BT-Drucksache 15/1396

Überschuldung privater Haushalte und Verbraucherinsolvenzen

Vom 1. Juli 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1396
15. Wahlperiode 01. 07. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ursula Heinen, Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen
(Nordstrand), Albert Deß, Peter Bleser, Gitta Connemann, Georg Girisch, Helmut
Heiderich, Uda Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Julia Klöckner, MarleneMortler,
Bernhard Schulte-Drüggelte, Kurt Segner und der Fraktion der CDU/CSU

Überschuldung privater Haushalte und Verbraucherinsolvenzen

In Deutschland sind immer mehr private Haushalte überschuldet oder insol-
vent. Nach neueren Schätzungen geht man davon aus, dass mittlerweile 5 Mil-
lionen Haushalte in Deutschland überschuldet sind.
Die Zahlen sprechen für vielfältige Ursachen und bestimmte Ursachenzusam-
menhänge. Es ist anzunehmen, dass es oftmals die zurzeit steigende Arbeitslo-
sigkeit ist, verbunden mit einer steigenden Anzahl von Ehescheidungen und
den damit verbundenen Unterhaltszahlungen.
Das monatliche Einkommen reicht nach allgemeinen Erkenntnissen in diesen
Fällen – entweder wegen der tatsächlichen Höhe des Nettoeinkommens oder
seiner Verwendung – nicht mehr aus, um den notwendigen Lebensunterhalt zu
bestreiten und die eingegangenen Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. Fol-
gen davon sind die primäre Verschuldung (z. B. Miet-, Energie- und Telefon-
schulden) und die Kreditverschuldung (insbesondere bei Kreditinstituten und
im Handel), oftmals verbunden mit einem nur geringen Wissen über die Konse-
quenzen.
Insbesondere auch junge Menschen geraten – so eine Studie der Schufa (Wies-
baden) – in die Schuldenfalle. Mögliche Ursachen hierfür sind Vertragsstörun-
gen und die Nutzung des Mobiltelefons über die eigenen finanziellen Möglich-
keiten hinaus.
Hinzu kommen gesetzliche Neuregelungen, die eine Verbraucherinsolvenz
erst ermöglicht bzw. noch erleichtert haben. Seit 1999 können überschuldete
Privatleute bei Gericht einen Insolvenzantrag stellen (§§ 304 ff. Insolvenzord-
nung – InsO). Es wird dann ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt,
durch das ein überschuldeter Verbraucher insolvent gestellt wird. Nach einer
sechsjährigen „Wohlverhaltensphase“, innerhalb der der Antragsteller seine
Gläubiger zumindest teilweise abzahlt, kann das Gericht ihn dann von der
Restschuld befreien. Seit Dezember 2001 wurden zudem erheblich mehr In-
solvenzverfahren eröffnet, weil den Antragstellern die Verfahrenskosten ge-
stundet werden können, was bei Mittellosigkeit die Beantragung erleichtert.

Drucksache 15/1396 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie definiert die Bundesregierung das Vermögen einer natürlichen Person

als Schuldner vor dem Hintergrund, dass die in § 19 InsO definierte und als
Eröffnungsgrund geregelte Überschuldung gemäß den §§ 304, 305 InsO
auch bei natürlichen Personen als Eröffnungsgrund gilt?

2. Wie hoch ist die aktuelle Zahl der überschuldeten privaten Haushalte vor
dem Hintergrund, dass die Angaben zur Gesamtzahl der in den letzten drei
Jahren überschuldeten privaten Haushalte von Quelle zu Quelle variieren
und die genaue Zahl zuletzt für das Jahr 1999 in Höhe von 2,77 Millionen
Haushalten präzise zu ermitteln ist?

3. Weshalb gelangen nach Erkenntnissen der Bundesregierung immer mehr
Verbraucher von der Verschuldung in die Überschuldung, und was löst die
Entscheidung aus, einen Insolvenzantrag zu stellen?

4. Gibt es unterschiedliche Ursachen für die Überschuldung der privaten
Haushalte zwischen Ost- und Westdeutschland, und wenn ja, welche?

5. Welche Rolle spielt dabei die Arbeitslosigkeit?
6. Welche Rolle spielen Änderungen im Familienstand (Ehescheidung, Ge-

burt eines Kindes)?
7. Wie hoch fallen die Anteile der insolventen Verbraucher in den verschiede-

nen Altersgruppen und Sozialstrukturen (bitte einteilen nach Geschlecht,
Familienstand, Ausbildung, Berufsstand, Nationalität) der Bevölkerung
Deutschlands aus?

8. Gelangen Jugendliche tatsächlich vor allem durch die die eigenen finan-
ziellen Verhältnisse übersteigende Nutzung von Mobiltelefonen in die
„Verschuldensfalle“ oder welche Ursachen gibt es noch?

9. Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen je nach Geschlecht an Insolvenz-
verfahren bzw. an der Überschuldetenrate, insbesondere wegen der die
eigenen finanziellen Verhältnisse übersteigende Nutzung von Mobiltele-
fonen?

10. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung zur Aufklärung von
Jugendlichen über Zahlungsverpflichtungen und die Folgen mangelnder
Bedienung?

11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eventuell auftretende
psychische Probleme und eine psychosoziale Destabilisierung der Über-
schuldeten?

12. Welche Rolle spielen die Banken mit ihrer Praxis der Kreditvergabe im
Prozess der Überschuldung privater Haushalte?

13. Welche Daten sind bei der Schufa gespeichert, wem ist der Zugriff zu die-
sen Daten gewährleistet und wird diese Datenbank auch ausreichend ge-
nutzt als Hilfsmittel zur Reduzierung der Zahl der Überschuldeten?

14. Über welche Gesetze und Kontrollmechanismen verfügt die Bundesregie-
rung, um das Entgleiten von der Verschuldung in die Überschuldung und
damit die Entstehung von Verbraucherinsolvenzen zu verhindern?

15. Welche tatsächlichen Maßnahmen werden derzeit ergriffen bzw. von der
Bundesregierung in welcher Form unterstützt, um Verbraucherinsolvenzen
zu verhindern?

16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Fälle selbstver-
schuldeter privater Insolvenz z. B. durch missbräuchliche oder gar betrüge-
rische Verwendung des eigenen Namens bzw. einer Abwandlung des eige-
nen Namens bei Bestellungen von ratenkreditfinanzierten Waren?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1396

17. Welche Möglichkeiten stehen der Staatsanwaltschaft nach der Strafpro-
zessordnung zur Ermittlung und Verfolgung solcher u. U. betrügerischen
Handlungsweisen zur Verfügung, und welche Befugnisse und Handlungs-
instrumente wären für ein gezielteres und effizienteres Vorgehen vonnöten?

18. Welche Möglichkeiten stehen Unternehmen in technischer Hinsicht zur
Verfügung, um möglicherweise betrügerische Handlungsweisen selbst auf-
zudecken bzw. um die Staatsanwaltschaft darin zu unterstützen?

19. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung vier Jahre nach
Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über die Zahl der so ge-
führten Fälle, ihre Ursachen und ihren Verlauf?

20. Erwartet die Bundesregierung von der geplanten EU-Verbraucherkredit-
richtlinie Auswirkungen im Hinblick darauf, Verbraucherinsolvenzen zu
unterbinden, und wenn ja, durch welche Instrumente einer solchen Richt-
linie sieht sie dies ermöglicht?

21. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen und die
gegenseitige Auswirkung aufeinander des 1999 eingeführten Rechtes auf
Verbraucherinsolvenz und den möglichen Regelungen zur verantwort-
lichen Kreditvergabe in einer Verbraucherkreditrichtlinie?

22. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ursachen
der Insolvenz, und welche Maßnahmen will sie in tatsächlicher und recht-
licher Hinsicht ergreifen?

Berlin, den 1. Juli 2003
Ursula Heinen
Gerda Hasselfeldt
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Albert Deß
Peter Bleser
Gitta Connemann
Georg Girisch
Helmut Heiderich
Uda Carmen Freia Heller
Dr. Peter Jahr
Julia Klöckner
Marlene Mortler
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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