BT-Drucksache 15/1289

Bürgerkrieg in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) als Stabilitätsrisiko für Westafrika

Vom 24. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1289
15. Wahlperiode 24. 06. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn), Dr. Christian Ruck, Dr. Egon
Jüttner, Dr. Ralf Brauksiepe, Hartwig Fischer (Göttingen), Siegfried Helias, Rudolf
Kraus, Sibylle Pfeiffer, Christa Reichard (Dresden), Peter Weiß (Emmendingen),
Rainer Eppelmann, Norbert Geis, Jürgen Klimke und der Fraktion der CDU/CSU

Bürgerkrieg in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) als Stabilitätsrisiko für Westafrika

Im September 2002 brach ein ethnisch, sozial und religiös motivierter Konflikt
in Côte d’Ivoire aus, der nicht nur zu bürgerkriegsähnlichen Auseinanderset-
zungen führte, sondern auch massive Auswirkungen auf die gesamte Küstenre-
gion Westafrikas hatte. Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen
acht Monaten 3 000 Menschen getötet. Schätzungen gehen von bis zu einer
Million Flüchtlingen aus.
Côte d’Ivoire war bis dahin sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Mittel-
punkt der Küste Westafrikas. Das Land war einer der weltweit größten Kakao-
und Kaffeeproduzenten und stand in regen Handelsbeziehungen zu seinen
Nachbarn. Im Gegensatz zu den meisten Staaten Westafrikas wuchs die Wirt-
schaft besonders in den Jahren 1996 bis 1999 um jährlich 5 Prozent. Das Brut-
toinlandsprodukt pro Kopf betrug 2001 1 550 US-Dollar. In Côte d’Ivoire wur-
den 40 Prozent des Bruttosozialproduktes der westafrikanischen Wirtschafts-
und Währungsunion (UEMOA) erwirtschaftet. Das Land war damit der wirt-
schaftliche Motor der Küstenländer Westafrikas. Dramatisch sind die Auswir-
kungen der Krise deshalb nicht nur für die Menschen im Land, sondern auch
für die ganze Region.
Der Bürgerkrieg brach aus, nachdem es zu einem blutigen Machtkampf zwi-
schen der Regierung unter Präsident Laurent Gbagbo und aufständischen
Rebellen im Norden und der Mitte des Landes gekommen war. Zwei weitere
Rebellengruppen schalteten sich im Westen ein. Im Januar 2003 wurde in Paris
ein Friedensabkommen ausgehandelt, das u. a. die Bildung einer Regierung der
nationalen Versöhnung aus bisherigen Regierungsmitgliedern sowie Vertretern
der Rebellen und der Opposition vorsah. Trotz zahlreicher Waffenstillstands-
vereinbarungen kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen Regierung und Rebellen. Am 13. Mai 2003 billigte der Sicherheitsrat
der Vereinten Nationen (VN) einstimmig die Entsendung von 76 unbewaff-
neten Offizieren nach Côte d’Ivoire. Zusammen mit französischen und zusätzli-
chen westafrikanischen Soldaten sollen sie für Sicherheit und Ordnung sorgen.
Insbesondere im Norden und Westen des Landes sind die Menschen stark von
der Krise betroffen, Schulen und Krankenhäuser funktionieren nicht mehr,
Transportwege sind nicht oder nur sehr eingeschränkt zu benutzten, die Wirt-
schaft liegt brach.
Die Zahl der Arbeitslosen im Land und der Region stieg sprunghaft an. Die
Wirtschaftsmetropole Abidjan ist von den ursprünglichen Handels- und Ver-

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kehrswegen abgeschnitten. Dies hat besonders für Mali, Burkina Faso und
Niger ohne eigenen Meereshafen drastische wirtschaftliche Auswirkungen.
Jegliche Form von Handel mit den Nachbarländern, die wirtschaftlich vom Im-
und Export mit Côte d’Ivoire abhängig sind, ist lahmgelegt.
Die wirtschaftliche und politische Bedeutung Côte d’Ivoires in Westafrika
wurde durch den Sitz der Afrikanischen Entwicklungsbank in Abidjan unter-
strichen. Als Reaktion auf die politische Instabilität Côte d’Ivoires verlegte die
Institution Anfang diesen Jahres ihren Hauptsitz nach Tunis/Tunesien.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie ist die Situation der bis heute in der Republik Côte d’Ivoire verbliebe-

nen deutschen Staatsbürger?
2. In welchem Umfang kann die deutsche Botschaft die Arbeit fortführen?
3. Wie steht die Bundesregierung zur militärischen Komponente der VN-Mis-

sion MINUCI?
4. Wie beurteilt die Bundesregierung die zukünftige Rolle und Aufgabe der

VN im Hinblick auf die Krise in der Republik Côte d’Ivoire?
5. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Situation der

im Lande selber und den Nachbarländern der Republik Côte d’Ivoire be-
findlichen Flüchtlinge vor?

6. Wie ist der aktuelle Stand der bilateralen deutschen Entwicklungszusam-
menarbeit mit der Republik Côte d’Ivoire und welche konkreten Maßnah-
men plant die Bundesregierung?
Welchen Einfluss hatte der Ausbruch des Bürgerkriegs auf die Entwick-
lungskooperation anderer bilateraler und multilateraler Geber, insbeson-
dere Frankreichs und der EU?

7. Durch welche Maßnahmen fördert die Bundesregierung die friedliche Bei-
legung des Bürgerkriegs in der Republik Côte d’Ivoire?

8. In welcher Weise sind die in der Republik Côte d’Ivoire vorhandenen Pro-
bleme – insbesondere die Auseinandersetzung um die in der Verfassung
verankerte Ivoirité-Klausel – Gegenstand eines politischen Dialogs zwi-
schen der Regierung der Republik Côte d’Ivoire und der Bundesregierung?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rolle Frankreichs und den französi-
schen Militäreinsatz während des Bürgerkrieges?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorwürfe von Seiten von Politikern aus
der Republik Côte d’Ivoire, Frankreich hätte durch einseitige Parteinahme
im Rahmen seines militärischen Engagements zur Verschärfung der Krise
beigetragen?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verlegung der Afrikanischen Ent-
wicklungsbank von Abidjan nach Tunis?

12. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, inwieweit die am 13. März
2003 neu gebildete Regierung an Menschenrechtsverletzungen beteiligt
war bzw. noch ist, und wenn ja, welche?

13. In welcher Weise thematisiert die Bundesregierung in ihren Kontakten mit
der Regierung der Republik Côte d’Ivoire die Notwendigkeit, die einge-
gangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere die VN-Kinder-
rechtskonvention, einzuhalten, und was unternimmt die Bundesregierung,
um die Regierung in Yamoussoukro davon zu überzeugen, dem Zusatzpro-
tokoll gegen den Einsatz von Kindersoldaten beizutreten?

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14. Inwieweit existierte bzw. existiert eine Abstimmung zwischen den EU-
Partnerstaaten im Hinblick auf das politische bzw. militärische Engage-
ment eines EU-Partnerstaates in der Krise der Republik Côte d’Ivoire?
Hat sich insbesondere die französische Regierung im Hinblick auf ihr dor-
tiges Vorgehen jeweils vorab mit den EU-Partnerstaaten abgestimmt?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rücktrittsforderung des Chefs des
VN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Ruud Lubbers, an den Staatschef
Liberias, Charles Taylor, dem er vorwirft, Rebellentruppen in der Republik
Côte d’Ivoire zu unterstützen (dpa, 19. Mai 2003)?

16. Wie ist die Einschätzung der Bundesregierung zur Rolle von Nachbarstaa-
ten wie insbesondere Burkina Faso oder Liberia im Konflikt in der Repu-
blik Côte d’Ivoire?

17. Inwieweit liegen der Bundesregierung Kenntnisse zur Verwicklung dieser
Nachbarländer sowie der Rebellengruppen in den Diamantenschmuggel
vor?

Berlin, den 24. Juni 2003
Conny Mayer (Baiersbronn)
Dr. Christian Ruck
Dr. Egon Jüttner
Dr. Ralf Brauksiepe
Hartwig Fischer (Göttingen)
Siegfried Helias
Rudolf Kraus
Sibylle Pfeiffer
Christa Reichard (Dresden)
Peter Weiß (Emmendingen)
Rainer Eppelmann
Norbert Geis
Jürgen Klimke
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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