt werden und künftig im re-
gelmäßigen Turnus wiederholt werden. Die Evaluation darf nur in den Berei-

Drucksache 15/1981 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

chen von Einrichtungen erfolgen, in denen Gründe der Geheimhaltung nicht
entgegenstehen. Bei der Durchführung der Evaluation ist darauf zu achten, dass
die Bindung von Humanressourcen zu Zwecken der Evaluation nicht zu einer
Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Arbeit der Ressortforschungseinrich-
tungen führt. Inhaltlich muss die Evaluation der Besonderheit der Aufgaben der
Ressortforschung Rechnung tragen, indem die Qualität und Effizienz der For-
schung unter dem Aspekt der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben und der Politik-
beratung zu evaluieren ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
l die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit und Anerkennung der Bundesrein-

richtungen mit Forschungsaufgaben zu stärken;
l günstige Voraussetzungen für die wissenschaftliche Kooperation der Res-

sortforschungseinrichtungen des Bundes mit universitären und außeruniver-
sitären Einrichtungen zu schaffen;

l die Effizienz von Bundesressortforschungseinrichtungen noch weiter zu
steigern, dass sie im erhöhten europäischen Wettbewerb des gemeinsamen
Binnenmarkts eine Arbeit leisten können, die höchsten qualitativen wissen-
schaftlichen Anforderungen entspricht;

l die Ressortforschung auf den Bereich zu beschränken, der für die Erledi-
gung hoheitlicher und regulatorischer Aufgaben unbedingt erforderlich ist;

l Erstellung eines kohärenten Gesamtkonzepts für die Erfüllung der Aufgaben
in den Bereichen Gesetzesvorbereitung, wissenschaftliche Politikberatung
und Forschung für jede Bundesreinrichtung mit Forschungsaufgaben;

l die Forschung der Bundeseinrichtungen mit Forschungsaufgaben durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung mit dem Ziel der Vermei-
dung von Parallelforschung zu koordinieren;

l zur Gewinnung von Ressourcen für Projekte und für die schwerpunktmäßige
Forschung zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe sind die Aufgabenstel-
lungen der Ressortforschungseinrichtungen in Randbereichen abzubauen
und Teilgebiete, die bereits schwerpunktmäßig durch andere universitäre
oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bearbeitet werden, an diese
zu verlagern;

l Ressortforschungseinrichtungen nach inhaltlich und funktionalen Gesichts-
punkten und nach Aufgabenschwerpunkten gegliedert aufzubauen;

l zur Ermöglichung einer stärkeren inhaltlichen Schwerpunktsetzung und
einer Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen einer Ressortforschungs-
einrichtung sind in den Einrichtungen zusätzlich flexible, interdisziplinäre
Arbeitsgruppen auf Projektbasis einzurichten, die nicht in die hierarchische
Struktur der Fachabteilungen eingebunden sind;

l die wissenschaftlichen Leitungsstellen der Bundeseinrichtungen mit For-
schungsaufgaben in Verfahren der öffentlichen Ausschreibung zu besetzen,
soweit dem nicht besondere Gründe, beispielsweise der Geheimhaltung,
entgegenstehen;

l die Dotierung der leitenden Positionen in den Ressortforschungseinrichtun-
gen dem benötigten Bedarf an hoher Qualifikation der Bewerber durch
interne Umschichtung anzupassen;

l mindestens 30 Prozent der Personalmittel der Ressortforschungseinrichtun-
gen flexibel zu bewirtschaften;

l zu überprüfen, inwieweit hoheitliche und regulatorische Aufgaben durch
beliehene Unternehmer übernommen werden können;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1981

l die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes einer eingehenden Kosten-
und Leistungsrechnung zu unterziehen, um die Qualität und Leistungsfähig-
keit der Erfüllung der amtlichen Aufgaben, der Politikberatung und der For-
schung sachgerecht beurteilen zu können;

l unverzüglich die Ressortforschungseinrichtungen des Bundes zu evaluieren,
sofern im Einzelfall noch nicht geschehen und soweit Gründe der Geheim-
haltung der Evaluation nicht entgegenstehen;

l die Evaluation künftig im mehrjährigen Turnus durchzuführen.

Berlin, den 11. November 2003
Helge Braun
Dr. Maria Böhmer
Katherina Reiche
Thomas Rachel
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Vera Dominke
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Helmut Heiderich
Volker Kauder
Michael Kretschmer
Helmut Lamp
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Uwe Schummer
Marion Seib
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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