BT-Drucksache 15/1823

Folsäure-Prophylaxe

Vom 21. Oktober 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1823
15. Wahlperiode 21. 10. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hubert Hüppe, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz,
Dr.Wolf Bauer, Monika Brüning, Verena Butalikakis, Dr. HansGeorg Faust, Michael
Hennrich, Volker Kauder, Barbara Lanzinger, Maria Michalk, Hildegard Müller,
Matthias Sehling, Jens Spahn, Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau),
Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Folsäure-Prophylaxe

Neuralrohrdefekte (NRD) sind schwerwiegende Schädigungen, die in der Früh-
schwangerschaft (22. bis 28. Tag post conceptionem) entstehen, wenn bei dem
Embryo der Verschluss des Neuralrohres erfolgt. Zu den NRD zählen die Be-
hinderungen Anenzephalus, Enzephalozele und Spina bifida. Die Ursachen der
NRD sind exogen oder multifaktoriell bedingt. Zu den exogenen Faktoren zäh-
len Folsäuremangel, mütterlicher Diabetes mellitus, bestimmte Medikamente
(z. B. Valproinsäure) und mütterliche Adipositas. Die Folgen mütterlichen Fol-
säuremangels sind Fehlbildungen beim Fötus, eine erhöhte Abortrate, intra-
uterine Wachstums-Retardierung, Frühgeburtlichkeit und vorzeitige Plazenta-
lösung.
Laut einer Hochrechnung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz werden
jährlich 800 bis zu 1 600 Kinder mit Spina bifida trotz Screening und Schwan-
gerschaftsabbrüchen geboren. Die exakte Prävalenz in Deutschland ist unbe-
kannt. Lediglich für das Mainzer Geburtenregister liegen exakte Daten vor.
Die Wirksamkeit der perikonzeptionellen Folsäure zur Reduktion von NRD ist
durch Studien in den USA eindeutig nachgewiesen (vgl. MRC Vitamin Study
Research Group. Prevention of neural tube defects in: Lancet 1991, 338:
131–137; Czeizel, AE, Dudás in: Med 1992, 327: 1832–1835). In einigen Län-
dern, unter anderem den USA, wird inzwischen das Grundnahrungsmittel Mehl
obligatorisch mit Folsäure angereichert. Inzwischen spricht sich in Deutschland
die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin deutlich für
eine Anreicherung von Grundnahrungsmitteln aus.
Durch die perikonzeptionelle Folsäureeinnahme (vier Wochen vor der Konzep-
tion und während der ersten acht Wochen der Schwangerschaft) von 400 µg
Folsäure täglich können 70 % aller NRD vermieden werden.
Zurzeit wird eine Folsäureprophylaxe in Deutschland von weniger als 9 % aller
Schwangeren durchgeführt. Wichtig für eine effektive Prophylaxe sind der
richtige Zeitpunkt und die richtige Dosierung.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Kinder mit NRD werden nach Kenntnis der Bundesregierung

jährlich lebend geboren und wie viele Kinder mit NRD werden in Deutsch-
land nach einer pränatalen Diagnose von NRD abgetrieben?

Drucksache 15/1823 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

Auf welche Erhebungen stützt die Bundesregierung ihre Zahlen?
Wie haben sich diese Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen perikon-
zeptioneller Folsäureeinnahme und Vermeidbarkeit von NRD, und auf wel-
che Daten stützt die Bundesregierung ihre Einschätzung?

3. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen Effektivitätsnachweis für
die perikonzeptionelle Folsäuregabe als Präventionsmaßnahme zur Verhin-
derung von NRD in Deutschland?
Wenn nein, hält die Bundesregierung eine entsprechende Abklärung in
Deutschland für wünschenswert, und was gedenkt die Bundesregierung zu
tun, damit entsprechende Untersuchungen in Deutschland durchgeführt
werden?

4. Wo gibt es weltweit Effektivitätsnachweise über die prophylaktische Wir-
kung von Folsäure zur Verhinderung von NRD, und zu welchen Ergebnis-
sen kamen die Studien jeweils?

5. Sieht die Bundesregierung neben der perikonzeptionellen Folsäureein-
nahme eine andere Möglichkeit zur Verhinderung von NRD als ebenso
effektiv an?
Wenn ja, welche und wie sollte sie durchgeführt werden?

6. Gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, um die Wirkung
perikonzeptioneller Folsäureeinnahme in der Fachwelt und der Bevölke-
rung bekannt zu machen?

7. Wie können Schwangerschaften, die in den ersten Wochen nicht bekannt
sind, ebenfalls in die Prophylaxe einbezogen werden bzw. von prophylakti-
schen Maßnahmen erreicht werden?
Gibt es hierzu öffentlich geförderte Aufklärungs- und Werbekampagnen?

8. Wie können nach Auffassung der Bundesregierung die Bevölkerung, ins-
besondere Frauen mit Kinderwunsch oder Frauen, die bereits Kinder mit
NRD haben, über die prophylaktische Wirkung von Folsäure informiert
werden?

9. Inwieweit können nach Auffassung der Bundesregierung Krankenkassen
und die Industrie in Aufklärungs- und Informationskampagnen einbezogen
werden?

10. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung die Aufklärungs- und Werbe-
kampagne unter dem medizinischen Personal durchgeführt werden?

11. Plant die Bundesregierung, die Folsäureeinnahme zur Prophylaxe von
NRD in das von der Bundesregierung angestrebte Präventionsgesetz ein-
fließen zu lassen?

12. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die perikonzeptionelle Ein-
nahme von Folsäure in den USA bei 45 % liegt, während sie in Deutsch-
land kaum bekannt ist?

13. Sind der Bundesregierung Daten bekannt, inwieweit Folsäureeinnahme
auch bei anderen Erkrankungen und Behinderungen positive Effekte hat?

Berlin, den 21. Oktober 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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