BT-Drucksache 15/1955

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates -15/1497- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung

Vom 7. November 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1955
15. Wahlperiode 07. 11. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 15/1497 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung

A. Problem
Mit dem am 3. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der
UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien
zum Umweltschutz wurde in der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltver-
träglichkeitsprüfung (UVPG) für zusätzliche Anlagetypen zur Tierhaltung die
Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eingeführt. Dabei handelt es
sich um Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren, deren Prüf-
pflichtigkeit u. a. von einem Bezug zu landwirtschaftlich genutzten Flächen des
Betreibers abhängt. Gleichzeitig wurde durch Änderung der Vierten Verord-
nung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV)
eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für diese Anlagetypen
eingeführt, indem die im vereinfachten Verfahren zu genehmigenden Anlagen
neu in den Anhang zur 4. BImSchV aufgenommen wurden.
Nach Auffassung des Bundesrates stimmt diese Regelung auf Grund des einge-
führten Bezugs auf die vom Betreiber genutzten Grundstücksflächen mit den
Zwecken und Intentionen des Immissionsschutzrechts nur in eingeschränktem
Maße überein und wird durch die Ermächtigungsgrundlage des Bundes-Immis-
sionsschutzgesetzes (BImSchG) nicht voll gedeckt. Durch die Verknüpfung
von landwirtschaftlicher Nutzfläche und Großvieheinheiten (Tierplatzzahlen)
würden die Verhältnisse bei den tierhaltenden bäuerlichen Betrieben nicht aus-
reichend berücksichtigt. Diese Betriebe hätten nach guter fachlicher Praxis ge-
mäß den Vorgaben der Düngeverordnung zu wirtschaften. In der Düngeverord-
nung sei ein Flächenbezug durch die Begrenzung der Nährstofflieferung aus
der Tierhaltung hinreichend gewährleistet. Neben den Rechtsunsicherheiten
und Belastungen für die Anlagebetreiber führe die neue Genehmigungspflicht
auch bei den Genehmigungs- und Überwachungsbehörden zu beträchtlichen
Zusatzbelastungen, ohne dass durch die formale Änderung des Rechtszustands
materielle Verbesserungen im Hinblick auf effektiven Umweltschutz erkennbar
würden.

Drucksache 15/1955 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ferner übersteige die in Nummer 7.12 der Anlage 1 UVPG eingeführte Pflicht
zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls die Anforderungen der UVP-Ände-
rungsrichtlinie von 1997 und baue zusätzliche Verfahrenserschwernisse auf, die
gerade kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe empfindlich träfen.
Aus diesen Gründen solle der die Genehmigungspflicht begründende Tatbe-
stand in der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen in der Fassung
der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504) (Nummer 7.1
Spalte 2 Buchstabe b des Anhangs) ebenso aufgehoben werden wie die Num-
mer 7.12 der Anlage 1 UVPG, die die UVP-Pflicht von Tierhaltungsanlagen in
diesen Fällen vom Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls ab-
hängig mache.

B. Lösung
Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP bei Stimmenthaltung eines Mitglieds der Fraktion der
CDU/CSU

C. Alternativen
Annahme des Gesetzentwurfs.

D. Kosten
Die Kosten sind Gegenstand der politischen Diskussion (siehe Bericht).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1955

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf – Drucksache 15/1497 – abzulehnen.

Berlin, den 22. Oktober 2003

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Petra Bierwirth
Berichterstatterin

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Winfried Hermann
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Drucksache 15/1955 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Petra Bierwirth, Marie-Luise Dött, Winfried Hermann
und Birgit Homburger

I.
Der Gesetzentwurf – Drucksache 15/1497 – wurde in der
66. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Oktober
2003 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitbe-
ratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft, den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen und den Ausschuss für Tourismus überwiesen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat in seiner
Sitzung am 22. Oktober 2003 mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Ge-
setzentwurf abzulehnen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft, der Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen sowie der Ausschuss für Tourismus
haben jeweils in ihren Sitzungen am 22. Oktober 2003 mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

II.
Mit dem am 3. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur
Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richt-
linie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz wurde
in der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglich-
keitsprüfung (UVPG) für zusätzliche Anlagetypen zur Tier-
haltung die Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzel-
falls eingeführt. Dabei handelt es sich um Anlagen zum
Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren, deren Prüfpflich-
tigkeit u. a. von einem Bezug zu landwirtschaftlich genutz-
ten Flächen des Betreibers abhängt. Gleichzeitig wurde
durch Änderung der Vierten Verordnung zur Durchführung
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) eine
immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für diese
Anlagetypen eingeführt, indem die im vereinfachten Ver-
fahren zu genehmigenden Anlagen neu in den Anhang zur
4. BImSchV aufgenommen wurden.
Nach Auffassung des Bundesrates stimmt diese Regelung
auf Grund des eingeführten Bezugs auf die vom Betreiber
genutzten Grundstücksflächen mit den Zwecken und Inten-
tionen des Immissionsschutzrechts nur in eingeschränktem
Maße überein und wird durch die Ermächtigungsgrundlage
des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) nicht voll
gedeckt. Durch die Verknüpfung von landwirtschaftlicher
Nutzfläche und Großvieheinheiten (Tierplatzzahlen) würden
die Verhältnisse bei den tierhaltenden bäuerlichen Betrieben
nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Betriebe hätten nach
guter fachlicher Praxis gemäß den Vorgaben der Düngever-
ordnung zu wirtschaften. In der Düngeverordnung sei ein
Flächenbezug durch die Begrenzung der Nährstofflieferung
aus der Tierhaltung hinreichend gewährleistet. Neben den
Rechtsunsicherheiten und Belastungen für die Anlagebetrei-
ber führe die neue Genehmigungspflicht auch bei den Ge-

nehmigungs- und Überwachungsbehörden zu beträchtlichen
Zusatzbelastungen, ohne dass durch die formale Änderung
des Rechtszustands materielle Verbesserungen im Hinblick
auf effektiven Umweltschutz erkennbar würden.
Ferner übersteige die in Nummer 7.12 der Anlage 1 UVPG
eingeführte Pflicht zur allgemeinen Vorprüfung des Einzel-
falls die Anforderungen der UVP-Änderungsrichtlinie von
1997 und baue zusätzliche Verfahrenserschwernisse auf, die
gerade kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe
empfindlich träfen.
Aus diesen Gründen solle der die Genehmigungspflicht be-
gründende Tatbestand in der Verordnung über genehmi-
gungsbedürftige Anlagen in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504) (Nummer 7.1
Spalte 2 Buchstabe b des Anhangs) ebenso aufgehoben wer-
den wie die Nummer 7.12 der Anlage 1 UVPG, die die
UVP-Pflicht von Tierhaltungsanlagen in diesen Fällen vom
Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls ab-
hängig mache.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Gesetzentwurf – Drucksache 15/1497 –
in seiner Sitzung am 22. Oktober 2003 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurden die rechtlichen
Grundlagen und Hintergründe des Gesetzentwurfs darge-
legt, insbesondere die einschlägigen Regelungen des Geset-
zes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-
Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz
vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950). In diesem Zusammen-
hang wurde unterstrichen, dass man sich seinerzeit bewusst
für die Einführung der Flächenbindungsregelung für Tier-
haltungsanlagen entschieden habe und dass eine Annahme
des vorliegenden Gesetzentwurfs die bestehende Verpflich-
tung zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls aufheben
würde. Einer Abschaffung der allgemeinen Vorprüfung des
Einzelfalls könne man nicht zustimmen. Der Gesetzentwurf
des Bundesrates werde abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde kritisiert,
die bestehende Flächenbindungsregelung führe zu einer
überproportionalen Belastung kleiner und mittlerer land-
wirtschaftlicher Betriebe. Die Pflicht zur allgemeinen Vor-
prüfung im Einzelfall treffe vor allem Anlagen, die von ver-
gleichsweise geringer Umweltrelevanz seien. Bereits im
Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Um-
setzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie
und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz im Jahre
2001 habe man wiederholt darauf hingewiesen, dass die
Ausdehnung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf Tier-
haltungsanlagen in dem beabsichtigten Ausmaß europa-
rechtlich nicht erforderlich sei, sondern die Anforderungen
der UVP-Richtlinie überschreite. Die von den Koalitions-
fraktionen beschlossene Regelung habe den Betrieben zu-
sätzliche Verwaltungsaufwendungen und Belastungen auf-
erlegt. Wie Nummer 9 im bewertenden Teil der Stellung-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1955

nahme der Bundesregierung zum Gesetzentwurf (Anlage 2
der Bundestagsdrucksache 15/1497) zeige, werde auch von
der Bundesregierung eingeräumt, dass die Flächenbin-
dungsregelung in der 4. BImSchV und im UVPG zu einer
Zunahme des Verwaltungsaufwands bei den Ländern und
den betroffenen Landwirten geführt habe. Der vorliegende
Gesetzentwurf biete die Gelegenheit, zumindest einen klei-
nen Beitrag zum Abbau der Bürokratie im Umweltrecht zu
leisten.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde betont, dass man mit der gegenwärtigen gesetzlichen
Regelung vor allem den Anforderungen und Vorgaben sehr
spezifischer, detailorientierter EU-Richtlinien nachgekom-
men sei. Im Rahmen der vorgegebenen europarechtlichen
Grenzen habe man mit der Einführung der allgemeinen Vor-
prüfung im Einzelfall betriebliche Differenzierungen er-
möglicht und mit der gewählten Verknüpfung von landwirt-
schaftlicher Nutzfläche und Großvieheinheiten einen ökolo-
gisch sinnvollen Maßstab für die Haltung von Nutztieren
eingeführt. Daher könne man die vom Bundesrat beabsich-
tigten Änderungen nicht mittragen. Der Gesetzentwurf
werde abgelehnt.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde kritisch ange-
merkt, dass durch die Verknüpfung von landwirtschaftlicher

Nutzfläche und Großvieheinheiten die Gegebenheiten bäu-
erlicher Betriebe mit Tierhaltung nicht richtig erfasst
würden, weil es zwischen deren Wirtschaftsfläche und Im-
missionsverhältnissen nicht per se einen bestimmten Zusam-
menhang gebe. Der Bundesrat habe mit dem vorliegenden
Gesetzentwurf eine begrüßenswerte Initiative zur Deregu-
lierung und zum Abbau bürokratischer Hemmnisse ergrif-
fen, ohne damit die bestehenden ökologischen Zielsetzun-
gen aufzugeben. Bereits während der parlamentarischen Be-
ratungen zum Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungs-
richtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien
zum Umweltschutz im Jahre 2001 habe man in einem Ent-
schließungsantrag deutlich gemacht, dass die im deutschen
Recht erfolgte Festlegung UVP-pflichtiger Vorhaben die eu-
roparechtlichen Vorgaben erheblich übersteige und ohne
ökologischen Nutzen sei. Dem Gesetzentwurf des Bundes-
rates werde man zustimmen.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Stimm-
enthaltung eines Mitglieds der Fraktion der CDU/CSU,
dem Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Gesetzent-
wurf – Drucksache 15/1497 – abzulehnen.

Berlin, den 6. November 2003
Petra Bierwirth
Berichterstatterin

Marie-Luise Dött
Berichterstatterin

Winfried Hermann
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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