BT-Drucksache 15/192

Seesicherheit optimieren - nationaler und europäischer Handlungsbedarf nach Tankeruntergang der Prestige

Vom 17. Dezember 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 15/192
15. Wahlperiode 17. 12. 2002

Antrag
der AbgeordnetenWolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), Eduard
Oswald, Dr. Peter Paziorek, Dietrich Austermann, Renate Blank, Klaus Brähmig,
Georg Brunnhuber, Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Dr. Michael Fuchs, Peter
Götz, Klaus Hofbauer, Norbert Königshofen, Werner Kuhn (Zingst), Eduard
Lintner, Klaus Minkel, Gero Storjohann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter,
Ulrich Adam, Otto Bernhardt, Antje Blumenthal, Monika Brüning, Manfred
Carstens (Emstek), Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gitta Connemann, Vera
Dominke, Anke Eymer (Lübeck), Dr. Hans Georg Faust, Hartwig Fischer
(Göttingen), Dr. Maria Flachsbarth, Jochen-Konrad Fromme, Kurt-Dieter Grill,
ReinhardGrindel, Michael Grosse-Brömer, Klaus-JürgenHedrich, Susanne Jaffke,
Eckart von Klaeden, Jürgen Klimke, Thomas Kossendey, Dr. Martina Krogmann,
Dr. Hermann Kues, Walter Link (Diepholz), Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach),
Dr. Angela Merkel, Bernd Neumann (Bremen), Rita Pawelski, Dr. Friedbert Pflüger,
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Volker Rühe, Georg Schirmbeck, Dr. Ole Schröder,
Angelika Volquartz und der Fraktion der CDU/CSU

Seesicherheit optimieren – nationaler und europäischer Handlungsbedarf
nach Tankeruntergang der Prestige

Der Bundestag wolle beschließen:
Das verheerende Tankerunglück vor der spanischen Küste macht nationales
und europäisches Handeln notwendig, um zu mehr Seesicherheit zu kommen.

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Untergang des Tankers Prestige vor der Küste Spaniens bedeutet für
Mensch und Meer eine Katastrophe.
Es fehlt immer noch an einer optimierten Sicherheit des Transportes auf dem
Meer. Über 40 % der weltweiten Tankerflotte ist älter als 20 Jahre. Die Prestige
gehörte mit ihren 26 Jahren dazu. Sie war nach Auffassung von Experten we-
gen ihres Alters und Zustandes eine schwimmende Zeitbombe. Sie hat keine
Doppelhülle wie sie seit 1993 für Neubauten vorgeschrieben ist. Derzeit sind
weltweit von 7 300 Tankern lediglich 2 200 nicht mit einer doppelten Stahl-
wand ausgerüstet. Erst bis zum Jahre 2015 müssen sämtliche Tanker mit einer
Doppelhülle ausgestattet sein. Bei Grundberührungen, Strandungen oder Kolli-
sionen sind Schiffe dieser Art wesentlich sicherer. Nach dem Zeitplan der IMO
(International Maritime Organisation) hätte die Prestige spätestens im Jahre
2005 verschrottet werden müssen.
Doch die Ölkatastrophe im Atlantik hätte auch in der Ostsee bzw. Nordsee mit
entsprechend verheerenden Folgen geschehen können. Die Prestige transpor-

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tierte Öl aus Russland. Ihr Abfahrthafen war in Lettland. Die Prestige hat auf
ihrer Route bis zum Untergang vor der spanisch-portugiesischen Küste die Ost-
see durchquert, die Engstelle Kadet-Rinne, den Großen Belt, das Skagerak, die
Nordsee, die Straße von Dover und den Ärmelkanal passiert. Überall hätte eine
Havariesituation eintreten können. Es ist reiner Zufall, dass die Katastrophe
sich nicht vor unserer Haustür ereignet hat. Ein Auseinanderbrechen des Tan-
kers in Nord- oder Ostsee hätte unabsehbare Folgen für die Natur, die Touris-
muswirtschaft, die Fischerei, die Landwirtschaft und die Infrastruktur in den
nördlichen Bundesländern nach sich gezogen.
In diesem Zusammenhang wird es als unvertretbar angesehen, dass vier Jahre
nach der Havarie des Holzfrachters Pallas in der Nordsee das deutsche Havarie-
kommando in Cuxhaven immer noch nicht voll einsatzfähig ist. Nach Presse-
aussage des Zentrums fehlen u. a. auch immer noch 35 bis 40 Spezialisten.
Abgesehen davon muss es als unverantwortlich angesehen werden, dass gerade
Schleswig-Holstein, als durch die Pallas-Havarie besonders geschädigtes Bun-
desland, bis heute noch nicht das Abkommen zum Havariekommando unter-
schrieben hat. Alle anderen Landesregierungen haben zügig gehandelt. Doch
unabhängig von nationalen Nachlässigkeiten und Versäumnissen einer Landes-
regierung ist eine weitgehende Transportsicherheit besonders auf der Ostsee
immer noch nicht gegeben.
Trotz erster Sicherheitsverbesserungen in der engen Kadet-Rinne zwischen
Rügen und Bornholm besteht durch die Weigerung Russlands, einer Radar-
überwachung und Lotsannahmepflicht für den Ostseebereich zuzustimmen,
eine nicht vertretbare Sicherheitslücke. Annähernd 50 000 Schiffe passieren
diese und andere Engpässe in der Ostsee jährlich. Die Anzahl der Öltanker
unter ihnen steigt nicht nur, sondern immer größere Lasten werden transpor-
tiert. Der Ostseerat hat sich dieser Thematik baldmöglichst anzunehmen.

Der Bundestag anerkennt:
Die internationalen Bemühungen vor und an der spanischen Küste, um die
Belastungen des Ökosystems Meer und die Verschmutzung der Küste in
Grenzen zu halten, werden ebenso anerkannt wie die Mithilfe Freiwilliger, des
Ölauffangschiffs Neuwerk sowie von Verbänden aus Deutschland an dieser
Rettungsaktion. Ihnen allen gilt unser Dank.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. das Havariekommando unverzüglich einsatzfähig zu machen und seine

Kompetenz zu stärken;
2. einen aktualisierten nationalen Nothafenplan vorzulegen;
3. die Sicherheitsmaßnahmen für Nordsee und Ostsee, die in nationale Zustän-

digkeiten fallen, wie z. B. der Einsatz von Hochseeschleppern, nach dem
Prestige-Unglück anzupassen;

4. auf die Russische Republik einzuwirken, dass Lotsannahmepflicht ebenso in
gefährlichen Seegebieten der Ostsee praktiziert wird wie eine Radarüber-
wachung;

5. eine Neubewertung der IMO-Regelungen für Doppelhüllen-Tanker mit dem
Ziel vorzunehmen, früher als bisher vorgesehen Alttanker aus der Transport-
kette zu nehmen und vorzeitiger als bisher beabsichtigt Doppelhüllen-Tan-
ker zur Pflichtvoraussetzung für das Anfahren in deutsche Häfen wie Häfen
der EU zu machen;

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6. auf EU-Ebene dafür zu sorgen, dass die Richtlinien der EU für Seesicherheit
(z. B. Nothafenpläne) verbindlich von allen nationalen Regierungen spätes-
tens Ende 2003 umgesetzt werden;

7. der Europäischen Union einen Zeitplan für die Realisierung der Agentur für
die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) vorzulegen;

8. eine offizielle Bewerbung als Standortland für die EMSA in Brüssel vor-
zulegen;

9. in Zukunft jährlich einen Bericht zur Problematik der Sicherheit auf See
vorzulegen.

Berlin, den 17. Dezember 2002
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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