BT-Drucksache 15/1598

Lösung des Konfliktes in Kolumbien

Vom 23. September 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1598
15. Wahlperiode 23. 09. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger, Arnold Vaatz,
Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, Claudia Nolte, Peter Weiß (Emmendingen)
und der Fraktion der CDU/CSU

Lösung des Konfliktes in und um Kolumbien

Spätestens mit dem Beschluss der lateinamerikanischen Staatspräsidenten auf
dem 17. Treffen der „Rio-Gruppe“ in Cuzco vom 22. bis 24. Mai 2003, die Ver-
einten Nationen (VN) zur Mitwirkung bei der Lösung des Konfliktes in und um
Kolumbien zu bitten, und der Meinungsbekundung der G8-Außenminister zu
Kolumbien vor dem Gipfel in Evian vom 1. bis 3. Juni 2003, unternimmt die
internationale Gemeinschaft einen neuen Anlauf, ihrer Verantwortung für die
Region gerecht zu werden. Viel zu lange hat sie sich halbherzig um diesen
Konflikt gekümmert, der schon lange kein interner mehr ist. Zum einen nutzt
die Guerilla – vor allem die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias Colom-
bianas) – die Nachbarländer immer häufiger als Rückzugs- und „Erholungs-
raum“. Zum anderen verzahnt sie sich immer mehr mit dem internationalen
Terrorismus, wie der Anschlag auf den Club „El Nogal“ in Bogota im Februar
2003 gezeigt hat, bei dem die IRA (Irish Republican Army) das Know-how ge-
liefert hat, und versucht überdies, den Konflikt in die großen Städte zu tragen.
Inzwischen ist mit Peru vereinbart worden, dass die kolumbianischen Streit-
kräfte auf peruanisches Gebiet überwechseln dürfen, wenn sie sich in der un-
mittelbaren Verfolgung („hot pursuit“) von Guerilla-Kämpfern befinden. Mit
Brasilien ist Ähnliches in Aussicht genommen. Ein Besorgnis erregender Fall
ist Venezuela. Präsident Hugo Rafael Chávez Frías duldet offenbar wissentlich
den Aufenthalt von Guerilleros auf venezolanischem Staatsgebiet. Kolumbien
und die internationale Gemeinschaft könnten dies auf keinen Fall auf Dauer
hinnehmen, weil ansonsten der Kampf gegen die subversiven Kräfte ins Leere
liefe.
Die internationale Gemeinschaft muss daher der demokratisch legitimierten
und rechtmäßig handelnden Regierung von Präsident Alvaro Uribe jede not-
wendige Hilfe zuteil werden lassen, um die Gewaltakte, allen voran Morde und
Entführungen, die von der Guerilla und den Paramilitärs ausgeübt werden,
nicht nur zu reduzieren und zu verhindern, sondern auch auf eine politische Lö-
sung des Konfliktes in Kolumbien hinzuwirken. Präsident Alvaro Uribe hat
nach Bekundung kolumbianischer Medien in seinem ersten Amtsjahr den Ko-
lumbianern wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft gegeben. Er kann sich
auf eine hohe Popularität stützen. Die internationale Gemeinschaft ist aufgefor-
dert, die Regierung Uribe in ihren Bemühungen um gesellschaftliche und poli-
tische Reformen, um die Stärkung der Menschenrechte sowie um die Förde-
rung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Kolumbiens zu unterstüt-
zen.

Drucksache 15/1598 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Deshalb begrüßen wir die Erklärung der EU vom 10. Juli 2003 anlässlich des
Londoner Treffens der internationalen Gebergemeinschaft zur Unterstützung
Kolumbiens.
Positiv zu bewerten ist, dass wieder Bewegung in den Dialog zwischen den
Selbstverteidigungsgruppen AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) und der
Staatsregierung zu kommen scheint. Als Ergebnis der Sondierungsgespräche,
die zwischen beiden Seiten seit Dezember 2002 stattgefunden haben, wurde am
15. Juli 2003 das Abkommen von Santa Fe de Ralito geschlossen. Damit be-
steht nun die Hoffnung, dass die AUC – oder aber zumindest der größere Teil –
bereit sind, sich schrittweise zu demobilisieren und wieder in das zivile Leben
integrieren zu wollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Bemühungen hat die Bundesregierung untergenommen, um eine

friedliche Lösung des Konfliktes in und um Kolumbien zu befördern?
2. Wie bewertet die Bundesregierung den Beschluss der Riogruppe in Cuzco,

die VN zur Mitwirkung bei der Lösung des Konfliktes in und um Kolum-
bien zu bitten?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die beabsichtigten Gespräche der VN
mit der FARC und den Vorschlag des UN-Beauftragten James Lemoyne,
eine Regionalkonferenz einzuberufen?

4. Welche anderen Initiativen können die VN nach Auffassung der Bundes-
regierung ergreifen, um den Konflikt zu beseitigen?

5. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Empfehlungen
der G8-Außenminister und der Deklaration des Londoner Treffens vom
10. Juli 2003, den Präsidenten Alvaro Uribe nachhaltig zu unterstützen, für
die eigene Außen- und Entwicklungspolitik mit Blick auf Kolumbien?

6. Haben die G8-Empfehlung und die Londoner Deklaration dazu geführt, die
deutsche Unterstützung zu überprüfen, anzupassen und auszubauen?

7. Trifft es zu, dass die venezolanische Regierung die Präsenz kolumbiani-
scher Guerilla auf venezolanischem Hoheitsgebiet duldet, und wenn ja,
welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für das Handeln der Bundes-
regierung zum einen und die Bewertung der Rolle Venezuelas im kolum-
bianischen Friedensprozess zum anderen?

8. Wie sieht im Augenblick die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit
Venezuela auf dem Gebiet der Rauschgiftbekämpfung aus, und welche An-
strengungen unternimmt die venezolanische Regierung nach Einschätzung
der Bundesregierung, den Transit von Drogen, Chemikalien zur Herstel-
lung von Drogen, sowie Waffen von und nach Kolumbien zu unterbinden?

9. Welche Auswirkungen hat der innerkolumbianische Konflikt auf das Ver-
hältnis zu den Nachbarstaaten Panama und Ecuador insbesondere im Hin-
blick auf die Sicherheit der Staatsgrenzen und die innere Sicherheit ins-
gesamt in diesen Ländern?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Wiederaufnahme der Luftraum-
überwachung in Kolumbien durch die USA und den Einsatz kolumbiani-
scher Abfangjäger?

11. Warum steht die ELN (Ejercito de Liberation Nacional) nicht auf der EU-
Liste terroristischer Vereinigungen?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1598

12. Gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung eine aktuelle Bereitschaft
der FARC, einen nachhaltigen Frieden zu schließen, und geht die Bundes-
regierung davon aus, dass die AUC durch die Unterzeichnung des Abkom-
mens von Santa Fe de Ralito ernsthaft bestrebt sind, sich zu demobilisieren
und wieder in das zivile Leben einzugliedern?

13. In welcher Form wird die Bundesregierung Maßnahmen, die der Wieder-
eingliederung desertierter Guerilleros in das zivile Leben dienen, unterstüt-
zen, und stellt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Erwägungen
an, demobilisierten Paramilitärs bzw. desertierten Guerilleros Aufenthalts-
rechte in Deutschland zu gewähren?

14. Gibt es Verbindungen der verschiedenen Guerilla-Gruppen zu Vereinigun-
gen bzw. Personen in Deutschland?

15. Hat sich aus Sicht der Bundesregierung das härtere und professionellere
Durchgreifen des kolumbianischen Militärs gegen die Guerillas in den
letzten Monaten bewährt?

16. Worauf führt die Bundesregierung die – gemäß den VN – 30 %-Reduktion
der Koka-Produktion 2002 in Kolumbien zurück, und welche Konsequen-
zen zieht die Bundesregierung hieraus für ihre weitere Zusammenarbeit mit
Kolumbien?

17. Welche Gewinn bringenden Produkte könnten kolumbianische Bauern zur
Sicherung ihrer Existenz anstelle der Koka-Pflanze anbauen, und gibt es
US- bzw. EU-Handelsschranken, die die Einfuhr solcher Produkte in die
USA bzw. Europa hemmen und damit den Wechsel zu alternativen Produk-
ten in Kolumbien erschweren bzw. blockieren?

18. Welche Chancen der Verwirklichung räumt die Bundesregierung den Ab-
sichtserklärungen von Mercosur (Mercado Comun del Cono Sur) und der
Andengemeinschaft (Communidad Andina) auf eine engere Zusammen-
arbeit ein?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Ziele des für den 25. Oktober 2003
in Kolumbien geplanten Referendums, insbesondere im Hinblick auf an-
gestrebte gesellschaftliche und rechtliche Reformen, und welche Konse-
quenzen ergeben sich aus diesem für die weitere bilaterale und entwick-
lungspolitische Zusammenarbeit?

Berlin, den 23. September 2003
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Friedbert Pflüger
Arnold Vaatz
Dr. Christian Ruck
Hermann Gröhe
Claudia Nolte
Peter Weiß (Emmendingen)
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion
msterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344

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